mica-Interview Peter Jakober

Im Jahr 2011 hatte das IZZM Kärnten einen Composer in Residence ausgeschrieben und aus den Einreichungen Peter Jakober ausgewählt. Am 2. Februar 2012 wird nun nicht nur sein Auftragswerk für das Kärntner Ensemble für zeitgenössische Musik, die „MusikFabrikSüd“, aus der Taufe gehoben, sondern auch zwei weitere Werke von ihm in den Kammerlichtspielen in Klagenfurt gespielt. Das Interview führte Nina Polaschegg.

Du hast eine recht charakteristische Klangsprache entwickelt. Wie würdest Du sie selbst beschreiben, wie hast Du Dich an diese Klangsprache herangetastet?

Die grundlegende Idee, die meiner Klangsprache zugrunde liegt, ist die, dass ich in sehr vielen Stücken mit unterschiedlichen Tempi arbeite. Ich spiele den Musikern per Clicktrack über einen Ohrhörer verschiedene Tempi zu. Manchmal sind diese Tempi sehr unterschiedlich, manchmal sind sie aber auch minimal unterschiedlich, also fast gleich. Damit arbeite ich. Mich interessiert dabei aber nicht primär, dass man nur dieses Nebeneinander von diesen Tempi hört. Ich versuche, es so auszukomponieren, dass ich mit dem Phänomen der steten Nicht-Gleichzeitigkeit spiele. Man muss sich jetzt vorstellen:  Wenn der eine Tempo 70 spielt und der andere 69,5, da ist ja ein minimaler Unterschied. Den hört man. Und jetzt versucht man, in diesen Tempi einen gleichzeitigen Klang zu komponieren. Auch wenn ich das noch so exakt notiere  ist es einfach unmöglich, dass man genau in derselben Sekunde denselben Klang spielt, außer man orientiert sich wirklich an dem anderen (und nicht am Click), aber so kommt statt einem „tamm“ eine leichte Ungenauigkeit rein und das spielt für mich eine ganz große klangliche Rolle.

Und da bin ich sicher auch von meinem Lehrer stark geprägt. Georg Friedrich Haas hat einmal gesagt, und das hat mich total fasziniert, dass er sich immer gefragt hat, warum wir das temperierte System haben. Die Antwort sei für ihn, weil alles so wunderbar falsch klinge, denn außer die Oktav schwebt ja alles miteinander. Und seine These ist, dass wir uns nach diesen Schwebungen sehnen. Wenn alles „sauber“ klingen würde, wäre es totlangweilig. Und dieses Gefühl oder diese Anschauung finde ich extrem spannend, auch im Rhythmischen. Ich glaube auch nicht an die Möglichkeit,  dass etwas genau gleichzeitig gespielt werden kann, außer elektronisch. Wenn Instrumente gemeinsam spielen, ist es unmöglich, eine exakte Gleichzeitigkeit zu erreichen. Und genau diese Unexaktheit macht den Klang erst lebendig. Und macht ihn erst zur Musik. Das ist etwas ganz Spannendes für mich, diese Unmöglichkeit genaue Exaktheit oder genaue Beschreibbarkeit zu erreichen, das ist das, was Klang an sich schön machen kann für mich.

Das heißt, du koppelst gezielt Einschwingvorgänge nebeneinander (oder hintereinander), die dann die Klangfarbe noch einmal besonders mischen, wenn sie so dicht hintereinander erklingen?

Das ist richtig. Ich habe z.B. vor einigen Jahren ein Stück für Gitarrenquartett geschrieben. Die vier Instrumente haben durch das Anzupfen ja einen sehr deutlichen akzentuellen Höhepunkt. Mich hat interessiert, was passiert, wenn die alle vier gleichzeitig einen Klang spielen. Er ist trotzdem nie gleichzeitig und das hört man auch. Und das hört man auch bei dem neuen Stück „Schemen“.

