mica-Interview mit Schmieds Puls

Es ist ein sehr feinfühliger musikalischer Weg, den das Trio Schmieds Puls einschlägt. Abseits aller großen Gesten des Pop setzen Mira Lu Kovacs und ihre beiden Kollegen Walter Singer und Christian Grobauer ganz auf die Kraft der edlen und eindringlichen Zurückhaltung und verleihen ihren Songs genau durch diesen Ansatz, wie man es auch auf dem im vergangenen Jahr erschienenen und von allen Seiten hochgelobten Album „Play Dead“ hören kann, ein Mehr an Atmosphäre und Tiefe, als man es im Kontext des akustischen Pop sonst oftmals präsentiert bekommt. Mira Lu Kovacs und Christian Grobauer im Interview mit Michael Ternai.

“Gewisse Traditionen werde ich nie verstehen”

Interessant ist ja, dass ihr alle eigentlich aus dem Jazz stammt, zumindest habt ihr alle Jazz studiert. Das Trio Schmieds Puls dagegen hat eigentlich wenig bis kaum mit Jazz zu tun. Wie ist es dazu gekommen?

Christian: Wir haben uns ja alle über ein Projekt von David (Six) kennengelernt. Ja, und irgendwann hat Mira Walter und mich gefragt, ob wir vielleicht mit ihr ihre Songs spielen/aufnehmen würden. Wir haben sofort zugestimmt. Mira hat uns daraufhin ganz zaghaft zwei Nummern geschickt, die wir uns anhören sollten, ob wir mit ihnen überhaupt etwas anfangen können.

Mira: Ja, ganz vorsichtig habe ich das gemacht. Vor allem deswegen, weil die Nummern kein Jazz waren und ich dachte, das wäre wichtig. Die Nummern waren eher textorientiert aufgebaut.

Christian: Aber trotzdem, sie haben uns sehr gut gefallen und wir haben gesagt: „super das machen wir“. Auch weil ich das Gefühl hatte, und ich denke bei Walter war es nicht viel anders, dass dieses Projekt nach vielen Jahren des Jazz genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt für mich war.

Das heißt wohl, dass du Mira, neben deinem Studium eigentlich immer schon an deinen eigenen nicht jazzigen Sachen herumgebastelt hast?

Mira: Ja. Also ich finde es schwierig, sich immer wieder über Genres und Stile zu definieren, sich abgrenzen zu müssen. Aber ein gewisser „Jazz“ hat sich mir nie wirklich erschlossen. Besonders vermieden habe ich ihn aber auch nicht. Wer weiß schon, was Jazz ist? Was ist Songwriting? Es ist auch nie dasselbe. Gewisse Traditionen werde ich eben nie verstehen. Meistens versuche ich sehr gerade heraus einfach ein Lied zu schreiben und dieses mag dann für manche eher unorthodox oder sogar „jazzy“ klingen.

Hat es eigentlich schon zu Beginn so eine Art Grundidee von einem Sound gegeben? Wusstest du schon, in welche Richtung du deine Lieder entwickelt haben wolltest? Oder hat sich alles eher zufällig entwickelt?

Mira: Es ist ein bisschen schwer, sich daran zurückzuerinnern, weil viel passiert ist, seit wir zusammenspielen. Aber ich glaube, ich habe mir dahingehend kaum Gedanken gemacht. Eher habe ich mir gedacht, dass das eh alles klar ist. So auf die Art: „Hört euch den Song an, dann wisst ihr eh, was ich meine“.

Christian:
Also, ich hatte schon den Eindruck, dass Mira eine sehr klare Vorstellung davon gehabt hat, wohin es gehen sollte. Sie meinte, eine Gitarre, ein Kontrabass und ein Schlagzeug, das passt und mehr braucht es auch nicht. Diese Klarheit hat uns schon beeindruckt.

Mira: Naja, die Besetzung war mir schon klar. Ein Klavier wollte ich zum Beispiel nicht dabei haben. Auch wollte ich viel mit Backing-Vocals arbeiten, was wir mittlerweile ja auch tun. Aber darüber hinaus? Ja nicht zu viel soll es sein. Wir schauen uns halt jeden Song einzeln an und dann gibt es ein Hin und Her. So entwickelt sich das dann. Jedes Lied hat so seine Bedürfnisse, auf die gehen wir ein.

