mitderstadtreden# – Offener Brief der freien österreichischen Musikszene an die österreichische Bundesregierung

Die freie österreichische Musikszene – vertreten durch die Wiener Initiative mitderstadtreden – will mit dem offenen Brief die österreichische Bundesregierung auf die existenzbedrohende Situation ihrer Berufsgruppe aufmerksam machen.

Sehr geehrte Damen und Herren der österreichischen Bundesregierung,

mit diesem Brief weisen Künstler*innen der freien österreichischen Musikszene, vertreten durch jene der Wiener Initiative mitderstadtreden, auf die durch die Maßnahmen gegen Covid-19 verursachte, existenzbedrohende Situation unserer Berufsgruppe hin. Wir appellieren an Sie, Schritte zu setzen, damit unsere Kunst, ein gewichtiger Teil der vielfältigen Kulturlandschaft Österreichs, weiterhin bestehen kann.

Es ist uns bewusst, dass es in den vergangenen Wochen bereits Diskussionen zur Rettung des Kunst- und Kulturbereichs gegeben hat. Der Fokus lag hier bei den großen Häusern und Institutionen. Auf die freie Szene wurde weitgehend vergessen. Es bietet sich einem gesamten Berufsstand eine beispiellos verheerende Aussicht.

Künstlerische Arbeit, insbesondere zeitgenössische, bildet ein Gegengewicht zu nationalistischer Stimmungsmache, zur Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche und zu einer Politik der Angstmacherei. Sie leistet entscheidende Reflexionen über alle Aspekte unserer aktuellen Gesellschafts- und Lebenssituation. Sie spürt das Persönliche im Allgemeinen und das Besondere im Alltäglichen auf. Sie schärft die Sinne und den Verstand und wird so zu einem Werkzeug der Orientierung und einer Quelle der Stabilität und Stärkung. Sie ist ein wichtiges Mittel gegen gesellschaftszersetzende Tendenzen, wie sie schon vor der Krise signifikant erstarkt waren.

Die freiberuflich tätigen Musikerinnen und Musiker, die seit jeher in prekären Umständen leben, werden durch die aktuellen Einschränkungen mit beispielloser Härte getroffen. Aufführungen und Auftritte sind für viele die einzige Einnahmequelle. Das gespielte Konzert ist dabei nur ein kleiner Teil der Arbeit, die vor allem aus einer langen und intensiven Vorbereitung besteht. Es ist zwar teilweise möglich, in der aktuellen Situation im „Home-Office“ diese Vorbereitungsarbeit zu leisten, diese bleibt jedoch völlig unabgegolten, da Konzertgagen diese üblicherweise mit kompensieren. Die aktuell vielfach praktizierten Online-Performances sind zwar eine Möglichkeit der Präsentation, sie bieten jedoch nur unzureichend Möglichkeiten der monetären Verwertung und fordern einen technischen (und inhaltlichen) Mehraufwand, den viele nicht ohne Weiteres in der Lage sind zu leisten.

Gleichzeitig ist es unser Berufsfeld, das als eines der ersten in seinen Tätigkeiten eingeschränkt wurde, das voraussichtlich erst zuletzt wieder „hochgefahren“ wird und dem auch nach über zwei Monaten des Konzertverbots kaum brauchbare Perspektiven aufgezeigt werden. Dies hat zur Folge, dass unsere Planung bereits jetzt bis weit in das Jahr 2021 unsicher ist, da im Moment weder Engagements vereinbart noch Aufträge erteilt werden.

Aus diesem Grund fordern wir, die Musikerinnen und Musiker der freien österreichischen Musikszene, von der österreichischen Bundesregierung:

  •     Unbürokratische Soforthilfe in Form eines monatlichen Einkommens von Euro 1.000,00 pro Monat pro Musiker*in zumindest bis zum Jahresende 2020.
  •     Die Förderung von Online-Aufführungen muss, analog zur Förderung von „echten” Konzerten, schnell möglich gemacht werden.
  •     Ebenso müssen Studioaufnahmen förderbar werden, und das nicht nur für Veröffentlichungen auf Tonträgern, sondern auch für Online-Streamings und Radiofeatures.
  •     Unbürokratische behördliche Genehmigungen für Aufführungen und Performances im Freien sowie im öffentlichen Raum unter Einhaltung der medizinischen Anforderungen.
  •     Solange Distanzregeln für Mitwirkende gelten, braucht es größere Proberäume. Aktuell geschlossene Kulturinstitutionen (Konzerthäuser, Theater) des Bundes sollen dazu verpflichtet werden, ihre Räumlichkeiten der freien Szene zur Verfügung zu stellen. Sofern das ökonomisch nicht anders darstellbar ist, sollen unbürokratische Förderungen den zusätzlichen Aufwand dafür abdecken.
  •     Eine Rundfunk-Initiative: Wir brauchen eine erhöhte Anzahl von geförderten Auftritten im Rundfunk (Radio und Fernsehen) und auf digitalen Plattformen. Freiluftkonzerte könnten mit einem Livestream kombiniert werden.
  •     Eine Dokumentation dieser Konzerte in einer österreichweiten Datenbank, auch als ein späteres Zeitdokument zur COVID-Krise.
  •     Nicht-EU-Bürger*innen, die in unserem Land leben, sollen Zugang zu allen bestehenden Fördermitteln haben. Außerdem darf ihnen kein Nachteil bzgl. ihres Aufenthaltstitels durch Corona-bedingte Einkommensausfälle entstehen.

Die Musikerinnen und Musiker der österreichischen freien Musikszene fordern von der österreichischen Bundesregierung, die dramatische Situation zu erkennen und auch dementsprechend zu handeln. Die österreichische Musik der Gegenwart ist nicht nur die Fortschreibung einer jahrhundertealten und weltberühmten Musikkultur, sie ist auch Teil eines weltweiten Netzwerks von Kunst- und Kulturschaffenden, weiters ein signifikanter und leider immer wieder unterschätzter Wirtschaftsfaktor.

Gerne stehen wir mit unserer Expertise bereit, um die Fördermaßnahmen so effizient wie möglich zu gestalten.

Die Musikerinnen und Musiker der freien österreichischen Musikszene

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