mica-Interview Peter Rosmanith

Gerade eben hat der vielbeschäftigte Schlagzeuger und Perkussionist Peter Rosmanith mit “Schneesand” sein zweites Album unter eigenem Namen veröffentlicht. Im Interview erzählt er über dieses neueste Werk sowie diverse andere Projekte und gibt auch einen Überblick über seinen bisherigen musikalischen Werdegang. Das Interview führte Michael Masen.  

Nach deinem Solo-Debüt “Aans” im Jahr 2000 ist mit “Schneesand” heuer deine zweite CD erschienen. Kannst du ein wenig darüber erzählen? Wie lange hast du an den Stücken dafür geschrieben bzw. wie lange hat dann der Aufnahmeprozess gedauert?

Ein halbes bis dreiviertel Jahr ungefähr, wenn man alles zeitlich zusammen fasst. Es hat sich deshalb über einen so langen Zeitraum erstreckt, weil ich in irrsinnig vielen Projekten tätig bin und ich immer nur ein kleines Zeitfenster zur Verfügung habe, an meinen eigenen Sachen arbeiten zu können.

Hast du dir für die neue CD irgendwelche Vorgaben gesetzt? Beispielsweise, dass du unbedingt eine Weiterentwicklung zum Vorgänger schaffen willst oder ein bestimmtes Konzept?

Es gab quasi ein musikalisches Konzept. Das Hauptinstrument bei dieser CD ist das Hang, das auch bei jedem Stück vorkommen sollte. Das war sozusagen die Grundidee, mit der ich begonnen habe. Alles andere hat sich dann im Arbeitsprozess irgendwie herausgestellt. Die einzelnen Stücke auf der CD sind dann auch auf ganz unterschiedliche Arten entstanden. Es gibt Stücke, die habe ich schon vorher genau vorproduziert, wo ich also bereits ganz genau gewusst habe, was ich haben will, bevor ich noch mit den Musikern uns Studio gegangen bin und dann gibt es beispielsweise wieder ein Stück, das ist komplett frei improvisiert. Da habe ich mich nur mit Ljubinka Jokic, Franz Hautzinger und Marwan Abado hingesetzt und einfach drauf los gespielt.

Das ist dann vermutlich das Stück, bei dem ihr alle vier als Autoren angeführt seid.

Genau. Ljubinka war die einzige, die für ihren Part bereits das geschnittene Material zur Verfügung hatte. Sie musste also nur noch zu dem bereits vorhandenen Stück improvisieren. Die Vorlage dafür haben wir zu dritt erarbeitet. Da gab es schon von mir eine klangliche Vorstellung, eine Idee, in welche Richtung alles gehen soll, weshalb ich aber auch diese bestimmten Musiker eingeladen habe. Mit Marwan arbeite ich jetzt schon seit zehn Jahren zusammen und mit Franz Hautzinger auch hin und wieder und da habe ich genau gewusst, was mich erwarten wird und all das ist schließlich auch genau so eingetroffen und hat wunderbar funktioniert.

Das heißt, für deine Stücke hast du nicht bloß die Instrumentierung während des Komponierens im Kopf, sondern ebenfalls, mit wem du das dann alles umsetzen willst?

Genau. Ich habe immer ziemlich präzise Vorstellungen, wie meine Sachen klingen sollen.

Sind die komponierten Stücke dann genau so aufgenommen worden, wie es anfangs geplant war, oder hat sich da schon noch etwas während des Aufnahmeprozesses geändert?

Klar vorgegeben und festgelegt waren die Perkussionsparts, aber ich brauche beispielsweise nicht dem Otto Lechner die Akkordeonstimme vorsingen. Dem muss ich nur ungefähr sagen, was ich mir vorstelle und er bietet mir dann zwei oder drei Sachen an, zwischen denen ich mich für eine Variante entscheide. Das war in der Regel eigentlich die Arbeitsweise mit sämtlichen beteiligten Musikern.