Diese unterschiedlichen Tempi sind ein wesentliches Element. Und diesen unterschiedlichen Tempi ordnest Du ja Verschiedenes unter: einerseits diese Repetitionen, also die rhythmische Ebene, andererseits die klanggestalterische oder auch melodische Ebene. Wie stehen da rhythmische Qualitäten und Mikrotonalität im Verhältnis zueinander?

Primär könnte ich sagen, wenn es diese Schwebung in der Tonhöhe gibt, also eng aneinander liegende Tonhöhen, Schwebungsklänge, dann kann man das vergleichen mit zwei Tempi, die fast aneinander liegen. Aber  mit der großen Einschränkung, dass man das nicht rechnerisch sagen kann. Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich, wenn ich eine Schwebung von zwei Herz habe, dass es dann genau eine Achtel verschoben ist. Diese Theorie, also dass man Rhythmus und Tonhöhengestaltung  mit derselben mathematischen Formel quasi übereinander legen könne, die gabs ja auch. Ich habe meine Magisterarbeit über Stockhausens „Gruppen“ geschrieben und ich finde die zugrundeliegende Kompositionsidee auch großartig, diese ganzen Grundthesen. Ich habe nur Schwierigkeiten, wenn Stockhausen eins zu eins mathematisch die Rhythmusgestaltung auf die Tonhöhengestaltung legt. An das glaube ich nicht so. Ich habe Tests gemacht und habe ein Computerprogramn erlernt und dann durchgehört, diese Thesen, was Stockhausen sagt und ich finde, wenn man länger damit arbeitet, wird’s langweilig. Ich habe das selbst probiert – es gibt ein älteres Stück von mir für Automatenklavier und eine der Hauptideen war einfach, ich lasse alle der 88 Tasten repetitieren, aber jeder Taste ordne ich ein anderes Tempo zu. Und das hört man auch in dem Moment. Die erste Frage war also, wie entwickle ich diese Tempi, die 88 Tasten gegeneinander? Die erste Idee war, ich nehme die temperierte mathematische Formel, also die 12. Wurzel aus 2 und nehme ein Grundtempo und multipliziere das dann immer mit der 12. Wurzel aus zwei. Wenn man das hört, dann freut man sich am Anfang, dass es geht, aber nach 10 Sekunden ist es schon ziemlich langweilig. Es ist unglaublich, wie gut das Ohr hören kann, ob eine mathematische Formel zugrunde liegt und das 1:1 umgesetzt wird. Ich habe mich dann umentschieden und Primzahlen als Verhältnisse genommen. Die verwende ich gern, weil es mathematisch gesehen ja keine Formel gibt, mit der man Primzahlen ableiten könnte. Und ich glaube sogar, dass das das Ohr hören kann, diese Unbeschreibbarkeit.

Peter Jakober – Erstes Streichquartett by mica

Das heißt, dass es nur scheinbar um unterschiedliche Tempi geht?

Ich nehme eher das Phänomen her, aber glaube nicht, dass , wie im Text „Wie die Zeit vergeht“, dass ich die Tonhöhengestaltung und die rhythmische Gestaltung wirklich exakt auf eine Linie legen, also in ein bestimmtes Verhältnis setzen kann. Ich nehme nur das Phänomen der Schwebung und transponiere das auf eng aneinander liegende Tempi, aber nicht in dem Sinne, dass ich sage, eine Schwebung von 2 Herz heißt dann auch, dass ich hier Achtel zu Viertel nehme.

Wenn ich Deine Musik höre, entdecke ich zwei wesentliche Kernaspekte, aus denen sich das ganze Klangbild zusammen setzt. Auf der einen Seite sind es Repetitionen und auf der anderen Seite ist es ein schwebendes, schillerndes Klangfarbenbild, das durch die Schwebungen zustande kommt, aber auch durch Deinen speziellen Umgang, Deine Arbeit mit Mikrotonalität. Dabei scheinst Du eher in Schwebungen zu denken als in Obertonreihen oder? Darauf kam ich beim Hören vieler Klangverläufe in Abwärtsbewegung. Du komponierts immer wieder Klimaxe, denen Klangkaskaden folgen, die richtiggehend abwärts stürzen oder aber von gemächlichen Linien, die aber gerade nicht als Tonleitern herabschreiten.

