mica-Interview mit Monika Sigl-Radauer

Monika Sigl-Radauer ist als Musikvermittlerin sowie als Musik- und Tanzpädagogin freischaffend beim Mozarteumorchester Salzburg tätig und ist Beiratsmitglied der plattform musikvermittlung österreich. Das Interview hat Barbara Semmler geführt.

Liebe Monika, warum vermittelst du Musik?

Zu allererst ist da meine eigene Neugier. Ich bin schon während des Studiums sehr jung Mutter geworden und bin quasi mit meinen beiden Kindern ganz natürlich in die Welt der Musikvermittlung hineingerutscht. Ich mag Kinder und junge Menschen und es hat mich sowohl als Mutter als auch als Lehrerin immer schon interessiert und fasziniert, wie ich sie für etwas begeistern kann. Mir war sehr schnell klar, dass ich selbst von etwas begeistert sein muss, damit das dann auch klappt. Wir haben im Studium bereits vor dreißig Jahren Konzerte für Kinder (in der Reihe „Musik für junge Leute“ der Salzburger Bachgesellschaft) entwickelt, damals mit Hermann Regner, der ja zusammen mit Carl Orff einer der prägendsten Köpfe der Elementaren Musik- und Bewegungserziehung war. Der „Orff´sche“ Ansatz war ja immer geprägt von Ganzheitlichkeit und Interdisziplinarität, sodass ich mir damals schon einen großen „Zaubersack“ an Möglichkeiten und Zugängen, Musik zu hören, zu erlernen und zu vermitteln, mitnehmen durfte. Irgendwie wird dieser Sack seitdem nicht leer … im Gegenteil, er sprudelt und ist sehr lebendig – und wird vor allem genährt durch die Anregungen, die wiederum von den jungen Menschen selbst kommen.

Was sind Eckpunkte deiner bisherigen beruflichen Laufbahn?

Ich habe 1984–89 Musik- und Tanzpädagogik am Orff-Institut der Universität Mozarteum in Salzburg studiert. Bis 2009 habe ich dann als Lehrerin für Elementare Musikpädagogik gearbeitet. Zwischen 1998 und 2009 war ich Musikschulleiterin am Musikum Salzburg Stadt und für Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Seit 2009 bin ich freischaffend als Musikvermittlerin tätig: Für die Stiftung Mozarteum Salzburg entwickle ich seit 2008 die Lauschkonzerte – mit einzelnen Programmen sind wir auch für die Jeunesse und andere Konzertveranstalter in Österreich unterwegs. Seit 2012 bin ich Konzertpädagogin des Mozarteumorchesters Salzburg. Im diesjährigen Sommer darf ich erstmalig die Einführungsworkshops zu den Kinderopern der Salzburger Festspiele gestalten.

Du hast als erfahrene Musikvermittlerin den Masterlehrgang “Musikvermittlung – Musik im Kontext” an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz absolviert. Was war deine Motivation und inwieweit konntest du vom Lehrgang profitieren?

Für mich war das Wort „Kontext“ wichtig: Ich war ja relativ allein und nur im Kontext der Musikschule, für die ich neue Konzertformate entwickelte, tätig. Ich wollte über den Tellerrand schauen. Dazu kam, dass mich das Musikum Salzburg nach der Karenz meines 3. Kindes 2009 nicht als teilzeitarbeitende Führungskraft übernehmen wollte und die Stiftung Mozarteum mir zeitgleich die Gestaltung der Lauschkonzert-Reihe angeboten hatte. Es war also Veränderung angesagt. Das Studium eröffnete mir neue Perspektiven. Die Musikvermittlungslandschaft kennenzulernen, sich auszutauschen und auseinanderzusetzen und vor allem die Reflexion über meine eigene Arbeit erweiterten meinen Horizont. Ganz besonders schätze ich das Netzwerk, das entstanden ist.

Mit welchen Herausforderungen bist du als Musikvermittlerin in der österreichischen Kulturlandschaft konfrontiert? Wenn du einen Wunsch an die Fee, die für Kulturpolitik zuständig ist, frei hättest, was würdest du dir wünschen?

