mica-Interview mit Werner Raditschnig und Andie Heyer

 Salzburg wird weltweit als eine Hauptstadt der klassischen Musik angesehen. Doch auch die Neue Musik findet dort statt. Im kleineren Rahmen und mit natürlich viel weniger Geld im Rücken. Die beiden Musiker und Komponisten Werner Raditschnig und Andie Heyer über die Entwicklung der Neuen Musik in der Mozartstadt und deren heutigen Ist-Zustand. Das Interview führte Wolfgang Seierl.

mica: Als Geburtsort Mozarts, Stadt der weltberühmten Festspiele, Stadt Max Reinhardts und Herbert von Karajans und die Stadt von Sound of Music gilt Salzburg als die Stadt der Musik. Wie sehr beflügeln oder behindern diese Prädikate, Namen und Ikonen das aktuelle Musikschaffen in Salzburg?

Werner Raditschnig: Wenn ich zurückdenke, war das nicht unbedingt das Muster, das mich interessiert hat. Wie ich hergekommen bin, war für mich eigentlich wichtig, dass ich überhaupt ans Mozarteum gekommen bin, um an einer Musikakademie ein Standbein zu haben. Mein Glück war, dass ich sofort andere Leute kennen gelernt habe, die im Außenbereich von Mozarteum, Orffinstitut und Universität freie Musikgruppen gehabt haben, in denen damals eine Art des Freejazz oder der freien Improvisationsmusik erarbeitet worden ist. Durch den Einstieg in diese Gruppierungen war es mir dann eigentlich relativ gleich, was in der Musik des Traditionellen, des Festspielhaften gelaufen ist. Das Orientierungsfeld war damals im Endeffekt Darmstadt oder das Studio Neuer Musik von Lothar Knessl. Das waren eigentlich die Impulse oder die Impulsgeber, um herauszufinden, was in Deutschland und international läuft und wen man kennt. Durch diese Verbindungen ist man dann auch darauf gekommen, dass es eine amerikanische Szene gibt. Es gab spannende Aufnahmen aus Amerika, und wenn jemand von dort zurück gekommen ist, dann hat er die neuesten Platten mitgebracht, etwa von Morton Feldman. Dadurch kam man zu elektronischer Musik und Anderem. Es hat mich nie tangiert, was Salzburg mit Karajan zu tun gehabt hat. Das war eher eine Andockstelle für Proteste. Die Salzburger Festspiele waren damals eine Mauer und man konnte Projekte erarbeiten, um ihr Kontra zu geben. Das hat manchmal funktioniert und manchmal nicht. Für mich war es nicht unbedingt ein Aufhänger, nach Salzburg zu gehen, um in der Musikstadt Salzburg zu sein, sondern ich wollte Musik studieren. In Kärnten hat man einmal geschrieben: Salzburg ist die Hochburg der Geräuschmusik. Andor Losonczy hat einmal ein Konzert in Klagenfurt gegeben und ich dachte mir, da geh ich hin. Zuerst wollte ich ja eigentlich in Graz Jazz studieren, aber da gab es für Gitarre keine Stelle, das konnte man noch nicht studieren, und ich habe mich dazu entschlossen, einen anderen Weg zu wählen. Irgendwie bin ich dann auch zu diesen Leuten gekommen, wie Losonczy, Kovats, die selbst Musik gemacht und komponiert haben. Zugleich bin ich auch in den Aufbau des neuen Elektronik-Studiengangs hineingerutscht. Klaus Ager ist aus Paris zurück gekommen und 1976 hat man begonnen, das Studio aufzubauen. Da war ich einer der Ersten, die das Studio aufgebaut und erste elektro-akustische Kompositionen gemacht haben, durch Modulationen der Tonbänder und weitere dieser Methoden. Dann ist bald der politische Einschlag dazugekommen. Fischer war da, welcher damals noch Martin Schwarzenlander hieß, der nur politische Stücke gemacht hat, quasi unter dem “linken” Aspekt. Da war eine richtige Aufbruchstimmung, auch unter den Kleinen. Für kleinere Konzerte haben wir die Galerie Sazenhofen gehabt, andere Galerien auch. Es war immer dieser kleine Kreis, der damals in Salzburg gearbeitet hat. Erst später ist es dann durch die Szene der Jugend und Alfred Winter möglich geworden, Sonderprojekte zu lancieren, wie aktionistische Musik, Persiflagemusik, Musikaktion. In der Richtung habe ich mich eigentlich bis 1976 bewegt. Es war damals relativ offen, aber man hat nicht viel Geld bekommen. Die Förderungen waren wirklich nur vom Land, das damals erstaunlicherweise relativ kulant war. Die Stadt war diesbezüglich noch nicht so weit. Der Bund war federführend, denn die besten Projekte konnte man über Bund und Land realisieren.