Christian:
Wobei man schon dazu sagen muss, dass es sich damals eigentlich schon um fertige Songs von Mira gehandelt hat, die sie ja auch schon Solo spielte. Es ist zunächst also vor allem eher ums Arrangieren gegangen, denn darum, wirklich einen Song neu zu entwickeln. Manche Nummern, wie etwa „Prague“, haben allerdings in den ersten Arrangements noch völlig anders geklungen als jetzt auf der Platte.

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Wie lange arbeitet ihr so an einem Song?

Mira: Das ist ganz unterschiedlich. Die Phase bis zum Release vom ersten Album letzten September war schon recht überschaubar, weil eben schon vieles eingespielt und fix war und wir eigentlich nur mehr an den Details herumgefeilt haben. Jetzt ist es so, dass ich schon früher mit Entwürfen zur Probe komme und wir gemeinsam weiterarbeiten oder ich konkrete Fragen zu manchen Passagen habe. Das passiert viel mehr als noch vor dem Release, auch weil wir ganz einfach viel mehr Zeit miteinander verbringen.

“Meine Inspirationsquelle ist die Stille”

Inwieweit seid ihr Perfektionisten. Wann kommt ihr zu einem Punkt, an dem ihr sagt: „So das Lied ist fertig“.

Mira: Wir arbeiten schon extrem pedantisch und wollen es auch sehr genau wissen. Inzwischen wird an den Liedern länger gearbeitet, denn je länger wir zusammen spielen, desto höher wird auch der Anspruch.
Oft sind wir uns gar nicht so einig über manche Details, aber genau das ist es auch, was mich antreibt, nicht locker zu lassen und mich wiederum noch intensiver mit der Sache auseinanderzusetzen. Und ich habe das Gefühl, dass wir so schließlich noch mehr auf den Punkt kommen, das ist mir wichtig. Es kann also dauern.

Diese Arbeit am Sound hört man euren Stücken auch wirklich an. Woher bezieht ihr eigentlich eure Inspirationen? Gibt es irgendwelche musikalischen Vorbilder?

Mira: Ich bin sehr schnell überfordert und höre auch nicht wirklich übermäßig viel Neues. Ich versuche auch nicht ständig, etwas Neues zu finden. Dafür kann ich über Jahre hinweg dasselbe Lied anhören, weil es einfach so schön ist. So mach ich das.

Meine Inspirationsquelle ist von dem her gesehen eher die Stille, weil ich oft das Gefühl habe, von allem anderen leicht zugemüllt zu werden. Auch wenn es guter Müll ist. Am Besten ist es, wenn ich Zeit habe und mit meiner Gitarre alleine bin und warte. Irgendwie finde ich, dass das auch eine sehr pure, schöne Form des Komponierens ist. Das Warten..
Bei mir entsteht viel aus einem Gefühl heraus, aus einem Zustand, den ich irgendwie erklären muss.

Als konkrete Inspirationsquelle nenne ich immer, schon fast obligatorisch, die amerikanische Singer/Songwriterin Ani DiFranco. Mit der können nicht alle was anfangen, aber die ist ganz wichtig für mich! Ja, eh auch Feist. Dann die Üblichen halt: Nina Simone, Tom Waits, Portishead, Björk, und immer wieder Radiohead, auch klar. Im Moment schau ich mich aber eh ungewohnt „viel“ um, PJ Harvey find ich gerade cool, Arctic Monkeys neues Album, The Knife und so was..

„Shit, sind wir zu wenig polarisierend?“

Wart ihr von dieser positiven Resonanz auf euer Album überrascht?

Christian: Ja, schon. Vor allem in der Dichte. Es hat mich schon sehr überrascht, dass es vielen verschiedenen Leuten, von denen ich es mir eigentlich nicht erwartet hätte, wirklich gut gefallen hat. Auch dass das Interesse an dem Album und an uns schon sehr lange anhält, freut uns natürlich sehr.

Mira: Von KollegInnen ist enorm tolles Feedback gekommen. Von Leuten aus der Elektronik-Abteilung genauso wie von den Jazzern, quer durch. Das habe ich schon sehr, sehr schön gefunden. Gleichzeitig hat es mich aber auch ein wenig befremdet, weil ich mir gedacht habe: „Shit, sind wir zu wenig polarisierend?“.