Ein paar Tage lang ist die CD ja nun bereits veröffentlicht. Wie ist so generell die Resonanz darauf, was kommt seitens der Kritiker zurück?

Die bisherige Resonanz ist überraschend gut. Überraschend deswegen, weil mir von vornherein klar war, dass es sich dabei um ein Nischenprodukt handelt. Dadurch, dass ich relativ wenige CDs produziere, mache ich die in erster Linie für mich selbst. Der Anspruch ist, dass es mir gefallen muss und wenn es dann zusätzlich noch vielen anderen Menschen ebenfalls gefällt, ist das super. Aber mit dem Ausmaß, wie diese CD angekommen ist, habe ich überhaupt nicht gerechnet.

Rezensionen dazu gibt es aber eher wenige, was auch daran liegt, dass es heute kaum mehr Musikjournalismus gibt. Die CD ist von Ö1 sehr gut promotet worden und sie ist auch für den deutschen Schallplattenpreis nominiert. Ich bin also wirklich sehr zufrieden damit. Natürlich werde ich dadurch nicht reich, das muss man sich als Musiker in meinem Bereich sowieso abschminken, aber zumindest die Produktionskosten sind jetzt schon mal herein gespielt und wenn darüber hinaus noch ein bisschen etwas übrig bleibt, ein Grundbudget, um die nächste CD zu finanzieren, dann ist das wunderbar. Es gibt da ja auch so einen super Musikerwitz: Treffen sich zwei Musiker und der eine sagt: “Ich habe gehört, du hast eine CD gemacht. Was hast du denn schon verkauft?” Worauf der andere antwortet: “Naja, mein Auto, mein Haus..”

Trotz der Tatsache, dass du die CD primär für dich selbst gemacht hast, gibt es irgendwelche Vorstellungen, in welchem Kontext “Schneesand” von anderen Leuten gehört wird? Eher alleine und konzentriert zu Hause oder doch mehr als Hintergrundmusik?

Vorschreiben kann man das ja sowieso nicht und das will ich auch gar nicht, aber es ist schon so, dass wenn ich selbst ähnliche Musik konsumiere, ich eher die CD als Ganzes höre, mich dazu hinsetze und zuhöre. Sprich, ich konsumiere das genauso wie ein Buch. Natürlich gibt es auch Sachen, die im Auto bleiben. Gerade, wenn ich viel zu tun und wenig Zeit habe, um Musik zu hören, dann nutze ich die Autofahrten, um mir neue Sachen anzuhören. Wenn ich mich mit der Musik aber wirklich auseinander setzen will, dann höre ich mir das zu Hause in Ruhe an. Generell würde ich mir das auch für meine Musik wünschen, aber das soll jeder so machen, wie er glaubt.

Kannst du ein wenig über deine musikalische Sozialisation erzählen; wie bist du zum Musikmachen gekommen?

Sehr prägend war für mich erstmal die Pop- und Rockmusik. Anfänglich waren das Gruppen wie Led Zeppelin oder The Who, also mehr so Gitarrenrock, wo aber auch das Schlagzeug eine sehr dominante Rolle gespielt hat. Es ist dann aber ziemlich schnell in Richtung Jazz gegangen. Mit 18 Jahren ungefähr habe ich Weather Report entdeckt, was wirklich ein Quantensprung war. Da habe ich dann ganz schnell die Rockmusik vergessen und mich dem Jazzrock zugewandt.

Selber Musik zu machen habe ich mit 15 Jahren begonnen, indem ich einfach Sachen nachgespielt habe. Ich war in einer Band, mit der wir Rolling Stones-Sachen gecovert haben. Unser Sänger war ein begnadeter Mick Jagger-Imitator und war zehn Jahre älter als wir, für uns damals quasi schon ein alter Mann. Er konnte nicht wirklich Englisch, weshalb er die Stones-Texte immer bloß lautmalerisch nachgesungen hat. Zudem konnte er aber auch die ganzen Instrumentalparts auswendig und hat mir den Beat von Honky Tonk Woman vorgesungen und dem Gitarristen den Gitarrenpart von Satisfaction, weil ja keiner von uns Notenlesen konnte. Und so haben wir irgendwie begonnen, zu musizieren.