Andie Heyer: Ob die Festspielstadt, die Mozartstadt beflügelnd sein kann? Wenn man sich das anschaut, dann suchen eben auch sehr viele Menschen diese Veranstaltungen, die dieser Marketingphilosophie anhängen. Die Sache hat Zulauf aus der ganzen Welt. Man kann das trotzdem nutzen, gerade von Seiten der Neuen Musik, denke ich mir. Die Neue Musik sitzt recht oft auf einem Ast, den sie selbst absägt, weil sie versucht, sich zu distanzieren. Ich kann mich noch erinnern, dass wir im Mozarteum zu meiner Zeit oft Kompositionsabende hatten, wo nur zehn oder fünfzehn Besucher anwesend waren. Da wurde oft die Frage gestellt, warum spricht das keinen an? Denn die meisten von diesen Besuchern waren Professoren und Studenten. Mein Klavierlehrer am Mozarteum hat damals etwas Interessantes angeregt. Er hat gemeint, man solle doch die Medien nutzen und schreiben, dass hier die Mozarts von heute ihre Werke präsentieren. Das klingt vielleicht kitschig, aber es würde den Komponisten vermutlich in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit bescheren. Für das Denken der Neuen Musik ist das natürlich fast undenkbar, aber da muss man sich vielleicht  auch ein bisschen von einem engen Denken lösen, um die Möglichkeit zu bekommen, ein größeres Publikum anzusprechen, damit auch Menschen, die derartige Musik nie anhören würden, trotzdem so ein Konzert besuchen, weil sie sich denken: Mozarts von heute, das klingt irgendwie interessant. Indem man sich von allem distanziert, verbaut man sich auch viel und kritisiert dann, dass die Sache nicht funktioniert und keine Leute kommen. Daher denke ich, dass man diese Vorteile doch einfach nutzen kann, ohne sich zu prostituieren und den kommerziellen Weg zu gehen. Ich sehe das – vermutlich auch dadurch, dass ich schon wieder einer anderen Generation entstamme – sehr positiv und bin nicht sehr voreingenommen oder habe Berührungsängste wegen derartigen Etiketten.

Werner Raditschnig: Ich denke, dass die Neue Musik eine gewisse Eigenlogik besitzt.

Andie Heyer: Ich frage mich, ob das noch so ist. Ich kenne ja die Geschichte der Neuen Musik und wie dieses Denken nach 1945 in der Nachkriegszeit und dem “Nachwebernschen” entstanden ist. Aber wie denkt der junge Komponist im Jahre 2013? Ist diese Philosophie der Neuen Musik laut Adorno noch aktuell oder muss sie es überhaupt noch sein?

Werner Raditschnig: Die Frage ist, ob sie es sein muss. Meiner Meinung nach ist diese Philosophie zu 80% noch vorhanden. Die Ausfransungen sind vielleicht nicht mehr unter dem Aspekt der Neuen Musik zu fassen. Wenn man heute schaut, was Konzertveranstalter anderswo machen, die sich nicht nur mit der Realisierung von Partituren auseinandersetzen, sondern auch andere Dinge zur Aufführung bringen, dann gehen die auch oft soweit, dass sie Künstler mit ins Boot nehmen, die mit der Neuen Musik oft gar nichts mehr zu tun haben. Am Grundlsee etwa hat das Festival “Sprudel, Sprudel” nahezu esoterische Musikansätze. An solchen Abenden kommen vielleicht 800 Leute vorbei und das funktioniert. Machen wir aber etwas im eigenlogischen Bereich so wie in Mittersill, dann hat man oft wieder nur zehn Leute.

Andie Heyer: Daher stellt sich ja auch die Frage, wo es in Zukunft hingeht. Daher ja meine Frage, ist das noch aktuell: Adorno usw.

mica: Nochmals zurück zur Mozartkugel. Sind etwa Mozarttourismus und Festspiele nun förderlich für die Salzburger Musikszene oder nicht.

Werner Raditschnig: Man muss da schon bedenken, dass in den Anfängen während der Festspielzeit jede andere Veranstaltung verboten wurde. Ich konnte während der Festspieltage keine separate Aufführung machen. Das ist erst später gelöst worden. Von Alfred Winter wurden dann Ideen generiert. Angefangen von der Galerie unten an der Salzach, wo Bilder einfach nur an Stricke gehängt wurden. Das war der Beginn. Die offene Galerie. Dazu kamen Aufführungen, die irgendwo statt fanden. Michael Stohlhofer hat sich bald mit dem Tanzfestival eingebracht. Er hat zwar für die Musik nicht so viel getan, aber im Rahmen von Tanz konntest du mit der Musik experimentieren. Von rhythmisierten Geräuschen bis irgendwohin. Das hat für die Tanzgruppen noch mehr eröffnet. Während “Aspekte” wieder die traditionellere Form zeitgenössischer Musik verkörpert hat.

Andie Heyer: Diese Trennung ist ja heute ebenso noch vorhanden.

Werner Raditschnig: Interessanter Weise ja.

Andie Heyer: Ich kenne auch Mozarteum-Professoren, die von Neuer Musik einfach nichts halten und nach Beethoven verlangend behaupten, das eine sei Musik und das andere eben nicht. Dieses Gedankengut existiert immer noch. Da hört die Musikgeschichte nach 1900 auf.

mica: Also gleich zu den Ausbildungsstätten. Das Mozarteum ist schon angesprochen worden. Es gibt das Musikus und seit einigen Jahren auch eine Fachhochschule. Wie profitiert die Szene von solchen Einrichtungen mit dieser speziellen Ausformung in Salzburg?  Ist es für einen hier lebenden Musikschaffenden wichtig, dass es hier eine Universität gibt und welche Positionen diese vertritt?