Erst mal zu der Frage mit der Repetition. Das ist etwas ganz wichtiges für mich, auch diese Gegenüberstellung von total Simplen, zum Beispiel Sechzehntelwiederholungen, also was total Simples. Und dann dieses in-Schwebung-treten. Auf einmal kommt dann eine zweite Sechzehntelbewegung, die sich an der ersten zu reiben beginnt. Ich denke dabei sehr an den Zuhörer. Ich führe ein simples Pattern ein, damit jeder im Publikum weiß, aha, das ist jetzt so. Am meisten würde es mich freuen, wenn ich es schaffe, dass, genau in dem Moment, wenn man denkt, ah das ist ja so, die Musik dann zu flirren beginnt, zu schweben. Das ist für mich der ganz große Reiz, immer dem Zuhörer den Boden wegzuziehen. Auf der einen Seite diese totale Klarheit zu schaffen, Repetition, Geradlinigkeit und dann auf einmal, in dem Moment, wo man denkt, ok, das ist in den nächsten zehn Minuten oder der nächsten Minute auch so, dann zieht man ihnen den Boden weg.

Du nutzt das Phänomen, dass Irritation schließlich nur auf der Basis des Verstehens geschehen kann, auf sehr raffinierte Weise z.B: auch in dem Stück „nach außen“ für Violine solo. Es geht um Irritation, Überlagerungen und Perspektivenwechsel des Zuhörenden.

In dem Stück „nach außen“ beginnt die Geige solo zu spielen. Das Gespielte wird aufgenommen und am Anfang im gleichen Faktor und dann langsam schneller zugespielt. Da die Geige am Anfang sehr leise spielt, ist die Zuspielung, die etwas später einsetzt, natürlich auch extrem leise. Es gibt dann einen Moment, wo man als Publikum mitkriegt, aha, die Zuspielung bringt ja genau das, was die Geige vorher gespielt hat. Ich habe das Gefühl, es funktioniert, ich habe das Prinzip verstanden und genau in dem Moment passiert etwas ganz anderes. Es geht nicht mehr darum, dass die Zuspielung jetzt zeitverzögert das schon Gespielte erneut zuspielt, sondern dass es ein Wechselspiel gibt. Die Akzente, die von der Zuspielung kommen und die Akzente, die live gespielt werden, ergeben plötzlich ein eigenes rhythmisches Schema. Das war für mich speziell in dem Stück extrem spannend. Ich habe die ganze Zeit versucht, zu überlegen, so, wann wird denn das deutlich? Wo muss ich aufpassen. Denn das ist oft die Gefahr, wenn man mit verzögerten Zuspielungen arbeitet, dass man denkt, aha, so ist es und dann wird es rasch langweilig.

Live-Elektornik und / oder Zuspielung spielt ja immer wieder eine Rolle in Deinen Stücken. Welche genau ist dies?

Prinzipiell würde ich sowieso sagen, dass in meiner Musik eines eine große Rolle spielt, nämlich die Gegenüberstellung des Menschlichen gegen das Maschinelle. Für mich ist es so, wenn ich den Musikern nur Clicks zuspiele (das ist ja eh ein Horror für die Musiker, die haben da einen Kopfhörer im Ohr, müssen noch spielen und hören immer das Dingtocktocktock im Ohr), dann ist der Reiz dabei, dass man etwas extrem Exaktes suggeriert, weil es immer elektronische Clicks sind. Dann ist aber der Musiker-Mensch da, der mit seinen Einschwingvorgängen am Instrument nie exakt sein kann. Genau diese Diskrepanz kann man mit der Live-Elektronik oder Zuspielung noch hervorheben. Ich könnte z.B: ein einzelnes Instrument aufnehmen und spiele das über vier Lautsprecher zu. Man hört wirklich viermal exakt das gleiche. Wenn jetzt da vier Gitarren spielen und die spielen auch die gleiche Tonhöhe und spielen mit Click auch gleichzeitig, hört man, dass es nicht mehr gleichzeitig ist. Mit Live-Elektronik arbeite ich meistens so, dass ich zeitverzögert etwas zuspiele, was vorher gespielt und aufgenommen worden ist. Meistens wird auch nicht viel gefiltert oder moduliert an dem Klang. Es sind eigendlich nur simple Patterns – wie zeitverzögert zugespielt, etwas schneller zugespielt oder stets schneller werdend zugespielt. Diese Zuspielung ist total exakt und auf der anderen Seite steht der Mensch, der mit dieser Zuspielung dann spielen soll.

