open music: Programmüberblick 2013

Musik mit hohem Entdeckungspotential wie auch zeitlos gültige Klassiker, auf alle Fälle zukunftsrelevante “heutige” Musik zwischen Jazz, Improvisation, Neuer Musik, Elektronik … und anderem Zeitgenössischem steht auch im Frühjahr am Programm von „open music“.

Mit dem jungen belgischen Ensemble Nadar, das ein Programm rund um akustische und visuelle Korrelationen mit überaus spannenden, bereits international erfolgreichen Jungkomponisten wie Stefan Prins, Simon Steen-Andersen oder Matthias Kranebitter präsentiert, eröffnet die Saison, ein weiteres junges Ensemble, zone expérimentale basel, beendet sie mit einem Doppelporträt von Peter Ablinger und Tom Johnson, zweier Exponenten individuell unabhängigen Musikschaffens. Dazwischen interpretieren und improvisieren Top-Interpreten wie das Xasax-Saxophonquartett oder Tutoren der impuls Akademie, sind Legenden wie Barry Guy oder Paul Lytton, Marilyn Crispell, Agustí Fernández und Gerry Hemingway dabei, Musik jenseits festgefahrener Genregrenzen ausgeloten und lässt Swedish Azz Legenden der 50er und 60er Jahre in neuem Klanggewande erstehen …

1.) open music presents: Samstag, 12. Jänner 2013, 20.00, Forum Stadtpark, Graz
Nadar Ensemble (AT, DE, DK, BE): „Doppelgänger“
Elisa Medinilla: keyboard, game controller, balloon
Pieter Matthynssens: cello
Dries Tack: clarinet, game controller, balloon
Yves Goemaere: percussion, balloon
Stefan Prins: live-electronics, amplification

Programm:
Michael Maierhof: Shopping 4, for 3 players (2005/06)
Simon Steen-Andersen: Study for string instrument #3, for cello and video (2011)
Serge Verstockt: A la Recherche de Temps, for clarinet, audio and video playback (2005)
Matthias Kranebitter: Top 10 (Form als Neurose) (2012)
Stefan Prins: Generation Kill – offspring 1, for cello, percussion, 2 gamecontroller performers, 2 videoprojections and live electronics (2012)

In seinem Programm “Doppelgänger” fokusiert das belgische Ensemble “Nadar” auf akustische und visuelle “Verdoppelungen”, auf Korrelationen zwischen den Hör- und Sehebenen und ihren Einfluss auf die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Publikums. Ein Video-Konzert, bei dem Klang und Bild eine ebenbürtige Rolle spielen … Das 2006 gegründete Ensemble wird mit diesem Programm einmal mehr seinem Namen gerecht, der sich da auf das Pseudonym von Gaspard-Félix Tournachon (1820-1910) bezieht, einem multidisziplinär agierenden Fotografen, Künstler, Kunstkritiker, Karikaturisten, Salonbetreiber … und auch abenteuerlustigen Ballonfahrer. Und so kommen bei Michael Maierhofs Stücks „Shopping 4“ doch tatsächlich auch 3 präparierte Ballons zum Einsatz, überlappen sich in Steen-Andersens „Study for String instrument #3” Abbild und Abgebildeter, während sich bei Serge Verstockts “A la Recherche de Temps“ vielfach geschichtete Aufnahme eines Stücks mit der Live-Performance mischen. Michael Beil wiederum spiegelt Image und Musik in „Mach Sieben“, ein musikalisches Palindrom, das gleichzeitig vorwärts und rückwärts gehört und gesehen werden kann. Einen ebenfalls strangen Mix zwischen Wirklichkeit und virtuellen Welten liefert Stefan Prins mit „Generation Kill – offspring 1“, ein Stück, das auf die akustischen und visuellen Aspekte von Videogames, Krieg und Überwachungskameras im öffentlichen und privaten Raum Bezug nimmt. Last but not least ein neues speziell für Nadar geschriebenes Werk des österreichischen Komponisten Matthias Kranebitter, das in seiner Thematisierung des sound fetish in der zeitgenössischen Musik auch auf found footage zurück greift.

