mica-Interview mit Stefan Kalser (Stuck! Festival)

Nach dem erfolgreichen Auftakt 2010 geht das Salzburger Stuck! Festival nun in die zweite Runde und belebt damit im Sommer nicht nur die Salzburger Rock- und Popszene. Als Indoor-Festival konzipiert belebt das Stuck! auch die Sommerfestival-Aktivitäten in Westösterreich sowie dem angrenzenden Bayern. Heuer werden vom 4. bis 6. August im Salzburger Rockhouse über 30 Live-Acts aus dem In- und Ausland sowie diverse DJ-Lines angeboten. Für mica führte Didi Neidhart mit dem Festival Initiator Stefan Kalser (der unter dem Jahr auch den Yeah!Club im Rockhouse betreibt) ein Interview über Inhaltliches, Organisatorisches und die Salzburger Musikszene im allgemeinen.

Was ist dein Resümee des ersten Festivals?
Stefan Kalser: Ein sehr positives. Es war ja für uns alle etwas Neues ein Festival zu kreieren und zu veranstalten. Der Publikumszuspruch, die sehr guten Feedbacks von Fans und KünstlerInnen bestätigten unsere gute Arbeit. Dazu kam ein sehr gutes und umfangreiches Presse-Echo.

Haben sich die Erwartungen erfüllt? Wurde das “junges urbane” Publikum in Salzburg angesprochen?

Stefan Kalser: Die Erwartungen waren beim Debüt bescheiden und sie wurden übertroffen. Es war ja der Plan das junge urbane und musikinteressierte Publikum anzusprechen. Ich denke das ist uns ganz gut gelungen. Die Leute haben es verstanden zu genießen.

Gab es Auswirkungen auf die SBG-Musikszene?
Stefan Kalser: Ich denke, dass die Salzburger Musikszene durch das Stuck! schon einen positiven Input und eine gewisse Medienpräsenz bekam. Das Selbstbewußtsein, der Mut und die Vernetzung innerhalb der Szene steigt ständig und es entstehen immer wieder neue Projekte sowie Events. Wir sehen das Stuck! auch als mutiges Vorbild. Auch in einer so konservativen Stadt wie es Salzburg ist, kann man etwas miteinander bewegen. Grundsätzlich rate ich aber den jungen MusikerInnen die Stadt zu verlassen und es in einer europäischen Metropole zu probieren. Die Chancen und Szenen sind dort einfach viel grösser. Es gibt ja in Österreich viel zu wenig Medienpräsenz. FM4 ist schon extrem wertvoll und aussergewöhnlich, aber im TV-Format sollte schon lange viel mehr passieren. Man kann sich da vor allem Island, Schweden, Dänemark, UK und Norwegen als Vorbild nehmen. Dort genießen Bands bzw. das Thema Musik eine sehr hohe TV-Präsenz. Diese Musik gehört dort zur Alltagskultur, davon sind wir hier in Österreich ja meilenweit entfernt, leider.

Welcher Änderungen (und Verbesserungen) gibt es 2011?
Stefan Kalser: Wir hatten diesmal mehr Zeit und konnten schon auf die gute Arbeit vom letzten Jahr aufbauen. Das erleichterte vieles. Die Aufgaben im Team sind klar definiert und wir ziehen alle an einem Strang um dem Publikum drei schöne Tage in Salzburg anbieten zu können. Infrastrukturell wird das heuer ähnlich wie im letzten Jahr ablaufen, d.h. zwei Bühnen im Rockhouse und eine vor dem Haus. Das Rockhouse produziert und veranstaltet das Stuck! und es steht jeder mit Freude und Einsatz hinter dem Projekt. Es ist eine gute Symbiose und konstruktive Zusammenarbeit im Team. Beim Sponsoring müssen wir versuchen die Hausaufgaben noch besser zu machen, ein Hauptsponsor ist das Ziel. Die Sponsoren orientieren sich halt oft nur an der Medienreichweite. Es kamen zwar ein paar dazu, dafür sind wir sehr dankbar, aber der Wert des Festivals muss noch steigen um für potente Sponsoren attraktiv zu sein. Da muss einfach noch mehr passieren. Der budgetäre Rahmen ist klar kalkuliert und wird aus dem laufenden Rockhouse-Jahresbudget entnommen. Zusätzliche Subventionen gibt es leider nicht. Wir probierten es zwar, aber ich glaube, die zuständigen PolitikerInnen verstehen nicht wirklich um was es da geht, oder sie haben einfach ein Kulturdesinteresse. Ich weiß es nicht.

