mica-Interview mit Sharon Anegg und Oliver Steger (Cracked Anegg)

Seit Jahren schon steht der Name Cracked Anegg für erstklassige Musik. Man denke nur an die von den Kritikern hochgelobten Veröffentlichungen solcher Acts wie die Strottern oder Angela Tröndle, die nicht nur hierzulande für Aufsehen gesorgt haben. Wie schwer es heutzutage ist, ein Label zu betreiben und welche Hoffnungsschimmer es in der Zukunft dann doch gibt, verrieten die beiden Labelgründer Sharon Anegg und Oliver Steger im mica-Interview mit Michael Ternai.

Wann wurde das Label Cracked Anegg gegründet?
Oliver Steger: Das Label wurde 2001, zum Debütalbum von der Sharon (Anegg) gegründet. Ich war bei der Band dabei und habe das Ganze von der Musikerseite aus betrachtet. Sharon wollte die CD über den ORF herausbringen, aber bei der Umsetzung hat es ein paar Probleme gegeben. Damit die Aufnahmebänder aber nicht liegenbleiben und das Ganze auch wirklich veröffentlicht wird, hat Sharon beschlossen, selber ein Label zu gründen. Und so ist dann das erste Album herausgekommen. Danach ist aber lange Zeit nichts passiert. Ich selbst hatte als Künstler auch immer wieder Probleme mit anderen Plattenfirmen, da es immer wieder immer irrsinnig lange dauert hat, bis mal etwas veröffentlicht wurde. Die Musik ist ja oft schon nicht mehr aktuell, wenn das Album dann endlich herauskommt. Ich habe daher mich mit Sharon dann darüber unterhalten, ob man das Label nicht als Plattform für weitere Projekte und andere Bands benützen könnte. Seit 2003 sind dann eben auch andere Platten auf dem Label erschienen. Es ist aber eine Zeit lang eher semiprofessionell dahingegangen. Wirklich als Firmengründung und professionell betrieben wird Cracked Anegg seit 2005.

Mittlerweile gibt es ja schon viele Labels in Österreich. Cracked Anegg war ja eines der ersten im Jazz-Sektor. Habt ihr alles selbst in die Hand nehmen müssen? War bei den großen Majorlabels kein Interesse für Jazzmusik da?
Oliver: Doch, ein Interesse seitens der Major war schon da. Und teilweise haben die auch sehr viel gemacht. Das Problem, welches sich aber stellt, ist, dass Österreich einfach ein kleiner Markt ist und selbst Firmen wie Universal werden, im Bezug auf das was sie veröffentlichen, nach Territorien eingeteilt. Die können, selbst wenn sie in Österreich Künstler produzieren, nicht nach Berlin gehen und zum Beispiel bei Universal Deutschland releasen. Die Musik kommt nicht raus aus Österreich, das ist das Problem. Früher haben sie auch die Order gehabt, nicht mit anderen Labels lizenzieren zu dürfen. Mittlerweile ist es aber schon so, dass, wenn die Firma das Album nicht nimmt, man sich ein anderes Indielabel suchen kann. Schon langsam bewegt sich in der Richtung was. Angefangen hat das hier mit Christl Stürmer, das muss man schon sagen.

Sharon Anegg:
Das Problem ist vor allem trotzdem noch, dass ein Release bei den großen Labels einfach zu lange dauert. Du gibst das fertige Band ab, oder die ersten fertigen Demos, und dann dauert es – ich weiß ich nicht- ein Jahr, eineinhalb Jahre, bis es zu einer Entscheidung kommt. Aber wie Oliver schon vorher gesagt hat: Oft bist du da als Musiker schon wieder bei einem ganz anderen Projekt. Du willst die CD ja in der Zeit, in der du daran arbeitest und Konzerte spielst fertig haben. Das ist sowohl im Booking spannender, weil es was Neues, Aktuelles ist, wie auch im Aufstellen von Gigs. Wenn man eine neue CD hat, dann steht da ja auch die Presse dahinter. Das greifen diese Dinge irrsinnig Hand in Hand. Mittlerweile haben wir das auch schon gecheckt. Am Anfang war es noch alles schwieriger, alles zu durchschauen, die Zusammenhänge zu erkennen. Ein Label zu gründen ist irrsinnig leicht, das was du für die physische CD dann wirklich brauchst, ist ein Vertriebspartner. Auch in den anderen Ländern, sonst bleibt ja auch nur der Internetvertrieb.