Christian:
Das sind wir offensichtlich nicht, denn unsere Musik gefällt anscheinend wirklich jedem. Sogar mein Vater ist begeistert, und dem hat schon sehr lange nichts mehr von meinen Sachen gefallen. (lacht)

Schmieds Puls (c) Elise Madl

Mira: Manchen ist die Musik ein bissl zu traurig. Das versteh ich zum Teil. Aber ich kann mir dafür keine Happy Musik anhören. Wie gesagt, ich habe mich schon ehrlich gefragt, wenn die Musik so vielen Leuten gefällt, ob da nicht wirklich so eine Kante fehlt. Ich sehne mich aber nach wie vor nach ausreichend Dreck, das Zeug muss ja raus, vielleicht wird’s eh bald krasser.

Christian (lacht): Das Motto für das nächste Album: Um Gottes Willen, ja nicht jedem gefallen.

“Es wäre kontraproduktiv, würden wir uns auf einen bestimmten Sound festlegen wollen”

Aber habt ihr nicht doch zumindest eine vage Vorstellung, wie das nächste Album klingen wird?

Christian: Nein. Das gibt es bei uns nicht, dass wir sagen, das nächste Album muss so und so klingen. Ich glaube, wir entwickeln uns mit den Songs weiter und die wiederum mit uns. Es wäre kontraproduktiv, würden wir uns auf einen bestimmten Sound festlegen wollen. Die Stücke sagen uns schon, wo sie hin wollen, wenn wir gut auf sie hören.

Mira: Genau. Und ich glaube eigentlich auch nicht, dass das irgendwann einmal der Fall sein könnte. Dafür bin ich generell einfach viel zu sehr neugierig darauf,  was noch alles ginge, was noch alles drin wäre und wohin es uns verschlagen könnte. Generell richte ich mich einfach nach meinen Songs, wie sie mir passieren, bzw. nach meinen Zuständen, und dann nach der Arbeit mit der Band, wo wir gemeinsam hinlenken. Es verhält und entwickelt sich bei uns alles sehr organisch, daher kann ich auch nicht wirklich sagen, wie das nächste Album werden wird.

Christian: Das ist ja auch das Spannende. Nicht zu wissen, wohin es geht. Aber es ist schon auch so, dass wir alle drei sehr kritisch sind. Daher lassen wir etwas, das uns auch nur ansatzweise komisch vorkommt, sowieso nicht gelten. Was uns in der Probenphase nicht völlig überzeugt, stellen wir auch nicht auf die Bühne und schon gar nicht auf eine Platte. Wir haben auch von unserem Debütalbum ein Lied, das uns sehr am Herzen gelegen ist, geopfert, weil es uns im Studio im Aufnahmeprozess nicht so gelungen ist, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Also ihr lasst euch alles offen?

Mira:
Ja schon. Ich freue mich über diese Ungewissheit. Ich habe nur so eine Art Minigefühl von dem, was kommen wird. Irgendwas liegt aber in der Luft. Und dieses Kribbeln fühlt sich super an. Man kann das durchaus mit damals vergleichen, als ich den Burschen meine Songs in die Hand gedrückt habe. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde… diese Unklarheit ist auch jetzt da. Wir machen einfach.

Ich denke, dass es euch schon ins Ausland zieht. Ihr seid ja eine der Nasom Bands, habt ihr schon diesbezüglich etwas in Planung?

Christian: Wir waren gerade im Iran und haben im österreichischen Kulturforum in Teheran gespielt. Über das Nasom Projekt geht es jetzt im Mai nach Budapest und im September nach Istanbul. Weitere Auftritte sind bereits in Planung.

Mira: Ja, ich will eigentlich überall hin, wirklich. Aber wir können jetzt auch nicht in jedem Kulturforum spielen, oder? Sonst, natürlich auch gern ins englischsprachige Ausland, allein wegen der Lyrics. Ich habe im vergangenen Jahr, als ich noch viel Solo gespielt habe, über den Robert Rotifer ein Konzert in London vermittelt bekommen. Mich hat besonders das Feedback bezüglich meiner englischen Texte gefreut. Es ist ja nicht so, dass es so leicht ist, als Nicht-Native-Speakerin vor einem englischsprachigen Publikum, das wirklich jedes Wort versteht, zu spielen. Aber die Reaktionen waren super: „Woher, kannst du so gut Englisch?“ und „Bist du Native Speaker?“. Und nein, ich bin kein Native Speaker, das hört man, finde ich schon. Ich habe Englisch so wie alle anderen im Internet, via Ami-Serie gelernt. (lacht)

Danke für das Interview.

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