musikprotokoll 2020: Hidden Sounds

Klang kann als Metapher für das Allgegenwärtige stehen. Physiologisch sind wir nicht imstande, unsere Ohren zu schließen. Klang umgibt uns permanent, aber unser Gehirn entscheidet, was ausgeblendet und was verarbeitet wird. Beim musikprotokoll 2020 stehen Klangwelten im Mittelpunkt, die oft lediglich technisch messbar oder mit menschlichen Sinnen nur rudimentär erfahrbar sind. Von 7. bis 11.10.2020 in Graz. on stage – on air – online.

Die 53ste Festivalausgabe präsentiert in mehr als dreißig Ur- und Österreichischen Erstaufführungen unterschiedliche Zugänge zum Aufspüren von und zur Arbeit mit verborgenen Klängen – Hidden Sounds. Die thematischen Ansätze sind äußerst vielschichtig und reichen von der Vergänglichkeit digitaler Klänge über die Sonifikation von Daten und das Wechselfeld zwischen auditivem Bewusstsein und eigener Identität bis hin zur Klangumgebungen, von denen der menschliche Körper post mortem umgeben ist.

Maja Mijatovic: to catch a running poet (c) Helmut Kuehnelt

[PLAY >] on stage Trotz aller sicherheitstechnischen Hürden steht auch bei dieser Festivaledition das Live-Konzert im Mittelpunkt. In der Helmut List Halle ist das RSO Wien erstmals mit seiner neuen Chefdirigentin Marin Aslop beim musikprotokoll zu Gast. Das Arditti Quartet eröffnet mit Musik von Clemens Gadenstätter eine strenge Gruselkammer des Hörens, inspiriert von Tizians „Schindung des Marsyas“ aber auch Francis Bacons schreienden Päpsten. Das Klangforum Wien lotet mit „Hyperopia“ von Dorian Concept die Grenzen der E-Musik aus. Maja Mijatovic zeigt, dass das Cembalo auch eine Hauptrolle in der zeitgenössischen Musik spielen kann. Die legendäre Wiener Band Elektro Guzzi trifft auf die Pianistin Ingrid Schmoliner. Musiker/innen des SHAPE-Festivalnetzwerks für innovative Musik und audiovisuelle Kunst, des Grazer Vereins die andere saite und Electric Indigo machen den Grazer Dom im Berg zum „Hidden Dome“ und nutzen die 58-Kanal-Anlage für die Spatialisierung ihres Klangmaterials. Peter Kutin, erster österreichischer Gewinner einer Goldenen Nica bei der Ars Electronica, lässt im Verbund mit NO1 das Objekt ROTOЯ zu einem „sonic body“ werden. Den Abschluss bildet das neue Musiktheater POPULUS von Peter Jakober.

[PAUSE II] online 1997 wurde das musikprotokoll zum ersten Mal live im Netz mit Bild und Ton gestreamt, damals eine Pioniertat. 2020 kommt eine innovative neue Facette ins Spiel – „Dynamisches Streaming“, ein Verfahren, das in Kooperation mit dem Grazer IEM (Institut für Elektrische Musik und Akustik) entstanden ist. Die ORF-Surround- und Bildaufnahmen der Konzerte werden nach dem Festival via Online-Player, der auf Kopfbewegungen reagiert, erlebbar sein. Computer, Webcam und Kopfhörer ermöglichen dann interaktive auditive Ein-Personen-Erlebnisse. Ein weiteres Internet-Projekt ist „Tingles & Clicks“. Darin beschäftigen sich europäische Komponist/innen mit dem Social-Distancing-Verhalten, das uns diese globale Gesundheitskrise abverlangt. Zum Einsatz kommen ähnliche Technologien wie beim Dynamischen Streaming, sie erlauben es jedoch auch, auf das gestreamte Material formal einzuwirken. So erhält das Hören einen gestaltenden Aspekt.

Peter Jakober und Ferdinand Schmatz: POPULUS (c) Andrea Meschik

[REWIND <<] on air Begleitet und dokumentiert wird diese musikprotokoll-Ausgabe durch fast 30 Sendungen im Programm von Österreich 1, u.a. sind der Komponist Philipp Maintz und der Pianist Joonas Ahonen bei einem Klassik-Treffpunkt zu Gast. Aber nicht nur als Reflexionsraum, sondern auch als Produktionsraum spielt das Radio in „RadiokunstKunstradio“ wieder eine Rolle.

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