Die Offenheit und das künstlerische Interesse könnten größer sein. Einige Kultur- und MusikjournalistInnen meinten z.B. sie kennen keine oder kaum eine Band aus dem Line-Up. Das sagt auch einiges über das Interesse, die Präsenz und v.a. Medienpräsenz in Österreich aus. Es wäre schön wenn diese Subkultur mehr zur Alltagskultur wird. Andere Länder machen das vor, gehen damit viel professioneller um und schaffen Strukturen, Büros und exportieren ihre Musik. Die sind viel klüger als wir und sehen Subventionen eher als Investitionen. Salzburg ist eine touristische Musikstadt. Die so wichtige Umwegrentabilität – welch arges Wort – ist bei uns ja auch gegeben: wir schaffen Jobs, zahlen Steuern, füllen Hotels, Gastro und Taxis, etc. Diese „alternativen Festspiele“ tun Salzburg und den jungen Menschen dort sicherlich gut. Bei der Bandauswahl legten wir diesmal noch mehr Wert auf die Qualität der Acts, also auch in der Breite. Wir bewegen uns sicherlich in der anspruchsvollen intelligenten Populärmusik mit all ihren vielschichtigen Gesichtern und Facetten. Scharfe Genregrenzen gibt es ja nicht mehr und interessieren uns auch nicht wirklich. Newcomer und Szenegrößen prägen das Programm. Wir sind glücklich festzustellen, dass die Leute wegen den neuen Acts kommen, welche ihre Aufmerksamkeit verdienen.

Zudem läuft der Vorverkauf deutlich besser als 2011, das hatten wir erhofft, aber auch erwartet. Es wird wie gesagt ungefähr gleich ablaufen wie letztes Jahr. Durch einen sehr durchdachten Zeitplan ist es möglich jede Band zu sehen, es gibt kaum Überschneidungen. Das war uns wichtig. Richtig große Acts können wir uns nicht leisten, aber es ist noch mehr Qualität am Start als 2011.

Letztes Mal gab es ja eine eher kurze Vorbereitungszeit. Seit wann wurde am Stuck!2011 gearbeitet?

Stefan Kalser: Nach dem Festival ist vor dem Festival. Das heißt wir haben gleich im September 2011 mit den Planungen für heuer begonnen und im Oktober hatten wir bereits die ersten bestätigten Bands. Gleich zum Jahresbeginn passierte dann sehr viel und im Mai waren wir mit dem Programm fertig.

Im Juni gab es ja schon das Stuck!Warm Up auf der Dachterrasse des Hotel Stein in Salzburg mit Live-Gigs von Mean Poppa Lean (UK), den Steaming Satellites (SBG) und Sunae Solar & The Boy In The Radiator vom Yeah!Club-DJ-Team (SBG). Wie kommt man auf so eine Idee? Das ist ja eine eher exklusive Location mit Blick auf die Altstadt. War es leicht Genehmigungen (etwa wegen Lautstärke) zu bekommen?
Stefan Kalser: Die Idee war eine außergewöhnliche „bürgerliche Bühne“ zu kriegen um das Stuck! direkt in die Stadt zu bringen. Das gelang uns. Es kamen weit über 300 Leute und man hörte die Musik in der ganzen Stadt. „Stuck! From Above“ war ein voller Erfolg und es war wunderschön über den Dächern der Stadt Salzburg Fans, Presse und Bands zu sehen. Die Feedbacks waren enorm gut. Es war für viele unfassbar dort in dieser Umgebung, mit dieser Aussicht, vor so einer Kulisse so einen Event zu erleben. Dieses Warm Up auf der Steinterrasse war nur möglich, da die Stadt Salzburg mit dem Jugendbüro (Salzblog.at) voll hinter dem Stuck! steht und diesen Abend unterstützte bzw. präsentierte. Diese Unterstützung und Kooperation ist wichtig, sonst sind solche wertvollen Abende für das junge und urbane Salzburg nicht möglich. Die Setlängen der Bands waren relativ kurz und die Auftrittszeit früh gewählt, auch aus diesen Gründen gab es vermutlich keinerlei Beschwerden. Ganz im Gegenteil, wir bekamen durchwegs ein positives, ja euphorisches Feedback.

