mica – Interview mit Superlooper

Der Zuhörer ist verantwortlich für das, was er hört – oder: Wenn Tonträger in die Badewanne locken.Superlooper im Interview mit Christian Rösner Und plötzlich finde ich mich in der Badewanne wieder – ausgerüstet mit einer Fernbedienung für den Ghetto-Blaster, der auf der Waschmaschine neben der Wanne steht. Im Wohnzimmer ist gleichzeitig die Stereoanlage auf volle Lautstärke gedreht: Wie kann man nun die Lautstärke am besten so anpassen, dass beide Sounds am besten zusammen wirken können? Am besten klingt es eigentlich überhaupt unter Wasser. Nur das mit dem ständigen Luftholen ist mühsam – ob ich schnell den Schnorchel im Abstellraum suchen soll?

Wie konnte es nur soweit kommen?
Schuld daran sind Superlooper. Denn das Trio hat ein Projekt gestartet, das zum aktiven Musikhören auffordert. Kauft man das neue Produkt, erhält man zwei authentische CDs. Und eine Bedienungsanleitung. Und auf der steht:

1) Insert the first CD in your cd player
2) select the desired play mode: “Play”, Repeat one”, “Repeat all”, or “Random/Shuffle”.
3) insert the second CD in a second CD-Player (like hifi-system, car radio, laptop, …) select the desired play mode according to your wishes and play both CDs simultaneously
4) for de best possible listening experience vary the volume of the CD players and move around to vary listening position.

Selbst die Bandmitglieder sind erstaunt über die Wirkung ihres neuen Projekts. “Ich bin zum Beispiel auf dem Boden des Vorzimmers gelegen und habe erstmals alle Schuhe gezählt, die sich dort befinden – während der Sound der CDs aus ganz anderen Zimmern kam. Hier sammelte sich die Musik am besten”, erzählt Superlooper Ludwig Bekic.

 

Was dahinter steht? “Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass Musik immer im Hier und Jetzt entsteht”, erklären Bekic, Alexander J. Eberhard und Florian Kmet. Denn Musik kann man laut Superlooper nur einmal hören. “Neues Hören erzeugt andere Musik. Und wir scheitern am Versuch, sie halt- und besitzbar zu machen.” Philosophischer Nachsatz:  “Wohin glauben wir, dass Musik geht, wenn wir sie nicht gespeichert haben?”

In einem Interview mit Christian Rösner präzesieren Superlooper ihre Gedanken zu diesem durchaus konstruktivistischem Thema:

“Wenn man davon ausgeht, dass jeder etwas eigenes hört, dann entsteht die Musik durch das Hören und nicht durch das Machen. Notwendig für Musik ist der Zuhörer und der Raum, den man dafür braucht – und die Zeit. Es gibt also noch mehr Komponenten als nur den Musiker. Offensichtlich ist also der Zuhörer sehr verantwortlich dafür, was er hört und wie er hört – und das betrifft sowohl gespeicherte als auch live gespielte Musik”.

Welche Vorgaben hat es für die Stücke auf der CD gegeben, damit sie alle irgendwie zusammenpassen – oder ist dieses Zusammenpassen wieder nur eine vom Hörer erzeugte, subjektive Erfindung?

“Wir hatten viel mehr Tracks, als jene, die sich auf der CD befinden und haben das selektiert – deswegen auch die gemeinsame Autorenschaft. Aber das Zusammenpassen hat wohl mit einer Art Grundstimmung zu tun, die wir gemeinsam haben. Wir hören uns gut, weil wir uns schon lange kennen. Ausgemacht haben wir uns jedenfalls nichts.”

 

Sind die Stücke gemeinsam entstanden?

“Nein, jeder von uns hat Stücke gemacht mit der Aufgabenstellung darzustellen, was Superlooper ist.”

So wie die Musik immer neu beim Hörer ensteht, so versucht ihr auch immer selbst, die Musik neu entstehen zu lassen. Was wird am 1. Dezember bei eurem Auftritt im Rhiz passieren?

