Ein Postulat gegen abgehobene Kulturtempel und für die Gleichberechtigung von Musikvermittlung und Konzert stellt AXEL PETRI-PREIS auf. Dabei muss man – anders als es manchmal den Eindruck erweckt – nicht alles selbst machen. Über Arbeitsbedingungen und besonders gelungene Projekte sprach er mit Barbara Semmler.
Herr Petri-Preis, warum vermitteln Sie Musik?
Axel Petri-Preis: Ich vermittle Musik, weil ich mir selbst ein Leben ohne Musik nicht vorstellen kann. Dieses innere Feuer möchte ich gerne weitergeben. Ich bin außerdem der festen Überzeugung, dass Musik jedem Menschen einen entscheidenden Mehrwert im Leben bringt, und das auf ganz vielen verschiedenen Ebenen.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie als Musikvermittler in der österreichischen Kulturlandschaft konfrontiert? Wenn Sie einen Wunsch an die Fee, die für Kulturpolitik zuständig ist, frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Axel Petri-Preis: Ohne Zweifel sind die Honorare für freie Musikvermittlerinnen und Musikvermittler häufig sehr niedrig, was – gepaart mit großem persönlichen Einsatz und Idealismus – zu der in dieser Branche weitverbreiteten Selbstausbeutung führt. Da muss man gut auf sich aufpassen. Von der guten Fee wünsche ich mir, dass sie Intendantinnen und Intendanten in Österreich mit jenem Feenstaub bestreut, der sie zu einem institutionell verankerten musikvermittlerischen Denken verführt. Ich bin der Überzeugung, dass es da noch ein großes Potenzial gibt, Deutschland ist uns in diesem Punkt um einiges voraus.
Gemeinsam mit Barbara Preis haben Sie den Verein terz.cc gegründet, der sich der zeitgenössischen Musik widmet. Die Grundpfeiler sind zum einen ein Onlinemagazin, zum anderen aber auch die Konzeption und Durchführung konkreter Vermittlungsprojekte. Wie kam es zu dieser Gründung, was ist die Zielgruppe und wie entwickelte sich der Verein seither?
Axel Petri-Preis: Die Gründung wurde von meiner Frau Barbara Preis angeregt, die bereits seit Langem den Wunsch mit sich herumtrug, ein Musikmagazin zu gründen. Unser Ziel war und ist es, der zeitgenössischen Musik und den zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen einen selbstverständlichen Platz im Kulturleben zu geben. Dabei richten wir uns sowohl an Expertinnen und Expertinnen als auch an interessierte Laiinnen und Laien. Da ich zum Zeitpunkt der Gründung von terz.cc bereits als Musikvermittler tätig war, nahmen wir sowohl die Musikvermittlung als auch das Magazin unter ein gemeinsames Dach. Das Magazin ist für den Moment jedoch ruhend gestellt, weil unsere zeitlichen Ressourcen – und die finanzielle Situation – eine kontinuierliche Weiterführung nicht ermöglichen. Es besteht allerdings weiterhin die Möglichkeit, auf den umfangreichen Content aus vier Jahren (Fachartikel, Rezensionen, Interviews etc.) zuzugreifen.
Sie waren von 2012 bis 2014 Stipendiat der 2. Master Class on Music Education der Körber Stiftung. Gibt es vermittelnde Projekte oder Programme, die Sie auf dieser Reise durch unterschiedliche europäische Institutionen besonders beeindruckt haben?
Axel Petri-Preis: Die Master Class ist eine großartige Initiative der Körber Stiftung, die es sieben Stipendiatinnen und Stipendiaten ermöglicht, innerhalb von eineinhalb Jahren die Vermittlungsarbeit in führenden europäischen Häusern kennenzulernen. Daneben gibt es in zahlreichen Diskussionen, Präsentationen und Coachings die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Besonders beeindruckend war für mich der Besuch im Sage Gateshead in Newcastle, in dem die Idee der Musikvermittlung mit jeder Pore gelebt wird. Das Gateshead ist nicht einfach nur ein Konzerthaus, sondern es vereint gleichberechtigt Musikvermittlung und Konzert. Nicht minder großartig finde ich, was die Kammerphilharmonie Bremen macht, die seit einigen Jahren in der Gesamtschule eines sogenannten Brennpunktbezirkes probt und unzählige Projekte mit den Schülerinnen und Schülern dieser Schule durchführt. „Die Melodie des Lebens“ ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Dabei handelt es sich um ein Format, in dem Musikerinnen und Musiker der Kammerphilharmonie gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern deren Songs vor großem Publikum musizieren. Es begeistert mich, wenn kulturelle Institutionen keine abgehobenen Kulturtempel sind, sondern ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und sich ganz unterschiedlichem Publikum öffnen.