Andie Heyer: In meiner eigenen Geschichte war es für mich ein Hindernis. Ich habe zunächst in Linz studieren müssen, da eine Jazzausbildung für E-Bass hier gar nicht möglich war. Salzburg ist nun einfach auf klassische Musik spezialisiert. In Salzburg ist vieles sehr isoliert. Jeder macht sein eigenes Ding. Wenn man die Einrichtungen betrachtet, dann sieht man, dass Musikum und Mozarteum recht ähnlich funktionieren und die FH repräsentiert das Gegenteil. Sie ist eher marktorientiert. Ich kenne auch Komponisten, die auf der FH studiert haben und total im Business sind. Die komponieren für Werbung, Film und machen ganz andere Sachen. Sie sind nicht im herkömmlichen Sinne Komponisten und verstehen nichts von Tonsatz und Kontrapunkt. Das geht dem Mozarteum ab. Da werden Komponisten und Instrumentalisten ausgebildet und einige stehen nach dem Studium da und wissen nicht, was sie machen sollen. Für Musiker ist das vielleicht noch einfacher, aber ich kenne viele Komponisten, die ein brotloses Leben fristen. Ich habe diesbezüglich den Vorteil, dass ich auch Musiker bin und davon leben kann, aber als Komponist wäre es auch für mich sehr schwer gewesen. Auf der FH werden die Studenten sofort in diese Richtung getrimmt, wie man etwas vermarkten kann, wie man sich ein Image aufbaut und die sind wirklich sehr stark. Ich kenne Kollegen, die sind super im Geschäft. Ich würde mir wünschen, dass man diese Pole verbinden könnte, damit sich diese beiden Richtungen beeinflussen können. Das ist generell in Salzburg das Problem. Es passieren viele gute Sachen, aber jeder arbeitet für sich. Es gibt kaum Synergien.

Werner Raditschnig: Also bei den klassischen Ausbildungssystemen hat sich oft gezeigt, dass Studierende wegen bestimmten Personen nach Salzburg kommen. Wer ist am Mozarteum der Kompositionslehrer? Die Studenten hängen sich meist an diese Person an und wollen die Netzwerke und Seilschaften ihres Meisters nützen. Meistens ist es auch so, dass der Meister versucht, seine Studenten irgendwo zu lancieren und weiterzuschicken. Deren Aufführungsmöglichkeiten sind dann nicht auf Salzburg beschränkt. Es wird dann genau geschaut, wo die Studierenden untergebracht werden können. Kommen die zur UE, zu Doblinger oder zu Peters? Wer kann da weiterhelfen? Das ist eine Seilschaft auf sehr hohem Niveau, die dann auch eine starke Trennung bedingt. Nur wer gehoben wird, der ist oben.

Andie Heyer: Früher war das vermutlich noch eher so, aber ich muss sagen, dass mir aus meiner Generation keiner vom Mozarteum einfällt, der wirklich große Möglichkeiten bekommen hätte.

Werner Raditschnig: Ich erinnere nur an Gerhard E. Winkler, der von den Salzburgern der Internationalste ist und am weitesten gekommen ist. Auch durch das Studio Freiburg und weitere Möglichkeiten. Wobei es natürlich sicher auch Komponisten gibt, die nicht die Gabe haben, so herumzuhantieren und sich zu präsentieren.

Andie Heyer: Das ist es ja oft. Kann ich mich als Person gut verkaufen? Künstler sind ja oft mal sehr introvertiert. Da ich ja selbst auch mehr in der kommerzielleren Musik und U-Musik tätig bin, bin ich ständig mit solchen Menschen konfrontiert. Der versteht dann eigentlich gar nichts von Musik, aber kann sich gut verkaufen. Das ist auch ein Dilemma.

Werner Raditschnig:
Ich bekomme nicht besonders viel davon mit, ob das Mozarteum eigene Konzerte für seine Komponisten veranstaltet oder das Elektronikstudio. Die ELAK in Wien ist diesbezüglich wesentlich umtriebiger. Drei bis vier Mal im Jahr sind sie in der alten Schmiede anwesend und man hört die Leute.

mica:Wien ist eine größere Stadt. Da verhält es sich vermutlich etwas anders. Aber es könnte einen Vorteil bedeuten, wenn es in einer Stadt Einrichtungen gibt, an denen Spezialisten ausgebildet werden. Wenn man als Komponist in Salzburg lebt, dann kann man sich sicher sein, dass man auf gute MusikerInnen, gute Studios, eine gute technische Infrastruktur zurückgreifen kann.

Andie Heyer: Das stimmt. Das Potential ist vorhanden, aber es wird dann doch nicht wirklich genutzt, weil man sich vielleicht zu sehr auf seine kleine Welt fixiert. Auch hier wäre es notwendig, zu verbinden.

mica: Gibt es überhaupt eine Szene in Salzburg? Eine Szene zeichnet sich ja doch durch gemeinsame Interessen aus und dass man auf Potential zurückgreift und dieses auch austauscht.

Werner Raditschnig: Vermutlich eher Szenen. Hast du irgendeine Verbindung zu den Leuten, die im Jazz aktiv sind?

Andie Heyer: Ja, doch. Durch mein Studium natürlich etwas weniger, aber früher war ich im Jazz sehr aktiv und habe oft gespielt. Aber auch im Jazz ist dieses Problem vorhanden. Jeder macht seine eigenen Projekte und wundert sich, dass die anderen nicht kommen. Vor kurzem hat Lukas Ligeti, der in New York wohnt, ein Konzert in Salzburg gegeben und es waren nur zehn bis zwanzig Leute da. Das ist natürlich sehr traurig.

Werner Raditschnig: Ich glaube, dass die internationalen Leute – etwa ein Spanier, der hier studiert – sofort wieder weggehen, wenn sie fertig sind und hier nicht hängen bleiben. Der versucht dann eher wieder, seine eigenen Wege zu gehen.

