„Nicht nur Worte transportieren Gedanken […]“– KIDS N CATS im mica-Interview

Die Wiener Band KIDS N CATS ist mit einem neuen Release, einigen Storys und Kooperationen aus elf unterschiedlichen Ländern zurück. Das Album versammelt unterschiedliche Klangsprachen und lässt sie dann vor Ort zurück, zieht musikalisch weiter in neue Gegenden. Mit Ada Karlbauer sprachen JEANNE DRACH und MARTEN KAFFKE von KIDS N CATS über das neue Album „11 Tracks“ (Wouf Records), der damit verbundenen Reise um die Welt, „Lost in Translation“ als Annäherung, globale Kooperationen, offene Wut als politischen Akt und Tracks als Lieder, aber auch Wege.  

Das neue Album „11 Tracks“ ist die musikalische Transformation eines einjährigen Trips um die Welt. Wie kam es dazu?

Jeanne Drach: Wir sind sehr neugierige Menschen und lieben es zu reisen. Mein Traum war es immer, mit meiner Band länger in Taiwan zu leben, aus einem Ort wurden dann jedoch elf Orte, die sich unsere Sehnsucht ausgesucht hat. Geschichten gibt es jetzt viele. Abenteuer, schöne, traurige und verrückte Dinge, die wir erlebt haben. Menschen, die uns bewegt haben.

Die Reise und das musikalische Resultat werden zu einer vielseitigen Einheit, existieren sowohl nebeneinander als auch miteinander. Wie wichtig ist eine Chronologie für das Album und die darin verhandelten Inhalte?

Jeanne Drach: Prinzipiell liebe ich Chaos und Unordnung. Aber rückblickend waren die Reise, das Erlebte, das musikalische Resultat und unsere Geschichte bis zum Release unglaublich rund. In diesem musikalischen Eklektizismus war es wichtig, eine rote Linie zu verfolgen, und die Chronologie wurde zum roten Faden. Die unterschiedlichen Lieder werden zu einzelnen Punkten der Reise, die auf dem Cover [Artwork von Zsa Zsa Wegor; Anm.] eine Route in Form einer liegenden 8 bilden. Nicht nur sind Zahlen im Album sehr präsent, sondern es ist auch schön und symbolisch, dass hier das Zeichen der Unendlichkeit entsteht. Die Tracks sind sowohl als Lieder als auch als Wege zu verstehen.

Der Sprachaspekt ist bei dem Album zentral, wie wesentlich sind Faktoren des Sich-verständlich-Machens, der Überwindung von „Lost in Translation“ für Sie als Band? 

Jeanne Drach: „Lost in Translation“ ist so ein toller Titel. Dieses Gefühl hatten wir, glaube ich, beide sehr oft. Wie oft wir mit Händen und Füßen kommuniziert haben, wie oft uns Frustration geplagt hat, wenn wir etwas nicht verstehen konnten oder etwas nicht verständlich kommunizieren konnten. In diesen Momenten war es oft so schön zu spüren, was uns Menschen alle vereint. Nicht nur Worte transportieren Gedanken, sondern oft auch Blicke, Gesten. Und Humor ist schon auch etwas Verrücktes. Man kann zusammen lachen, ohne die gleiche Sprache zu sprechen. Da verschwindet schon fast meine Misanthropie.

Bild KIDS N CATS
KIDS N CATS (c) Daliah Spiegel

Welche Entwicklungen gab es seit dem letzten Album?

Marten Kaffke: Als wir „Kaos“, unser erstes Album, geschrieben haben, gab es noch kein Konzept zur Live-Umsetzung und auch sonst waren wir in der elektronischen Musik relativ neu. Jeanne und ich hatten damals gemeinsame Erfahrungen in der Band Friedrich & Ludwig gemacht, welche eher im Bereich World Music/französische Chansons angesiedelt war. Durch den Einfluss durch Peter Paul Aufreiter, mit dem wir zu dritt die Band Kids N Cats gründeten, hatte sich unser ursprünglicher Sound manifestiert. Durch den Ausstieg von Peter Paul im Herbst 2016 waren Jeanne und ich dann plötzlich auf uns allein gestellt, insbesondere was den Produktionsprozess anging. Diese Veränderung hat uns jedenfalls geprägt, aber auch vorangebracht. Ich denke, wir haben viel gelernt, und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die wahrscheinlich noch größere Neuerung war der konzeptuelle Rahmen des Albums: ein Jahr in verschiedene Länder der Welt reisen und dort jeweils einen Song komponieren, inklusive der Zusammenarbeit mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern.

„Ich empfinde es als politischen Akt, meine Wut als Frau zum Ausdruck zu bringen, denn es gibt mir Macht und Freude.“ 

Im Gegensatz zu den bisherigen Releases wirkt „11 Tracks“ emotionsgeladener, an manchen Stellen sogar wütend. 

Jeanne Drach: Ich finde es sehr wichtig, Emotionen zu spüren und zu zeigen. Wut ist mit Freude meine Hauptemotion, die mich immer wieder begleitet. Da dieses Album sehr persönlich ist, ist diese auch sehr präsent. Ich empfinde es als politischen Akt, meine Wut als Frau zum Ausdruck zu bringen, denn es gibt mir Macht und Freude. Natürlich in Maßen. Aber Wut kann Dinge in Bewegung setzen, Dinge verändern. Das ist mein Ziel.