Was ihr ja auch in den letzten Jahren forciert hab? Ihr habt ja auch Verträge mit andern Vertriebspartnern im Ausland.
Sharon: Wir hatten das Glück, dass wir schnell einen relativ guten Vertriebspartner in Österreich gefunden haben. Das funktioniert auch nach wie vor gut, muss ich sagen. Darüber hinaus muss sich aber auch sagen, dass es eine Weile gedauert hat, bis wir andere gute Vertriebspartner gefunden haben. Es ist halt so ein „try and error“. Versprechen tun einen die Firmen gleich einmal viel, und nehmen tun sie auch gleich mal 100 Stück an CDs. Nur wenn sie dann nicht verkauft wird, nützt dir das gar nichts. Mit einem Album von Ulrich Drechsler, wo auch Gustafsson mitgespielt hat, war es das erste Mal, dass wir auch mal im Ausland Aufmerksamkeit gekriegt haben. Diese CD war praktisch das Zugpferd, um einen Auslandsrelease zu kriegen. Und von dort geht es dann auch leichter, vorausgesetzt man hat einen.

Ihr habt dann auch junge und unterschiedliche Künstlerinnen wie Angela Tröndle und Marina Zettl für euch gewinnen können. Ihr deckt ja ein breites Spektrum im Bereich Jazz ab…
Oliver: Es ist beabsichtigt insofern, dass es im Jazz viele Sparten gibt, die relativ interessant sind. Das ist sehr befreit von diesem Schubladen-Ding- es geht viel weiter. Wichtig ist für uns, dass es sich um eine Working-Band handelt, und das kriegt man im Mainstream- Jazzbereich immer weniger auf die Reihe. Es gibt auch viel im Songwriting Bereich, was uns interessiert, im Hip Hop- und Club-Bereich. Es soll halt immer etwas im improvisierten Bereich sein. Mittlerweile ist bei uns auch Weltmusik recht wichtig geworden. Natürlich sehr spezielle Sachen. Warum sollte man das auch eingrenzen?

Sharon: Es war nie unser Plan, uns auf eine einzelne Richtung oder Stilistik einzuschränken. Am Anfang war das natürlich Jazz, weil der Oliver aus der Richtung kommt. Aber wir haben dann auch sehr subjektiv entschieden, was uns gefällt. Was brauchen wir, was können wir verkaufen und hinter was stehen wir eigentlich? Der Oliver hat ja in sehr vielen Bands gespielt, da kommst du automatisch mit vielen Leuten zusammen. Und da kriegt man schnell mal eine Demo in die Hand gedrückt. Dann überlegen wir halt, ob wir das verkaufen können oder nicht. Am Anfang haben wir viel ausprobiert. Solange der Vertrieb mitspielt, geht das ganz gut. Es ist schon sehr breit was wir machen. Einmal haben wir eine Hip Hop Platte gemacht, wobei wir danach gesehen haben, dass das nicht wirklich Unseres ist. Da hatten wir einfach nicht die richtigen Netzwerke. Daher haben wir es in Zukunft bleiben lassen. Aber sonst muss ich sagen, ist es in den anderen Bereichen sehr gut gelaufen.

Oliver: Viele Bereiche haben sich auch im Laufe der Produktion verändert. Das muss ich auch sagen. Der Club-Bereich hat sich mittlerweile total geändert. Die FM4 Tendenzen, die es bei uns am Anfang gegeben hat, haben wir dann nicht mehr weiter verfolgt. Das würde sich mittlerweile zu sehr vom Jazz entfernen. Wir waren früher auf der „Soundselection“ vertreten oder bei „Sunny Side up“- das ist früher schon ganz gut angekommen. Aber dieses Remix-Ding ist vorbei.