Andie Heyer: Eben, wie du vorher gesagt hast, der kommt ja schon eher wegen dem Professor her. Salzburg – das darf man nicht vergessen – ist eine kleine Stadt. Es gibt wenige Möglichkeiten. Natürlich gibt es Orchester, aber es sind ja auch nicht immer Stellen frei. Es ist schon schwer, in Salzburg zu bleiben. Wenn ich nicht gebürtiger Salzburger wäre, wäre ich vermutlich auch nicht mehr da. Wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, hier in Salzburg mit der Musik mein Geld zu verdienen, dann müsste ich mich, wie viele meiner Kollegen, auch woanders umschauen. Das ist in einer kleinen Stadt wohl immer so. Das war ja schon bei Mozart das gleiche. Es gibt auch keine Oper in Salzburg. Die guten Musiker sind einfach in Wien. Mozart ist auch nichts anderes übrig geblieben.

Werner Raditschnig: Wie man sieht ist die neue Oper von Herbert Grassl auch eine Kirchenoper.

Andie Heyer: (lacht) Das Schicksal von Salzburg.

mica: Die Interessengemeinschaft Komponisten hat 60 Mitglieder. Es ist eigentlich an der Kleinheit der Stadt gemessen eine große Zahl an Komponisten, die angeben, dass sie hier leben. Welche Bedürfnisse haben diese Musikschaffenden? Was fehlt ihnen? Was fehlt euch beiden? Gibt es auch Unterschiede zwischen den Generationen und Genres?

Andie Heyer:  Wenn ich für die freischaffenden Komponisten spreche, die davon leben müssen, dann fehlen Kompositionsaufträge. Es fehlt das Interesse, Musik von lebenden Komponisten aufzuführen. Wann spielt etwa das Mozarteum-Orchester eine Uraufführung?

Werner Raditschnig: Das Manko ist, dass das Startfestival wieder abgesetzt worden ist. Zunächst war das ein dreitägiges Festival, das dann auf zwei Tage und schließlich auf einen gekürzt worden ist. Das ist sehr schade, weil das eigentlich genau so eine Plattform gewesen wäre, wo man immer wieder die Jungen präsentieren hätte können.

Andie Heyer: Punktuell wird es auch gemacht, wenn z.B. Wettbewerbe ausgetragen werden. Zumeist sind diese Dinge aber auch sehr verbaut, indem sie etwa nur für Mozarteumstudenten ausgeschrieben sind.

Werner Raditschnig:
Wettbewerbe haben etwas Altes an sich. Interessanter wären meiner Meinung ein Ort, wo ein kuratiertes Konzert statt findet und jemand auswählt, der sich immer wieder umschaut und ein interessantes Programm zusammenstellt. Nicht unter dem Blickpunkt einer Musikrichtung, sondern offen.

Andie Heyer:
Schon im Mozarteum haben wir erkannt, dass wir mehr Aufträge benötigen und haben beschlossen uns an das OENM zu wenden. Das waren dann erst wieder Kompositionswettbewerbe. Ich weiß aber, dass die Leute eigentlich sehr engagiert wären. Die machen sich viele Gedanken und setzen sich zusammen. Die Probleme werden auch gesehen. Die Lösungen gleichen leider oft einem Alibi. Dann wird bei der Biennale wieder einmal ein Stück von einem Salzburger aufgeführt, aber das geht dann doch meist unter.

mica: Du hast gerade gemeint, Aufträge wären ein wesentliches Bedürfnis. Wenn die Auftragslage schlecht ist, dann ist das oft ein Grund dafür, dass die Nachfrage nicht groß ist. Wie verhält es sich mit dem Salzburger Publikum? Gibt es ein Publikum für Neue Musik oder für die Musik, die ihr macht?

Andie Heyer:
Ich denke, dass es sehr viele offene Menschen gibt. Es ist schon die Frage, wie das Ganze vermarktet wird. Viele Menschen haben Berührungsängste und gehen nicht hin. Dabei könnte man das Potential von Salzburg ja nutzen – so wie es mein Klavierlehrer schon damals vorgeschlagen hat. Es würden bei der richtigen Vermarktung sicher einige Leute sagen, dass sie sich so eine Veranstaltung mit Neuer Musik gerne mal anschauen würden. Die wären sicher angeregt und überrascht, dass sie so etwas noch nie gehört haben. Ich glaube, dass die Menschen für unbekannte Klänge offen sind. Es wird zu oft eine Mauer gebaut und das grenzt eben diese Menschen aus.

mica: Werner, du hast ja auch viel in der ARGE Nonntal gemacht und im alternativen Bereich. Du kennst sicher viele Facetten von diesem Salzburger Publikum.

Werner Raditschnig: Warum ist man in die Arge gegangen? Die Arge ist ja eigentlich als die Stätte einer anderen Kultur aufgebaut worden. Die ganze Protestbewegung hat sich gegen die Festspiele formiert und die Kultur wollte damals eine Alternativkulturstätte. Wobei diese nichts mit der Neuen Musik am Hut hat. Trotzdem ist es damals – in den späten 90er Jahren –  über den Vorstand gelungen, an der Arge eine Reihe zu gestalten, wo verschiedenste Bereiche der elektronischen Musik präsentiert wurden. Da wurden nicht nur Salzburger eingeladen, sondern auch Leute, die international unterwegs waren. Interessant war es, solange die Programme etwas Exorbitantes gehabt hatten. Etwa Musik zu machen aus einer Tonne Eis. Da war die Arge eigentlich immer gesteckt voll. In späterer Zeit, als die Elektronikstudios etwa aus Graz gekommen sind, hat es auf einmal keinen mehr interessiert. Alles was nach Sensation ausschaut und anders präsentiert wird ist sofort drinnen. Sobald Leute von Instituten kommen ist der Raum leer. Kennt man nicht und ist auch nicht interessant. Wie klingt ein Institut? Das schreckt ab. Das haben wir damals offensichtlich schlecht verkauft. Die Szene hat sich als Veranstalter nie eingebracht. Leider.