Wobei ja interessanter Weise das, was aufgenommen wird, auch vom Menschen her stammt.

Ja, es ist ein maschinierter menschlicher Klang, der dann wieder in ein Wechselspiel mit dem Menschen selbst tritt. Ich mache im Oktober ein Stück für das Klangforum, was mich sehr freut, gemeinsam mit dem Thomas Lehn, der analogen Synthesizer spielt. Das Ensemble wird einen Klang spielen, zeitweise auch sehr lange anhaltende Klänge. Einerseits werden diese Klänge abgenommen und über meinen Computer laufen. Dort werden sie genau mit diesem Faktor etwas schneller / etwas langsamer wieder zugespielt. Dieses verarbeitete Signal wird dann nochmal zum Thomas geschickt und mit Ringosziallatoren / Ringmodulatoren / Hüllkurven zerstört er diesen menschlichen Klang. So ein Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine hat einen großen Reiz für mich.

Verstehe ich das richtig, dass Zuspielung meist Live-Elektronik ist. Oder arbeitest Du auch mit „Bändern“, sprich Vorproduziertem?

Mit „Bändern“ schon, wenn man einen Tempoclick schon als solches versteht. Aber das Phänomen, dass die Zuspielung eine völlig eigene, vorgefertigte Schicht ist und der Mensch spielt dazu, das spielt nicht so eine große Rolle in meiner Musik. Meistens ist es Live-Elektronik. Wenns technisch schwierig ist, dann auch Zuspielungen. Auch elektronische Klänge, z.B: pinkes Rauschen können vorkommen, sind aber eher simpel und ergänzen die jeweils eben gespielte Tonhöhe.

Um die Schwebungen noch zu ergänzen oder weiter Auszufransen und die Gegensätze von Mensch und Maschine einerseits hervor zu heben, andererseits zu verwischen oder besser zu mischen.

Der Grundansatz für das Stück „nach außen“ war, dass Annelie Gahl, für die ich das Stück geschrieben habe, mich gefragt hat, ob ich ein Stück schreiben möchte, das im Kontext von Scelsi steht. Sie hat mir einen Text gezeigt, in dem Scelsi beschreibt, dass der Ton die Sonne ist, die nach allen Richtungen strahlt. Für mich hat’s ein anderes Bild. Ich habe jetzt eher das Bild, dass man einen Klang erzeugt und dieser Klang ist unaufhaltsam. Er geht einfach weg und löst sich im Raum auf. Es ist unmöglich, diesen Klang aufzuhalten oder zurück zu nehmen. Das ist nicht so schön wie Strahlen, sondern auch etwas bedrückend. Das war mein Ausgangspunkt, dass alles, was sie spielt, ist gespielt und es ist unumkehrbar. Ich habe das dadurch pointiert, einerseits durch die Live-Elektronik, die das aufnimmt und nochmal zuspielt und sie gegen das spielen muss. Oder alles, was sie gespielt hat, beeinflusst den Klang, den sie nachher spielt so stark, dass sie ja schon an das denken muss, dass das ja nachher nochmal kommt. Im weiteren Verlauf dieses Stücks ist es so, dass am Ende des Stücks der Raumklang abgenommen wird. Und dieser Raumklang wird auf eine Tonhöhe, die sie vorher gespielt hat, gefiltert. Mir ging’s um die Bewegung immer weiter weg von der Geige, bis es letztlich nur mehr der Raumklang ist, den man hört.

