Marie-Luise Haschke ist seit 2014 im Musikschulmanagement Niederösterreich für Musikvermittlung und Musikschulentwicklung tätig. Sie versteht Musikvermittlung als stetes Brückenbauen in alle Richtungen und konzipiert mit KooperationspartnerInnen neue Projekte, die Musikschul-LehrerInnen ermutigen sollen, vermittelnd aktiver zu werden. Denn „nur wer selbst begeistert ist, kann dieses Feuer auch bei anderen entfachen“.
Liebe Frau Haschke, Sie leiten den Bereich Musikvermittlung beim Musikschulmanagement NÖ. Was hat Sie persönlich dazu bewegt, als Vermittlerin in Sachen Musik beruflich tätig zu werden?
Marie-Luise Haschke: Meine Begeisterung daran, Musik an andere Menschen weitergeben zu können, war die grundlegende Motivation, als Vermittlerin tätig zu werden. Musik begleitet mich schon die längste Zeit meines Lebens – in jeglichen Lebenslagen. Diese unglaubliche Freude an der Musik wollte ich weitergeben. In einem Kontext wie in jenem der Musikschulen ist Musikvermittlung österreichweit vorerst einzigartig. Es ist eine unglaublich spannende und wunderbare Aufgabe, sie in den landesweiten Musikschulen gedeihen zu lassen. Gemeinsam mit vielen großartigen Musikschul-PädagogInnen dieses neue Feld voranzutreiben, ist eine wahre Freude.
Musikvermittlung ist für mich ein stetes Brückenbauen – in alle Richtungen. So versuche ich einerseits Brücken zum Publikum zu bauen, zu und zwischen MusikschülerInnen und –LehrerInnen, aber auch Brücken zur Öffentlichkeit, damit unser Tun sichtbar und spürbar wird, Brücken zu Kulturinstitutionen als Partner für unsere Projekte, zu Orchestern und Universitäten, den möglichen zukünftigen Berufsfeldern unserer MusikschülerInnen, zu Gemeinden und Land, die unsere Musikschulen erhalten und wachsen lassen und viele weitere Brücken, die einen regen Austausch in alle Richtungen ermöglichen und fördern.
Welchen Stellenwert nimmt Musikvermittlung aktuell an Musikschulen in Niederösterreich ein?
Marie-Luise Haschke: Viele Musikschul-LehrerInnen arbeiten großartig mit ihren SchülerInnen. Da entsteht schon ganz viel Musikvermittelndes – oft ohne, dass es bewusst oder gewollt ist. Für manche Musikschul-LehrerInnen ist Musikvermittlung allerdings noch ein komplett unbekanntes Terrain. Unsere Zielsetzung ist es deshalb, Musikvermittlung an Musikschulen im ganzen Land zu etablieren und damit noch mehr Menschen Zugänge zur Musik zu ermöglichen. Natürlich müssen sich nicht alle Lehrenden zwingend mit Musikvermittlung beschäftigen – aber zumindest ein Bewusstsein dafür ist uns wichtig.
Ich denke, dass hier noch ganz viel Potenzial vorhanden ist, um wirklich großartige Projekte zu ermöglichen und sichtbar zu machen, was die KollegInnen in Sachen Musikvermittlung bereits tun. Aber viele „kleinere“ Aktionen im täglichen Tun und Unterrichten können schon Musikvermittlung sein. Musikschulen stellen in vielen Gemeinden Niederösterreichs eine wichtige Kulturinstitution dar und bieten den Menschen in ihrer Region ein unglaublich reichhaltiges Angebot an Veranstaltungen und Konzerten. Gerade in Gemeinden kann Musikvermittlung sicherlich noch einen viel größeren Stellenwert einnehmen und das Angebot noch um ein Quäntchen interessanter machen – für das Publikum, allerdings auch für die MusikerInnen und jene, die gestalten und die Veranstaltungen konzipieren.
Erst wer es erlebt hat, kann Freude daran haben
Welche Bandbreite an Vermittlungsprojekten wird im Musikschulmanagement NÖ an Sie herangetragen? Gibt es darunter welche, die Sie inhaltlich besonders spannend finden und was zeichnet diese aus?