Gibt es stilistische Schwerpunkte? Genres auf die unbewusst bzw. durch die Auswahl (Zusagen/Absagen von Acts) der Focus gelegt wird?

Stefan Kalser: Das Stuck! soll sympathisch, jung, urban, sexy und international sein. Unbewusst wurde das Programm elektronischer. Das ist aber ein zeitgeistiges Phänomen. Genre-Grenzen gibt es doch heute nicht mehr. Der Musikgeschmack wurde generell breiter, eklektischer und das Musikgeschäft ist mittlerweile sowieso breiter aufgestellt als je zuvor. Natürlich gab es ein paar Absagen (Thieves Like Us, Mirrors) und klar bekamen wir ein paar gewünschte Bands aufgrund der zu hohen Gagenforderungen für uns oder aus Verfügbarkeitsgründen nicht. Die, die in unser musikalisches Bauchgefühl passen, die, die am Stuck! spielen wollen und die, die wir uns leisten können, spielen bei uns. Die Frische der Bands war uns wichtig und wir empfehlen sich Zeit zu nehmen und die Shows anzusehen. Es werden einige Acts überraschen.

Das Yeah!Club-DJ-Team legt heuer unter dem Motto “Retro Future Mix” auf und auch einige andere DJ-Sets werden sich den Sounds der 70er/80er-Disco in all ihren Facetten widmen. Ist dieser Trend jetzt auch in Salzburg angekommen, oder hängt das auch mit den Vorlieben der eingeladenen Bands für diese Ära zusammen?
Stefan Kalser: Ist das ein Trend? Es geht doch immer wieder um die Wurzeln diverser Musikstile und derzeit sind halt besonders die 80/90s angesagt. Natürlich schauen wir uns die Entwicklungen genau an, aber der Hipster-Faktor steht nicht im Vordergrund, das ist eher eine Begleiterscheinung. Schlußendlich geht es bei der Programmierung um das musikalische Bauchgefühl.

Geschieht die Auswahl auch anhand dessen, was beim Yeah!Club das Jahr über gut ankommt?

Stefan Kalser: Von den internationalen Bands waren nur FM Belfast im Yeah!Club, ansonsten spielen einige überhaupt zum ersten Mal in Österreich. Viele junge Leute stehen auf die neuen Bands, auf neue Musik. Sie suchen danach und beim Stuck! gibt es eben einiges zu entdecken. Der Vorteil für die Salzburger Fans ist, dass sie an dem Wochenende nicht quer durch Europa fahren müssen um diese neuen Acts zu sehen.

Wie siehst du die aktuelle Musik-Szene in SBG überhaupt? Da tut sich im Moment ja auch nicht gerade wenig. Plastotype, Steaming Satellites, The Helmut Bergers haben aktuelle CDs veröffentlicht, mel fährt nach ihrem Stuck!-Auftritt zu Aufnahmen für ihre neue CD nach England, Chili and the Whalekillers sind am Sprung – hat da das Stuck! bzw. der Yeah!Club auch einen gewissen Anteil daran? Immerhin scheint es als ob musikalische Strömungen mittlerweile nicht mehr Jahre brauchen, um in Salzburg anzukommen (falls überhaupt).
Stefan Kalser: Mir sagte mal jemand „… engagiere für Salzburg Bands, die vor drei Jahren ‚en Vogue‘ waren, dann kommen die Leute“. Dieser Satz war u.a. Motivation genug es anders zu machen. Alles andere wäre doch langweilig. Man darf die Kids nicht unterschätzen, wenn sie in den Tiefen des Internets nach neuer Musik suchen. Die Crystal Fighters spielten z.B. ihre erste Ö-Show im Yeah!Club und es funktionierte gut. Da passiert derzeit schon einiges in einer so kleinen, konservativen und überalterten Stadt wie Salzburg. Die oben genannten Bands sind das beste Beispiel dafür und andere Salzburger Bands wie Tangerine Turnpike, Been Obscene, The More or the Less sowie Allen Alexis werden ja auch noch 2011 ihre neuen Alben veröffentlichen. Die Salzburger KünstlerInnen werden besser, selbstbewußter, professioneller und mutiger. Vielleicht auch etwas durch die Bands die wir anbieten, aber da müsstest du sie direkt fragen. Ich denke es geht um neue musikalische Vorbilder und die kann man im Yeah!Club sehen. Sie wissen schon ganz genau, dass sie nur durch viel Proben besser werden und dass sie gute Kontakte brauchen um an Gigs und Promotion zu kommen. Was mir schon sehr auffällt ist, dass es kaum mehr Berührungsängste gibt und die Vernetzungen zwischen den Salzburger Bands deutlich besser wurde. Nicht zuletzt sind die heuer veröffentlichten Alben ein Indiz dafür. Ich finde die Szene ist enorm motiviert und schraubt die eigenen Qualitätsansprüche ständig nach oben. Das ist zu sehen und spüren und das ist gut. Aber eines ist klar, es geht nur miteinander in einer so kleinen Stadt.

