Es gibt Bands, die aus musikalischer Sicht zu keinem Moment irgendwelchen Kategorien entsprechen wollen und sich stilistisch in einer Weise offen zeigen, wie man es nur selten zu hören bekommt. Eine Formation, die diesen Ansatz schon auf ihrem Debütalbum in Perfektion zu zelebrieren weiß, ist das in Wien ansässige Trio Donauwellenreiter. „Annäherung“ (4tm) ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, welch faszinierendes Hörerlebnis erschaffen werden kann, wenn MusikerInnen sich zu allen Seiten hin öffnen und jegliche traditionelle Begrifflichkeiten außer Kraft setzen. Thomas Castañeda, der Pianist des Trios, im Gespräch mit Michael Ternai.
Seit wann macht ihr gemeinsam Musik? Erzähle uns ein wenig von euren Anfangstagen.
Also gemeinsam zu musizieren begonnen haben wir mit Beginn des Jahres 2009. Niko Zaric, unser Akkordeonist, war der letzte, der zu uns gestoßen ist. Maria Craffonara (Stimme, Violine) und ich hatten schon zuvor gemeinsam geprobt und der Niko kam so zwei, drei Monate später dazu. Unseren ersten Auftritt hatten wir bei Soho in Ottakring Mai 2009. Wir haben uns schon früh darum bemüht, viel zu spielen und waren ziemlich aktiv darin, die Leute anzuschreiben, um auf uns aufmerksam zu machen. Wir haben gewusst, dass das Live-Spielen einfach die Basis für uns ist, um weiter zu kommen. Da wir so viel Zeit wie möglich auf der Bühne verbringen wollten, haben wir zunächst mit Repertoire-Musik begonnen. Und zwar vorwiegend mit südamerikanischem Liedgut und Tanz. Mit der Zeit sind aber immer mehr Eigenkompositionen entstanden, die natürlich eine weit höhere persönliche Bedeutung für uns hatten, weil sie im Gegensatz zu den einfachen Interpretationen einfach auch mehr Tiefgang und Qualität hatten.
Die eigentliche Initialzündung erfolgte dann Anfang 2011, als wir den Auftrag vom Ferdinandeum in Innsbruck erhielten, für ein kinetisches Objekt eine fünfminütige Komposition zu erstellen. Im Nachhinein betrachtet stellte sich die Arbeit an diesem Projekt als ein sehr prägendes Erlebnis heraus. Eben, will wir gezwungen waren, uns sehr intensiv mit einem Stück auseinanderzusetzen. Auf jeden Fall hat dieses Projekt letztlich ungemein viel Energie freigesetzt und uns entscheidend weiter gebracht. Die Komposition war dann im Ferdinandeum zu hören. Aber nicht nur dort, sondern auch in der Stadtgalerie Kiel und in Berlin. Wir sind dann quasi diesem Objekt nachgereist und haben dann an den Orten, an denen es ausgestellt worden ist, auch Konzerte gespielt. Im Nachhinein kann man sagen, dass uns diese Arbeit unglaublich viel Drive gegeben hat.
Wie schwer oder leicht war es musikalisch und stilistisch auf einen Nenner zu kommen? Ihr entstammt ja alle aus recht unterschiedlichen Bereichen. Habt ihr im Vorhinein schon eine bestimmte Vorstellung davon gehabt, in welche Richtung es gehen sollte?
Eben nicht. Das Einzige, auf was wir uns geeinigt haben, war, dass wir alles zulassen. Das spiegelt sich auch im Titel des Albums „Annäherung“ wieder. Wir wollen uns mit dem Album natürlich auch irgendwo dem Absolutistischen verweigern. Es befindet sich immer alles irgendwie im Fluss, auch selbst als Musiker tut man das. Wenn man sagt, ein einzelner Mensch steht in einer ständigen Veränderung, so ist das bei einem Trio natürlich noch mehr ausgeprägt. Wir versuchen so gut wie möglich, nicht in einer Position zu verharren, sondern uns ständig weiter zu entwickeln. Und deshalb auch „Annäherung“. Man versucht etwas gut zu machen, man glaubt daran und kommt damit einem Ideal, wenn man es so nennen will, ein Stückchen näher. Ich hoffe, dass diese Mentalität, diese gedankliche Basis uns auch in Zukunft noch weiter trägt. Wir merken es auch selbst. Es kommt ein neuer Song und es eröffnet sich für uns eine neue Welt. Man kann sagen, dass es sich eher weniger um eine stilistische Basis, sondern eher um einen Bewusstseinszustand handelt.