“Da gibt es eine dem Grundlärmpegel angepassten Lautstärke Version unseres Projektes 9 P.M. Das Gerippe dieser Live-Performance ist ein Text, wo ungefähr alle 8 bis 10 Sekunden ein Wort kommt – und somit eine rhythmische Struktur entsteht, die extrem offen ist. Und je nach Konzentration und Lust des Zuhörers kann man in die Geschichte hineingehen oder diese in den langen Pausen weiterspinnen, um dann auf die eine oder andere Lösung zu kommen. Die Musik baut sich rundherum auf und interagiert mit den Lautstärken, sodass es auch passieren kann, das der Text streckenweise ganz verschwindet. Die Parameter hängen natürlich immer stark von den räumlichen Begebenheiten und dem Umfeld ab.”

Wie ist das Video zu eurer letzten Performance im MAK entstanden?

“Da gibt es drei Performerinnen, die werden abgefilmt und auf drei Puppen, bestehend aus Papierstreifen, projiziert. Die Puppen werden dann abfotografiert und dieses Foto bildet eine Bildsequenz eines Videos. Dann bewegen sich die Performerinnen weiter, die Puppen werden nachjustiert, wieder abfotografiert und so entsteht da nächste Bild. Nach 2000 Bildern innerhalb von 6,5 Stunden haben wir bei 6 Bildern pro Sekunde die fünfeinhalb Minuten Video erzeugt. Am Schluss wird das Video gezeigt – und zwar zu dem Stück  “Construct me”, welches auch das erste auf der gleichnamigen Doppel-CD ist.”

 

Ihr seid ja alle Instrumentalisten mit vorwiegend klassischem Background. Wo bleibt eigentlich euer Ego, wenn ihr euch in ständiger Zurückhaltung übt?

Eberhard:”Beim letzten Projekt habe ich schon länger gebraucht, bis ich da reingekommen bin. Ich war mit der Videokamera als live Doku-Filmer und mit verschiedenen anderen  Aufgaben betraut, also ganz anders als bei unseren Konzerten. Und so hat es eine Weile gedauert, bis ich da reingewachsen bin.”

Bekic: “Ich bin da eigentlich sehr uneitel. Ich habe etwas gegen ein bestimmtes Gehabe auf der Bühne-  das nervt mich extrem.  Deswegen suche ich mir auch gerne Projekte, wo Dinge ermöglicht werden. Ein Instrument zu spielen ist also für mich kein Grund, ein Konzert zu machen.”

Kmet: “Bei mir ist es so, dass mir die Vielfalt der Projekte eine bestimmte Ausgewogenheit ermöglicht. Denn es gibt auch Projekte, wo ich sehr exponiert bin – da kann ich mein Ego gut ausleben. Wenn ich ausschließlich mit Superlooper hundert Mal im Jahr spielen würde, könnte es schon sein, dass mir das irgendwann einmal zu wenig wäre.”

Wie sieht die Grundbesetzung von Superlooper aus?

Kmet: “Bei mir ist es immer Gitarre und Stimme, Ludwig spielt mit Band-Echos durch die er alte Drumcomputer, Kinderorgeln oder was ihm gerade sonst noch so über den Weg läuft, durchschickt. Und Alexander verwendet eine elektronische Bratsche und Effektgeräte. Wobei ich dazu sagen muss, dass wir das als Analog-Elektronik verstehen, denn es gibt bei uns keine Playbacks; es entsteht immer alles im Moment.”

Und gibt es eine bestimmte Message, die ihr mit euren Projekten rüberbringen wollt?

Bekic: “Ich denke, das kommt klar heraus, wenn man zuschaut und -hört. Man kann nicht z.B. zu der Performance ins MAK kommen, sich das anschauen und dann sagen, was passiert ist. Es gab da übrigens jemanden, der hat sich das ganz lange angesehen – und wir hatten ja vorher angekündigt, dass bei dieser Aktion in Zeitlupe durch einen Film gegangen wird – und bei dieser Person war es genau umgekehrt: Er hat sich das angesehen, hat sich auf das Tempo eingelassen und warschließlich entsetzt, als er sich später das Video angesehen hat. Für ihn war das der totale Zeitraffer; er hat es nicht ausgehalten, das Ganze noch einmal so schnell zu sehen. Er hat also das Video als schnelles Vorspulen erlebt und die Performance als normales Tempo.”

…Und da wären wir wieder beim Konstruktivismus angelangt …

 

https://www.musicaustria.at/musicaustria/liste-aller-bei-mica-erschienenen-interviews