Andie Heyer: Um noch einmal zum Publikum zurück zu kommen. Ich glaube einfach, dass dieses sehr offen ist. Es schreckt eher ab, wenn man eine Mauer baut. Beim Essen muss ich ja auch wissen, wie ich das verkaufe, wenn jemand die Speise nicht kennt. Die Vorurteile der Menschen müssen umschifft werden. Die Marketingstigmata von Salzburg zu nutzen ist doch positiv. Ich habe keine Berührungsängste. Wir haben das auch am Mozarteum gemacht. Damals haben wir Kompositionsaufträge für Orchesterstücke bekommen, das war so im Rahmen von Gustav Holst Die Planeten. Die Idee war, etwas zu machen, das auch das Publikum anspricht. Das war fantastisch, wie viele Leute da gekommen sind und auch unsere Stücke, die doch etwas zeitgenössischer waren, sind gut angekommen. Hätten wir das anders genannt, etwa Neue Musik-Orchesterstücke, dann wären die meisten vermutlich gar nicht gekommen.

Werner Raditschnig: So einen dramaturgischen Trick hat der Markus Hinterhäuser mit seinen “Kontinenten” auch einmal gemacht. Das war sicher eine Verkaufsstrategie. Fast alle sind mit bis zu 500 Leuten voll gewesen. Das muss man sich vorstellen. Wenn es aber etwas spröder war und das Freiburg Studio gespielt hat, dann waren nur mehr 60 da. Einiges läuft also auch dann nicht, wenn man eine Strategie anwendet.

mica: Ein weiterer Aspekt dieses Bedürfnisses nach Aufträgen sind natürlich Förderungen. Gibt es genug Förderungen für zeitgenössische Musik in Salzburg, aber auch für aktuelle Musik, experimentelle Musik, für junge KünstlerInnen?

Andie Heyer: Eigentlich wenig.

Werner Raditschnig:  Also ich glaube auch, dass es zu wenig gibt. Ein Manko sind natürlich die Programme. Etwa das Elektronik Land Salzburg. Ich finde eher, man sollte sagen: stellt einfach einen Antrag, ganz egal für welches Projekt. Es muss zeitgenössisch sein und in die aktuelle Zeit passen. Aus, fertig. Nicht immer Tunnel bauen, weil dadurch entstehen nur Schubladen und es entsteht Wettbewerbsdenken.

mica: Wären auf die Bedürfnisse der KünstlerInnen abgestimmte öffentliche Förderungen wünschenswert?

Andie Heyer: Sicher wäre das sehr inspirierend, weil es auch die Motivation fördert. Viele Komponisten hängen nach dem Studium durch. Wenn sie zugleich Instrumentalisten sind, dann gehen sie eher dieser Sache nach. Dadurch kommen sie natürlich vom Komponieren weg und dann fehlt natürlich auch die Inspiration. Ich kenne gleichzeitig auch einige, die sich wirklich umorientieren und einen anderen Beruf erlernen mussten. Nicht unterstützt zu werden bedeutet natürlich auch eine Enttäuschung. Die einen wollen sich ästhetisch treu bleiben und nur das machen, was ihnen entspricht, andere gehen unter Umständen in die Unterhaltungsbranche. Bei mir ist das schon so, dass ich das Gefühl habe, zu wenig Unterstützung zu bekommen, und ich bin gegenüber anderem sehr offen, da ich auch aus der Jazz- und Popmusik komme. Für mich ist es kein Problem, Filmmusik zu machen. Andere Komponisten sagen: niemals, das geht für mich nicht. Ich komponiere schon auch sehr gerne zeitgenössisch und empfinde es als sehr schön, kreativ zu sein, aber wenn man merkt, dass die Förderungen nicht da sind, dann geht logischerweise auch die Motivation ab.

Werner Raditschnig: Der Komponist braucht ein Ensemble das so gut situiert ist, dass es einen Auftrag geben kann.  Ein Auftrag geht im Endeffekt an das Bundesministerium und dieses zahlt mit einem Arbeitsstipendium den Komponisten. Zuerst braucht man eine Stelle, die das umsetzt.
Es geht nicht, dass man sich einfach selbst ein Ensemble zusammenstellt. Dann bekommt man meist keine Förderung. Wenn man aber zu einem bestimmten Ensemble geht, das schon besteht und die verpflichten sich, das Stück zu machen, ist es weit realistischer, dass man die Förderung bekommt. Man muss vermutlich zwischen traditionellen Komponisten, die nur zu Hause sitzen und Partitur schreiben und Komponisten, die in der Kulturpolitik aktiv etwas verändern wollen, differenzieren. Diejenigen, die auch selbst etwas in die Hand nehmen, sollten vielleicht nicht immer nur zum OENM gehen, von dem sie dann vielleicht abgelehnt werden). Nur weil einmal etwas gespielt wird heißt das dann auch noch lange nicht, dass das Stück erfolgreich ist. Solange man keine 3-Jahres- oder 5-Jahresförderung für ein Programm hat, ist es sicher schwierig. Das hat früher der Verlag gemacht.

mica: In Zeiten, in denen die Förderungen zurückgehen, stellt sich die Frage, ob es in Salzburg private Förderer oder Sponsoren gibt, die junge Musikerinnen fördern würden?

