Osterfestival Tirol: im Fluss der Zeit

Zwischen Aschermittwoch (Vorprogramm) und Ostersonntag gehört das Mehrspartenfestival zum Fixpunkt der österreichischen Kunst- und Kulturwelt. Im Zentrum steht das Zeitgenössische, das in der Verbindung von Alter und Neuer Musik, Tanz, Performance, Film sowie außereuropäischer Kunst in Innsbruck und Hall erlebbar wird. Das diesjährige Motto: fließend.

Tanz.Bewegt

Im Fluss sind u.a. die österreichischen Erstaufführungen renommierter internationaler Choreographinnen und Choreographen: Mit Nähe und Distanz spielt Helene Weinzierls Performance Rhythmus & Rausch (24. März). Die Grenzen zwischen Darstellerinnen, Darstellern und Publikum fließen ineinander. In Hear Eyes Move. Dances with Ligeti von Elisabeth Schilling (1. April) beginnen Live-Musik und Tanz neben- und ineinander zu wachsen. Ligetis Études pour piano sind der Ausgangspunkt. Die palästinensische Choreographin und Performerin Samaa Wakim betrachtet in Losing It, wie sich das Aufwachsen im Kriegsgebiet auf ihre Identität auswirkt (4. April). Mit Monument 0.7:M/OTHERS hat Eszter Salamon ein berührendes Werk von Menschlichkeit erschaffen (5. April). In aller Stille entwickelt sich ein langsames, sinnliches Mit- und Ineinanderfließen zweier Generationen, voller Fürsorge und Empathie. Soapéra ist eine verspielte Performance-Installation von Mathilde Monnier über Bewegung und Form (7. April). Zum Abschluss (9. April) befindet sich alles im Fluss. Das Zeitgefühl scheint sich in Set of Sets von Guy Nader und Maria Campos aufzuheben.

Alt.erfunden

Der Bogen in der Alten Musik spannt sich von Passionen über Totenmessen bis hin zu Echos unserer Zeit. Eines der wichtigsten Wunderwerke der westlichen Kirchenmusik, J.S. Bachs Johannes-Passion, wird durch Philippe Herreweghe und sein Collegium Vocale Gent am Palmsonntag erlebbar gemacht (2. April). Jan Dismas Zelenka, ebenbürtiger Zeitgenosse Bachs, verfasste eine Vielzahl an Kompositionen für die Fastenzeit. Václav Luks und sein Collegium 1704 bringen eindrücklich sein De profundis, das Miserere wie auch Lamentationen zu Gehör (6. April). Im Dialog mit dem Hier und Jetzt steht Manuel Cardosos Missa pro defunctis. Mit der Musik des goldenen Zeitalters Portugals beschäftigen sich Cantando Admont wie auch drei Auftragswerke von Beat Furrer, Feliz Anne Reyes Macahis sowie Daniela Terranova. Sie sind Echo, Gegensatz und Ergänzung (8. April).

Neu.erinnert

Die zeitgenössische Musik spielt mit dem wunderbaren Raum des Salzlagers und hebt dadurch teilweise das klassische Konzertformat auf, Grenzen gesprengt. Eine der vielseitigsten Perkussionistinnen unserer Zeit, Vanessa Porter, verbindet aktuelle Werke von u.a. Saunders und Pagh-Paan mit Improvisation und lässt einzigartige Klangräume entstehen (29. März). In das unendliche Universum der Musik unserer Zeit entführt Phace. So spielen Iannottas, Troianis, García-Tómas‘ Werke sowohl mit der Größe des Saals im Salzlager als auch mit den unterschiedlichsten Formen des künstlerischen Ausdrucks und lassen sie nahtlos ineinander übergehen (31. März). Das Ensemble WirkWerk bringt mit seinem frischen Zugang aktuelle Musik von u.a. Hodkinson, Resch, Steen-Andersen näher (3. April).

Lebens.Welten

Auf das Festival einstimmen kann man sich ab Aschermittwoch mit den 40 Orten(22. Februar bis 08. April – täglich außer sonntags) sowie dem OrgelSPIEL (samstags ab 25. Februar). Es werden verschiedenste Einrichtungen besucht und Inseln der Stille und Begegnung mit jungen Musikerinnen und Musikern aus Tirol geschaffen. Weitere Impulse geben Lydia Haider und Julia Goetz (27. März) wie auch die Filme Shoah (26. März), Visages Villages (28. März) und Mustang (30. März).