Du bist also Autodidakt?

Anfänglich war ich das. Ich habe dann aber auch bei Fritz Ozmec an der Musikhochschule Jazzschlagzeug studiert und mich nebenbei aber auch immer mehr für Perkussion interessiert, was dort allerdings nur ein Nebenfach war. Mein Interesse hat sich dann immer mehr in diese Richtung verlagert, also Perkussion und außereuropäische Musik, sodass ich das Schlagzeugstudium nicht abgeschlossen habe, sondern lieber auf diversen Reisen und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Weltmusikprojekten meinen musikalischen Horizont erweitert habe, ebenso wie mein Instrumentenlager.

 

 

Gibt es da ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, das dich dazu gebracht hat, dich mit außereuropäischer Musik und dem damit verbundenen Instrumentarium auseinander zu setzen?

Ja, an sich war das ein Konzert der Gruppe Shakti. Das war John McLaughlin mit dem damals noch irrsinnig jungen Zakir Hussain an den Tablas. Den Begriff “Weltmusik” gab es damals ja noch gar nicht, das ist alles mehr so im Jazzkontext passiert. Jedenfalls bin ich dort hingegangen, das war die Kurhalle Oberlaa, wegen dem Billy Cobham, der ebenfalls an diesem Tag dort aufgetreten ist, gemeinsam mit George Duke und einer Jazzrockband.  Anfang der Achtziger gab es ja immer diese riesigen Schlagzeuge mit zwanzig Hänge-Toms und tausenden Becken und mindestens zwei Bass-Drums, das hat mir immer irrsinnig gut gefallen. Und dann habe ich dort plötzlich diesen Zakir Hussain mit seinen Tablas spielen gesehen. So etwas war mir bis dahin gar nicht bekannt und es hat sich für mich ein komplett neues Universum aufgetan. Zumindest für diesen Abend hatte ich Billy Cobham komplett vergessen und mir fest vorgenommen, Tabla spielen zu lernen.

Das Problem war dann aber schon mal, in Wien überhaupt Tablas zu bekommen, was quasi unmöglich war. Es gab ja damals bloß Drum City und wenn man da reingekommen ist und nach Tablas gefragt hat, wusste niemand etwas damit anzufangen. Dann wurde mir geraten, nach London zu fliegen, weil dort viele Inder gelebt haben und die Möglichkeit größer war, dort solch ein Instrument zu bekommen. Das habe ich schließlich dann auch gemacht und tatsächlich Tablas bekommen.

Das nächste Problem war dann, damit überhaupt zu spielen. Es hat zwar komplex ausgesehen, was Zakir Hussain gemacht hat, aber ich habe mir gedacht, dass das so schwer auch wieder nicht sein könnte. Irgendwie hat es ja auch ausgeschaut wie Bongospielen. Ich habe dann aber ziemlich rasch gemerkt, dass ich das überhaupt nicht zusammen bringe und deshalb verzweifelt nach einem Lehrer gesucht. Damals war das in Wien ja noch eine Unmöglichkeit. Deshalb bin ich auch ein großer Freund der Zuwanderung, weil man hier mittlerweile mit den unterschiedlichsten Ethnien musizieren kann, quasi mit der ganzen Welt.

Es sind dann jedenfalls einmal ungefähr zwei Jahre ins Land gezogen, bis ich über Umwege auf Gerhard Reiter gestoßen bin, ein Perkussionist, der schon bei einem Inder ein paar Tabla-Stunden gehabt hat. Bei ihm habe ich dann auch meine ersten Übungsstunden gehabt und im Gegenzug habe ich ihm ein wenig Schlagzeugspielen beigebracht.