Andie Heyer: Dafür bin ich nicht der perfekte Ansprechpartner.

Werner Raditschnig: Eher noch aus privater Hand. Stiftungen und ähnliches.

mica: Die hier lebenden Musikschaffenden sind also tatsächlich darauf angewiesen, dass Ensembles mit Aufträgen an sie herantreten, um für den Auftrag Geld von öffentlicher Hand bekommen zu können.

Werner Raditschnig: Wenn man zurückblickt und schaut wie die Ensembles entstanden sind, dann findet man eine Antwort. Es haben sich Ensembles gebildet, um eigene Stücke und Werke befreundeter Komponisten aufführen zu können, mit dem man auch im Ausland wieder Gegengeschäfte machen konnte. Eigentlich war es nichts anderes als die Bildung eines Netzwerkes. Das ist eigentlich nichts anderes als bei den Elektronikern, die in Clubs auftreten. “Einmal kommst du zu uns und dann kommen wir zu dir.”

Andie Heyer: Ja, so eine Vernetzung wäre natürlich optimal. Diese müsste es aber auch zwischen allen Instituten und Ausbildungsstätten geben.

Werner Raditschnig: Wenn diese Ensembles sich etablieren, werden sie auch zur Behinderung, weil sie selbst viel Geld brauchen, um sich selbst zu finanzieren. Im Regelfall wachsen sie auch und dann stellt sich bald die Frage, wie sich das bezahlen lässt. Im Jazzbereich ist das vermutlich einfach zu lösen. Dort vermischen sich die einzelnen Musiker oft je nach Projekt.

mica: Wie weit funktioniert der Austausch zwischen den Musikern in Salzburg? Hat sich über die Jahre an der Form des Austausches etwas geändert? Welche Formen der Kommunikation wurden und werden gepflegt?

Werner Raditschnig: Ich habe damals, als die “Klangnetze” aufgebaut wurden und immer verschiedenste Künstler eingeladen wurden, festgestellt, dass ich dort weit mehr Künstler und Künstlerinnen kennen gelernt habe, als in der Zeit, als ich selbst in Salzburg meine Projekte gemacht habe. Ich konnte durch den Austausch für meine zukünftigen Projekte auf weit mehr Menschen zurückgreifen. Ich habe in Salzburg kaum mehr Musiker gesucht. Wenn es Netzwerke gibt und man dort immer wieder mal auftaucht, dann kann man sich auf diese Kontakte auch verlassen. Vermutlich sind die Jüngeren diesbezüglich noch besser vernetzt als wir Älteren.

Andie Heyer: Im Zeitalter des Internets ist das natürlich noch viel leichter.

Werner Raditschnig: In deiner Szene ist das vermutlich auch einfacher. Wenn du etwas vor hättest, wie schnell hast du dann die Musiker bei der Hand?

Andie Heyer: Das geht sehr schnell eigentlich. Ein paar Anrufe und dann ist das geklärt.

Werner Raditschnig: Sind die dann alle aus Salzburg?

Andie Heyer: Hauptsächlich sind es Musiker aus Salzburg, aber ich hatte auch Projekte mit Musikern aus Indien und London. Es stellt sich natürlich schon die Frage, wie interessant das Projekt für die Musiker ist. Wenn sich jemand dafür interessiert, dann steht derjenige meist sofort zur Verfügung.

mica: Die Jüngeren setzen also eher auf spontane Zusammenkünfte und weniger auf institutionalisierte Vereine.

Andie Heyer: Politisch hätte man natürlich eine lautere Stimme und könnte Vorstellungen eher durchsetzen.

mica: Gibt es derartige Zusammenschlüsse in deiner Welt?

Andie Heyer: Eigentlich leider nicht. Vermutlich ist es überall so, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht.

Werner Raditschnig: Das ist wohl eher eine Form von praktischem Zusammenschluss, weil ihr ja selbst Ausübende seid. Das ist natürlich ein großer Vorteil gegenüber dem Partitur schreibenden Komponisten. Wenn der alle, die er für seine Partitur braucht, erst zusammenstellen muss, dann ist das natürlich wesentlich schwieriger.

mica: Wäre das ein Wunsch, dass sich solche Strukturen bilden?

Andie Heyer: Auf jeden Fall wünscht man sich mehr Vernetzung.

Werner Raditschnig: Der Stefan David Hummel hat damals, als er die IG übernommen hat, gemeint, dass es keinen Sinn mache, ständig irgendwelche Stücke aufzuführen. Wir müssen uns selbst präsentieren und in einem Katalog erfasst sein, damit uns die Leute wahr nehmen. Es reicht oft nicht, einfach nur ein Stück aufzuführen. Man muss sich auch um Medien kümmern, auf denen man die Musik festhalten kann. Hier in Salzburg gibt es kaum Leute, die an einem Strang ziehen, wohingegen das in Graz schon der Fall ist. Die arbeiten ästhetisch richtiggehend einheitlich. Es stehen zwar unterschiedliche Namen drauf, aber die klingen sehr ähnlich. Das ist in Salzburg nicht der Fall. Die Ausprägungen sind sehr individuell. Damals war es die Idee von Hummel, Folder und CD’s zu machen und die zu versenden. Später ist man dann auch zusammengekommen, weil die Komponisten doch auch gehört werden wollten und dadurch ist die Nacht der Salzburger Komponisten entstanden.

mica: Wir haben mit der Frage begonnen, wie sehr eine Geschichte wie die Salzburgs die Gegenwart belastet. Dabei haben wir festgestellt, dass das für die jüngere Generation kein Problem ist. Seht ihr ein Potential in der lokalen Kunstszene Salzburgs? Ein Potential, das auch neue Energie in sich birgt oder seht ihr vielmehr die Tendenz, dass noch mehr Leute abwandern werden?