Scelsi hatte ich beim Hören dieses Stückes natürlich sofort als Assoziationsfeld. Du hast zum Teil ähnliche Gedanken, die aber völlig anders umgesetzt werden. Die Konzentration auf ein Element, auf Klang, wobei natürlich bei Dir die Prozesshaftigkeit und die Form eine viel größere Rolle spielen. Liege ich richtig, dass Scelsi eine Deiner Inspirationsquellen ist? Vielleicht auch Feldman in gewisser Weise und – ziemlich konträr – die ganz frühe Minimalmusic mit ihren Phasenverschiebungen?

Scelsi auf jeden Fall. Auch Sciarrino vom dramatischen Gestus her. Dann sicher auch Haas, Furrer, Nono, ganz wichtig ist Steve Reich, die ganz frühe Phase, das muss ich betonen. Die sind unglaublich stark, diese Stücke. Und, ich kanns nicht genau sagen, aber ich glaube schon, dass das eine Rolle spielt bei mir; ich bin ja nicht mit klassischer Musik aufgewachsen, sondern mit Gruppen wie „Einstürzende Neubauten“ und „Laibach“ und die haben mich sehr geprägt. Über diesen Weg kam ich zur experimentellen Musik und zur Neuen Musik.  Ich bin auch immer noch ein Fan von Depeche Mode. Was die in den 80er Jahren gemacht haben mit Samples und minimalen Sample-Patterns. Man hörts vielleicht erst beim 10. mal. Auch das ist für mich Klangliebe, ohne dass man es immer gleich groß zeigen muss.

Ein anderer Einfluss oder Impuls kommt von einer ganz anderen Richtung her. Ich bin en großer Hitchcok-Fan, und Truffauts Buch über ihn war ganz wichtig für mich. Es ist diese Liebe zum Material, mit dem Hitchcock arbeitet. Es gibt  ein Bild, eine Wendeltreppe, ein Mann geht mit einem Tablett, auf dem ein Glas Milch steht, die Stufen herauf. Das Milchglas ist genau im Zentrum des Bildes und strahlt, man weiß aber nicht, was da los ist. Man liest in dem Buch, dass Hitchcock das so wollte. Das Material, das Milchglas, ist das Zentrum des Bildes. Er hat eine Glühbirne ins Glas getan und Milch darüber geschüttet. Und daher leuchtet es ein bisschen mehr als der ganze restliche Ton in diesem Bild. Das ist doch Klasse! Genau mit dieser Liebe möchte ich Klänge bauen.

Ich bin ein großer Hitchcockfan und es gibt ein Interview, in dem sagt er, dass es ihn furchtbar ärgert, dass viele Regisseure glauben, dass man das Publikum zum Idioten abstempeln müsse. D.h. Ein Polizist geht in sein Büro, man sieht draußen den Scheriffsstern, dann zoomt die Kamera auf seine Jacke, dann ist da der Scheriffstern, dann ist hier und da nochmal der Scherriftstern, nach dem Motto, Publikum passt auf, wir sind jetzt im Scherrifbüro. Das Schöne ist, dass er sagt, ja wenn man jetzt diese ganzen Einstellungen nur für diese Aussage das ist der Scherriffbüro verwendet, dann hat man das ganze Material für diese Szene schon verbraucht, d.h. Die Totale von dem Raum hat man z.B: nur für diese Aufgabe hergegeben und könnte sie dabei viel besser und wirkungsvoller in anderen Situationen verwenden. Ökonomie des Materials, Klarheit zu schaffen und mit dieser Klarheit zu arbeiten, so etwas versuche ich auch mit Klang.

Manchmal baust Du ja eine Art Scheinklimax auf, kontinuierliche Verdichtungen, wobei es gar nicht unbedingt lauter werden muss, manchmal sind es Schwebungsverdichtungen. Manchmal bricht es ab, manchmal bricht es nicht wirklich ab, sondern es folgen eher Reminiszenzen. Das würde dann auch dazu passen, oder?

Ja auf jeden Fall.