Ein paar Jahre später ist dann Jatinder Takur nach Wien gekommen, bei dem ich schließlich meine Tabla-Kenntnisse vertiefen konnte. Und das war so eigentlich der Anfang von dem allen. Später habe ich dann mal einen türkischen Musiker kennen und Tarabuca spielen gelernt, in der Karibik habe ich mich mit Steeldrum beschäftigt sowie mit Conga und kubanischer Rhythmik und so hat eines das andere ergeben. Ein Prozess sozusagen, der mittlerweile bereits jahrzehntelang anhält.

Kann man als europäisch geprägter Musiker diese anderen Rhythmen überhaupt in ihrer reinen Form spielen, oder fließt da immer auch die eigene Prägung mit hinein?

Natürlich. Es wäre vollkommen falsch zu versuchen, Tabla zu spielen wie Zakir Hussain. Da kann man nur scheitern. Ich bin dagegen bestrebt, auf all diesen Instrumenten meinen eigenen Weg zu gehen und zu finden. Ein Schlüsselerlebnis war für mich auch, als mich Marwan Abado, mit dem ich jetzt schon seit zehn Jahren zusammen arbeite, angerufen und gefragt hat, ob ich mit ihm gemeinsam zwei Konzerte in Beirut spielen möchte. Arabische Musik. Ich hatte davon zwar keine Ahnung, aber es klang einfach irgendwie spannend. Natürlich hatte ich mich bereits vorher mit osteuropäischer Musik auseinander gesetzt und kannte auch ein paar CDs mit arabischer Musik, aber ich war weit davon entfernt, mich da wirklich auszukennen.

Wir hatten dann ungefähr drei oder vier Proben, nach denen er auch schon mit meiner Spielweise zufrieden war. Ich habe mich auch gar nie mit anderen vergleichen wollen, sondern immer einfach versucht, meinen eigenen Stil zu finden. Als wir dann in Beirut gespielt haben, war ich vorher schon ein wenig nervös, aber den Leuten hat es ausnehmend gut gefallen, was ich da gemacht habe. Hätte ich aber versucht, die richtigen arabischen Musiker zu kopieren, dann wäre ich dort mit Sicherheit gescheitert, keine Frage.

Ich versuche auch ganz gezielt, diese ganzen Einflüsse, die ich im Laufe der Jahre aufgesogen habe, in meine Arbeit einfließen zu lassen. Das ist dann niemals reine arabische, indische oder afrokubanische Musik, sondern einfach immer Peter Rosmanith.

Du bist ja auch bei vielen Projekten als Sideman tätig. Ist es bei so vielen verschiedenen Einflüssen vielleicht auch schwierig, etwas auszublenden, wenn für eine Komposition ein bestimmter Stil gewünscht wird? Kann man das, bestimmte Elemente, dann quasi auf Knopfdruck ausblenden?

Was für mich über all dem steht, ist einfach die Musik und ich versuche, nur das zu spielen, was die Musik wirklich braucht. Das kann auch oft sehr wenig sein und wenn es einmal passt, spiele ich auch gar nichts. Darauf kommt es an. Es geht nicht darum, in das Stück meine ganzen Erfahrungen und Einflüsse einzubringen, sondern darum, wirklich heraus zu hören, was das jeweilige Stück braucht und das dann zu spielen. Das stelle ich mir jedes Mal als Aufgabe.

Um noch mal auf die Rhythmen zu sprechen zu kommen: Kann man irgendwie objektiv erklären, was der Unterschied zwischen beispielsweise indischen oder arabischen Rhythmen und europäischen Rhythmen ist oder ist das eher so eine Gefühlssache?

Die Vielfalt ist auf jeden Fall enorm. Es gibt in der klassischen indischen Musik alle Rhythmen, die es überhaupt nur geben kann. Ganz egal, ob Reggae, Rock oder Swing, in der indischen Musik gibt es das von der Phrasierung her alles. In der europäischen Musik sind wir sehr oft auf 2/4, 3/4 und 4/4 Takte reduziert und das ist es dann eben auch. Bei den Indern gibt es eine unglaubliche Vielfalt und das schon seit vielen Jahrhunderten.

