musikprotokoll 2007 in Graz

“nahe genug”, das diesjährige Motto des steirischen herbstes, hat sich auch das musikprotokoll zueigen gemacht, dessen Kernwoche am Dienstag begonnen hat. Eine dichte Reihe von Konzerten verschiedensten Zuschnitts, elektronische Musik und das Festkonzert “40 Jahre musikprotokoll” sind die Highlights.

40 Jahre und neugierig auf das UnmittelbareAleph Gitarrenquartett, Pierre Bastien, Friedrich Cerha, FM3 and Friends, Burkhard Friedrich, Beat Furrer, Bernhard Gander, Das Gemüseorchester, Goodiepal/Gæoudjiparl, Georg Friedrich Haas, Hanna Hartmann, Hofer/Baumgartner/Hofmüller/Hofmüller, Institut für transakustische Forschung, ensemble Intégrales, Peter Jakober, Philip Jeck, Tetsuo Kogawa, Jiri Konvrzek, Francisco Lopez, Olga Neuwirth, Owl Project, Michael Pinter, sha., Wolfgang Suppan, Staalplaat Soundsystem, RSO Wien, Ensemble Zwischentöne u.a.

 

Die Bandbreite dieser Namen spricht für sich: Das Festival für zeitgenössische Musik, kuratiert von Christian Scheib und (erstmals)  Susanna Niedermayr, 1968 geboren aus dem Geist der Avantgarde,  versucht vierzig Jahre später immer noch – und mehr denn je – den Geist der Neugierde, des Sich-nicht-Begnügens mit dem ohnedies Bekannten am Köcheln zu halten. Und überschreitet Grenzen, manchmal bis hin zum Popkulturellem, ohne die Positionen von angeblich immer “veralteter” Neuer Musik für Orchester und Ensembles hie und angeblich hippen, ausschließlich angesagten experimentellen Formen und elektronischer Clubkultur billig gegeneinander auszuspielen. Wer sich nicht scheut – und immer mehr Besucher tun dies gerne – auf alles, was geboten wird, grenzgängerisch neugierig zu sein und zuzugehen, der wird den Blick schärfen für Kontinuitäten und Brüche aktueller Musikproduktionen gleich welchen Genres.

 

Ist der Beobachter “nahe genug”, erschließt ihm sich dann vielleicht ein roter Faden. Lassen wir die Kuratoren zu Wort kommen, was sie meinen: “Nahe genug ist man selten und dann gleich wieder zu nah, wenn einen Musik berührt, vielleicht sogar gefangen nimmt. ,Nahe genug’ als musikalisch ästhetische Kategorie kann tatsächlich Rührung meinen, die Direktheit der Wirkung, das Unmittelbare, auch die Reflexion über das Unmittelbare. Es kann aber auch eine Unmittelbarkeit des Konzipierens und Produzierens von Musik meinen, wenn neben der distanziert raffinierten Musikbetriebsmaschine institutionalisierter Klangkörper der eigene Körper, das unmittelbar eigene Tun, das Selbstangefertigte, das Private, das betont Subjektive, gar das Intime des Individuums ins Zentrum rücken.” Oder – Untertitel: Vom Nähen und Kochen, vom Liegen und Lieben, vom Radio- und vom Musikhören.

 

Im klassischen Konzertritual finden sich Konzerte mit dem ensemble recherche (aber auch hier Kurioses zum Motto: das im Normallfall jede/r für sich arbeitende Komponistenpaar Brice Pauset & Isabel Mundry bieten ein gemeinschaftliches Artefakt, in dem sie gemeinsam und abwechselnd Ton für Ton an einem Stück komponieren), dem Aleph Gitarrenquartett (neue Erkundungen für diese Besetzung plus Elektronik oder Stimme in Uraufführungen u. a. von Furrer, Haas und Peter Jakober), zum Abschluss mit dem ensemble Intégrales (Neuestes von Bernhard Gander, Wolfgang Suppan, Christof Dienz, weiters von Felix Kubin (D), Jennifer Walshe (IRL) und Burkhard Friedrich (D + Ensembleleiter)). Und das große Festkonzert, das an den Beginn vor vierzig Jahren erinnern soll – aber nicht mit Reprisen von damals, sondern mit neuesten Kompositionen, allenfalls mit einem schönen Bezug auf eine der Gründerväter – Emil Breisach war einer von diesen. Aderngeflecht von Friedrich Cerha ist ein Konzert für Bariton und Orchester nach Gedichten von diesem und gelangt zur Uraufführung. Weiters: Das neue Violinkonzert von Georg Friedrich Haas, Olga Neuwirths Stück für Trompete und Orchester . miramondo multiplo und noch einmal Cerha, der auch als Dirigent noch einmal am Pult des RSO Wien stehen wird: Monumente (2005). Ein – wenn man so will – gesellschaftliches Ereignis.

 

Nahe dran

In der Serie Enviromental Sound Matters werken am Mittwoch die Live-Elektroniker Francisco Lopez und Pilip Jeck, konkreter (da instrumentaler)  geht in dieser Reihe Lionel Marchetti (F) vor.  Die Mitglieder des Instituts für transakustische Forschung untersuchen unter Beteiligung des Publikums das Naheverhältnis von Musik etwa zu Licht und Sprache, beim Buddha Boxing von FM 3 werden Besucher zu Musikern und gestalten einen Konzertabend – näher dran geht’s nicht mehr. Die in Berlin lebende Aktionskünstlerin Hanna Hartman setzt in fast dadaistischer Weise Gesten, Geräusche und Tonaufnahmen, Pierre Bastien tritt mit seinem mechanischen Orchester aus selbstgebauten Klangrobotern an und spannend verspricht auch eine Komposition von Michael Pinter zu werden, realisiert vom Ensemble Zwischentöne. Etwas schlichter, aber ausgefallen lustig und originell operiert das Gemüseorchester, das diesmal ebenfalls im Rahmen des musikprotokolls gastiert und dessen Auftritt in eine Gemüsesuppen-Festessen münden wird. (Heinz Rögl)

Veranstaltungsdetails siehe Link und mica-Konzertankündigungen.

 

Foto Bernhard Gander © Hans Labler
Foto Beat Furrer © Peter Oswald ©