NORBERT SCHNEIDER – „Entspannt bis auf die Knochen“

Was dem Yogi das tägliche „Om“, ist dem g‘standenen Wiener der Dialekt-Blues. NORBERT SCHNEIDER, Experte auf diesem Gebiet und Amadeus-Preisträger 2014, präsentiert eine Scheibe seines Entspannungsgeheimnisses fabelhaft in Wort und musikalisch fett ausgebaut in großen Arrangements.

Neben seinen Bandkollegen Philip Pflamitzer (Schlagzeug), Gregor Kutschera (Bass) und Hannes Kasehs (Gitarre, Backvox) findet man auf der brandneuen CD des Geburtswieners ein halbes Telefonbuch an MusikerInnen, die seine Mundartsongs sehr gefällig einbetten. Abseits von Blues greift er dabei – grob gesprochen – in Genretöpfe wie Ska, Swing und Country und bietet so ein kurzweiliges Time- und Stile-Potpourri für seine ZuhörerInnen.

Nach den Erfolgen Schneiders als Vorgruppe von Pink, One Republic und Simply Red turtelt er musikalisch nun auch mit dem Musikverein Prottes herum (Niederösterreich) und konnte sie für ein Feature im Track „Immer sche drau bleibn“ gewinnen, eine amüsant ver- und  gut gespielte Nummer, die den Popo wackeln lässt.

„Zruck auf da Pistn“

Statt zu reden, möchte der Herr Schneider singen, aber vor allem ein bisschen mehr „Action“, und nicht nur beim Thema „Aufreißen“ legt er sein ganzes Herz auf seine Zunge. Das neue Album selbst alleine auf den Markt zu bringen, erscheint dem Musiker dabei zu wenig. Gleich beim Eingangstitel des Tonträgers outet sich der Künstler selbstbewusst mehr oder weniger als Frischfleisch am Beziehungsmarkt und denkt laut über seine persönlichen Schwächen nach, ohne dabei seine Stärken unerwähnt zu lassen.

Ob sich die Damenwelt bereits reihenweise vor seiner Haustür anstellt, das weiß nur der Abendwind oder Facebook. Der Song „Die Weiber stengan Schlange“ jedenfalls scheint wenig autobiografisch. Der darin beschriebene Glückspilz ist zwar ebenso ein Charmebolzen, allerdings ein mit wenig Attraktivität gesegneter. In „Ohne mi“ hingegen beschreibt er sich selbst ironisch als ekstatisch, vereinzelt „stingat“ (dt. grantig), aber nie verbittert oder gar fad.

„I hob di gern, Wean“

Mit diesem kleinen, feinen Lippenbekenntnis eröffnet der Gitarrist und Sänger den Reigen der Liebes- und anderer Schmerzenslieder. „Mann“ singt dabei offenen Herzens über menschliche Bedürfnisse wie dem nach simplem Hautkontakt (in Wien das berühmte „Bussi-Bussi“, dem keiner auskommt) und über die Sehnsucht nach ein bisschen Geborgensein in Sesshaftigkeit. Durch das Tal der Erfahrung, welche Bedeutung ein Mensch für einen haben kann, ist dieser erst verloren, musste wohl auch Schneider und interpretiert das alte Lied dieser bitteren Erkenntnis in seinen individuellen, sehr persönlichen Worten. „Wos du mit mir mochst“ – so würden vielleicht ein Wiener Roger Cicero oder Worte eines Frank Ramonds klingen, nicht nur durch die Art des Bigband-Arrangements dieser Ballade mit Inwendigkeitsfaktor 12.

Und wenn wir schon beim Jazz sind: Im Swing, wie könnte es besser passen, zieht Norbert Schneider über Zeitgenossen der Sorte „Ewig pleite –  vereinzelte Schauer nicht nur laut Wetterbericht“ her („Unkraut vergeht nicht“), während der letzte Titel dem Lauf der Zeit, dem Verlust der kindlichen Sorglosigkeit und dem Infragestellen mancher Veränderungen gewidmet ist.

Entspannt bis auf die Knochen gibt sich nicht nur die Band, sondern der Künstler selbst, vielleicht ist er einfach ein Stehaufmanderl. Die neue CD finde ich sehr gelungen und absolut hörenswert.

Alexandra Leitner