Andie Heyer: Ich sehe absolut Potential. Ich nehme einen gemeinsamen Geist wahr, den ich auch bei der letzten IG Komponisten-Sitzung wahr genommen habe. Es gab z.B. die Idee, dass Komponisten ein Wochenende zusammen kommen und gemeinsam improvisieren. Ich denke, dass es in die richtige Richtung geht. Ich glaube daran, dass etwas passieren wird, wenn die Künstler offen sind und zusammenarbeiten. Man merkt das auch in der Politik, dass wir in einer Zeit leben, in der die Menschen aufstehen.

mica: Kann man das an Orte und Institutionen knüpfen?

Andie Heyer: Nicht wirklich. Ich würde eher sagen, dass in den Herzen der Künstler etwas passieren muss. Es wird eine Bewegung stattfinden.

Werner Raditschnig
: Für mich gibt es Potential, wenn man etwa die Brotfabrik als neues Zentrum adaptieren würde. Man bräuchte ein Kunstzentrum. Ein Raum, den man umbauen, umstellen und wo man immer wieder neues präsentieren kann. Es ist einfach wichtig, an der Kunst zu arbeiten und auch andere Outputs wahrzunehmen. Das wäre lange mein Traum. Wir haben in Salzburg keine einzige Stätte, wo zeitgenössische Kunst beherbergt ist. Im Mozarteum geht es nicht. Der Solitär ist nicht dafür geeignet. Wir hätten die Szene, aber die ist viel zu teuer. Es ist die Frage, ob die neue Leitung der Szene daran etwas ändern wird und auch wieder produziert.

Andie Heyer:
Es gibt schon unkonventionelle Räume, z. B. die Bachschmiede in Wals. Natürlich gibt es oft die Idee, einen unkonventionellen Raum für unkonventionelle Projekte zu nutzen, aber oft muss man dann erst wieder mit Marketing arbeiten und kommerziellere Sachen präsentieren.

Werner Raditschnig: Die Brotfabrik würde sehr gut liegen. Es würde niemanden stören.

Andie Heyer: Viele wollen das eben nicht riskieren und man macht dann erst wieder eher ein Kino oder ein Theater. Das ist auch nachvollziehbar, weil irgendwo Geld reingespielt werden muss.

Werner Raditschnig:
Das Kabelwerk in Berlin ist ein gutes Beispiel für einen Ort, wie ich ihn mir vorstelle.

mica: Die letzte Frage wurde zum Teil ja schon beantwortet. Kann man als Musikschaffender in Salzburg überleben? Was bedeutet es in Salzburg als Musikschaffender erfolgreich zu sein? Was ist für euch der Parameter Erfolg und wie wichtig ist er?

Werner Raditschnig: Ich habe gedacht, dass man tatsächlich nur von der Musik leben kann und musste dann doch erkennen, dass ich noch einen zweiten Job brauche, damit ich meine Miete zahlen und Equipment kaufen kann. Damit ich sozusagen abgesichert bin. Auf der anderen Seite sind Beispiele von Malern, die sich nicht einmal mehr ihre Farbe kaufen konnten, eher abstoßend gewesen. Die Amerikaner haben da auch wieder eine andere Einstellung. Wenn man bedenkt, dass Philip Glass “Einstein on the Beach” selbst produziert und dann 90000 Dollar Schulden wieder abarbeitet. Das würde bei uns niemand machen.

Andie Heyer: Das erinnert mich auch an Komponisten, die flüchten mussten und ihre Partituren eher eingepackt haben, als ihre Kleidung.

Werner Raditschnig: Das ist so ähnlich, wie wenn du alles auf deinem Laptop gespeichert hast und der wird dir gestohlen.
Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der man mit mehreren Jobs hantieren muss. Als Freischaffender in der U-Musik ist es vermutlich noch einfacher.

Andie Heyer: Auch da hat man Schwierigkeiten.

mica: Was sind die Parameter, die zum Erfolg dazu gehören? Anerkennung durch Preise, sein Leben finanzieren können, in den Zeitungen lobend erwähnt zu werden? 

Andie Heyer:
Für mich ist keiner dieser Punkte relevant. Erfolgreich bin ich, wenn ich Menschen mit meiner Musik berühre. Vielleicht ist es nicht einmal die Qualität, sondern wirklich eher die Wirkung auf den Menschen. Damals, als ich ein Orchesterstück komponiert habe, da ist einer zu mir gekommen und hat einfach nur gesagt: “Das hat mich sehr berührt.” Das gibt mir mehr, als wenn jemand kommt und sein Interesse an einzelnen technisch-kompositorischen Aspekten bekundet. Das schmeichelt zwar dem Ego, aber es macht mich nicht wirklich glücklich. Natürlich ist es auch wichtig, dass ich meine Miete zahlen kann und mein Equipment, aber Erfolg ist, wenn es den Menschen etwas gibt. György Ligeti hat gesagt: “Kunst ist etwas, wenn es den Menschen auf einer höheren Ebene bewegt.”

