mica-Interview mit TNT JACKSON

Mit ihrer Mischung aus trashigem Stylebewusstsein und forciertem Elektrorock haben sich die Herren T, N und T alias TNT Jackson in den letzten Jahren als etwas andere Boygroup der Wiener Elektronikszene etabliert. Ihr Debüt Lovers war schon ein charmanter Knicks vor unterkühlter Eighties-Romantik. Der nun erschienene Zweitling “Across The Towers” schlägt in eine ähnliche Kerbe.

“Das Kühl-Strenge war uns nie wichtig” –

Als TNT Jackson wollt ihr von euren bürgerlichen Existenzen nicht viel wissen. Stellt euch doch bitte kurz in euren Bandidentitäten vor.
T:
Ich bin Annie, 32 Jahre alt, hauptberuflich Musikproduzent.
N: Mein Name ist Johnny Whizz, 34, Haupterwerb Grafikdesigner.
T: Justus Köhlermann, hauptberuflich bei TNT Jackson.

Warum macht ihr euch älter, als ihr seid?
Annie: Hallo, ich bin Annie, 19.
Johnny: Hallo, ich bin Johnny Whizz von TNT Jackson, ich bin 26.
(Gelächter)

Wann und aus welcher Motivation heraus ist TNT Jackson entstanden?
Annie: Wir haben 1998 alle in Kärntner Hardcorebands gespielt. Justus’ Vater hatte damals eine Elektronikplatte von Gary Numan, und wir fanden, dass das eigentlich nicht schlecht klingt. Sein Vater hat auch Synthesizer gesammelt. Irgendwann ist bei der Gitarre eine Saite gerissen und wir haben begonnen, auf den Synthesizern herumzuprobieren. Das war der Beginn von TNT Jackson.

Wo in Kärnten?
Annie: In Völklerbruck. Nein, das ist gar nicht in Kärnten! (Gelächter). In Völkermarkt – ist das in Kärnten? In Klagenfurt!

Mit so einer Anti-Vorbereitung kann man doch kein Fake-Interview geben!
Annie: Stimmt, aber wir haben noch nie erzählt, wie TNT Jackson wirklich entstanden sind. In jedem Interview gibt es eine andere Geschichte.

Für mich als außenstehenden Beobachter hat sich die Gründung von TNT Jackson so dargestellt, dass euch als Musikfans dieses Fantum irgendwann nicht mehr genügte. Der Grund, Musik zu machen, schien also weniger ein Mitteilungsbedürfnis zu sein, als vielmehr der Spaß am Ausprobieren, wie es ist, eine Band zu sein.
Annie: Die Band ist in gewisser Weise eine Erweitung des Prinzips enger Freundeskreis, wobei es uns tatsächlich nur sekundär darum geht, mit unserer Musik großartig etwas auszudrücken oder die Welt zu verändern. Wichtiger ist es, mit Freunden Zeit zu verbringen.
Justus: Man kann sich aber durchaus fragen, warum man überhaupt eine Band gründet – wir hatten ja auch vor TNT Jackson schon entsprechend Erfahrungen gesammelt. Hat man einen Dorn im Fleisch, den man abarbeiten muss, oder hat man einfach gerade nichts Besseres zu tun?
Annie: Mit 14 war es einfach das Normalste der Welt, eine Band zu gründen, wenn man schon ein Instrument gelernt und mit Popmusik aufgewachsen war. Ich habe mir die Frage nie gestellt, ob man das wirklich machen möchte, sondern ich habe es einfach gemacht. Es gehört zum Leben dazu und ist eine Komponente dieser Freundschaft.
Johnny: Wobei es mir schon total viel gibt, zu dritt Musik zu machen. Ich mag es, von einer Probe nach Hause zu gehen, bei der es magische Momente gab.

 

 

Gab es im Zuge der Bandgründung bestimmte konzeptuelle Überlegungen, oder habt ihr euch über das Musikmachen gefunden?
Annie: Anfangs war das Konzept noch weit wichtiger als heute. Wir wollten einfach nicht die nächste Band sein, die mit Gitarre, Bass und Schlagzeug auf der Bühne steht. Stattdessen haben wir durch dieses Spiel mit dem Artifiziellen eher an eine Glamrock-Tradition angeknüpft. Das ist uns zwar nicht abhanden gekommen, es gab aber von Beginn an die Überlegung, sich mit jedem Album möglichst neu zu erfinden. Da wir gerade mit der Fertigstellung des zweiten Albums beschäftigt sind, wird das zukünftige TNT-Jackson-Konzept erst ausgearbeitet. Die Ästhetik wird geändert, weil auch die Musik anders ist. Und wir werden höchstwahrscheinlich nicht mehr in den bekannten Uniformen auftreten.
Justus: Ein guter Teil unseres anfänglichen Konzepts war es zu wissen, was man nicht will. Beispielsweise wollten wir keinen Laptop auf der Bühne haben.
Johnny: Das waren auch immer die leichteren Fragen: Was wollen wir nicht sein, was wollen wir nicht werden? Ich wollte nie in einer Indierockband spielen.
Justus: Und wir stehen dazu, dass wir Dilettanten waren und zu einem guten Teil auch noch sind.
Annie: Live gibt es nach wie vor keine klare Rollenverteilung; andere Dinge fühlen sich aber bereits ein bisschen veraltet an. Dadurch wird es für uns selbst zur Notwendigkeit, manches zu erneuern und zu verändern.