Das wurde bei denen auch irrsinnig gepflegt und ist Teil ihrer Kultur. Wie so etwas entsteht, müsste man jetzt einen Musikwissenschafter fragen. Vielleicht hängt es aber mit der Sprache und bestimmten Satzbauten zusammen.

Vielleicht war bei uns diese Vielfalt ja ebenfalls gegeben, wurde aber dann durch die strengen Notationsschemata der Klassik ausgedünnt?

Eine strenge Form gibt es auch in der indischen Musik. Das ist dort ja auch hohe Mathematik, sage ich jetzt einmal. Ursprünglich gab es ja dort bis zum westlichen Einfluss keine schriftliche Notation, sodass ein indischer Tablaspieler damit begonnen hat, Rhythmen auswendig zu lernen. Wenn er das dann zehn oder zwanzig Jahre lang macht, kann er natürlich ein irrsinnig großes Repertoire vorweisen. Und obwohl das für einen westlichen Zuhörer sicher nach Improvisation klingt, was da passiert, folgt doch alles einem genauen und strengen Schema. Der Spieler hat einfach ein großes Repertoire, das er abrufen kann. Es ist also nicht so wie beim Jazz, wo der Schlagzeuger vollkommen frei agiert. Bei der indischen Musik gibt es selbst in der Improvisation ganz strenge Regeln. An der Reglementierung liegt es also glaube ich nicht, dass es diese Unterschiede gibt.

 

 

Vielleicht war bei uns diese Vielfalt ja ebenfalls gegeben, wurde aber dann durch die strengen Notationsschemata der Klassik ausgedünnt?

Eine strenge Form gibt es auch in der indischen Musik. Das ist dort ja auch hohe Mathematik, sage ich jetzt einmal. Ursprünglich gab es ja dort bis zum westlichen Einfluss keine schriftliche Notation, sodass ein indischer Tablaspieler damit begonnen hat, Rhythmen auswendig zu lernen. Wenn er das dann zehn oder zwanzig Jahre lang macht, kann er natürlich ein irrsinnig großes Repertoire vorweisen. Und obwohl das für einen westlichen Zuhörer sicher nach Improvisation klingt, was da passiert, folgt doch alles einem genauen und strengen Schema. Der Spieler hat einfach ein großes Repertoire, das er abrufen kann. Es ist also nicht so wie beim Jazz, wo der Schlagzeuger vollkommen frei agiert. Bei der indischen Musik gibt es selbst in der Improvisation ganz strenge Regeln. An der Reglementierung liegt es also glaube ich nicht, dass es diese Unterschiede gibt.

Für dich selbst, deine eigene Spielweise, ergibt sich eine Freiheit also auch erst dadurch, dass du diese verschiedenen Stile vereinst?

Ja. Die Freiheit für mich ist es, diese ganzen Stile zu kombinieren und quasi einen eigenen Klangkosmos zu schaffen.

Bist du heute auch noch viel in außereuropäischen Ländern unterwegs?

Im arabischen Raum hauptsächlich durch die Zusammenarbeit mit Marwan Abado.

An welchen Projekten arbeitest du, neben deinem Soloprojekt, derzeit noch?

Eine größere Geschichte ist jetzt gerade eine Hörbuchproduktion von H.C. Artmann namens “Dracula, Dracula”. Damit gehe ich auch im November bzw. Anfang Dezember mit dem Erich Steinhauer auf Tournee. Die Musik zu diesem Hörbuch stammt von Georg Graf, einem Bläser, und von mir. Darin sind ebenfalls viele osteuropäische Einflüsse enthalten.

Weiters gibt es noch ein Projekt mit der bosnischen Sängerin Ljubinka Lokic, die mittlerweile auch schon seit 15 Jahren in Wien lebt. Dabei spielen wir gemeinsam die Musik des Balkanraumes. Da gibt es bulgarische, rumänische, kroatische, serbische, bosnische und russische Lieder, bunt gemischt und auch ein wenig mit Elektronik versetzt. Mit diesem Projekt bin ich auch immer wieder mal auf Tour.