40 Orte
Mi, 22. Februar bis Sa, 08. April 2023
Täglich außer sonntags – 15 Uhr
Hall, Innsbruck & Umgebung
Freiwillige Spenden

In der Fastenzeit – Aschermittwoch bis Karsamstag – wird täglich (außer sonntags) ein anderer Ort zwischen Wattens, Hall und Innsbruck besucht, um gemeinsam 30 Minuten lang jeweils Inseln des Innehaltens zu erleben. Im Zentrum der kurzen Aktionen um 15 Uhr stehen vor allem Musik und Text, die sich dem Thema fließend widmen. Die Kunst soll Utopie und Harmonie in den rauen Räumen unserer Gesellschaft aufleben lassen. Derzeit kann es immer noch vorkommen, dass Pandemie bedingt Orte in Gesundheitseinrichtungen nicht öffentlich zugänglich sind.

Klangräume
Mi, 29. März 2023
Hall, Salzlager – 20 Uhr

PAGH-PAAN, READ THOMAS (ÖEA), SAUNDERS, SEYEDI (ÖEA)
Vanessa Porter – Perkussion

Eine der vielseitigsten Perkussionistinnen unserer Zeit, Vanessa Porter, verbindet in ihren Auftritten aktuelle Werke mit Improvisation, Elektronik wie auch darstellender Kunst und lässt einzigartige Klangräume entstehen. So auch an diesem Abend, der in Zusammenarbeit mit dem Osterfestival Tirol entstanden ist. Die vier Kompositionen erforschen auf ganz unterschiedlichen Wegen den Raum des Salzlagers. Im Zentrum steht Rebecca SAUNDERS’ Dust. Ein Werk, das sowohl mit dem Gewicht des Klangs als auch der Interpretin spielt und dies fühlbar zu machen versucht. Enchanted Invocation von Augusta READ THOMAS ist wie eine Meditation für Vibraphon und fünf Crotales, in der die „flüssigen“ Harmonien des Instruments verschwimmen und sich langsam auflösen. Auf anderen Fährten bewegt sich Younghi PAGH-PAAN. In Ta-Ryong IV nimmt sie archaisch-rhythmische Elemente der koreanischen Volksmusik auf. Zu ihren Schülerinnen gehört Elnaz SEYEDI. Glasfluss spielt mit Gegensätzen, mit dem Verwandeln und Auflösen von dominanten Klängen. Ein Abend, der Räume öffnet.

ins Innere

Fr, 31. März 2023
Hall, Salzlager – 20 Uhr

GARCÍA-TOMÁS (ÖEA), IANNOTTA, NEMTSOV, TRIOANI u.a.
Phace

In das unendliche Universum der Musik unserer Zeit entführen uns die Musikerinnen und Musiker von Phace. Sie spielen sowohl mit den Weiten des großen Saals im Salzlager als auch mit den unterschiedlichsten Formen des künstlerischen Ausdrucks und lassen sie nahtlos ineinander übergehen, beginnend bei Sarah NEMTSOVs Seven Colours. Als Hommage an ihre verstorbene Mutter, die Malerin Elisabeth Naomi Reuter, werden Farben über Klänge erfahrbar gemacht. Diese akustischen Bilder gehen in Lorenzo TROIANIs La voce delle conchiglie über. Er lässt das Innere der Muscheln nach außen strahlen. Raquel GARCÍA-TOMÁS löst ihn mit ihrem frischen Zugang zu Bild und Ton in Estudio Sonomecánico no. 1 – Tiempo Suspendido ab. Dem gegenüber steht Ondrej ADAMEKs Chamber Noise, eine Verbeugung vor dem japanischen Nô-Theater. Katharina ROSENBERGERs blur verlässt die klaren Formen, sie arbeitet mit verwischten Konturen, lässt Kanten und Umrisse verschwimmen. Einen Kontrapunkt bildet Clara IANNOTTAs Vertonung von Peter TSCHERKASSYs Outer Space: nicht nur die Musik sondern auch die Ausführenden werden Teil des Films. End- und Ruhepunkt ist Sarah NEMTSOVs Schwelle. Sie bearbeitet und fragmentiert den Bach-Choral Komm o Tod, du Schlafes Bruder und schließt damit den Kreis. Ein einmaliger Abend, der mit und für das Festival geschaffen wurde.