Noch eine Frage zu den „seltenen Instrumentalverbindungen“. Du lässt Dich ja doch immer wieder darauf ein. Gehst Du auf die Suche nach Instrumenten, die für die Neue Musik vom Material, vom Klang oder von der Spieltechnik eine Art Herausforderung sind? Oder „finden sie Dich“?

Ich würde gern sagen, dass ich auf der Suche bin, aber oft ist es tatsächlich so, dass sie mich finden. Oft ist es Zufall und ich bekomme eine Anfrage. Das Gitarrenquartett, Auftrag für die Blechbläserskulptur „Molekularorgel“, das waren alles Aufträge. Ich bin ein großer Freund von Orgelpfeifen. Meine Mutter hat von der Kirche, in der sie aktiv ist, alte Orgepfeifen bekommen. Mittlerweile liegen bei mir ca. 60 Orgelpfeifen. Meisten spiele ich sie nicht ordinario an, also normal, sondern am Labium. Für mich macht das ein Atemgeräusch – irgendwie menschlich ist der Klang und trotzdem mit Tonhöhenfärbung. Das Tolle ist, ich habe auf diese Art eine gute Möglichkeit, dass ich auch meine Freunde mit einbeziehen kann, die nicht Musiker sind, indem ich ihnen einen Click mit Einsatz geben kann.

In der Kärntner MusikFabrikSüd gibt’s ja auch einige dieser „seltenen“ Instrumente: Zither und Hackbrett.

Das war toll, dass mich der Bruno Strobl gefragt hat, für welche Instrumente ich schreiben möchte und dass er Harfe, Zither, Hackbrett und Streichquartett hat und Perkussion. Und ich fand das toll diese Mischung. Die Zither ist für mich das prägnanteste Instrument. Ich kann mir das fast wie einen Bogen vortsellen. Von der Zither zur Harfe und ganz hinten das Hackbrett. Dieses immer Schwächer werden des Klangs. Und auf der anderen Seite das Ensemble, das man so gewohnt ist. Das fand ich eine schöne Möglichkeit für mich.

Wie könnte man sich nun dieses neue Stück vorstellen? Möchtest Du eine kleine  Einführung geben?

Also es ist schon wieder so ein typisches Jakober-Stück (lacht). Harfe, Zither und Hackbrett haben im ersten Teil des Stücks einen jeweils eigenen Click per Ohrhörer. Der Dirigent hat ebenfalls einen Click und dirigiert das Streichquintett und die Perkussion. Ich habe also vier unterschiedliche Tempi. Das Stück fängt mit eng aneinander liegenden Tempi an. Dann beschleunigt das eine Tempo und die anderen beiden bleiben in Schwebung, dann beschleunigt ein anderes und tritt wieder mit dem (also dem ersten beschleunigten) in Schwebung und so sind es vier Tempi, die sich langsam, aber stetig beschleunigen und genau nach fünf Minuten beschleunigen sie sich so, dass sie, gemeinsam mit dem Ensemble, genau auf ein Tempo einclicken. Dann hört man für einige Sekunden lang einen Sechzehntel-Tutti-Puls. Ich bin gespannt, wie man diesen Effekt, das Einhaken auf den Tutti-Puls, wahrnehmen wird. Ich hoffe, dass man ihn genau nicht als diesen Tutti-Puls wahrnimmt, sondern als unklaren Tutti-Puls. Ich glaube, dass die Zither in Schwebung mit dem Hackbrett und in Schwebung mit der Harfe, die eigentlich die ersten fünf Minuten nur ein ewiges Tremmolo machen, dass genau das sich gut ergänzen wird. Weil sie diesen Bogen an Klangstärke haben.

Zither, Harfe und Hackbrett werden also mehr oder weniger über die Klangfarbenmischung zu einem großen Instrument.

Genau.

Vielen Dank für das Gespräch. Nun wünsche ich gute Proben und freue mich auf unser Live-Gespräch im Rahmen des Konzertes am 2.Februar 2012 in Klagenfurt.

 

2.2.2012 Kammerlichtspiele / Jazzclub Klagenfurt

http://www.peterjakober.com/
http://www.izzm.org/node/331
http://www.jazz-club.at/veranstaltungen/index.html