Haben Sie in Ihrem musikvermittelnden Repertoire ein Lieblingsprojekt, das Sie gerne erneut durchführen möchten? Was zeichnet es aus und was wären optimale Voraussetzungen, um das Projekt wieder aus der Schublade zu holen?
Axel Petri-Preis: Es gibt zwei Projekte, an denen ich ganz besonders hänge. Bei „Monsters and Angels“ handelt es sich um ein Konzertformat, das sich an Jugendliche und Erwachsene richtet und die Musik von Bernhard Gander vermittelt. Ich verbinde dabei zwei Orchesterwerke mit Filmausschnitten, weil Bernhard Ganders Musik sehr stark von Ästhetik und Ideen des Horrorfilms beeinflusst ist. Gemeinsam mit dem Regisseur Christoph Zauner, dem Videokünstler Christian Ziegler und dem Masken- und Kostümbildner Diego Rojas Ortiz habe ich Filme gedreht, die den Komponisten jeweils in einer archetypischen Horrorfilmszene zeigen, aus der heraus er über Aspekte seiner Musik spricht. Das Drehbuch ist ein Destillat aus sieben Jahren unzähliger Gespräche, die ich mit Bernhard Gander geführt habe, überhöht durch fiktionale Elemente. Das Orchester reagiert auf die Filme mit entsprechenden Stellen aus dem Werk, zum Teil werden auch einzelne Schichten des Werkes hörbar, indem Instrumente oder Instrumentengruppen – auch mithilfe eines ausgeklügelten Lichtkonzepts – herausgehoben werden. Einen Eindruck kann man durch eine kurze Videodokumentation erhalten. [Siehe Link unterhalb, Anm.]
„heldINNEN-HELDinnen“ ist ein Community-Dance-Projekt, das ich gemeinsam mit der Choreografin Valerie Klein durchgeführt habe. Es waren Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Geringergasse und mehrfach schwerbehinderte Jugendliche der Caritas-WG Studenygasse beteiligt, die innerhalb von zehn Wochen eine Choreografie zu zeitgenössischer Klaviermusik von Bernhard Gander, Akira Nishimura und Frédéric Rzewski erarbeitet haben. Für den Klavierpart konnte ich den großartigen Christopher Hinterhuber gewinnen. Die Probenzeit war ungemein intensiv und emotional, die Aufführung im Bildungszentrum Simmering schließlich hatte eine wahnsinnig positive Resonanz. Auch hier gibt es einen sehr schönen Trailer, den Christoph Varga zusammengestellt hat. [Siehe Link unterhalb, Anm.] Was muss geschehen, dass die Projekte wieder aufgenommen werden? Im ersten Fall brauche ich ein interessiertes Orchester. Im zweiten Fall lässt sich dasselbe nicht wiederholen, ich habe allerdings ein Konzept für ein weiteres Community-Dance-Projekt im Kopf.
Was würden Sie jungen Musikvermittlerinnen und Musikvermittlern, die gerade eine Ausbildung in diesem Bereich absolvieren oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben?
Axel Petri-Preis: 1. Sei neugierig und offen für das, was um dich herum passiert. 2. Kenne deine Fähigkeiten genau und hole dir für Dinge, die du selbst nicht kannst, Partnerinnen und Partner mit ins Boot. Musikvermittlung ist Teamarbeit.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Stück bzw. welcher Song begeistert oder berührt Sie gerade und was tut das mit Ihnen?
Axel Petri-Preis: Mich begeistert seit vielen Jahren die Musik Gustav Mahlers. Besonders seine 1. Sinfonie ist für mich eine ganz unglaubliche Musik, weil sie mich nicht nur intellektuell, sondern vor allem emotional packt.
Barbara Semmler
Zur Person: Axel Petri-Preis studierte Musikerziehung, Germanistik und Musikwissenschaft. Für seinen Abschluss in Musikerziehung erhielt er den Würdigungspreis der Universität für Musik und darstellende Kunst. 2011 gründete er mit seiner Frau Barbara Preis den Verein terz.cc. Als freier Musikvermittler entwickelt er Konzertformate, moderiert Diskussionen, Künstlergespräche und Konzerteinführungen, konzipiert und leitet Fortbildungen für LehrerInnen und Workshops für SchülerInnen und arbeitet als Programmheftdramaturg. In der AHS G11 Geringergasse ist er als Lehrer für Musik und Deutsch tätig. Die Plattform Musikvermittlung Österreich unterstützt Axel Petri-Preis u. a. als Mitglied des Beirats.
Foto: Armin Bardel