Donauwellenreiter – Für Sela by mica
Eure Musik steht für eine ungemeine Stilvielfalt. Glaubst du, dass genau dieser Umstand, diese Unkategorisierbare im Grunde genommen euch ausmacht?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass es hauptsächlich das ist. Es versuchen sich heute ja schon viele Bands an Crossover-Entwürfen. Vielleicht ist es eher die Leichtigkeit, mit welcher wir an die Sache herangehen. Ich habe den Eindruck, dass es bei uns nichts gezwungen oder gewollt klingt. Es geht doch letztendlich um die Melodien. Und die kommen einfach. Es geht darum, das Maximum aus einer Melodie oder einer einfachen Akkordfolge herauszuholen. Ich glaube, die Leute sind von unserer Musik auch so angetan, weil die vermeintlich einfachen Dinge bei uns nicht simpel klingen, sondern sehr wohl Tiefgang haben.
Wenn du selbst für eure Musik einen Namen finden müsstest. Wie würdest du sie bezeichnen. Kann man vielleicht sagen, dass es sich um eine Version mitteleuropäischer alpiner Musik handelt?
Also, alpine Musik eher weniger. Generell ist es wirklich schwer zu sagen.
Auf jeden Fall aber ist eure musikalische Klangsprache eine sehr international klingende. Alleine schon deswegen, weil Maria, eure Sängerin, gleich in mehreren Sprachen singt.
Das Mehrsprachige ist wiederum auch nichts Programmatisches. Genauso wenig, wie wir uns bei der Musik keine Schranken setzten, tun wir das auch in diesem Punkt nicht. Die Tatsache, dass Maria einfach mehrere Sprachen spricht, der Niko dazu serbokroatisch und ich spanisch, stellt natürlich keinen Nachteil dar. Es ist mehr oder weniger das schlichte Zulassen der doch erstaunlichen faktischen Vielfalt, welche wir alle in das Projekt mit einbringen. Es ist halt schon ein seltener Fall, vielleicht auch schon ein wenig kurioser. Wann kommt es sonst schon vor, dass ein 18-jähriger Serbe, eine Südtirolerin, Ladinerin und mit mir ein Halb-Mexikaner zusammenkommen. Wir sind schon ein recht bunter Haufen.
Wie kann man sich die Arbeit von euch dreien vorstellen. Wie entsteht eine Nummer?
Grundsätzlich ist es so, dass die Kompositionen, oder besser gesagt die Fragmente von Kompositionen, in der Regel von mir kommen. Ich habe im Laufe der Zeit ja schon viele Ideen oder Fragmente von Stücken gesammelt und irgendwo aufgenommen und abgespeichert. Hin und wieder kramt man eine solche Idee wieder hervor und arbeitet sie weiter. Wenn es sich dann zu konkretisieren beginnt, eine Grundvorstellung davon, wie eine Nummer klingen könnte, sich herausbildet, dann wird diese Idee eben zur Probe mitgenommen. Und dort wird dann zu Dritt weiter an den Arrangements gearbeitet und gefeilt. So in etwa sieht der normale Entstehungsprozess eines Stückes aus. Es gibt natürlich auch den Fall, dass Kompositionen wie aus einem Guss kommen. Man geht am Gehsteig spazieren und irgendwie schießt einem eine Melodie durch den Kopf und es ist einem sofort klar, wie das am Ende klingen muss. Und das funktioniert in der Probe dann auch gleich sofort.