Werner Raditschnig: Erfolg ist für mich an meinen eigenen Stücken erkennbar, am System, an der Umsetzung. Mir geht es nicht darum, dass meine Stellung dadurch steigt, dass ich mehr Anerkennung ernte. Mir ist egal was darüber geschrieben wird. Man kann es für sich nutzen, wenn es eine gute Kritik ist, aber definieren tu ich mich darüber, was ich transportieren will. Das ist für mich wirklich viel wesentlicher als in der Zeitung zu stehen.
Mir war auch das Publikum nie ganz so wichtig. Ich habe kein Publikum im Kopf, wenn ich etwas erarbeite.

mica: Gibt es etwas, was euch in diesem Kontext noch wichtig erscheint?

Werner Raditschnig: Wenn man nochmals auf die zeitgenössische Situation der Komposition zu sprechen kommt, dann muss ich schon sagen, dass die Institutionen, die als Veranstalter auftreten, eine entscheidende Rolle spielen. Hat man als Komponist Verbindungen zu diesem Kurator? Schätzt er einen? Fährt der grundsätzlich international eine ganz andere Schiene? Wenn dieser etwa meint, denjenigen kann ich gar nicht brauchen, weil ich ihn auch nicht verkaufen kann.

Andie Heyer: Das sind natürlich existierende Barrieren.

Werner Raditschnig: Überall gibt es Kuratoren. Jeder programmiert irgendwo ein Konzert oder sogar ganze Reihen. In diese Strukturen kann der einzelne Komponist nicht eingreifen. Man kann den Kontakt suchen und erkennen, ob man als kontaktwürdig empfunden wird.

Andie Heyer: Oder man nimmt eine Gegenposition ein und macht selbst etwas. Viele in Salzburg sagen, dass etwas anderes passieren muss und denken auch so, aber oft fehlt die Kraft, wirklich etwas umzusetzen. Dann gehen einige eben doch wieder zu den üblichen Anlaufstellen und komponieren so, wie auch die anderen komponieren, damit sie genommen werden.

Werner Raditschnig: Gibt es das überhaupt noch?

Andie Heyer: Ja, zum Teil fällt schon ein Einheitsstil auf. Es gibt in der Mitte eine breite Masse an Komponisten, die ähnliche Musik machen. Es gibt auf jeden Fall eine Klangästhetik. Das habe ich auch am Mozarteum erlebt. Das wird auch gewünscht. Es gibt aber auch Komponisten, die gerne tonal komponieren würden. Was machen die dann? Die haben es auf jeden Fall schwer.

 

WERNER RADITSCHNIG

(Geb. 1948 in Villach, lebt seit 1970 in Salzburg)

Studien an der Musikhochschule Mozarteum, Salzburg, Gitarre (H. Koch und B. Kovats) sowie Live-Elektronische Komposition (A. Losoncy).
Mehrmalige Teilnahme an Kompositions- und Analysekursen in Darmstadt und Köln.
Staatstipendium für Komposition 1976 und 1988.
Komponist und Ausführender in eigenen Musik- bzw. Klangprojekten. Zusammenarbeit mit Spezialisten aus anderen Sparten (Video, Theater, bildende Kunst und Elektrotechnik). Arbeitsgebiet: Experimentelles Instrumentarium, konzeptionelle Musik, szenische Musik, neues Musiktheater, konzertante Installationen und Elektronik.

 

ANDIE HEYER

Zusammenarbeiten mit einer Vielzahl von renommierten Künstlern und Jazz-Musikern der Szene.
Teilnahme in der Studienzeit an der Universität Mozarteum in Salzburg an diversen Workshops u.a. bei Helmut Lachenmann und Steve Reich. Für das ‚Mozart Jahr 2006’ Beteiligung an Projekten und Kompositionsaufträgen, u.a. am Dokumentarfilm des ‚OFF:Mozart 2006’ Festivals ‚GENIUS FOR SALE’.
Preisträger des Kompositionswettbewerbes ‚Vorhang auf!’ der Firma ‚Wendl & Lung’ Wien (2007), diese Komposition wurde vom Doblinger Verlag Wien
veröffentlicht und im Sommer 2007 uraufgeführt.
Preisträger des Kompositionswettbewerbs „Münchner Klavierbuch“ (2008) – Neue Klaviermusik für den Unterricht – veröffentlicht vom Verlag Vogt & Fitz Schweinfurt sowie Preisträger eines Kompositionswettbewerbes der Firma Wendl & Lung Wien (2009).
Das ‚Leistungsstipendium’ der Universität Mozarteum Salzburg 2007 und 2009 erhalten.
Im Mai 2007 wurde das Orchesterwerk ‚Eris’ mit großem Erfolg und ausgezeichneten Kritiken vom ‚Sinfonieorchester der Universität Mozarteum’ unter der Leitung von Dennis Russell Davies zur Uraufführung gebracht (‚Die Planeten’).

E-Musik: Eine beachtliche Anzahl an Orchesterwerken sowie kammermusikalischen, Soloinstrumental- sowie Chorwerken wurden bereits komponiert.
U-Musik: Eine Vielzahl an Kompositionen, Arrangements, Produktionen, Improvisationen und Projekten wurden erarbeitet.
Neben dem Masterstudium an der Universität Mozarteum Salzburg wurden Kompositions- und Orchestrationsaufträge für die Philharmonie Salzburg übernommen. Zu Filmprojekten u.a. der Fachhochschule Salzburg und Werbejingles wurde Musik komponiert.

 

Foto 1 © Salzburg Biennale
Foto 2 © Werner Raditschnig
Foto 3 © Andie Heyer

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