2.) open music presents: Montag 11. Februar 2013, 20.00, Großer Minoritensaal, Graz
… – Solos – Duos – Trios – … (AT, CH, DE, FR, NL, UK, USA)
Annette Bik: Violine / Christian Dierstein: Perkussion / Bill Forman: Trompete / Eva Furrer: Flöte / Uli Fussenegger: Kontrabass / Frank Gratkowski: Saxophon, Klarinette / Petra Hoffmann: Stimme / Ernst Kovacic: Violine / Andreas Lindenbaum: Violoncello / Lars Mlekusch: Saxophon / Ernesto Molinari: Klarinette / Ian Pace: Klavier / Dimitrios Polisoidis: Viola / Ernest Rombout: Oboe / Krassimir Sterev: Akkordeon / Mike Svoboda: Posaune / Manon-Liu Winter: Klavier

Programm u.a.:
Georges Aperghis: aus: Monomanies, für Stimme solo (1991)
Pierluigi Billone: Gonxha, für 2 tibetanische Klangschalen (2011)
Beat Furrer: IRA ARCA, für Bassflöte und Kontrabass (2012)
Beat Furrer: Spur, für Streichquartett und Klavier (1998)
Bernhard Gander: fluc ‘n’ flex, für Akkordeon (2007)
Mauricio Kagel: Morceau de Concour, für Trompete
Slobodan Kajkut: Glue Sniffer, für E-Viola (2010)
György Kurtág: Hommage à Elliot Carter, für Oboe (1. Capriccio, 2. Arioso)
Isang Yun: Ost-West-Miniatur II, für Oboe und Cello (1994)
sowie Improvisationen von u.a. Manon-Liu Winter und Frank Gratkowski

17 Top-Interpreten zeitgenössischer Musik – als Dozenten auch bei der impuls Akademie 2013 in Graz tätig, international renommiert und eng mit ebenso arrivierten Komponisten der Gegenwart verbunden – sind auch heuer wieder bei „open music“ zu Gast. Mit Solos und Duos … und in Quintettformation, mit komponierter und auch improvisierter Musik werden von ihnen singuläre und gleichsam dialogische Positionen zeitgenössischer Komposition und Interpretation wie auch improvisatorischer Kommunikation an diesem Abend zusammengeführt. Auch einige der aufgeführten Komponisten werden dabei anwesend sein …

3.) open music presents: Samstag, 2. März 2013, 20.00, Großer Minoritensaal, Graz
XASAX (CH, FR; CH, GB, GR, I, USA):
Serge Bertocchi, Jean-Michel Goury, Pierre-Stéphane Meugé, Marcus Weiss: Saxophone

Programm:
Elliott Sharp: approaching the arches of corti (1997)
Alex Buess: ATA 9 (1999)
Iannis Xenakis: XAS (1987)
Ivan Fedele: Magic (1985)
Barry Guy: aus: Mobile Herbarium (1992)
sowie Improvisationen

Unter dem Namen XASAX (mit dem sie Iannis Xenakis´ „XAS“ eine doppelte Referenz erweisen) haben sich 1992 die drei französischen Saxophonisten Serge Bertocchi, Jean-Michel Goury, Pierre-Stéphane Meugé und der Schweizer Marcus Weiss zu einem Saxophon-Ensemble der besonderen Art zusammengetan. Ihre Erfahrungen als Solisten und Kammermusiker und ihre Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik sollten in die Entwicklung eines neuen Repertoires für Saxophone einfließen. Diese neue Musik spielen die vier Interpreten nicht nur auf höchstem Niveau, sondern auch mit einer Spiellust, wie man ihr selten begegnet. So wurden für XASAX im Laufe der letzten 20 Jahre viele Duos, Trios und Quartette geschrieben. Im Gegensatz zum traditionellen Saxophonquartett sind die Besetzungen gemischt, so dass sich z.B. auch Werke für vier gleiche Saxophone in ihrem Repertoire finden. Neben Werken von Cage, Xenakis, Donatoni, Scelsi, Wolpe, Aperghis, Berio, Carter, Dufourt, Essl, Globokar, Maderna, Netti, Pousseur, Rzewski, Schönberg, Stockhausen, Sciarrino und vieler anderer spielt das Ensemble auch vermehrt Kompositionen avancierter Jazzmusiker wie etwa Elliott Sharp, Alex Buess, Barry Guy oder John Zorn. Für „open music“ wird der Horizont noch um Improvisationen erweitert und neue Fäden zwischen scheinbar fremden Positionen gezogen werden.

