mica-Interview mit Stootsie

Jede Stadt hat sie: Typen die in den jeweiligen Musikszenen von fast allen Beteiligten (und mögen diese auch noch so unterschiedliche Geschmäcker haben) unisono geschätzt werden. In Salzburg personifiziert sich dieser Typus in Gestalt von Stoostie. Nicht nur, weil er mit seinem Gitarren-Shop “Riverside Guitars” weit über die Landesgrenzen hinaus MusikerInnen mit Instrumenten und allem was da sonst noch dazugehört versorgt, sondern weil es dabei auch so gut wie keine Berührungsängste gibt. Mit seiner Stammband The Seesaw gehört er seit den frühen 1990ern zu den Vorreitern einer britisch gefärbten, dabei dennoch nicht einfach alles abkupfernden, österreichischen Pop-Szene, die nicht nur via FM4 viele Fans gefunden hat. Umso erstaunlicher, dass erst jetzt mit “Running Around” die erste Stootsie-Solo-CD auf dem eigenen FreeFall-Label erschienen ist. Darüber und über Pop an sich, das Spielen in Cover-Bands und die Salzburger Szene im allgemeinen hat sich für mica Didi Neidhart mit Stootsie unterhalten.

Du bist seit über 20 Jahren aktiver Musiker. “Running Around” ist deine erste Solo-CD. Wieso hat es so lange gedauert?
Naja, soooo lange hat das ja auch nicht gedauert! Michael Stipe von REM hat bis jetzt noch keine, Bono und Neil Tennant auch nicht! Hingegen haben Noel Gallagher, Thees Uhlmann und die kompletten KISS schon ihre Solo-Platten gemacht. Darum bestand also langsam Handlungsbedarf! Aber ist jetzt ganz einfach timing-mäßig gut platziert in the middle of everything!

Was war die Grunkonzeption, die Idee dahinter?
Es gibt keine große Grundidee dahinter, außer dass ich vielleicht einfach einmal das Bedürfnis hatte dem Band-Consensgedanken zu entfliehen. Ich wollte einfach ein paar kleine Liedchen in Eigenregie einspielen. Das “McCartney I”-Prinzip von 1970, wenn du so willst. Es hat aber vielleicht auch deswegen ein bisschen lange mit einem Album gedauert, weil vor allem kein “Zwang” da war und auch weil ich ja durch den Gitarren-Shop und die diversen anderen Bands mit lustiger Arbeit gut eingedeckt bin.

In wie vielen Bands spielst du im Moment?
Im Moment sind es neun Bands, wenn ich mich als Solo-Artist dazurechne und das mit teilweise völlig unterschiedlichen  Stilrichtungen!

Um was für Musik geht es dabei?
Das spannendste und unglaublichste ist sicher gemeinsam mit meiner Freundin Mel mitspielen zu können! Das hat die letzten drei Jahre sehr dominiert. Ihr neues, im Frühjahr erscheinendes Album haben wir heuer ja im Sommer in Canterbury aufgenommen. Mein ganz eigene neue Erfahrung dabei war, erstmals nicht selbst am Mischpult zu sitzen, sondern sich allein nur auf die Instrumente konzentrieren zu dürfen!
Zu erwähnen wären dann noch die Irish-Folk-lastige Band Drumfree und das Projekt meines lieben Freunds TobyM, der eher Deutsch-Austro-Schlager macht. Und dann natürlich diverse Coverbands. Vor allem die legendären Dark Shadows, die seit 1961 in Salzburg spielen und bei denen ich Bass spielen darf! Und seit drei Jahren haben wir ja auch eine Peter-Alexander-Coverband, für ganz spezielle Anlässe!

Sind Cover-Bands eine Möglichkeit als Musiker zu überleben und dennoch an eigenen Projekten zu arbeiten ohne diese mit viel Aufwand und Risiko den “Markgesetzen” unterordnen zu müssen?
Ich verstehe viele Musiker nicht, für die “Covern” negativ besetzt ist! Das ist doch eine der Urformen der Popunterhaltung ist! Nur durch die Erfindung der Schellack- und der Vinylplatte kam das ja immer mehr in “Verruf” und Vergessenheit. Für mich gehörte covern immer schon dazu. Wer Seesaw-Konzerte gesehen hat weiß, dass da pro Auftritt immer ein bis zwei Cover-Versionen dabei waren. Ums Geld sollte es ja nie wirklich gehen, aber natürlich bekommt man mit der 2millionsten “Sweet Home Alabama”-Version immer noch mehr Applaus, als mit einer Pet Shop Boys-Nummer. Das kommt natürlich immer auch auf das Publikum drauf an. Man sollte immer das Gespür haben, wo und vor wem man covert! Ich zum Beispiel kann “Sweet Home Alabama” immer noch nicht spielen.