Welche Überlegung steckte hinter euren schwarz-goldenen Bühnenuniformen?
Johnny:
Das hatte etwas leicht Kommunistisches: Keiner sollte besser angezogen sein als der andere und jeder sollte auf der Bühne dasselbe machen – Synthesizer spielen, singen .Für mich hat das etwas von einer chinesischen Arbeitertracht gehabt – auf der Bühne sind wir alle Arbeiter.
Annie: Die “Golden Working Class”.
Justus: Es war durchaus Teil des artifiziellen Konzept, nicht in seinen normalen Klamotten auf die Bühne gehen zu wollen. Inwiefern wir auch künftig ein gleichmachendes Outfit haben wollen, wird noch überlegt.

Wie wird die neue Platte klingen, wenn ihr jetzt keine Elektrorockband mehr sein wollt?
Annie: Dieses Etikett wurde uns eher aufgedrückt, gesehen haben wir uns immer schon mehr als Popband, die mit ihren Mitteln versucht, das jeweils Passendste zu machen. Unsere Fähigkeiten sind nicht mehr so beschränkt wie früher, und das Prinzip des Dilettantismus mit elektronischen Mitteln ist auch nicht mehr so fresh wie vor einigen Jahren. Ich würde unser neues Zeug einfach als “Pop” beschreiben. Es gibt weniger Geböller, die Stücke sind wesentlich ruhiger, teilweise auch melodiöser. Das Projekt “zweite Platte” stand von Beginn an unter der Prämisse “sanfter soll sie klingen”.
Justus: Oder irgendwie eleganter.
Johnny: Das Songwriting ist auch besser.

Wie ist eure Musik anfangs entstanden – durch Learing by doing?
Johnny: Definitiv. Wir haben teilweise Beats aus drei verschiedenen Haushalten auf Mini Disc zur Probe mitgebracht, haben diesen Beat laufen lassen, dazu gespielt und das Ganze auf einer weiteren Mini Disc live mitgeschnitten. Das Ergebnis wurde wiederum in einen Rechner gespielt. Es war ein hartes Lernen.

Wie läuft die Musikproduktion heute ab?
Annie: Vieles passiert nach wie vor im Do-It-Yourself-Verfahren, wir haben mit Oliver Stotz diesmal aber einen Freund dazugezogen, den wir sehr schätzen und der auch mehr technische Skills hat als wir selbst.
Justus: Wir arrangieren inzwischen großteils direkt am Computer. Während früher noch vieles durchs Spielen entwickelt wurde, passiert das jetzt eher durch gemeinsames Hören und Klötze-Verschieben im Cubase.

Live spielt das Analoginstrumentarium eine wesentliche Rolle. Wie ist das im Studio?
Johnny: Der Rhythmus kommt vom Computer, da wir keinen Schlagzeuger haben. Ansonsten wird aber der Großteil manuell eingespielt – weil wir auch wollen, dass es menschelt. Durch die Ungenauigkeit, die beim manuellen Spiel entstehen, klingt es einfach hörbar anders.

Einerseits soll es menscheln und unverkennbar sein, andererseits wird auf der Bühne entindividualisiert – ist das nicht ein Widerspruch?
Annie:
Nein, denn das Menscheln passiert ja nur intern. Letztlich weiß niemand, wer was eingespielt hat; das Album kommt als anonymes Produkt raus.

Elektronische Musik zeichnet sich häufig durch eine betont kühle Ästhetik aus. Genau das scheint ihr bewusst vermeiden zu wollen, wenn ihr das Menschliche in der Musik betont.
Johnny: Wir wollten schon immer eine Band sein. Mit elektronischen Mitteln zwar, aber als einen reinen Elektronik-Act habe ich uns nie gesehen. Für mich hatte das von Beginn an eher den Charakter einer Rock’n’Roll-Band. Der Schlagzeuger ist halt nicht echt, wir sind es aber schon.
Justus: Das Kühl-Strenge war uns nie wichtig.
Johnny: Wenn ich einen exakten Midi-Bass höre, finde ich das für TNT Jackson fast ein bisschen unangenehm – bei anderer Musik, die ich höre, ist es okay.