Im Line-Up (31 Acts, davon 10 aus Österreich) finden sich erneut wieder jede Menge Bands, die aktuell in der Musikpresse als wichtige Newcomer gehypt werden. Wie kommt man an diese Bands ran? Musst da viel Überzeugungsarbeit geleistet werden?

Stefan Kalser: Weil wir jeden Tag Musik hören, darüber lesen lesen und sie fühlen. Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet und über die Jahre gute Kontakte zu Agenturen, Bands und Managements aufgebaut. Diese Partner muss man mit guter Arbeit überzeugen und das versuchen wir täglich. Dieses starke und sympathische Netzwerk umgibt das Stuck! und wir versuchen das Interesse der Leute draußen zu erfühlen. Das ganze Team trägt dazu bei Neuentdeckungen zu finden. Salzburg hat einen guten Ruf als Musikstadt und die Stadt liegt gut was das Routing anbelangt – schlussendlich geht es aber um das Geld. Wir können uns ganz einfach die großen Acts nicht leisten. Aber das ist doch egal, wenn man sich die Programme der richtig großen europäischen Festivals ansieht, wird man feststellen, dass überall dieselben großen Bands spielen. Das ist doch langweilig, zumindest für uns.

Der Festival- und Open Air-Sektor in Salzburg bietet mit dem Stuck!, dem On The Rocks und dem Movida mittlerweile ja nicht gerade wenig an. Sind das befruchtende Ergänzungen?

Stefan Kalser: Konkurrenz belebt und befruchtet. Die beiden erwähnten Festivals sehen wir aber nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung für das Ganze. Wir besuchen selber die anderen Festivals und es ist doch toll für die jungen Leute eine solche Auswahl zu haben. Terminlich sollten wir uns aber noch besser abstimmen. Die Veranstalter vom On The Rocks sind Freunde und das Festival ist vor allem für den Tennengau enorm wichtig. Das Movida ist komplett anders konzipiert. Dort spielen nur wenige Bands und es geht vor allem auch um Workshops, Sport und Vorträge.

Wie siehst du Sommerfestivals allgemein? Ist das nicht fast schon ein Overkill? Es häufen sich ja auch die Stimmen von kleineren Clubveranstaltern, dass sie immer weniger attraktive Bands unter dem Jahr kriegen können, weil sich alles nur noch auf die großen Festivals im Sommer konzentriert, wo halt auch für die Bands die meiste Kohle zu holen ist.
Stefan Kalser: Die meisten Bands und KünstlerInnen nagen ja am Hungertuch. Da ist es schon klar, dass sie zumindest in der Festivalsaison versuchen Geld zu verdienen. Die Gagen sind im Sommer schon um einiges höher als während der Clubsaison. Man darf nicht vergessen, dass die Acts ja selbst Touring-Kosten haben. Aber die Gagen sind gerade für den österreichischen Musikmarkt oft nicht machbar, da tun sich z.B. deutsche oder Wiener Veranstalter sicherlich leichter als wir. Es gibt derzeit Unmengen an wirklich guten Bands, das wird immer mehr und breiter. Bands und Hypes kommen und gehen, die Geschwindigkeit ist enorm, da zahlt es sich als Veranstalter aus wenn man sich täglich mit Musik beschäftigt, es bleibt einem ja auch nichts anderes über. Richtig attraktive Bands kosten eine Menge Geld und das geht sich nur aus wenn auch genug Leute zur Show kommen.

Deine heurigen persönlichen Tipps und Faves beim Stuck! Festival?

Stefan Kalser: Ich persönlich freue mich sehr auf Esben and the Witch, Apparat Band, Metronomy, Mount Kimbie, CREEP, Handsome Furs, Puro Instinct, COMA, Scanners, FM Belfast, Casiokids, Flashguns, Francis International Airport, HGich.T und WhoMadeWho.

Danke für das Gespräch.