Was hat es mit der Begeisterung für die Popkultur der Swinging Sixties auf sich? Ist das nur Nostalgie oder gibt es da noch andere, differenziertere Betrachtungsweisen?

Gute Frage. Wie rutscht man da hinein? Das Teenageralter hält einem da ja extrem viele Weichen und Wegkreuzungen bereit.  Bei mir war es mit 13 ein dreiwöchiger England-Aufenthalt im Sommer 1979! In der U-Bahn hingen für mich damals Riesen-Plakate der WHO für ihren Doku-Film “The Kids are alright”! Zwei Jahre später sah ich dann das gleicht Bild in einem Plattengeschäft und hab mir sofort die Doppel-LP gekauft und das Leben mit den Beatles, ELO, BayCityRollers, Supertramp und Barclay James Harvest war Geschichte… Seit dieser Zeit regiert der Union Jack!
Robert Rotifer hatte ein ganz ähnliches Erlebnis und singt in seiner neuen Single “Canvey Island” genau darüber. Wunderbar!

Was ist dein 1991 gegründete FreeFall-Label für dich? Eine private Spielwiese, eine Liebhaberei, oder doch mehr?
Das ist definitiv Liebhaberei!  Ich hatte nie die Intention FreeFall als operating business zu betreiben! Ich wollte nur auf der damals ersten Seesaw-CD (“Mercy! BEAT”, 1991) einen Labelnamen drauf haben. So wie EMI, CBS, SUBPOP. Sonst wäre es für mich nicht “echt” gewesen! Den Namen haben wir dann beibehalten. Die Austro-Mechana war dann nach ein paar Jahren und einer weltweiten Namensprüfung völlig überrascht, dass der Name noch frei ist! Seit 1995 ist Free Fall Enterprise  mit offiziellem Label-Code registriert!

Mit The Seesaw hattest du ja auch Labelerfahrungen mit Majors. Wie ist das gelaufen, was ist dein Fazit?
Naja, unsere Major-Labelerfahung hält sich in Grenzen. Dem früheren EMI-Chef Erich Krapfenbacher haben die Seesaw-CDs und unser Drumherum immer gefallen. Irgendwann hat er dann mal gemeint, wenn wir wollen, dann könnten wir doch auf EMI was probieren. Aber wir wollten nicht und sind stattdessen lieber Freunde geblieben! Aber es wird einfach auch immer schwieriger, was man Bands raten soll, weil es so unglaublich schnell immer neue Netzwerke gibt.

Was würdest du jungen Bands diesbezüglich raten?
Als junge Band sollte man sicher nicht drauf warten, dass sich ein großes Label meldet!

Durch deinen Gitarrenladen (“Riverside Guitars”) bist du in Salzburg weniger graue Eminenz als aktiver Multiplikator, Infostelle und Ansprechpartner der Salzburger Musikszene (und zwar quer durch die unterschiedlichsten Szenen). Was ist dein momentaner Eindruck der Szene? Tut sich da was? Gibt es Trends? Wie siehst du dich da selber innerhalb der Szene?
Ja, das ist schon eine lustige Konstellation, die ich sehr genieße und die mir extrem viel Spaß macht. Ich glaube, die Menschen merken auch, dass der Shop nicht unbedingte ein Kaufzwang-Tempel ist, sondern dass man sich auch einfach nur gemütlich auf die Couch setzten kann. Die Szene in Salzburg ist, wie immer, noch sehr überschaubar aber lebendig! Vor allem sehr junge Bands, die einen guten Musikgeschmack haben fallen mir immer mehr auf! Das war lange nicht der Fall! Was die Steaming Satelites mit “Portugal, the Man” auf ihren Welt-Touren erleben geht eh auf keine Kuhhaut! Echt spannend! Wichtig ist, dass man als Band für Konzerte auch unbedingt weg aus Salzburg muss und sich auch viele Konzerte anschauen soll! Man lernt immer was und nie aus!

