mica-Interview mit Johanna Harms (Musik Fabrik Pinzgau)

Seit kurzer Zeit gibt es mit der “Musik Fabrik Pinzgau” eine speziell auf die Bedürfnisse und Vorstellungen junger MusikerInnen im ländlich-regionalen Raum ausgerichtete Service-Stelle, die nicht nur für Salzburg ein einzigartiges Unternehmen darstellt. Hervorgegangen aus dem “Musikprojekt Pinzgau” hat sich die Plattform mittlerweile zu einem wichtigen Faktor der Pinzgauer Musikszene zwischen HipHop, Metal, Punk, Anti-Folk und Electro entwickelt. Für mica sprach Didi Neidhart mit der Projektkoordinatorin Johanna Harms über “Musik am Land”, regionenüberschreitende Kooperationen und die soziokulturelle Aspekte der “Musik Fabrik Pinzgau”.

Wie kam es zur Gründung des Musikprojektes Pinzgau?
Johanna Harms: Also, das Projekt hatte eine ziemlich lange Vorlaufzeit. Bereits vor ein paar Jahren wurde vom Regionalmanagement Pinzgau (ein Verein, der sich um regionale Entwicklung kümmert) in Kooperation mit der Fachstelle Kommunale & Regionale Jugendarbeit von “akzente Pinzgau” (einer Salzburger Serviceeinrichtung für Jugendliche, die von, mit und für Jugendliche seit Jahren diverse Projekte initiiert) ein Arbeitskreis zum Thema “regionale Jugendveranstaltungen” ins Leben gerufen. An diesem Arbeitskreis beteiligten sich JugendarbeiterInnen und politische EntscheidungsträgerInnen der Region. Die ursprüngliche Idee war es, ein großes Festival für Jugendliche im Pinzgau zu veranstalten, da wir ja in einer geographisch eher benachteiligten Region wohnen und den Jugendlichen oft zu wenig los ist. Damals ging es noch um das Genre HipHop. Da wir aber nicht wussten, ob wir damit wirklich den Nerv der Zeit trafen, entschieden wir uns dazu, zuerst einmal den Bedarf der Jugendlichen zu erheben, um mal zu schauen, was denn im Pinzgau musikalisch tatsächlich so los ist. Daraus entstand dann die Idee, eine Bedarfserhebung über die Jugend-Musik-Szene im Pinzgau in Form eines Filmprojektes zu machen.

Was sind eure Ziele dabei?
Das Projekt ist im wesentlichen auf drei Säulen aufgebaut:
1. Erhebung des Bedarfs junger MusikerInnen der Region in Form eines Filmprojektes (Interviews und Sound). Also wie geht es jungen MusikerInnen in der Region, was läuft gut, was schlecht, wo sollte es Unterstützung geben…
2. Vernetzung der Jugend-Musik-Szene (der Pinzgau ist größer als Vorarlberg, es ist also nicht immer gegeben, dass sich alle Musikschaffenden untereinander kennen) und Gründung einer Musikplattform.
3. Austausch mit dem Verein Soundvalley Stubai/Tirol

Was kann nach einem Jahr Musikprojekte Pinzgau gesagt werden? Wie hat sich die Jugendkultur/Musikszene im Pinzgau verändert?
Ich selbst bin ja Jugendarbeiterin und keine Musikerin, aber ich denke, es gibt zum ersten Mal so etwas wie eine genreübergreifende Szene für “jugendkulturell relevante Musik”, wie wir das nennen. Die Leute haben sich zuerst einmal untereinander kennen gelernt und waren selber erstaunt wie viele MusikerInnen und Musikrichtungen es gibt. Es wurden Freundschaften geschlossen und man nützt Synergien wie z.B. Proberäume. Es wurden einige Konzerte organisiert, wodurch die Szene auf sich aufmerksam gemacht hat und auch sehr viel Eigeninitiative erbracht wurde. Es gab Diskussionen mit politischen EntscheidungsträgerInnen und es wurden Konzepte verfasst. Viele der jungen MusikerInnen haben sich persönlich sehr weiterentwickelt oder nehmen ihre Musik auch ernster weil sie sehen, dass sich etwas bewegt.