Dann ist auch noch eine neue CD mit Marwan Abado entstanden, die gerade vor zwei Wochen präsentiert wurde. Das sind jetzt mal so im Großen und Ganzen meine Kernprojekte. Daneben gibt es dann noch das Weihnachtsprojekt “Still” mit Otto Lechner und Klaus Trabitsch, wobei wir mit dem nur alle zwei Jahre unterwegs sind. Also erst wieder nächstes Jahr.

Und da meine CD erfreulicherweise so gut angekommen ist, gibt es jetzt im Dezember eine kleine Tournee dazu, mit einem Abschlusskonzert in der Kirche am Gaußplatz.

Wohin genau wird dich diese Tournee überall führen?

27.11. Berging, in der Nähe von Wien, 7.12. Ried, 8.12. Hopfgarten/Tirol, 10.12. Kreuzstetten/NÖ, 11.12. Graz und am 13.12. eben dieses Abschlusskonzert in Wien, in der Kirche am Gaußplatz.

Du bist ja mittlerweile auch als Sideman auf über 40 CDs zu hören. Ich nehme mal an, dass es viel mehr Anfragen gibt, irgendwo mitzuspielen, als du tatsächlich bewältigen kannst. Wie wählst du da aus, wo du mitmachst und wo du ablehnen musst?

In erster Linie ist es leider wirklich ein Zeitproblem. Es gibt immer wieder interessante Projekte und manchmal passt es und manchmal auch wieder nicht. Natürlich, wenn für mich irgendetwas inhaltlich zwingend ist, dann finde ich schon die Zeit, das zu machen. Es kann aber auch so sein, dass ich einfach zu spät kontaktiert werde. Wenn heute jemand anruft und fragt, ob ich morgen ins Studio kommen kann, müsste ich absagen, auch wenn es mich unglaublich interessieren würde, weil ich morgen halt nicht in Wien bin und deshalb auf keinen Fall kann.

Und dann ist das vorderste Kriterium natürlich der Inhalt. Ums Geld geht es da überhaupt nicht. Viele von diesen Produktionen sind ähnlich produziert wie meine, also low budget, und wenn das ein Kollege ist, mit dem ich ohnehin viel zusammen arbeite, dann hilft man sich halt gegenseitig. Das ist so das wesentliche Kriterium und natürlich auch, ob das jeweilige Projekt spannend ist.

Wenn du mehr Zeit hättest, dich von den ganzen organisatorischen Notwendigkeiten befreien zu können, würdest du also auf jeden Fall in mehr Projekte involviert sein?

Ja, ganz sicher. Oder ich würde einzelne davon mehr forcieren, sagen wir mal so.

Wie könnte das dann aussehen? Würdest du mehr aufnehmen wollen oder mehr live spielen?

Ich würde wahrscheinlich sofort versuchen, die nächste CD, also den Nachfolger zu Schneesand, zu planen und zu komponieren. Und dann ist die zweite Sache, die mich in den letzten Jahren schon sehr interessiert, die Kombination von Literatur und Musik. Ich würde hier gerne mehr machen und zwar auch im Rahmen größerer Produktionen.

Bei der Hörbuchreihe im Mandelbaumverlag sind wir halt doch budgetär sehr eingeschränkt und ich würde irrsinnig gerne einmal mit einem größeren Ensemble für Zeitgenössische Musik zusammen arbeiten. Gerne würde ich auch einen Kompositionsauftrag vergeben, beispielsweise an Olga Neuwirth, bei dem der jeweilige Künstler keinerlei Einschränkungen unterworfen ist. Wenn dann ein 50-köpfiges Orchester benötigt wird, soll es eben so sein. Das wäre einmal mein Wunsch, wirklich von einem bestimmten Inhalt ausgehen und dann aus dem Vollen schöpfen können. Das wäre wie ein Lotto-Sechser für mich.

Komponierst du immer ein Stück nach dem anderen, oder laufen immer mehrere Sachen parallel?

