„Auf die zwei Stunden ELEMU freuen wir uns schon die ganze Woche!”
Swea Hieltscher, Leiterin der Musikschule der Stadt Wien, im Gespräch über ELEMU, ein Konzept für Elementares Musizieren mit Wiener VolksschülerInnen im Rahmen des Regelunterrichts.
Wie kam es zur Gründung der Initiative ELEMU? Was waren Ihre Ausgangsüberlegungen? Wer war an der Konzeption beteiligt?
Swea Hieltscher: Durch die rasante Entwicklung der ganztägigen Schulformen in Wien können interessierte SchülerInnen immer schwerer an einer Musikausbildung in einer Musikschule am Nachmittag teilnehmen. So haben wir innerhalb unseres Reformprozesses (Start: November 2011) darüber nachgedacht, wie wir Kinder im Volksschulalter mit aktivem Musizieren versorgen können, zumal das aktive Musizieren im Volksschulalltag oft zu kurz kommt oder teilweise gar nicht mehr stattfindet.
So entstand in einer diesbezüglichen Arbeitsgruppe das Modell „ELEMU“ – Elementares Musizieren in der Volksschule – durchgeführt von Musikschullehrkräften im Teamteaching mit der Volksschullehrkraft. Beteiligt an diesem Prozess waren Musikschullehrkräfte der Musikschule Wien, aber auch Musiklehrende aus privaten Ausbildungseinrichtungen und dem Stadtschulrat Wien.
Von welcher Größenordnung sprechen wir? Wie viele Schulen und wie viele Kinder sind beteiligt?
Swea Hieltscher: Im Schuljahr 2015/16 wurden 2.225 Kinder (37 Standorte, 89 Klassen – inklusive der vom Stadtschulrat organisierten 13 ELEMU-Schulen mit insgesamt gleichbleibenden 16 Klassen) erreicht, bei Vollausbau im Schuljahr 2016/17 werden es bei gleichbleibender Anzahl von Standorten rund 2.650 ELEMU-Kinder sein. Der Campus Attemsgasse wird ab dem Schuljahr 2017/18 neu bespielt, es sind vier ELEMU-Klassen eingeplant.
Was die Personalressourcen betrifft, sind derzeit rund 8 Dienstposten à 27 LehrerInnenstunden von der Musikschule Wien im Einsatz. Für den Vollausbau bis zum Schuljahr 2016/17 sind zusätzliche drei bis vier Dienstposten erforderlich.
ELEMU als Gemeinschaftsprojekt
Was sind die Herausforderungen in der Umsetzung?
Swea Hieltscher: Es handelt sich um ein Zusammenwirken von ExpertInnen/Musikschullehrkräften und der Volksschullehrkraft, was eine gemeinsame Planung, Vorbereitung und Nachbereitung der Unterrichtsstunden voraussetzt. Dafür wurden eigens Stunden seitens der Musikschule zur Verfügung gestellt, was nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellt.
Wie sind die Erfahrungen mit dem Team-Teaching?
Swea Hieltscher: Team-Teaching ist unsererseits eine Bedingung, damit ELEMU in einer Volksschule überhaupt starten kann. Bis jetzt wurde das gemeinsame und aktive Umsetzen von musikalischen Inhalten sehr gut und gerne angenommen und mit Leben erfüllt. Außer dem aktiven Musizieren werden ebenso Sprachkompetenz, Bewegung, soziales Lernen, gegenseitiges Kulturverständnis und vieles andere mehr vermittelt, was einen sehr hohen Wert im Lernalltag der Kinder darstellt.
Welche Erfolge konnten erzielt werden?
Swea Hieltscher: Für SchülerInnen: Verständigung durch Musik unabhängig von Kultur und Sprache, Erwerb von zusätzlichen Kompetenzen und Ausdrucksmöglichkeiten, aktives Musizieren im Regelunterricht (keine zusätzlichen Wege und Zeiten)
Für LehrerInnen: Unterstützung durch professionelle Musikschullehrkräfte, Ergänzung des Musikunterrichtes durch aktives Musizieren, eigene Kompetenzerweiterung in der Musikvermittlung
Für die Musikschule: Erreichen und fördern interessierter Kinder, Talentefindung
Was könnte verbessert werden?
Swea Hieltscher: Dieses äußerst wertvolle Angebot sollte noch mehr Kindern im Regelunterricht zur Verfügung gestellt werden.
Wer finanziert das Projekt?
Swea Hieltscher: Die Musikschule Wien/Magistratsabteilung 13. Die 2. Musikstunde kommt vom Stadtschulrat Wien.
Ist der Status Quo für die kommenden Jahre gesichert?
Swea Hieltscher: Nach jetzigem Stand ja.
Ist eine Ausweitung angedacht?
Zurzeit nicht.
Können Sie ein Erlebnis schildern, das Sie im Rahmen von ELEMU gemacht haben bzw. das Ihnen geschildert wurde?
Swea Hieltscher: In einer Volksschule im 7. Bezirk erlebte ich im Juni 2015 eine ELEMU-Stunde in einer Integrationsklasse. Beteiligt waren zwei Musikschullehrkräfte für Tanz und Gitarre der Musikschule Wien. Ich war sehr beeindruckt, wie ein Mädchen mit Down-Syndrom von den anderen Kindern ganz selbstverständlich in alle Abläufe integriert und liebevoll betreut wurde. Dieses Mädchen konnte alle Aufgaben bewältigen und hatte offensichtlich große Freude daran. Die Volksschullehrerin erzählte mir, dass sie die ersten drei Monate nur am Rand stand und zugesehen hat. Diese Berührungsangst konnte durch das gemeinsame Musizieren und Tanzen offensichtlich völlig überwunden werden. Zitat der Volksschullehrerin: „Auf die zwei Stunden ELEMU freuen wir uns schon die ganze Woche!”
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Marie-Therese Rudolph / KulturKontakt Austria.
Links:
ELEMU: www.wien.gv.at/bildung/schulen/musikschule/unterrichtsfaecher/elemu
Musikschule Wien: www.musikschule.wien.at