Mit welchen Problemen habt ihr es “am Land” am häufigsten zu tun?
Ein großes Problem ist der begrenzte bis nicht vorhandene Raum für junge Musik – Raum im sozialen wie im territorialen Sinne. Einerseits fehlt der Öffentlichkeit oft das Verständnis für Musikrichtungen wie z.B. Metal oder Punk, aber auch Techno und Drum’n’Bass. Das macht es für Bands sehr schwierig an Proberäume heran zu kommen. Wo wir dann beim territorialen Raumbegriff wären. Es wird den jungen MusikerInnen nur wenig Raum für ihre Musik zur Verfügung gestellt. Von Proberäumen angefangen bis hin zu Locations wo sie auftreten können und Bühnenerfahrung sammeln. In urbaneren Gebieten gibt es immer irgendwo ein Kultur- oder ein Jugendzentrum, wo auch Nachwuchsbands gefördert werden. Um so eine Förderung zur erhalten müssen unsere Bands immer sehr weit fahren, was auch wieder mit hohen Kosten verbunden ist.

Wie siehst du grundsätzlich die Unterschiede zwischen Musik/Jugendszenen am Land und auf der Stadt? Was gibt es da für spezifische Vor- und Nachteile? In der Stadt ist ja auch nicht alles super und manches geht am Land auch einfacher.
Schwierige Frage, ich glaube es gibt gar nicht so viele Unterschiede. Die Rahmenbedingungen sind halt ein wenig anders. Jugendkultur hat im urbanen Raum zwar mehr Tradition und meistens auch viel mehr “Anhänger” und je mehr Leute, desto mehr kann man auch bewirken, aber trotzdem müssen kleine Jugendkulturinitiativen in der Stadt wie z.B. Salzburg genauso ums Überleben kämpfen und sich ständig rechtfertigen. Was ich am Land ein bisschen als Problem sehe sind die geografischen Distanzen, zumindest im Pinzgau ist es so. Wenn ich jetzt im Oberpinzgau ein Kulturzentrum eröffne, bringt das dem Zentralraum nicht viel und mehr als eines ist unrealistisch. Um wo hin zu kommen muss man immer gleich weit fahren, dass ist meiner Meinung nach schon ein Problem. Und natürlich muss man schon noch ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung leisten, dass jetzt z.B. ein Metalkonzert grade wichtig ist.

Wie funktioniert das Konzept “Vernetzung” im konkreten Fall? Geht das auch über den Pinzgau hinaus?

Wie gesagt, in erster Linie war es mal wichtig, dass sich innerhalb des Pinzgaus eine Szene bildet, diese dafür aber genreübergreifend ist. Da war ich selbst erstaunt wie gut das letztendlich funktioniert hat. Natürlich ist es noch nicht perfekt, aber wir arbeiten daran. Für mich war es auch wichtig, dass sich MusikerInnen und politische EntscheidungsträgerInnen treffen und von face to face miteinander diskutieren. Diesbezüglich hat es einige Treffen gegeben und die waren auch sehr wichtig, dass das Projekt verankert wird und auch Wünsche aus der Bedarfserhebung umgesetzt werden.
Natürlich ist es auch wichtig, dass unsere jungen MusikerInnen über den Tellerrand rausschauen und sich auch mit Musikschaffenden aus anderen Regionen oder Ländern vernetzen. Das haben wir zu Beginn ganz konkret mit dem Verein Soundvalley Stubai gemacht, haben aber auch schon Kontakte nach Südtirol und sind auch offen für weitere Kontakte.

Wie gestaltet sich da die konkrete Zusammenarbeit mit dem Verein Soundvalley Stubai aus dem Tiroler Stubaital?
Begonnen hat das Ganze damit, dass im Stubaital auch eine Bedarfserhebung der Musik-Szene durchgeführt wurde – allerdings in viel kleinerem Ausmaß als im Pinzgau. Die Stubaier haben sich als Folge davon zusammengeschlossen und einen Verein gegründet, um sich mehr Gehör zu verschaffen. Wir haben die Stubaier dann öfters zu unseren Vernetzungstreffen eingeladen und uns miteinander ausgetauscht. Sie haben uns berichtet wie die Situation für junge MusikerInnen im Stubaital ist und welche Probleme sie haben. Weiters haben sie uns über die Vor- und Nachteile einer Vereinsgründung informiert, rechtliche Fragen mit uns geklärt und uns Tipps gegeben. Ein weiterer Punkt waren natürlich Austauschkonzerte – Bands aus dem Stubaital haben bei uns gespielt und Band von uns bei ihnen.