Warst du dann manchmal überrascht davon, wie Maria und Niko deine Ideen weitergesponnen haben?
Ich bin allgemein überrascht. Und das bezieht sich auch auf das gesamte Album. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, nicht gedacht, dass wir in der Lage sind, ein so ein gutes Album hinzubekommen. In dem Moment, in dem das Ding fertig war, bin ich mit einer unglaublichen Freude aus dem Studio herausgekommen, weil ich gewusst habe, da ist uns wirklich etwas gelungen. Mir war schon davor bewusst, dass wir etwas Gutes zustande bringen werden, dass es dann aber so gut werden würde, das habe ich nicht geglaubt. Und das ist natürlich das Ergebnis unserer gemeinschaftlichen Arbeit. Dass wir zu Dritt so weit gekommen sind, hat auch mit unserem gegenseitigen Vertrauen zu tun, mit dem Wissen, dass das was vom anderen zurückkommt, die Musik immer weiter vorwärts bringt. Auch wenn die Kompositionen zum großen Teil von mir gekommen sind, ohne das Zutun von Maria und Niko, deren Fähigkeit diese mit Leben zu erfüllen, hätten diese wohl nicht diese Qualität erreicht.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass wir mit unserem Tontechniker wirklich viel Glück gehabt haben. Er hat sich sehr viel Mühe und uns auch die notwendige Zeit gegeben. Die Zeit, die wir ursprünglich für die Aufnahmen veranschlagt gehabt haben, hätte nie ausgereicht. Außerdem hätten wir die Studiozeit nie bezahlen können. Zum Beispiel haben wir bei der Nachbearbeitung tagelang damit verbracht, an Räumen zu arbeiten. Und ich glaube, dass hört man den Stücken auch an. Es ist ein sehr eleganter Sound, der daherkommt, aber auch zuletzt deshalb, weil wirklich bei jeder Nummer versucht worden ist, maßgeschneiderte Räumlichkeiten zu finden.
Wie blickst du eigentlich generell auf die heimische Musikszene. Wie schwer haben es junge Bands, wie ihr eine seid, erfolgreich zu reüssieren?
Ich persönlich glaube nicht, dass es leicht ist. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und versuche seit nun fast 15 Jahren musikalisch in diesem Land eine gewisse Grundform der Anerkennung, wie etwa medial, zu bekommen. Es hängt natürlich ganz stark davon ab, was man macht. Ich glaube, das ist der eine entscheidende Faktor. Der zweite ist die Zeit, die man aufwendet, in das eigene Marketing zu investieren. Ich glaube, dass es da mittlerweile Leute gibt, die sehr viel Zeit damit verbringen, sich selber zu vermarkten. Wenn man diesen Weg nicht so sehr verfolgt und sich eher auf das Erstellen von künstlerischen Inhalten konzentriert, kann es schon länger dauern.
Was hast du eigentlich vor den Donauwellenreitern musikalisch eigentlich getrieben?
Ich habe vorher in erster Linie Rock und Pop gemacht. Das auch ziemlich lange. Begonnen hat das alles eigentlich ziemlich klassisch. Gespielt habe ich das, was für einen mit 16 Jahren eben typisch ist. Mit 19 bin ich dann auch der Musik wegen nach Wien gekommen und habe eine lange Zeit in einer Rockband gespielt. Und seit ungefähr vier Jahren spiele ich nun in unserem Trio. Ich habe auch nie Musik studiert und bin in diesem Sinne eigentlich Autodidakt.
Und du hast immer schon das Ziel gehabt, mit der Musik dein Leben zu bestreiten?
Ja, eigentlich schon. Ich kann ja auch nichts anderes (lacht). Es hat durchaus auch einen Zwang. In Ermangelung eines richtigen Berufes bin ich gezwungen, ein Leben als Musiker zu fristen.
Danke für das Gespräch.
Fotos Donauwellenreiter: Jürgen Skarwan
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Donauwellenreiter