4.) open music presents: Donnerstag, 14.3.2013, 20.00, Orpheum Extra, Graz
TOPOS Trio (CH, GB, ES):
Agustí Fernández: piano
Barry Guy: bass
Paul Lytton: drums

Mit Barry Guy und Paul Lytton beehren zwei legendäre, seit Jahrzehnten miteinander verbundene britische Großmeister der hohen Improvisationskunst Graz und verbinden sich mit dem katalanischen Tastengenie Agustí Fernández, einer weiteren singulären Stimme der Avantgarde, zum TOPOS Trio. Fernández ist ihnen dabei kein Unbekannter: Spielt er doch mit beiden etwa auch in Barry Guys New Orchestra und wird von ihnen als Virtuose und vollendeter Stilist, der da im Free Jazz ebenso wie in der Neuen Musik beheimatet ist, wertgeschätzt. Und so begegneten sie sich auch 2006, einen Tag, nachdem das Trio Parker/Guy/Lytton in Barcelona ihre CD „Zafiro“ eingespielt hatte, um eine weitere als Quartett zu produzieren und sie mit „TOPOS“ (griech. für der Ort) zu benennen. „Die Chemie wechselt zu einer beinahe mikroskopischen Welt von fließenden Farben und Dichte, die von Agustí Fernández´ merkurischer Artikulation der Tasten und Saiten im Flügel inspiriert sind. Die neun Stücke auf TOPOS sind gleichermaßen kurze Essays von kontrollierter instrumentaler Integration und blitzschnellen Reaktionen auf die Nuancen der wechselnden Texturen. Vier engagierte Musiker, die ihre Entdeckungs- und Erfindungsreise fortsetzen.“ (Maya Records) Auf Einladung von „open music“ finden nunmehr Guy, Lytton und Fernández als Trio wieder zusammen. Eine wahrlich rare Gelegenheit und Grazpremiere, die man nicht versäumen sollte!

5.) open music presents: Sonntag 7.4. 2013, 20.00, Orpheum Extra, Graz
Swedish Azz (AT, SE)
Mats Gustafsson: saxophones and live-electronics
Per-Åke Holmlander: tuba, cimbasso
Kjell Nordeson: vibraphone
dieb13: turntables and electronics
Erik Carlsson: drums

Swedish Azz wurde 2009 von Mats Gustafsson und Per Åke Holmlander ins Leben gerufen. Die Gruppe besteht aus fünf europäischen Improvisatoren (unter ihnen auch der österreichische Elektroniker und Turntablist Dieter Kovacic, alias dieb13), die da allesamt Gustostücke des Schwedischen Jazz der 50er und 60 er Jahre nicht nur schätzen, sondern auch auf ihre Art und Weise selbst zum Besten zu geben verstehen. Das Goldene Zeitalter des Schwedischen Jazz war in den Mittfünfzigern geprägt von Persönlichkeiten, die ihre Inspiration in erster Linie vom American West Coast Jazz bezogen, diesen aber auch unter Einbeziehung traditioneller Schwedischer Volksmusik in ihre eigene Sprache mit spezifischen Färbungen übersetzten. Lars Gullin, Jan Johansson, Bernt Rosengren, Georg Riedel, Lars Werner, Berndt Egerbladh und später Per Henrik Wallin waren Teil dieser Bewegung, der Swedish Azz seine Referenz erweist. Und so begibt sich die Gruppe auf die Spurensuche dieser wunderbaren Musik mit oftmals stark lyrischen Momenten und Melodien, um sie sodann auch unter Einbeziehung von Live-Elektronik, freier Improvisation und mit experimentellem Impetus in eine zeitgenössische Klangsprache und Struktur überzuführen.