 

 

Was muss ein Stück erfüllen, damit ihr ruhigen Gewissens “TNT Jackson” draufschreiben könnt?
Justus:
An sich geht alles, so lange wir drei uns darauf einigen können.
Annie: Genau darüber haben wir während der Arbeit am zweiten Album sehr viel diskutiert: Ist das überhaupt noch TNT Jackson? Und woran kann man so etwas festmachen?
Johnny: Es gibt durchaus gewisse Elemente, die jeder von uns immer wieder einbringt. Ein Steckenpferd, das man raushören kann.
Justus: Das ist zwar ein ausgelutschter Begriff, aber eine gewisse Tanzbarkeit ist uns schon wichtig.
Annie: Wobei – auch nicht wirklich. Wichtig ist, dass alles möglich sein kann.
Johnny: Für mich persönlich muss in jeder Nummer etwas drin sein, das sie total schön oder süß-zuckrig macht – und wenn das auch nur wenige Sekunden dauert.

Ihr seid über die Jahre professioneller geworden. Geht dadurch nicht die charmante Naivität verloren?
Justus: Darin liegt auf jeden Fall eine Gefahr, aber irgendwann wünscht sich fast jede Band eine Platte aufzunehmen, die man im Radio oder Club spielen kann, ohne dass es einem die Ohren rausfetzt.
Annie: Wobei es dann ja immer heißt: “Die frühen Platten waren die besten, denn da pumpert und rauscht es noch ordentlich, und alles ist noch viel roher.”

Was zumeist ja nicht ganz falsch ist.
Annie: Ein gewisser Dilettantismus bleibt schon alleine dadurch erhalten, dass wir wieder ohne Produzent gearbeitet und den größten Teil zu Hause aufgenommen haben. Aber fuck die frühen Aufnahmen, man wird halt einfach besser! Und nachdem es noch so viel zu lernen gibt, habe ich keine Bedenken, dass das ein überproduziertes, glattgebügeltes Ding wird.
Justus: Tatsächlich gibt es noch so viel notdürftig zusammengeschustertes Zeug auf der Platte, dass sie gar nicht High-End-mäßig klingen kann.

Inwiefern spielt Ironie bei euch eine Rolle?
Johnny: Uns war immer wichtig rüberzubringen, dass wir Spaß an der Sache haben und das nicht allzu ernst zu nehmen. Ironie war aber nie ein tragendes Element.

Wie fruchtbar war und ist der Wiener Boden für euch?
Johnny:
Ich habe Wien immer als eine gute Plattform empfunden.
Justus: Wobei wir als Band immer sehr stark alleine gearbeitet haben.
Annie: Mittlerweile ist es vermutlich komplett egal, woher man kommt. Insofern war Wien immer schon eine gute Stadt für uns, weil es hier wenig Aufregung gibt und man einfach in Ruhe Musik machen kann.

Aber müsstet ihr gerade im Gegensatz dazu nicht eigentlich irgendwo hingehen, wo man sich weit stärker an der Konkurrenz reiben kann, um als Band wachsen zu können?
Annie: Man muss nicht unbedingt als Person in einer Stadt wie Berlin oder London anwesend sein, das kann auch über ein internationales Label und eine vermehrte Konzerttätigkeit laufen. Mit dem zweiten Album wird es sich wesentlich stärker weisen, inwiefern das Ding international Konkurrenzfähig ist; “Lovers” war einfach eine Compilation aus den ersten Jahren TNT Jackson.

Was erwartet ihr euch von eurem New-York-Ausflug im Rahmen von “Moving Patterns”?
Annie: Eine gute Zeit?
Justus: Es ist ein relativ kleiner Rahmen, und man darf sich nicht erwarten, dass man durch dieses eine Konzert plötzlich von den großen Radiosenden an der Ostküsten gespielt wird.
Johnny: Wir erwarten uns eh selten etwas. Außerhalb von Wien freuen wir uns immer, wenn mehr als fünfzig Leute zu einem Konzert kommen.

Wie wollt ihr denn die Welt erobern, wenn ihr euch nie etwas erwartet?
Johnny: Man erhofft sich etwas, erwarten kann man sich nichts. Tut man es doch, wird man sehr leicht enttäuscht und frustriert.
Annie: Ich erhoffe mir auch ein Weißes Album von uns, aber erwarten tu ich es nicht.
Justus: Man gibt natürlich sein Bestes und steckt viel Zeit und Energie rein. Aber man kann ja niemanden dazu zwingen, eine Platte zu kaufen.
Annie: Wenn wir zu dritt unterwegs sind, ist das immer superspaßig und eine schöne Alternative zum Alltag. Wenn das so bleibt, ist es okay; wenn es mehr wird, ist es super.

Angenommen, ihr könntet ein Festival rund um TNT Jackson buchen und hättet dafür die ganze Musikgeschichte als Fundus. Wer würde spielen?
Justus:
Da müsste ich länger nachdenken, Curtis Mayfield wäre aber auch jeden Fall dabei.
Annie: Ich wäre von den Möglichkeiten überwältigt und kann das daher nicht beantworten. Außerdem könnte ich da auf keinen Fall selber auftreten – höchstens am Klo, während die auf der Hauptbühne spielen.
Johnny: Ich wäre mit Radiohead ganz glücklich.

Das Interview führte Gerhard Stöger im Rahmen des Moving Patterns Festivals in New York im Frühling dieses Jahres.

Fotos TNT Jackson: http://www.tntjackson.net/

 

 

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