Da laufen immer mehrere Sachen parallel. Es gibt eine Idee und gleichzeitig aber auch andere. Wie es eben so kommt.

Schließt du alle Kompositionen auch ab, oder bleiben auch schon mal Sachen unvollendet in der Schublade zurück?

Ja, das gibt es auch. Konkret jetzt bei Schneesand gab es zwei oder drei Stücke, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie nicht zur Grundstimmung der anderen Sachen dazu passen. Die liegen jetzt eben in meiner Schublade und ich verwende sie vielleicht später einmal für etwas anderes oder aber überhaupt nicht.

Werden einmal aufgenommene Sachen von dir noch weiter modifiziert oder bleiben die dann in der entsprechenden Form festgelegt?

Es passiert natürlich immer wieder mal, dass ich Sachen weiter bearbeite und das vor allem im Live-Zusammenhang. Bei Schneesand etwa gibt es ein Stück, das habe ich auch für das “Dracula, Dracula”-Projekt verwendet, weil es einfach zufällig super gepasst hat. Ich habe auch gar nicht den Anspruch an mich, jetzt täglich das Rad neu erfinden zu müssen. Man sollte zwar auch nicht ständig bei sich selbst stehlen und sich andauernd selber kopieren, aber wenn sich etwas ergibt, das perfekt passt, dann habe ich keine Scheu, das auch noch mal, in einem anderen Zusammenhang, zu verwenden.

“Dracula, Dracula” ist jetzt ein Projekt im Rahmen der Bibliothek der Töne im Mandelbaum Verlag, oder?

Genau.

 

 

Als wir damals zu dieser Reihe ein Interview gemacht haben, waren gerade drei Hörbücher erschienen. Wie ist der derzeitige Stand?

Momentan halten wir bei sechs Stück. Eben “Dracula, Dracula”, dann gibt es noch von Christoph Ransmyr “Damen und Herren unter Wasser” mit Franz Hautzinger als Musiker. Christopfh Ransmayr trägt dabei den Text selbst vor. Und dann haben wir noch “Der Gruftwächter”, ein Drama von Fanz Kafka. Hierfür haben Anne Bennent und Hans Neuenfels den Text gesprochen und Otto Lechner, der darauf auch am Akkordeon zu hören ist, war für die musikalische Leitung zuständig. Er hat für dieses Projekt die Deutsche Hymne von Haydn auf geniale aber simple Weise bearbeitet. Und zwar hat er einfach die Hauptstimme weggelassen und sie teilweise durch improvisiertes Akkordeon ersetzt. Da merkt man auch erst richtig, was für ein genialer und moderner Komponist Haydn eigentlich war. Was bei dieser Produktion auch toll ist, ist die Tatsache, dass sich hier der Text über die Musik quasi noch einmal erklärt. Durch die Musik wird also eine zusätzliche Ebene geschaffen.

Werden die jeweiligen Themen, die als Hörbuch umgesetzt werden sollen, immer von dir ausgewählt?

Teilweise habe ich ausgewählt, es werden aber auch immer wieder Vorschläge an mich herangetragen. “Der Gruftwächter” etwa war eine Idee vom Otto Lechner, der gemeint hat, ich solle das mal lesen. Und es hat mir dann auch auf Anhieb sehr gut gefallen, wir haben darüber gesprochen, wie wir das umsetzen könnten und der Otto hat dann auch schon die Regie übernommen und das Gesamtkonzept erarbeitet. Es ist also ganz unterschiedlich, auf wessen Initiative ein solches Hörbuch entsteht.

Zum Teil greife ich auch auf schon vorhandene Produktionen zurück. Das nächste Hörbuch beispielsweise ist “Jacques Offenbach, Großherzogin von Gerolstein”. Eigentlich eine klassische Operette mit einem wunderschönen und kritischen Text betreffend den Militarismus und Feudalismus, aber auf eine sehr humorvolle Art und Weise ausgestaltet. Da gibt es ungefähr 15 Rollen, die allesamt von Wolfram Berger virtuos gelesen werden. Es ist wirklich eine sehr lustige und flotte Geschichte, bei der ich erst überlegt hatte, die Musik ein wenig moderner zu gestalten und aufzurauen, aber je öfter ich mir das angehört habe, umso mehr habe ich gemerkt, dass die Aussage in der Originalversion perfekt getroffen ist und man nichts mehr hinzuzufügen braucht.

