Musik anders denken – BERNHARD BREUER im mica-Porträt

In den vergangenen Wochen erschienen gleich drei bemerkenswerte Platten unter seiner Mitwirkung, nämlich „observatory“ von ELEKTRO GUZZI, „expat blues“ von METALYCÉE und „nomads“ von TUMIDO. Anlässe genug für ein Gespräch mit dem Schlagzeuger der drei genannten und vieler anderer Bands, Bernhard Breuer.

Ziemlich genau zehn Jahre ist es her, dass Bernhard Breuer zusammen mit Fabian Pollack und Michael Bruckner im Trio BrPoBr in Erscheinung trat. Das sei seine erste Impro-Band gewesen, erinnert er sich. Die sei vor allem auf die künstlerisch fruchtbare Zeit am Linzer Bruckner-Konservatorium zurückzuführen gewesen. Allerhand Neues, Experimentelles konnte da in der Direktion von Christoph Cech ausprobiert werden. Außerdem seien die Jazzsachen ohnehin nie so sein Ding gewesen, sagt Breuer rückblickend.

Die BrPoBr-Platte erschien auf aRtonal, dem Label von Stefan Parnreiter, der damals auch das Wiener Fluc organisierte. Parnreiter, wie Breuer aus dem oberösterreichischen Ottensheim, publizierte schon das Debüt von Tumido, Breuers Duo mit seinem musikalischen Langzeitpartner Gigi Gratt. „Der Gigi war für mich der Auslöser von allem, was ich mache“, streut Breuer seinem Kollegen Blumen. „Mit Tumido ist alles möglich“, schwärmt er, „diese Band sollte es von mir aus immer geben“. Mittlerweile haben sich Breuer und Gratt um Mario Stadler, auch er ein Ottensheimer, zum Trio erweitert und ihre aktuelle Platte auf den Interstellar Records des befreundeten Richard Herbst herausgebracht.

Eine wichtige Station auf Breuers Laufbahn war schon früh der Alte Schl8hof in Wels. „Hier habe ich vieles kennengelernt, das mir die Ohren geöffnet hat“, sagt er und erinnert sich etwa an ein brachiales Japan Noise-Festival. Irgendwann wurde es Breuer in Oberösterreich dennoch zu eng. Er übersiedelte nach Wien, probierte vieles aus, musizierte in zahlreichen Clubs und wollte Profimusiker werden. „Das hat lange nicht funktionert“, resümiert Breuer. „Damals habe ich zehn Sachen gleichzeitig gemacht, seit einiger Zeit konzentriere ich mich auf eine.“ Das sei vor allem sozial extrem lehrreich, erfordere und erhöhe den Respekt vor einander, aber auch vor Bands, bei denen es über viele Jahre harmonisch funktioniert.

Klangkunst im Kollektiv

Von entscheidender Bedeutung sollte in Wien der Kontakt zu Nik Hummer werden. Durch ihn hat Breuer die elektronische Musik kennengelernt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fand Breuer die meisten Freejazz-Sachen langweilig, er vertiefte sich in die digitale Klangkunst. In Projekten von  Hummers Elektronik-und-Kunst-Kollektiv Thilges3 (mit Armin Steiner und Gammon) war er mehrmals dabei, später entstand daraus Metalycée. „Das war wieder gut für mich, weil ich da Musik machte, die ich vorher nicht kannte. Und ich habe dadurch gelernt, wie man Musik anders denken kann.“

Zum Thema Klangkunst empfiehlt sich ein Rückgriff auf Judith Unterpertinger, die seit Jahren mehrheitlich am Innenklavier agiert. „Die Judith war maßgeblich daran beteiligt, dass die Szene in Linz so gut funktioniert hat. Sie hatte die meiste Ahnung von Komposition. Und von Kompromisslosigkeit!“ Ihre erste gemeinsame Band hieß Der Böse Zustand. Eine Zeitlang spielten sie im Duo, später lernte Unterpertinger in Chicago den Trommler Steven Hess kennen und gründete mit ihm und Breuer das Trio No Business For Dogs , „eigentlich ein Quartett, weil der Tontechniker Fredi Reiter auch Teil der Band ist“. Steven Hess war wiederum gut bekannt mit Stefan Németh, was dazu führte, dass der vormals bei Radian aktive Elektroniker mit beiden Perkussionisten das Trio innode ins Leben gerufen hat.

Sicheres Terrain verlassen

Wie bei anderen Formationen stand auch bei Elektro Guzzi (mit Bernhard Hammer und Jakob Schneidewind) die Frage im Vordergrund, auf welche Weise welcher Sound miteinander erzeugt werden kann. Das führte in dem speziellen Fall zwar zu unverhältnismäßigen internationalen Erfolgen samt Auftritten bei den weltweit bedeutendsten Elektronikfestivals, bedeute aber gruppendynamisch keinen großen Wendepunkt. „Der Gesamtsound war auch bei BrPoBr und Tumido schon das Wichtigste“, resümiert Breuer. Im Ensemble reizt ihn vor allem, was auf den Raum bezogen möglich ist.  Das sei auch mit ein Grund, warum er nicht besonders gern solo auftrete. „Im sozialen Gefüge kann ich leichter das Terrain verlassen, auf dem ich mir selber eh schon sicher bin.“

Was ihn an der Wahrnehmung von Elektro Guzzi mitunter nerve, ist die hundertfach wiederholte Klassifizierung: Rockband spielt Techno mit echten Instrumenten. In Wahrheit gehe es wie so oft darum, „mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen, Musik auszuprobieren, die einem taugt.“ Jetzt klinge die große Guzzi-Sensation aber eh langsam ab, jetzt gehe es ausschließlich um die Musik, nicht mehr um Klischees. Abgesehen davon „war für uns Techno ohnehin nie ein Dogma. Unsere Musik hatte immer schon auch andere Elemente. So gesehen, war die neue Platte wie ein Befreiungsschlag. Und wir haben noch jede Menge Potenzial für die Zukunft.“

Eine weitere Möglichkeit, ausgetretene Pfade zu verlassen, seien auch neue Kooperationen. Breuer verweist auf das Zusammenspiel mit Cristian Vogel, einem Pionier des experimentellen Techno, der sich gern auf neue Zusammenhänge einlasse. Oder auf die „Brüder im Geiste“ von Bulbul, mit denen Tumido häufig zusammenspielt und immer neue Situationen zu schaffen vermag. Oder auf Mats Gustafsson, mit dem Elektro Guzzi am 8. November beim unlimited-Festival im Alten Schl8hof Wels auftreten wird.

Alois Sonnleitner

Foto: zoe*fotografie