Mit deiner Stammband The Seesaw hast du zu den Fixpunkten der österreichischen Musikszene gehört. Jetzt hat man schon lange nichts mehr von euch gehört. Wie steht es im Moment um The Seesaw? Ist das einfach nur eine Auszeit, oder eine Geschichte mit (noch) unsicherem Ausgang.
Ach, das sehe ich nicht so eng! Heuer ist ja zudem das 20-jährige Seesaw Jubiläum. Zum Fixpunkt wurden wir ja vorallem durch die Tatsache, dass es uns immer noch gibt und wir nicht vorzeitig implodiert sind! Aber Max, der Gitarrist, ist im Moment ja auch so eingespannt Er hat sein Nebenprojekt Trailerpark und spielt ebenso wie ich bei bei TobyM und produziert da auch! Schauen wir einfach mal.

Du hast die Songs nahezu vintage mit simplem Harddisc-Recording aufgenommen. Wieso? Misstraust du modernen Aufnahmetechniken?
Ich misstraue den modernen, digitalen Aufnahmetechniken nicht, ich kenne mich nur einfach nicht mit ihnen aus und will es vor allem auch nicht! Ich hatte nie einen HighEnd-Soundanspruch! Das ist hier mit unserer “Learning by doing”-Gesellschaft eh nie möglich! Es soll für mich einfach stimmig klingen! Mel’s erste EP haben wir mit einen Sechs-Spur MiniHarddisk-Recorder aufgenommen. Der Song ist Gott sei Dank immer noch das Wichtigste, nicht der Sound!

Deine Solo-CD hätte ja zuerst “The Riverside Tapes” (benannt nach deinem Gitarrengeschäft an der Salzach) heissen sollen und wurde dann ja auch großteils in den Geschäftsräumen aufgenommen. Wieso eigentlich? Steckt da ein Masterplan dahinter?
Der Masterplan ist, dass ich kein Nachtarbeiter, sondern eher ein Frühaufsteher bin! Ich verbringe also den ganzen Tag im Shop und habe da natürlich auch viel Zeit, die ich nutzen will! Man kann ja nicht dauernd neben dem Verkauf und den Kundengesprächen nur auf Ebay oder Facebook herum surfen.

Wird es noch mehr “Riverside Tapes” geben?
Die “Riverside-Tapes” Idee werd ich sicher beibehalten. Ich habe bei den Aufnahmen ja auch sehr viel gelernt. Vor allem, dass sechs Wochen vor der schon ausgemachten CD-Präsentation NICHT “rechtzeitig anfangen” ist!!!

Zwar schreibst du immer noch Songs mit einer nicht zu leugnenden Affinität zu britischen Pop-Errungenschaften (Paul Weller) bei denen sich auch immer wieder Neil Young reinschleicht, aber der Umgang mit diesen “Vorbildern” scheint mittlerweile ein sehr lockerer, nicht mehr auf den ersten Blick identifizierbarer zu sein. Hat sich da auch in deiner Beschäftigung mit Vorbildern, Idolen, etc. etwas verändert?
Ich denk mir, dass ich durch das jahrelange Spielen eine neue Sicherheit im Umgang mit der Stimme, der Gitarre und dem Songschreiben bekommen hab. Man erkennt irgendwann, dass die eigenen Vorbilder doch nur Menschen sind, bis auf Neil Young, Brian Wilson und Paul McCartney!

Bist du immer noch auf der Suche nach dem perfekten Popsong?
Immer. Und immer noch sooooo weit weg!!! zum schämen!

Was waren bei “Running Around” die konkreten Einflüsse?
Da wollte ich es ein bisschen arg auf die Spitze treiben. Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte es im Booklet noch dazugeschrieben! Ein Freund von mir schreibt immer “für Marie”, “für Sandra” zu den Songs. Ich hätte dann eher, “für Richard Hawley”, “für Teenage Fanclub”, “für Noel”, “für Paul” geschrieben – absolut albern!!!
Zuerst wollte ich aber das Album nur mit berühmten Songtiteln füllen! “Yesterday”, “Satisfaction”, “Hotel California”. Übrig geblieben ist dann aber nur “Withou you” und irgendwie “Love Forever Ganges”.

Wie entstehen deine Texte, Lyrics?
Da kommen diverseste Ideen zusammen. Teils aus privaten Umständen, die man mit gelesenen und gehörten Phrasen und Idee verknüpft! Ich habe ja sicher fünf Textbücher in diversen Zimmern und im Shop herumliegen. Und da ist, falls mir etwas einfällt, immer eines griffbereit! Die spontanen Text-Ideen zu stimmigen Lyrics zu vollenden ist die wirkliche Arbeit beim Songschreiben – dass es dann auch unpeinlich wird ist das wichtigste!