Was kann man sich konkret unter der Musik Fabrik Pinzgau vorstellen?
Die Musik Fabrik Pinzgau ist ein Verein zur Förderung von jugendkulturell relevanter Musik im Pinzgau mit drei wesentlichen Zielen:
1. Die Vernetzung der jungen MusikerInnen – also regelmäßige Treffen, Austausch, Diskussionen.
2. Lobbying in der Öffentlichkeit und bei politischen EntscheidungsträgerInnen. Das können Pressemitteilungen sein oder auch Verhandlungen mit BürgermeisterInnen über die Bereitstellung von Proberäumen.
3. Unterstützung junger MusikerInnen und neu gegründeter Bands bei der Ausübung ihrer Musik. Das kann die Vermittlung einzelner MusikerInnen zu einer Band sein oder auch das Ausverhandeln von Vergünstigungen bei lokalen Musikshops sein. Wichtig ist, es muss jugendkulturell relevante Musik sein, also Musik die von Jugendlichen gehört wird und die nicht volkstümlich ist – für die gibt es unserer Meinung nach schon genügend Lobbying.

Was ist deine konkrete Aufgabe, Position bei all dem?
Meine Aufgabe war es, Fördermittel für das Projekt zu lukrieren, Überzeugungsarbeit bei politischen EntscheidungsträgerInnen zu leisten, das Projekt zu koordinieren und zu planen, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zusammen zu bringen und vor allem die jungen MusikerInnen selbst zu ermächtigen.

Wie und vom wem wird das Projekt finanziert?
Das Projekt wurde von “akzente Pinzgau” – also von mir – und dem Verein Mitbestimmung.cc aus Innsbruck (Dr. Peter Egg) ins Leben gerufen und wird von allen 28 Pinzgauer Gemeinden unterstützt. Was sehr, sehr lobenswert ist! Weiters noch von der EU (Leader-Förderung), dem Landesjugendreferat Salzburg und dem Raika Club.

Gibt es Unterstützung von lokaler, regionaler Seite?
Bei der Konzipierung des Projektes hat das Regionalmanagement Pinzgau sehr geholfen und finanziell wird das Projekt wie gesagt stark von den Pinzgauer Gemeinden unterstützt. Es hat mich auch gefreut, dass einige BürgermeisterInnen und GemeindevertreterInnen sich auch inhaltlich sehr für das Projekt interessiert haben und ein sehr offenes Ohr für die Jugendmusikszene an den Tag gelegt haben.

Gibt es vergleichbares auch woanders?
Von einem Projekt in dieser Dimension und mit all den Facetten habe ich jetzt noch nicht gehört aber es gibt bestimmt irgendwo ähnliche Initiativen. Vorbild hab ich jetzt keines.

Wie seid ihr bisher an die Öffentlichkeit gegangen? Gab es Konzerte, etc.?
Das Projekt wurde natürlich medial begleitet, nicht immer zu meiner Zufriedenheit – also mal mit mehr Interesse mal mit weniger. Und natürlich gab es Konzerte. Diesbezüglich haben wir uns ziemlich gesteigert, angefangen von ganz kleinen Konzerten am Nachmittag am Musikpavillon bis hin zu einer echt fetten Veranstaltung vergangenes Wochenende mit drei Floors und über 600 BesucherInnen. Dann natürlich noch die Austauschkonzerte mit dem Stubaital. Es war schon ein bisschen was los.

Seht ihr euch eher als Förderstelle von MusikerInnen, oder spielt auch der jugendkulturelle (soziologische) Aspekt ein wichtige Rolle bei euch?
Der jugendkulturelle Aspekt spielt eine sehr zentrale Rolle, denn da fallen Musikrichtungen hinein, die es in der Öffentlichkeit und dann auch noch am Land oft sehr schwer haben sich am Leben zu halten. Gleichzeitig ist aber gerade für junge Leute Musik sehr wichtig, das sollte nicht unterschätzt werden. In der Jugendarbeit konzentriert man sich derzeit stark auf Berufsorientierung, quasi Dinge die man fürs Leben braucht. Musik zu machen wird da oft als ganz netter soft skill gesehen, aber nicht als Fähigkeit, die man fördern sollte. Ich sehe das anders. Ich finde junge MusikerInnen, die sich selbst ein Instrument beibringen, sich auf die – oft sehr harte – Suche nach einem Proberaum machen, sich die Zeit nehmen 2-3 Mal pro Woche zu proben und sich dann auch noch oft mit den einzelnen Befindlichkeiten der Bandmitglieder auseinander setzen – also auch soziale Kompetenzen an den Tag legen müssen -, sollte man auch jeden Fall fördern. Denn sie beweisen damit sehr viel Eigeninitiative, was in jedem Fall für das restliche Leben sehr brauchbar ist. Außerdem tragen diese MusikerInnen genauso wie die Blasmusikkapelle zur kulturellen Identität einer Region bei und dass ich mich mit der Region in der ich lebe identifizieren kann ist wiederum wichtig um Abwanderungstendenzen entgegen zu wirken.