Marie-Luise Haschke: Momentan besteht die spannendste Aufgabe darin, überhaupt einmal zu entdecken, was Musikvermittlung an Musikschulen sein kann, was bereits gemacht wird, wie wir im Musikschulmanagement die Musikschulen in Sachen Musikvermittlung unterstützen können und vieles mehr. Neben vielen spannenden Projekten, die der Bereich Musikvermittlung im Musikschulmanagement umfasst (wie z.B. die drei Landesjugendorchester, die Projekte des „klassen.musizierens“ mit ihren Lehrgängen, die Kooperationen zwischen Musikschulen und Pflichtschulen) ist sicherlich die neue Konzertreihe „erlebnis:musik“, die wir in Kooperation mit dem Festspielhaus NÖ durchführen, eines der spannendsten Projekte. Gemeinsam mit Musikschul-LehrerInnen aus Niederösterreich werden Konzerte konzipiert und gestaltet – sie sollen Musikschul-LehrerInnen ermutigen, auch in ihrer Region musikvermittelnd tätig zu werden. Dabei dürfen und sollen Ideen ausprobiert, Geschichten geschrieben und Musikvermittlung erlebt werden. Denn erst wer erlebt hat, was Musikvermittlung heißen kann, wird selbst Freude daran haben können.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie in der Finanzierung und Durchführung von Vermittlungsprojekten in der österreichischen Kulturlandschaft konfrontiert? Wenn Sie einen Wunsch an die Fee, die für Kulturpolitik zuständig ist, frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Marie-Luise Haschke: Ich würde mir von der guten Fee wünschen, dass sie die Musikvermittlung zum fixen Bestandteil in der Ausbildung unserer Musikstudierenden werden lässt. Natürlich gibt es schon den einen oder anderen Lehrgang an den unterschiedlichen Universitäten, manche bieten auch Wahlmodule zur Musikvermittlung an. Tatsächlich ist es aber für jeden Musikstudierenden (und eigentlich auch schon MusikschülerInnen) sinnvoll, sich über sein Publikum, neue Konzertformate und die eigene Präsentation oder die Darstellung der dargebrachten Werke Gedanken zu machen.
Wegbegleiter für viele Jahre
Des Weiteren würde ich mir wünschen, dass die wertvolle Arbeit, die tagtäglich an den Musikschulen geleistet wird, auch auf öffentlichen und schulischen Ebenen anerkannt wird. Die Musikschule stellt eine wichtige Kulturinstitution in einer Gemeinde dar, agiert als Partner für Pflichtschulen, ist Konzertveranstalter und für viele Kinder und Jugendliche ein musikalisches „Zuhause“. Musikschul-LehrerInnen sind Vertraute, Freunde und Wegbegleiter für viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte.
Wenn ich einen dritten Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dass sich die verschiedenen Künste (Musik, darstellende, bildende Kunst, Film, Foto, Literatur u.a.) auch schon auf Musikschulebene treffen und z. B. in Musik- und Kunstschulen unter einem Dach zu finden sind. Hier den Blick zu öffnen und ein Schritt auf einander zuzugehen kann oft nährender Boden sein.
Gibt es etwas, das Sie jungen Musikschul-PädagogInnen und MusikvermittlerInnen, die gerade eine Ausbildung in diesen Bereichen absolvieren oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben könnten?
Marie-Luise Haschke: Legt niemals die eigene Begeisterung ab! Nur wer selbst begeistert ist, kann dieses Feuer auch bei anderen entfachen. Glaubt an euch und traut euch auch, Dinge auszuprobieren. Die Freude am Ausprobieren und Entdecken, gepaart mit ausreichend Spontaneität und Flexibilität, ergibt eine gute Basis für jegliches Tun. Dabei finde ich es ganz essenziell, immer wieder einen Schritt auf die Seite zu machen, sich selbst von ein bisschen weiter weg zu betrachten und sich selbst und sein Tun zu hinterfragen. Wenn man bei diesem Schritt auch sein Rundherum im Auge behält und über seinen eigenen Tellerrand hinwegblickt, dann hat sich der Schritt in jedem Fall gelohnt.
Und zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Stück/Song begeistert/berührt Sie gerade und was tut es mit Ihnen?
Marie-Luise Haschke: Ich höre beruflich und privat sehr viel unterschiedliche Musik, bin immer wieder begeistert, wie erstaunlich (in jeglicher Hinsicht) unsere jungen und jüngsten MusikschülerInnen bereits musizieren, berühren und verzaubern können und lausche gerne auch unseren drei Landesjugendorchestern. Außerdem beschäftigt mich immer auch die Musik, die ich selbst gerade musiziere – so zum Beispiel momentan Schuberts Sinfonie in h-Moll, die wieder einmal beweist, dass das vermeintlich Unvollendete doch ziemlich vollständig sein kann.
Vielen Dank!
Das Interview führte Barbara Semmler
Zur Person Marie-Luise Haschke:
Marie-Luise Haschke (*1987 in Wien) verbrachte ihre Kindheit in Niederösterreich, studierte Musikwissenschaft in Wien und Tours (F), Kulturmanagement und Kulturwissenschaft an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Musikvermittlung an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Zahlreiche Konzertreisen und Tourneen als Cellistin in Orchestern in Europa, nach China und Japan, ehrenamtliches Engagement bei diversen kulturellen Vereinen, rege Moderationstätigkeit im Kulturbereich, beruflich seit 2011 in St. Pölten, zuerst bei der NÖ KREATIV GmbH und seit 2014 beim Musikschulmanagement NÖ als Bereichsleiterin Musikvermittlung und Abteilungsleitung für Musikschulentwicklung tätig.
Musikschulmanagement Niederösterreich: http://www.musikschulmanagement.at