Im Promotext zur CD ist die Rede davon, dass du immer wieder “die schönsten Akkorde bei den traurigsten Liedern” anstimmst. Bist du ein Romantiker?
Yes! There is always a Major7 around the corner! Das ist ja in der (Northern) Soul-Music, meinem Steckenpferd, auch so: tod-traurige Texte mit up-lifting Beats und toller Melodie! Frei nach dem Motto: Dance your troubles and sadness away!!!

Mit der Salzburger Singer/Songwriterin Mel hast du ja quasi Konkurrenz im eigenen Haus. Du hast auch auf ihrer kommenden, in England aufgenommenen CD, mitgespielt. Gibt es da gegenseitige Inspirationen, oder arbeitet ihr eher autonom an den jeweiligen Songs und Projekten?
Das trennen wir schon! Aber sie und ihre konzentrierte Arbeitsweise haben mich schon sehr beeindruckt und haben sicher auf meine (neue) Arbeitsweise abgefärbt!

Worin bestehen für dich die Unterschiede zwischen Solo-Gigs, Band-Konzerten & Cover-Shows, oder ist das für dich eh alles the same?
Bei Band- bzw. Solo-Konzerten geht es halt wirklich um die eigene Person, die eigenen Songs und die unermessliche Lautstärke. Beim Covern geht es genau ums Gegenteil! “Ihr seid ja viel zu laut, das muss leiser werden…” ist so der Standardspruch auf Hochzeiten von der Mutter der Braut, neben “Könnt ihr eh auch ‘Ein Stern, der deinen Namen trägt’ spielen?” Das ist auch immer wieder ein Bringer!

Was ist POP für dich? Mehr als nur eine spezielle Art von Musik & Songwriting?
Da geht es schon um eine wunderbar oberflächliche, plakative Lebensweise! Das fängt bei Kleidung an und hört auch bei der Wohnungseinrichtung nicht auf! Die Musik ist dann der Soundtrack dafür. Und da bräuchte ich eigentlich eh nur das Gesamtwerk von Burt Bacharach.

Schon bei The Seesaw waren die Covergestaltungen ein wichtiger Bestandteil der Veröffentlichungen. Auch diesmal schaut es sehr ansprechend aus (fast edel). Wie wichtig ist die Covergestaltung für dich (gerade in Zeiten wo Cover durch Downloads ja immer mehr an Wichtigkeit/Gehalt verlieren)? Wer hilft dir dabei?
Wir haben ja 1993 den österreichischen Product-Design Award für das Cover zu “In the Love Cage” bekommen. Das Cover haben damals Stefan Gandl und ich während einer Nachsession mit meinem ersten Wok-Kocherlebniss gemacht! daran werde ich mich ewig erinnern! Es war immer alles sehr Last Minute, damals wie heute!
Nun arbeite ich seit Jahren in Salzburg mit Wolfgang Littke zusammen! Wie verstehen uns nach ca. 12 Jahren fast schon blind! Das neue Cover gefällt mir jetzt so gut, dass ich wahrscheinlich allein deswegen eine kleine Vinyl-LP Auflage pressen lassen werde!

Ist eigentlich im Zuge der Veröffentlichung auch eine Tour geplant?
Ich bin ja mit meinem Timing völlig daneben! Ich konnte mich bis jetzt noch nicht darum kümmern! Natürlich werden einige Konzerte im Zuge der WIRKLICHEN Veröffentlichung im Frühjahr folgen! Solo heißt ja jetzt, dass ich auch allein irgendwo mit Gitarre und Klavier aufkreuzen kann! Und das macht mir extremen Spass!

Mit welchen österreichischen Bands findest du dich verwandt, bzw. welche gefallen dir im Moment?
Das sind viele, einige Weggefährten wie Robert Rotifer, Shy, Naked Lunch, die es auch alle schon mehr als 20 Jahre gibt! Die Curbs, Freud, Velojet, Kantine’s Bo Candies, Jaybirds, Tangerine Turnpike, Helmut Bergers, Francis International Airport… Da gibt es im Moment so viele, mit denen man einiges gemeinsam erlebt hat und mit denen sich über die Jahre wunderbare Freundschaften entwickelt haben! Beth Edges hör ich immer gern, kenn sie aber nicht persönlich, auch Luise Pop.

Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Ich bin im Jänner in Los Angeles und möchte schauen da ein paar Solo-Shows zu spielen. Die Los Angeles-Connection von  The Seesaw hat ja wunderbar über die Jahre gehalten! Frequenzy oder NovaRock wären auch nicht schlecht. Aber sicher ein paar kleinere Club-Shows durch Europa. Ich freu mich schon!

Danke für das Interview.

http://www.myspace.com/stootsieofsalzburg