In der Serie „Musikleben mit Kindern“ geht mica – music austria der Frage nach, wie es professionellen Musiker*innen geht, wenn sie Kinder haben. SABINE STIEGER gibt uns im zehnten Teil der Serie Einblick in ihren Berufsalltag mit Kind. Die Bandleaderin, Produzentin, Komponistin und Sängerin, die Emotionen gerne in Mundart verpackt, beschreibt warum sie jetzt viel weniger arbeitet, sie ihren Reiseradius verkleinert hat und warum sie ihre Projekte sehr genau auswählt. Würde eine Kinderbetreuungspauschale ihre Konzerttätigkeit erleichtern? Und wie oft wurde sie vor Auftritten schon gefragt, wer denn ihr Kind betreut?
Was hat sich für dich verändert, seitdem du Mutter geworden bist?
Sabine Stieger: Einmal Alles. Mein Tagesablauf, meine Werte, meine Prioritäten, mein Blick auf die Musikbranche, mein Blick auf die Gesellschaft und deren Umgang mit Frauen und Müttern, meine künstlerischen Themen, mein Körper, meine Gefühlswelt. Man muss natürlich dazusagen, dass sich in den letzten zweieinhalb Jahren durch Corona auch ohne Kind sehr viel verändert hätte. Das Timing war also perfekt für „einmal alles anders“.
„In meiner Wahrnehmung ist Kinderbetreuung und der ganze Mental Load in unserer Gesellschaft eindeutig noch hauptsächlich Frauensache.“
Werden Mütter in der Musikszene anders behandelt als Väter?
Sabine Stieger: Definitiv, noch nie ist es mir passiert, dass einer meiner vielen männlichen Kollegen mit Kindern gefragt wurde: „Und wer kümmert sich gerade um das Kind?“. Ich hingegen werde es bei jeder Gelegenheit (ob Probe, Konzert, Shooting, Studio, TV-/Radioauftritt) gefragt. Und nicht selten schwingt, mehr oder weniger offen ausgesprochen, eine Wertung mit: „Aber so ein kleines Kind braucht doch die Mutter“.
In meiner Wahrnehmung ist Kinderbetreuung und der ganze Mental Load in unserer Gesellschaft eindeutig noch hauptsächlich Frauensache.
„Mein Sohn ist jetzt ein Jahr und ich weiß, dass er mich nicht für ewig so intensiv brauchen wird, die Karriere steht jetzt mal nicht an erster Stelle.“
Auf Tour mit (kleinen) Kindern? Abends im Konzert und Kinderbetreuung? Welche Netzwerke nützen Musiker*innen?
Sabine Stieger: Meine Schwangerschaft und Geburt war kein Spaziergang, ich habe rasch gemerkt, dass ich nicht gleich wieder Vollgas geben kann und will, habe nach und nach entschieden, wie viel ich arbeiten kann und will. Ich habe keine Mutter mehr, keine Omas und Opas in Wien, die schnell mal bei der Kinderbetreuung einspringen, mein Mann und ich machen das quasi allein.
Ich arbeite viel weniger, habe in Bezug auf Konzerte meinen Reiseradius vorrübergehend verkleinert. Mein Sohn ist jetzt ein Jahr und ich weiß, dass er mich nicht für ewig so intensiv brauchen wird, die Karriere steht jetzt mal nicht an erster Stelle. Ich genieße die Zeit mit meinem Kind, es ist eine einzigartige und so vergängliche Zeit.
Und ganz ehrlich. Den ganzen Tag allein mit einem sehr aktiven Kind zu verbringen und danach nachts ein Konzert zu singen, ist ein Kraftakt. Ich wähle sehr genau aus.
Was würdest du dir von Veranstalter*innen wünschen und wo muss man dringend etwas verändern?
Sabine Stieger: Viele Veranstalter*innen sind sehr bemüht und zuvorkommend. Allerdings ist Kinderbetreuung ein Riesenthema, das so in der Konzertveranstalterbranche nicht existent bzw. wieder Muttersache ist. Eine Kinderbetreuungspauschale wäre eine grandiose Lösung und würde vieles sehr erleichtern.
„Es ist kein Zufall, dass viele Musikerinnen sich aktiv entscheiden, keine Kinder zu kriegen.“
Braucht es allgemein mehr Sensibilität in der Szene?
Sabine Stieger: Ja, eindeutig. Es ist kein Zufall, dass viele Musikerinnen sich aktiv entscheiden, keine Kinder zu kriegen. Die, die Kinder haben, verschwinden nicht selten über kurz oder lang oder sind auf alle Fälle viel weniger aktiv. Ich habe noch nie einen derartigen Aktivitätsrückgang bei männlichen Kollegen wegen Kindern erlebt.
Was fehlt? Wird auf Special Needs eingegangen?
Sabine Stieger: Ich fand den Zugang, die Betreuung, die Formulare und Informationen zum Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld der SVS sehr sperrig und konfus. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Und wie gesagt, Kinderbetreuungspauschalen bei Konzerten.
Die Zeiten haben sich geändert, Social Media bedient das Privatleben als auch das professionelle Umfeld. Wie gehst du damit in Hinblick auf deine Doppelrolle als Mama/Papa und Musiker*in um?
Sabine Stieger: Ich teile auf meinen Social-Media-Kanälen neben meiner Musik und Kunst kleine Einblicke in mein Privatleben, wenn sie etwa in Zusammenhang mit einem aktuellen Song stehen. Das hab´ ich immer so gemacht und handhabe es jetzt so. Private Kinderfotos haben auf meinem Künstlerkanal nix verloren. Privat ist privat.
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