6.) open music presents: Dienstag, 7. Mai 2013, 20.00, Orpheum, Graz
Marilyn Crispell & Gerry Hemingway (USA)
Marilyn Crispell: piano
Gerry Hemingway: drums

Ihre musikalische Partnerschaft reicht bis ins Jahr 1984 zurück. Als Mitglieder des Anthony Braxton Quartets waren Crispell und Hemingway (wie auch Mark Dresser) bis in die frühen 90er Jahre maßgeblich mit der Entwicklungsgeschichte von Braxtons Musik verbunden, die sie da etwa mittels modularer formaler Strukturen und anderer Strategien in Richtung unabhängige Kreativität gehen ließ. Nach der Auflösung des Quartetts erweiterten beide ihren musikalischen Radius in unterschiedlichsten Formationen und auch mit anderen Partnern: So gelangte Crispell zu Ruhm im Trio mit Garry Peacock und Paul Motion, zeigte Brillianz im Barry Guy – Marilyn Crispell – Paul Lytton Trio, so spielte Hemingway mit Oliver Lake, Jeanne Lee, Cecil Taylor, Don Byron, mit eigenen Quartett- und Quintett-Formationen u.a.m. Dennoch blieb die große künstlerische Nähe und Wahlverwandtschaft zwischen Crispell und Hemingway über Jahrzehnte bestehen, folgte 2011, fast zwanzig Jahre nach ihrer ersten Duo-Einspielung auf dem Knitting Factory Label 1992, nunmehr auf Intakt „Affinities“. Bill Shoemaker zu dieser Einspielung: „Sie transzendieren die Konventionen heutiger Improvisatiton, spielen mit thematischen Vorlagen und ohne Vorgaben – als wären sie Zwillinge.“

7.) open music presents: 14. Mai 2013, 20.00, Großer Minoritensaal, Graz
Doppel-Portraikonzert “Peter Ablinger/Tom Johnson”
zone expérimentale basel: Céline Wasmer: Sopran / Wiktor Kociuban: Violoncello / Lukas Rickli: Klavier / Kirill Zwegintsow: Klavier / Julien Mégroz: Schlagzeug / Estelle Costanzo: Harfe / Sofia Ahjoniemi: Akkordeon / Olivia Steimel: Akkordeon / Mirka Šcepanovic: Violine / Franziska Fleischhandl: Hackbrett / Flavio Virzi: Gitarre / Dana Barak: Klarinette / Anja Brezavscek: Flöte / Szu-yu Chen: Flöte / Kevin Juillerat: Saxophone / Jonas Tschanz: Saxophone / AnnaBelmonte: Saxophone

zone expérimentale
– Ensemble des Masterstudiengangs für Zeitgenössische Musik an der Musikhochschule Basel/Schweiz ist eine Gruppe von Studenten, die sich gleichermaßen als außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeiten wie virtuose Spieler auszeichnen. zone expérimentale ist kein klassisches Ensemble, sondern stellt einen Rahmen für Entdeckungen dar – für die Spieler wie auch das Publikum. Der Fokus liegt dabei auf dem Entdecken von unterschiedlichen Möglichkeiten musikalischen Ausdrucks in zeitgenössischer Musik, aber auch von Werken der Mütter und Väter unserer heutigen Musik. So wechseln sich Kammermusikprogramme mit Installationen oder auch improvisatorischen Arbeiten ab. Die Programme der Gruppe sind weit gefächert und spannen den Bogen von Einzelwerken hin zu größer angelegten Ensemblestücken von bis zu 16 Spielern. Für das Programm in Graz bei „open music“ lässt zone expérimentale mit Peter Ablinger und Tom Johnson zwei Exponenten individuell unabhängigen Musikschaffens aufeinander treffen

Foto Marilyn Crispell: Claire Stefani