Man hört auch unterschiedliche Kooperationen mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern der besuchten Länder. Wie wesentlich ist der globale Community-Aspekt für Sie?

Jeanne Drach: Kollaborationen waren der Kern dieser Reise. Wir wollten nicht nur neue Orte, sondern vor allem auch Menschen und Künstlerinnen und Künstler kennenlernen. Wir wollten wissen, wie man woanders Kunst macht, Musik macht. Wir wollten herausfinden, was andere Menschen bewegt, wie andere Menschen mit ihren Träumen, mit ihrem Alltag, mit ihren Visionen umgehen.

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Zu dem Album erschienen bereits zwei Musikvideos: „Germany“ und „France“. Jedes erzählt dabei auf visueller Ebene eine autonom funktionierende Kurzgeschichte. Welche Gedanken standen dahinter?

Marten Kaffke: Ich glaube, im Bereich der Musikvideos ergänzen Jeanne und ich uns sehr gut. Mein Fokus liegt auf der bildlichen Sprache und einer runden Ästhetik, während Jeannes Priorität auf der inhaltlichen Vermittlung liegt. Wir fanden die Idee nett, die Musikvideos in verschiedenen Ländern produzieren bzw. drehen zu lassen und damit noch mehr Vermischung zuzulassen. „Germany“ wurde in Schanghai gedreht, „France“ am Cobenzl in Wien und „Taiwan“ hat uns ein Freund aus Mexiko kreiert.

„Wir wollen oft ein bisschen provozieren […]“

Ihre visuelle Ästhetik ist meist sehr stilisiert, verdichtet, wirkt oft wie ein zeitgenössisches Stillleben. Welche Rolle spielen Faktoren der visuellen Inszenierung?  

Jeanne Drach: Inszenierung ist uns sehr wichtig. Sowohl für unsere Musikvideos als auch für unsere Konzerte. Wir haben einiges zu erzählen, viele Gedanken mitzuteilen und wollen das auch auf eine bestimmte Weise tun. Wir wollen oft ein bisschen provozieren, wir wollen die Menschen fordern, am liebsten wollen wir die Leute zum Hinterfragen bringen, sowohl mit Bildern als auch mit unseren Texten.

Haben Mechanismen, Entwicklungen oder Hypes der digitalen Netzkultur eine Auswirkung auf Sie als Band?

Marten Kaffke: Sicherlich! Wir saugen alles auf.

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Wie sieht der musikalische Arbeits- und Produktionsprozess aus?

Marten Kaffke: Bei dem aktuellen Album habe ich meist eine musikalische Grundstruktur aufgebaut, in welche sich Jeanne mit Text und Stimme einbrachte. In weiteren Schritten haben wir gemeinsam weitere Elemente hinzugefügt und die Struktur iterativ angepasst. Am Anfang eines Liedes steht eine vage Idee, wie etwa bei dem Song „Mexico“ die Panflöten und der Beat, was in Richtung Shakira gehen sollte. Einen großen Einfluss auf die Lieder hatten auch die Kooperationspartnerinnen und -partner. Teilweise haben wir uns ohne bestehende Idee zusammengesetzt und herumprobiert, um dann das Lied Schritt für Schritt entstehen zu lassen. Gegen Ende des Produktionsprozesses kam unser Produzent Magnus Wichmann mit ins Spiel und hat dem Ganzen einen einheitlichen Schliff gegeben sowie hier und da einige inhaltlich relevante Inputs beigesteuert. 

„I don’t want to save the world today. Give me some chocolate and leave me alone“, heißt es im finalen Track „Austria“. Wie nehmen Sie die Entwicklungen innerhalb der heimischen Musikszenen war? 

Jeanne Drach: Es gibt großartige Musikerinnen in Österreich! Letztens hatte ich die Ehre, von der wunderbaren Yasmo im Rahmen des Austrian Amadeus Awards eingeladen worden zu sein, um bei dem Song „Girls just wanna have fun“ mitzusingen. Yasmo erklärt in einfachen Worten, worum es im Feminismus geht, und sie hat viele unterschiedliche Künstlerinnen, darunter Patricia Ziegler von Bitten By, Soia und Clara Luzia, eingeladen, mit ihr mitzusingen, um zu zeigen, wie viele Frauen in Österreich erfolgreich Musik machen. Dass noch immer so wenige Frauen nominiert werden, ist unfassbar lächerlich.

Was sind die nächsten Schritte, Zukunftspläne, Wünsche? 

Marten Kaffke: Im Sommer sind eine ausgiebige Tour in Russland, unsere zweite Tour in Japan und einige Konzerte in Südkorea geplant. Im Herbst werden wir unsere Heimat Österreich mit einer umfassenden Tour bespielen. Außerdem haben wir noch ein paar Musikvideos geplant. Am 3. Juni 2018 spielen wir beim Donaukanaltreiben in Wien!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ada Karlbauer

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