Die momentan größte Herausforderung ist für mich, als freischaffende Musikvermittlerin an einem Orchester tätig zu sein, dessen Musiker mittels Kollektivvertrag angestellt sind, in den ich mich einpassen muss. Aufgrund dieses Dienstvertrages gibt es organisatorische Auflagen, die ein entspanntes, kreatives Arbeiten sehr schwer machen. Ich würde mir wünschen, dass Musikvermittlung als selbstverständlicher Bestandteil jedes Orchesters mit einem bestimmten Prozentsatz des Budgets und der Dienstzeit verankert ist. In Deutschland gibt es Orchester, wo dieser Prozentsatz bei 30 Prozent liegt.

Auch, was die Presse und deren Bewusstsein für Musikvermittlung anbelangt, wünsche ich mir mehr Neugier. Gerade in Salzburg täte ein interessiertes Umdenken gut. Hier dominieren die Festspiele und inzwischen die Kulturvereinigung – über deren Jugendarbeit wird mehr oder weniger nebensächlich bis spöttisch berichtet. In den vielen MV-Projekten der Stiftung oder des Mozarteumorchesters habe ich in den letzten zehn Jahren noch nie einen Journalisten gesehen. Musikvermittlung hat in Salzburgs Presseköpfen den Nimbus von aufgesetzter Pädagogik und ist mit Kunst anscheinend nicht vereinbar. Liebe Fee, erhelle!

Gibt es etwas, das du jungen MusikvermittlerInnen, die gerade eine Ausbildung in diesem Bereich absolvieren oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben könntest?

Immer an der eigenen Begeisterung arbeiten! Nur machen, was Spaß macht. Viele Fortbildungen machen: von Taketina über Clowntheater, Jodeln und Führungskräfte-Coaching bis hin zum Musik-Analyse-Seminar oder dem Vortrag „Pubertät, was jetzt?“…
Also: Zaubersack-Befüllung …

Hast du ein “Lieblingsprojekt”, das du gerne erneut durchführen möchtest? Was zeichnet es aus und was wären optimale Voraussetzungen, um das Projekt wieder aus der Schublade zu holen?

Es gibt einige Projekte, die ich gerne wieder aus der Schublade holen würde. Bei den Projekten mit dem Orchester und den Schülern (letztes Jahr war es Schönbergs „Verklärte Nacht“, dieses Jahr das Projekt „Mut“ mit Schumanns 4. Symphonie) waren das Spannendste und Beglückendste vor allem die Hürden, die wir gemeinsam und jeder Einzelne für sich überwunden haben. Wenn wir Zeit und Geld hätten, würde ich gerne ausgiebiger und länger mit den Schülern und den Musikern bei solchen Projekten, die klassische Musik mit der Lebenswelt der Schüler einer NMS verknüpft, zusammenarbeiten.

Auch den „Karneval der Tiere“, zu dem ich ein Drehbuch geschrieben habe, das einerseits Information verpackt, auf der anderen Seite aber auch durch „klamaukige“ Ansätze Abwechslung bringt und dazu jeden einzelnen Musiker aktiv mit einbezieht, würde ich gerne irgendwo wieder aufführen. Dazu braucht es einen Veranstalter, der den Dirigenten Alex Rindberger und mich als Hausmeister bucht, ein kleines Orchester, 2 Klaviere, 2 Headsets und einen passenden Raum.

Und zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Stück/Song begeistert/berührt dich gerade und was tut es mit dir?

Es ist das Lied aus einem Blockflötenbuch „Der Wind schleicht wie ein Räubersmann“ … mein kleiner gerade sechsjähriger Nachzügler ist ziemlich stur und will sich nichts zeigen lassen auf einem Instrument. Aber dieses Lied haben wir in einem Glücksmoment erarbeitet und seitdem probiert er es auf jedem Instrument, kann es pfeifen und aus dem Gedächtnis aufschreiben, sucht eine Begleitung am Klavier, lernt es seinen Freunden, hat es im Urlaub am Strand vorgespielt und … mit mir macht dieses Stück etwas, was ich als Musikvermittlerin immer wieder neu lernen muss: ab einem gewissen Zeitpunkt loszulassen, damit die Neugier und Begeisterung meines Gegenübers sich ihren eigenen Weg bahnen kann.

http://www.mozarteumorchester.at/monika-sigl-radauer.html
http://www.mozarteumorchester.at/jugend-bildung.html
http://www.salzburger-bachgesellschaft.at/sbx/index.php?seite=wir
http://www.bruckneruni.at/Studium/Universitaetslehrgaenge/Musikvermittlung-Musik-im-Kontext