Mittlerweile gibt es ja viele Labels. Der CD-Markt ist aber in den letzten Jahren ziemlich eingebrochen. Wie weit habt ihr das zu spüren bekommen? Habt ihr Wege gefunden das auszugleichen?
Sharon: Wir haben das insofern ausgeglichen, indem wir beide in den letzten Jahren gratis gearbeitet haben. Wenn wir sagen würden, wir machten eine eigenständige Firma, dann würde es Cracked Anegg allen wirtschaftlichen Überlegungen nach nicht geben. Das Label hat sich in diesem Sinn nie gerechnet. Wir haben uns erst 2008 ein eigenes Büro geleistet. Davor war alles in den jeweiligen Wohnungen zerstreut, was  das Arbeiten sehr schwierig gemacht hat. Ich glaube aber sehr wohl, dass es immer noch Wege gibt, welche man, will man Sachen verkaufen, halt sehr kreativ suchen muss. Was uns sicher geholfen hat, war unser eigener Shop, über den wir eben selbst die Sachen über die österreichischen Grenzen hinaus verkaufen konnten. Wenn du nicht gerade in Deutschland vertrieben wirst, dann bist du ja nicht einmal auf Amazon gelistet, weil Österreich hat ja einen deutschen Zugang hat. Der deutsche Vertrieb müsste aber schon sehr stark sein, dass er deine Sachen auf Amazon listen kann. Das alles ist relativ komplex. Aber unser Online Shop hat uns sicher auch geholfen, dass wir uns als Label bis heute gut halten konnten. Es sind nicht die Riesen-Umsatzzahlen, aber trotzdem ein paar tausend Euro im Jahr.

Inwieweit bietet ihr eure Sachen als Download an?
Sharon: Das tun wir sowieso. Wir haben mit der Firma Ordis einen internationalen Vertrieb, wobei der Anteil am Gesamtumsatz im Jahre 2009 nur etwa 6% betragen hat. Das rechnet sich bei uns noch nicht so wirklich. Unsere Musik ist eher so, dass man sagt: Ich hätte davon gerne eine CD.

Oliver: Ich glaube, es gibt noch viele Leute, die gerne bei Live-Konzerten die CD kaufen, wirklich das Ding in der Hand halten und Freude am Sammeln haben. Das Publikum wo wir hingehen, macht das zumindest noch. So viel wie früher ist das aber nicht mehr.

Glaubst ihr, dass sich der Download Umsatz steigern wird?
Sharon: Ich glaube schon, dass er sich noch steigern wird. Ich glaube unsere Hürde ist noch immer die, unsere Musik über den digitalen Weg bekannt zu machen. Es gibt einfach ein wahnsinnig großes Angebot. Wie kommen die Leute dann zu einer bestimmten CD? Das ist die große Frage. Wie erreiche ich die Leute, die das interessieren könnte?

Oliver: Es gibt so einen Overflow an Infos, dass man die Leute einfach nicht mehr erwischen kann. Im Jazz gibt es weltweit etwa 70 000 Neuerscheinungen im Jahr. Das ist ja gar nicht so wenig.

Sharon: Da kommen nur die durch, die große Namen haben, oder die man durch Zufall findet. Man muss sich heutzutage so gut wie es geht vernetzen, indem du zB. ein Video auf Facebook stellst. Du musst als Künstler und auch als Label irrsinnig mit den neuen Medien in Kontakt sein.

Oliver: Man muss das auch so sehen. Ich bin auch auf Facebook und nicht gerade wenig aktiv, aber ich kriege am Tag etwa 60 Einladungen zu Konzerten, Seitenvorschlägen etc. Ich lese das einfach nicht mehr. Leider gibt es kein Rezept für Erfolg. Alles steht in Kombination von Vielem. Kreativität, Musik, etc. Es kann wirklich z.B. nur ein Sound sein, der den Hörer anspricht. Das ist oft verzaubernd, etwas was die Leute berührt. Und keiner weiß warum. Das kann man nicht programmieren. Und kein Produzent kann das machen.

Sharon: Und du weißt ja oft selber nicht, was dich genau an der Platte so anspricht. Manchmal hört man einen Song und denkt sich:“ Ja eh.“ und dann hört man ihn zufälligerweise 3 Wochen später noch mal und denkt sich plötzlich: „Bist du deppert ist das geil“. Es muss eben im Moment passen. Das ist gerade das Schöne, aber auch das Schwierige.

