Weg vom Blues, hin zum Wienerlied: Norbert Schneider hat einen musikalisch neuen Pfad eingeschlagen. Dass die zwei Genres aber erstaunlich viel gemeinsam haben, wenn es um die Stimmung geht, zeigt er auf seinem neuen Album „Schau ma mal“. Zu den musikalischen Veränderungen gesellt sich das Faktum, dass Schneider zum ersten Mal auf Deutsch singt.
Trotz der anfänglichen Skepsis gegenüber deutschen Texten, hatte sich der niederösterreichische Musiker schon sein Lebtag für Musik, später dann besonders für den Blues interessiert. Diesem frönte er einige Jahre, und wurde für sein Tun mit dem Vienna Blues Award belohnt. 2010 nahm er an dem Ö3-Soundcheck Teil, den er mit einer Neuversion des Reggae Songs „Take it Easy“ gewann.
Obwohl er ja die Jahre zuvor genauso als Musiker tätig gewesen war, kann man diesen Wettbewerb als seinen Durchbruch zur breiten Masse werten. Darauf folgten große Auftritte, mehrere Alben und der Austrian Newcomer Award 2011. War er bis zuletzt seinem Lieblingsgenre Blues treu, zieht er auf „Schau ma mal“ neue Saiten auf. Natürlich hört man bei seinen selbstgeschriebenen Songs den Einfluss bluesiger Gitarren, swingender Klaviermelodien und des rhythmischen Kontrabass. Aber auch seine Neuinterpretationen der Lieder von Horst Chmela oder Karl Hodina haben seinen Stempel aufgedrückt bekommen.
„Ana hat immer des Bummerl“ ist im Original ein langsames, Akkordeon getragenes Wienerlied von Horst Chmela. Schneider motzt die Partie gehörig mit einer verspielten Bluesgitarre und einer flotteren Vocalmelodie auf. Besonders nett ist der Gastauftritt von Chmela, der für sein Alter noch eine erstaunlich feste Stimme hat.
Bei „Ollas leiwaund“ von Georg Danzer rückt der Rock’n’Roll in den Vordergrund, der zwar im Original schon angedeutet wurde, aber durch den 1970er Vibe ein wenig verdrängt worden war. Trotzdem ist es kein Rock’n’Roll im Sinne von „Grease“ und fliegenden Petticoats, sondern die gemäßigte Variante mit einem fröhlichen Saxophon und unterschwelligem Country-Touch.
Besonderes Highlight der „Gasttracks“ ist jedoch Karl Hodinas „Mir hams mein Schrebergarten gnommen“. Der Text von Wienerlieder-Schreiber Walter Pissecker ist an sich schon witzig genug, um über etwaige musikalische Pleiten hinüber zu winken, aber der langsame Swing und Schneiders sanfte, leicht wehleidige Stimme verstärken die Wirkung des Textes zusätzlich.
Diese leichte Wehleidigkeit, die oft in ein Gefühl des Laissez-Faire und der „Wurschtigkeit“ umschwenkt, zieht sich auch durch seine eigenen Texte. Diese sind einfach in ihrer Struktur, aber pointiert. Er selber ist ein Fan von „einfachen Worten, die die große Welt umschreiben“, und genauso setzt er es in seinen Lyrics um. Es geht um die Liebe und Alltagsgeschichten, gewürzt mit einer Prise der typisch österreichischen, humoristischen Annäherung an Gott und Philosophie.
Als besonders gelungenes Gesamtpaket sticht „Schau ned so zwider“ hervor. Der Text hat lautmalerisch am meisten herzugeben, vor allem weil Schneider sein schönstes Wienerisch auspackt. Seine Stimme setzt er vielseitig ein, und lässt sich von einem Chor unterstützen. Die Musik ist mitreißend, und trotz der klassisch jazzigen Instrumentierung frisch.
Textlich besonders witzig ist „Bummeln und nix kaufen“. „Servas Du oida Botschn, in Di wird jeden Tag eingehupft“, ist nur eine der liebevollen Bekundungen männlicher Leidensgenossenschaft. Musikalisch ist man hier dem oben genannten „Scha ned so zwider“ ähnlich, doch Schneiders Stimme ist ungleich tiefer.
„Schau ma mal“ ist ein von vorne bis hinten durchdachtes und perfekt produziertes Album. Man hört, dass der niederösterreichische Bluesmusiker nur mit den Besten zusammengearbeitet hat. Auf der einen Seite garantiert dies den sicheren Ablauf der ganzen Platte, auf der anderen Seite kommen manche Lieder beim ersten Hören ein wenig steril daher. Trotzdem ist es bewundernswert, wie gut Schneider seinen musikalischen Umschwung meistert, was wiederum für einen absolut professionellen Musiker spricht.
Anne-Marie Darok
Foto: Peter Berger