Es ist wie gesagt eine fertige Produktion, die der Wolfram Berger vor ungefähr vier Jahren bereits bei der Styriarte in Graz gespielt hat. Wenn es irgendwie passt, dann nehme ich also auch fertige Geschichten. Ich selbst wähle lediglich aus.

Habt ihr euch bestimmte Vorgaben gesetzt, etwa 2-3 Hörbücher pro Jahr zu veröffentlichen, oder hängt das einzig und allein davon ab, ob es auch eine griffige Idee für eine Produktion gibt?

Das alles hängt davon ab, wie viel Zeit ich habe, weil ich mich ja um diese Produktionen kümmern muss und dann ist es natürlich auch eine budgetäre Frage. Ich kann mir durchaus vorstellen, auch zehn Produktionen im Jahr zu machen. Das heißt aber auch, ich müsste entsprechend bezahlt werden, weil es eben Geld braucht, um so etwas zu realisieren. Ich würde mir wünschen, mehr als zwei Hörbücher pro Jahr machen zu können. Ideen dafür gibt es jedenfalls genug.

Gibt es irgendetwas, das du noch unbedingt im Interview erwähnt wissen möchtest?

Was mich sehr freut ist, wie sich die Studenten gerade engagieren. Für mich ist das sozusagen das Highlight des Jahres. Man fragt sich ja schon seit zehn Jahren, was noch alles passieren muss und was die sich noch alles gefallen lassen. Meine Hoffnung ist ja auch, dass dadurch jetzt vielleicht auch Bewegung in andere starre Institutionen hinein kommt.

Was mich darüber hinaus sehr erschreckt, ist das Erstarken der FPÖ. Letztens habe ich mit einem Veranstalter telefoniert, nach den oberösterreichischen Wahlen, und der meinte, wir könnten jetzt nicht über einen Auftrittstermin sprechen, weil sie dort momentan andere Sorgen hätten und sie vermutlich jetzt einen blauen Bürgermeister bekommen würden. Solche Dinge machen mir einfach Angst.

Wird man da auch im Ausland anders behandelt, wenn man als österreichischer Musiker dort hin kommt bzw. vielleicht sogar abgelehnt?

Nein, gar nicht. Damals, als die schwarz-blaue Regiering installiert wurde, war es schon so, dass die Leute gefragt haben, was denn da bei uns los ist. Aber seitens des Publikums merkt man so was nicht. Die Leute kommen ja auch wegen der Musik zu den Konzerten. Wenn man mit den Veranstaltern gesprochen hat, dann war da aber natürlich auch großes Erstaunen über die politische Situation hierzulande.

Der Strache wird aber im Ausland heute nicht so stark wahrgenommen, wie es damals beim Haider war. Obwohl ich glaube, wenn ich jetzt an die Wiener Wahlen denke, dass die Situation heute bedenklicher ist als damals. Generell diese ganze Ausländerfeindlichkeit. Ich erlebe das natürlich auch unmittelbar, weil ich im multikulturellen Zusammenhang musiziere und mir Kolleginnen und Kollegen von ihren Erfahrungen bereichten, wie sie behandelt werden. Und das, obwohl sie teilweise schon jahrelang bzw. jahrzehntelang hier leben. Wenn sie beispielsweise mit ihren Kindern ins Krankenhaus kommen und erst dann auf gleichem Niveau behandelt werden, wenn gemerkt wird, dass sie gebildet sind oder sie vielleicht sogar als bekannte Künstler erkannt werden. Das ist schon irgendwie beschämend.

Vielen Dank fürs Interview.

 

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