Oper unterwegs: Olga Neuwirth fährt Zug, aber: Undine geht.

Am Freitag ist die Premiere, am Sonntag, 31.5. und Montag, auch noch zweimal am Dienstag Nachmittag fährt in Heiligenstadt jeweils eine Dreiviertelstunde vor der vollen der der historische Opernaufführungszug TW 4030.210 von “Undine geht”, einer durchaus neuwertigen Oper, ab. Danach könnte man in Nussdorf zum Heurigen gehen. Vielleicht ist Undine dorthin hingegangen? 2009 gründete sich die OPER UNTERWEGS, die in öffentlichen Räumen spielt und den Menschen als urbanes Wesen zum Thema hat. Dabei betrachtet sie die zeitgenössische Musik als ihr genuines Ausdrucksmittel.

Helga Utz in der Vorankündigung: “Der Text von Ingeborg Bachmann und die Musik von Olga Neuwirth, die für diese Aufführungen einen Kompositionsauftrag erhalten hat, bilden ein integratives Ganzes, das sich dem FAHREN unterordnet. Undine als Inbegriff des unbehausten Wesens, das sich sehnt und fordert und leer ausgeht, gerufen wird, im Leben der Männer eindringt, einsteigt, ein Stück Weges mitgenommen wird und wieder weggehen muss, als Thema für eine ungewöhnliche Reise.

 

Gespielt wird in einer Garnitur der S-Bahn aus den Sechzigerjahren, die von Heiligenstadt aus zunächst die historische Trasse der Verbindungsbahn von Otto Wagner befährt, die ursprünglich Franz Joseph ermöglichen sollte, seine Truppen rasch zusammenzuziehen. Vorbei ziehen Luftbadeanstalt, Friedhof, Gründerzeithäuser und Industrieanlagen, die alten Jugendstilbahnhöfe, bis Penzing. Dort nimmt der Zug einen vom Publikum noch nie befahrenen Weg: Es geht nach Speising, über die stillgelegten Bahnhöfe Maxing und Oberlaa nach Kledering, dem großen Verschiebebahnhof, wo sich 56 Gleise nebeneinander befinden. Durch die Erdberger Lände und die Praterauen fährt man schließlich die historische Donauuferbahn entlang, die sonst nur für Güterverkehr freigegeben ist, zurück bis Heiligenstadt.

 

Bachmanns berühmte Erzählung von 1961 ist erstaunlich akut, der Text schmerzt und fordert unbeirrt. Bachmann lässt keine emotionalen Nachsichtigkeiten durch, sie zwingt zu einer Haltung. In diesem Sinne ist der Text historisch, denn Moral und Haltung gelten als obsolet.” (Helga Utz).

 

Bachmanns “Undine geht”

 

ist eine Art Kurzgeschichte, die aus dem üblichen Rahmen fällt, die nichts mehr gemein hat mit dem allseits bekannten Märchen von Friedrich de la Motte Fouqué. Allein der Titel “Undine geht” verrät, dass Undine in diesem Zusammenhang alles andere ist als die kleine, süße und in Liebe entbrannte Meerjungfrau, die ihr Leben opfert für ihren tapferen und zugleich lebensbedrohten Prinzen, ihren Traumprinzen, den sie am Ende aber doch verliert.

 

Undine ist bei Ingeborg Bachmann eine geistige und selbständige Muse, die die Männer versteht, zu der sie sich hingezogen fühlen. In ihrer Kurzgeschichte rechnet eben diese andere Undine mit den Männern, die in dem Text entweder “Ungeheuer”, “Monster” oder einfach nur “Hans” heißen ab.  (“Das hat mich zum Staunen gebracht, daß ihr euren Frauen Geld gebt zum Einkaufen und für die Kleider und für die Sommerreise, da ladet ihr sie ein (ladet sie ein, zahlt, es versteht sich). Ihr kauft und laßt euch kaufen. Über euch muß ich lachen und staunen, Hans, Hans, über euch kleine Studenten und brave Arbeiter, die ihr euch Frauen nehmt zum Mitarbeiten, da arbeitet ihr beide, jeder wird klüger an einer anderen Fakultät, jeder kommt voran in einer anderen Fabrik, da strengt ihr euch an , legt das Geld zusammen und spannt euch vor die Zukunft.”)

 

Ingeborg Bachmann verleiht ihrer Heldin allerdings nicht nur die Stärke und die Selbständigkeit, die sonst nur Männern zugesprochen wird, sondern unterwirft Undine auch einem Zwang. Dem Zwang die Männer lieben zu müssen. Sie muß aus dem Meer auftauchen, Hans rufen, die Männer locken und besitzen, um sie schließlich zurückzulassen. Dann erneut auftauchen und rufen und lieben und verlassen. So fällt sie einerseits ein vernichtendes Urteil über die “Ungeheuer”, ohne die sie aber andererseits nicht lebensfähig ist. (nach einer Website über Ingeborg Bachmann).

“Oper unterwegs” möchte öffentliche Räume bespielen: “Die vorgefundenen Räume werden nicht ‘dekoriert’, es gibt keine Kulissen, sondern das theatrale Moment eines Raumes wird durch unsere Aufführung erfasst und verstärkt.” In Planung sind “Récitations” von Georges Aperghis sowie eine Tinnitus-Oper: “Das Ohr hört nichtvorhandene Töne – ein eindringliches ‘Bild’ für die Überforderung durch Information.”  / hr

Olga Neuwirth – Undine geht

Text INGEBORG BACHMANN
Idee, Inszenierung & Logistik HELGA UTZ
Ton-Einspielungen OLGA NEUWIRTH
Ausstattung THOMAS UNTHAN
Sprachregie JAN KONIECZNY
Tonmeister JÖRG BEHRENS
Konzeptionelle Mitarbeit AGNES BURGHARDT / BARTHOLOMÄUS
KLEPPEK / FALKO NICKEL / ANDREAS TIEDEMANN / MARCO TÖLZER
Presse VERENA ASCHAUER / VERENA BIERL

 

mit JAN KONIECZNY / JESSICA RUST / JOHANNA DIEKMEYER /
JOSEPHINE FABIAN / MARTIN HEMMER / FELIX JEITER / SUSANNE LITSCHAUER / EVA SAKALOVA (Schauspiel)
WALTHER SOYKA (Akkordeon) und andere

 

eine Produktion der OPER UNTERWEGS in Zusammenarbeit mit den ÖBB

 

Freitag 29. Mai, 18:45 Uhr (Premiere)

 

Sonntag 31. Mai, 13:45 Uhr
Sonntag 31. Mai, 15:45 Uhr
Sonntag 31. Mai, 17:45 Uhr
Sonntag 31. Mai, 19:45 Uhr

 

Montag, 1. Juni,  13:45 Uhr
Montag, 1. Juni,  15:45 Uhr
Montag, 1. Juni,  17:45 Uhr
Montag, 1. Juni,  19:45 Uhr

 

Dienstag, 2. Juni, 13:45 Uhr
Dienstag, 2. Juni, 19:45 Uhr (letzte Vorstellung)