Tanz: Hear Eyes Move. Dances with Ligeti (2021, ÖEA)

Sa, 01. April 2023
Innsbruck, Congress (Dogana) – 20 Uhr

Compagnie Making Dances
Choreographie: Elisabeth Schilling
Musik: György Ligeti
Mit Elisabeth Christine Holth, Piera Jovic, Brian Ca, Valentin Goniot, Natalia Gabrielczyk, Cree Barnett-Williams
Cathy Krier – Klavier

2023 wäre György LIGETI 100 Jahre alt geworden. Sein Schaffen hat unsere Arbeit stark geprägt. Als Komponist, Lehrer und Freund besuchte er immer wieder Hall in Tirol. Seine Musik ist bis heute Inspirationsquelle für Künstlerinnen und Künstler, so auch für Elisabeth Schilling. In Hear Eyes Move. Dances with Ligeti nimmt sie uns auf eine eindrückliche Reise mit. Ligetis Études pour piano sind der Ausgangspunkt, sie werden von Cathy Krier live interpretiert. Musik und Tanz beginnen neben- und ineinander zu wachsen: Zusammenhängende Formen, die – ohne einander zu dominieren – ein Tanzkonzert und einen Konzerttanz voller fesselnder Bilder hervorbringen. Vielleicht können wir sogar hören, wie sich unsere Augen bewegen?

Lauf der Dinge

Mo, 03. April 2023
Hall, Salzlager – 20 Uhr

BAUCKHOLT, HODKINSON, RESCH, STEEN-ANDERSEN u.a.
Ensemble WirkWerk

Das Ensemble WirkWerk hat mit Lauf der Dinge ein Projekt für das Osterfestival Tirol ersonnen, das uns allen aktuelle Musik von österreichischen sowie internationalen Komponistinnen und Komponisten näherbringt. Während die Werke von Simon STEEN-ANDERSEN und Theo LOEVENDIE die visuellen Aspekte von Synchronizität und choreographischen Bewegungen untersuchen, sind es zutiefst menschliche Themen wie Eheleben oder Muttersein, welche von Manuela KERER und Juliana HODKINSON augenzwinkernd kommentiert werden. Gerald RESCH und Carola BAUCKHOLT fühlen dem Pulsschlag der Natur nach und machen zwitschernde Vögel sowie mäandernde Wellen zum Ausgangspunkt ihrer Werke. Die jungen Tiroler und Südtiroler Musikerinnen und Musiker des Ensembles WirkWerk brechen mit konventionellen Hörgewohnheiten und spannen einen abwechslungsreichen Bogen zwischen Tiefsinn und Humor.

WirkWerk ist immer wieder zu Gast beim Osterfestival Tirol. Der offene Zugang zum Format des Konzerts soll die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts einem größeren Publikum zugänglich machen. Es entsteht ein Gesamterlebnis, das auch den Aufführungsort als wichtigen Teil des Abends in Szene setzt.

Ewiges Licht

Karsamstag, 08. April 2023
Hall, Salzlager – 20 Uhr

CARDOSO (17. Jh.), FURRER (UA), REYES-MACAHIS (UA), TERRANOVA (UA)
Cantando Admont

Ltg: Cordula Bürgi In das goldene Zeitalter (Idade de Ouro) der Musik Portugals führt uns Cantando Admont. 1580 erbte der Habsburger Philipp II. von Spanien die portugiesische Krone und ließ mit Komponisten wie Pedro de Cristo (um 1550-1618), Duarte Lôbo (um 1565-1646), Filipe de Magalhães (um 1571-1652) und Manuel CARDOSO (1566-1650) die Kunst aufblühen. Heute sind sie kaum mehr ein Begriff. CARDOSO verband in seinen Werken alte und neue Stilelemente zu einem persönlichen und ausdrucksstarken Stil; erhalten blieben fünf Bände mit geistlicher A-cappella-Musik. Auftragswerke von Daniela TERRANOVA, Feliz Anne REYES-MACAHIS sowie Beat FURRER fließen in Manuel CARDOSOs Missa pro defunctis ein. Sie sind Echo, Gegensatz und Ergänzung. Ausgehend von CARDOSOs Totenmesse betrachten die Uraufführungen das ewige Lichtund die Passionim 21. Jahrhundert.

Link:
Osterfestival Tirol