Wie ist die jugendkulturelle Situation im Pinzgau allgemein? Arbeitet ihr mit schon bestehenden Insititutionen, Vereinen, etc. zusammen? Gibt es Auftrittsmöglichkeiten, Clubs, Jugendzentren, ect. wo sich Jugendliche bzw. Musikfans im allgemeinen treffen können?
Im Vergleich zu anderen ländlichen Regionen gibt es meiner Meinung nach sehr viel Jugendkultur im Pinzgau. Von einer gesunden Skateszene über diverse Trendsportvereine bis hin zu dem ziemlich großen Musikbereich und noch einiges anderes haben wir da schon einiges zu bieten. Kulturinitiativen im Musikbereich – ähnlich wie unsere – hat es immer mal wieder gegeben. Ich denke es liegt daran, dass Lobbying eben deshalb besonders wichtig ist, weil es sehr wenige Auftrittsmöglichkeiten und Treffpunkte für Musikfans gibt. Bei den wenigen die es gibt, gibt es manchmal aus unterschiedlichsten Gründen Probleme und sie haben ihre Türen nicht immer für Jugendliche geöffnet. Diesbezüglich hat sich im Zuge des Projektes auch einiges getan – es gab Gespräche und Verhandlungen. Zum Beispiel mit dem einzigen Kulturzentrum im Pinzgau wo nun auch eine Annäherung passiert ist.

Wie viele Leute arbeiten bei der Musik Fabrik Pinzgau bzw. beim Musikprojektes Pinzgau mit?
Die Musik Fabrik Pinzgau ist ein ehrenamtlicher Verein. Der Vorstand besteht aus sechs Personen, die das alles unbezahlt machen. Sie versuchen sich die Aufgaben aufzuteilen und auch an die Mitglieder Aufgaben abzugeben. Es war von Anfang an klar, dass alle was machen müssen, wenn es funktionieren soll. Aber es war in letzter Zeit schon oft stressig für die jungen Leute, weil sie das alles ja neben ihrer Arbeit und ihrer eigenen Band machen. Ich selber bin für den Verein Akzente Salzburg tätig und für den Pinzgau zuständig. Ich werde für meine Arbeit schon bezahlt aber ich bin im Verein auch nur Beirätin und schließe das Projekt auch mit Ende des Jahres ab.

Wie sind die Reaktionen auf eure Initiative?

Durchwegs positiv würde ich mal sagen. Die kritischen Stimmen halten sich derzeit noch zurück, aber es gibt sie natürlich auch.

Was wünscht ihr euch von der Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Leute so enthusiastisch bleiben wie sie sind und sich nicht demotivieren lassen und auch weiterhin so gut zusammen arbeiten. Und ich wünsche mir, dass die BürgermeisterInnen ihr Wort halten und Forderungen aus der Bedarfserhebung umsetzen. Da sind wir nämlich grad dran.

Können sich alle Pinzgauer MusikerInnen an euch wenden, oder gibt es da Einschränkungen?
Also wie gesagt, sofern sie jugendkulturell relevante Musik machen, ja. Das können sowohl DJs als auch Bands sein. Wir haben mittlerweile ein sehr breites Spektrum von Metal in allen Facetten über Punk über Rock bis hin zu pinzgauer Mundart im “Anti-Folk-Stil”. Auch im DJ-Bereich gibt es von Techno über Drum’n’Bass über Minimal und Electro alles mögliche.

Wie können junge MusikerInnen mit euch Kontakt aufnehmen? Gilt es dabei irgendwas zu beachten?

Nein, man muss nix beachten. Einfach über facebook (Musik Fabrik Pinzgau) oder die Website (ist allerdings noch nicht ganz fertig) musik.ibinpinzgau.at melden. Oder einfach bei unserem Obmann Wolfgang Russegger unter home@johndesario.at

Danke für das Interview.

http://musik.ibinpinzgau.at/