Das Wirtschaftliche ist nicht das primäre Ziel eures Labels.
Sharon: Ich bin realistisch. Es reicht, um sich ein Büro zu leisten, wofür es nicht reicht ist,  ist ein Angebot aus Deutschland anzunehmen und für die Veröffentlichung für 2 Wochen eine Anzeige zu schalten. Wobei das ist ja auch etwas ist, das man machen sollte. Dass man für die Artists mehr machen müsste, als nur die Platten herauszubringen. Wichtig ist auch die Betreuung. die danach stattfindet. Irgendwie soll man schon versuchen den Künstlern weiterzuhelfen und nicht nur sagen: „Hier. Da ist die Abrechnung.“

Oliver: Das Grundübel für alle österreichischen Musiker ist einfach, dass es hierzulande keine Infrastruktur gibt. In jeder Hinsicht. Es gibt zu wenig Radios, es gibt zu wenige Agenturen, teilweise zu wenige Veranstalter. Die Wirtschaftskrise hat schon stark um sich gegriffen. Wenn man nicht darauf schaut, dass sich auch neue Leute im Publikum befinden, dann wird es in einer Sackgasse enden. Ist es eigentlich schon. Die Hörgewohnheiten kann man nicht verändern, weil es einfach zu wenig Airplay gibt, zu wenige Radiostationen. Das ist ja das Hauptding, wie finde ich. Es gibt in allen Ecken und Enden viel zu tun. Alleine in Frankreich, Spanien, Italien wird die eigene Musik mehr  gefördert. Nur bei uns wird halt eher nur die klassische Musik hochgehalten und es gibt die Volksmusik, die Schlagermusik die präsent ist. Eh klar. Stell dir vor, ein Radiosender würde im Extremfall nur Jazz spielen. Dann würden das die Leute vielleicht auch hören, weil sie es dann gewohnt sind. Wie Schönberg sagte: „Wenn man eine halbe Stunde einen dissonantes Intervall hört, gewöhnt man sich auch daran“. Es wirkt dann nicht mehr dissonant. Es ist eine Hörgewohnheit. Es ist die Energie und der Ausdruck- diese Dinge gibt es in der Formatmusik nicht, oder nur ganz selten. Insofern gibt es wahnsinnig viel zu entdecken, an Emotionen…

Sharon: Ich glaube aber auch, dass die Leute, die viel am Computer sitzen, sich dort ihre Musik suchen. Insofern mag es schon stimmen, dass man schon andere Möglichkeiten hat, seine Musikquellen zu finden. Da geht es schon, dass man sich gezielt die Jazz Sender sucht und diese dann hört. Aber du hörst dann eben keine österreichischen Geschichten. Du bist dann automatisch im Ausland. Mich hat das Business total desillusioniert. An das Gefühl, dass wenn ein Musiker gut ist, er es auch schafft –Nein, daran glaube ich schon lang nicht mehr. Musikbusiness und gute Musik haben nichts miteinander zu tun. Obwohl, bei uns trifft das schon noch ein bisschen zu.

Trotzdem gibt es in Österreich-als kleines Land-viele Musiker und Musikerinnen. Manche schaffen es ja dann doch auf irgendeinem Weg.

Sharon: Ich glaube, man sollte sich trotz Desillusionierung nicht abschrecken lassen, selbst Musik zu machen. Vielleicht sollte man nicht den Anspruch haben, davon leben zu wollen, und es nur damit bewerten. Vor allem junge Leute setzten noch viel Hoffnung in den Verkauf. Der Anspruch, dass man davon dann leben kann, ist oft sehr hoch gegriffen.

Oliver: Viele Musiker haben das Glück, gleich einmal mit guten Leuten zusammen zu spielen. Ich kenne auch viele junge Musiker, die gleich einmal die internationale Bühne erklommen haben, aber dann erkennen, dass sie ihr Handwerk doch nicht so gut beherrschen wie gedacht. Und das rächt sich dann wahnsinnig. Nach 5 oder 6 Jahren ist dann der Frust da und sie verlieren ihre Freude am Musizieren. Bei den meisten Jazz-Musikern ist es aber nicht so. Es gibt eine wahnsinnig gute Ausbildung in Österreich. Es gibt viele Konservatorien und Hochschulen, die super Jazz Musiker ausbilden. Man hört immer wieder, dass die jungen Musiker total „leiwand“ drauf sind. Ich glaube auch, dass es immer mehr ein kollektives Bewusstsein gibt, dass Musiker und Konsument immer mehr miteinander verschmelzen.

Ihr habt schon angesprochen, dass andere Länder ihre eigenen Musiker mehr fördern als in Österreich.
Sharon: Für mich ist vor allem die Monopolstellung des ORF ein großes Problem. Es fehlt die Unterstützung, keiner sagt: „Das ist österreichische Musik.“ Es ist so viel an österreichischer Musik da, nur, das weiß halt niemand. Musik kommt oft gar nicht bis zum Airplay an. Aber es ist eh sinnlos darüber zu jammern.

Foto Oliver Steger: Helmut Lackner

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