Nachruf: Gerald Schwertberger

Am 8. Februar 2014 verstarb der österreichische Komponist, Arrangeur und Pädagoge Gerald Schwertberger nach längerer Krankheit in Wien. In 72 Lebensjahren hat der geborene Niederösterreicher mehrere Generationen junger Musiker auf der ganzen Welt mit seinen zahlreichen Bänden für den Instrumentalunterricht großgezogen hat. LehrerInnen und SchülerInnen zeigen sich gleichermaßen beeindruckt von seinen lateinamerikanisch beeinflussten, leicht spielbaren und ansprechenden Stücken. Nicht nur von der Musik Zentral- und Südamerikas ließ er sich inspirieren, sondern auch Erfahrungen aus dem Bereich des Jazz und der klassischen Moderne gingen in seine Arbeiten ein. Den zumeist jungen InterpretInnen öffnet er damit sanft die Augen für die Vielseitigkeit der Musik, die sie auf ihren Instrumenten verwirklichen können.

Neben dem Erlernen der beiden Instrumente Kontrabass und Klavier, fand er schon in früher Kindheit zur Improvisation und Komposition. Ab 1960 spielte das Musiktalent in Jazzbands Kontrabass und war als Arrangeur tätig. Seine populärste Komposition ist wohl das viersätzige Werk „Cuatro piezas para dos“, das für die schwierige und meist umgangene Besetzung Klavier und Gitarre komponiert wurde. Mit der Mischung aus spanischer Folklore und populärer Musik begeisterte er nicht nur SchülerInnen, sondern auch professionelle MusikerInnen, die das Werk in ihr Repertoire aufgenommen haben. Der Nachfrage nach weiteren Duos für diese Besetzung kam Schwertberger in „Zwei Fragen und eine Antwort“ und „Happy Hour Sandwich“ nach. Letztgenanntes wurde ursprünglich für Violoncello und Klavier komponiert und ist ein wilder Stilmix aus Flamenco, Jazz und Pop mit vier wohlklingenden Teilen: Sauce Tartare, Sentimental Romance, Potato-Rag und Salsa Brasileira.

Nach seinem Studium der Geschichte und der Germanistik an der Universität Wien schloss Schwertberger ein Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien ab. Im Anschluss an die Ausbildung zum Musikerzieher unterrichtete er zwischen 1977 und 1985 an einer österreichischen Schule in Guatemala und hat daher vor allem lateinamerikanische Tangos, Sambas und ähnliches für den Unterricht arrangiert. Doch auch mit der eigenen Musiktradition setzte sich der heimatverbundene Europäer auseinander. Dabei bemühte er sich stets, den verschiedenen Schwierigkeitsgraden, die ein Lehrer bei der Literaturauswahl im Musikschulsystem berücksichtigen muss, gerecht zu werden. In den „Europäischen Volksmelodien“ machte er sich beispielsweise die Mühe für ein Flötentrio eine homo- und eine polyphone Fassung zu schreiben. In anderen Fällen wie etwa in „One and One“ gestaltete er vorhandenes klassisches Unterrichtsmaterial interessanter und musikalisch ansprechender, indem er eine zweite Gitarrenstimme zu Kompositionen von Carcassi, Tarrega, Carulli und Schumann hinzufügte. „Taktlosigkeiten – Bekannte Klavierstücke in neuem Gewand“ besteht neben einem Notentext aus Zwischentexten vom Klassikkenner, der humorvoll einige Kuriositäten zum Besten gibt. Wussten Sie zum Beispiel, dass Haydn sich beim Komponieren der deutschen Nationalhymne von der österreichischen Hymne beeinflussen ließ ?

Neben der Kammermusik hat Schwertberger mehrere Musicals für Kinder verfasst. Eines davon, „Kalimus“, ist ein „Rahmenmusical“, das keine streng festgelegte Vorlage darstellt, sondern individuelle Darbietungen jeglicher Art zulässt. In der Geschichte soll der Zauberer Kalimus den Jugendlichen dabei helfen, ein Benefizkonzert für an Krieg oder Hunger leidende Kinder zu organisieren. Dazu müssen sie aber erst ein Rätsel lösen. Das Rappen von Goethes „Zauberlehrling“ bringt schließlich die entscheidende Hilfe. In den zwei Versionen kann man es entweder mit eigenem Ensemble spielen oder die vom Komponisten erstellten Playbacks verwenden. In dem Musical  „Der Bär is(s)t los“ stehen die Natur und die Tiere im Vordergrund. Mit Bearbeitungen von „Go down Moses“ oder „Ode an die Freude“ werden Themen wie Gentechnik, Umweltzerstörung und Ernährung spielerisch von einer Liebesgeschichte zwischen Burli Bär und Ziege McBaby umrahmt.

Die achtjährige Tätigkeit in Guatemala hat in Schwertbergers musikalischem Schaffen viele Spuren hinterlassen und gleichzeitig sein Selbstverständnis als Komponist geprägt. Der Lehrer und Schulbuchautor hat sich in seinen Stücken nicht eigennützig selbst verwirklicht, sondern mit der Zielgruppe vor Augen für eine hoffnungsvolle Zukunft komponiert. Er bespricht in seinen Werken Themen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung und regt Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit aktuellen globalen Problemen an. Immer im Spagat zwischen dem Interesse, einem breiten und jungen Publikum mit einer möglichst anspruchsvollen Musik gerecht zu werden, hat er hinter vermeintlich lustig und leicht klingenden Werken bitonale Harmonien, freitonale bis dodekaphone Wendungen, Jazziges und Folkloristisches verwendet. Der jung gebliebene und optimistische Pädagoge wurde nie zu alt, um mit den nachfolgenden Generationen in Sachen virtuelle Medien, gängige Anglizismen und Humor mithalten zu können und schrieb noch im letzten Jahr ein Stück für Flöte und Klavier mit dem augenzwinkernden Titel „Sixpack“.

Neben seinem eigentlichen Tätigkeit, dem Komponieren, hat er nach der Pensionierung noch eine ganz andere Leidenschaft entdeckt: das Gehen, oder besser gesagt Begehen von österreichischen Dörfern und Städten. Auf seinem Youtube-Channel findet man viele kleine Filme mit Fotos, die er in seinen bis zu zehn Stunden dauernden Spaziergängen in Barfußschuhen aufgenommen hat. Seine Motivation für die anstrengenden Reisen, die er nur alleine bestritt, beschrieb er in einem Radiobericht: „Ich möchte mich verwurzeln mit meiner Heimat, mit der Erde, mit dem Kosmos. Wenn ich nämlich sterbe, ist nichts mehr da von mir. Aber ein paar Flankerln, die schwirren halt noch eine zeitlang um die Gegend herum, wo ich gegangen bin.“ Tatsächlich sind es viele Flankerln überall auf der Welt, die Schwertberger in seiner Musik unter den Jugendlichen verteilt hat. Mögen Sie noch lange herumirren. Margarete Buch

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