mica-Interview mit Rupert Huber

Er zählt ohne Zweifel zu den umtriebigeren heimischen Künstlern, der Wiener Pianist und Komponist Rupert Huber. Mit dem Elektro-Duo Tosca in den 1990er Jahren international zu Bekanntheit gelangt, wandelt der gebürtige Mödlinger in seinen vielen Projekten seither in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten. So führen ihn die musikalischen Pfade genauso in die elektronische Clubmusik, wie auch in die experimentelle Klangkunst und in das klassische Liedermachertum. Im mica-Interview spricht Rupert Huber unter anderem über das Bestreben, seine Musik in einer allgemein verständlichen Klangsprache zum Ausdruck zu bringen, über sein Projekt L/O/N/G und natürlich über Tosca. Das Gespräch führte Michael Ternai.

Wo bist du eigentlich zu Hause? Du tummelst dich ja ziemlich weit herum, in den USA, in Europa, überall.
Ja, also musikalisch bin ich eigentlich weltweit zu Hause. Das hat mich immer sehr interessiert, weil da viele Faktoren zusammenkommen. Zum Beispiel die temperierte Stimmung, die nicht temperierte Stimmung, wobei ich jetzt weniger World-Music meine. Ich versuche ganz einfach eine Art von allgemein verständlicher Klangsprache für mich zu finden. Ich will mich einfach nicht örtlich irgendwie festlegen müssen. Und persönlich lebe ich in Wien.

Du bist ja wirklich vielseitig beschäftigt, von der Filmmusik über Tosca bis hin zu L/O/N/G. Wo ortest du dich eigentlich persönlich ein, oder machst du einfach das, was dir gerade Spaß macht?

Ja. Das geht Hand in Hand. Ich habe damals, als ich ein bisschen unglücklich war und Komposition studiert habe, schon so eine Art Vision gehabt. Wenn ich normal am Notenblatt Musik schreibe, dann ist das quasi eine zweidimensionale Vorstellung. Ich habe mir damals mit etwa 18 Jahren vorgestellt, dass eigentlich die Musik, die mich interessiert, also elektronische Musik, aber auch Klaviermusik, heutzutage eigentlich sehr projiziert gehört wird. Man hört ein paar Töne und dann folgt auch schon gleich dieser Schwall an Worten, Begrifflichkeiten und Fragen: Das Genre? Wozu ist es? Will ich das jetzt hören? Laut – leise? Ist es im Club? Und, und, und.  Für mich war es wichtig, dies alles zu verpacken und handwerklich in eine Musik zu übersetzen, die weltweit irgendwie verständlich ist. Ich habe mir also vorgenommen, genau diesen Weg  zu verfolgen und mich weniger über konkrete Projekte zu definieren. Eben dann auch in den Bereich Sound Art und Radiokunst zu gehen. Also überall dorthin, wo ich mir quasi einen gewissen Freiraum erspielen kann. Und zum anderen habe ich einfach eine riesige Liebe zu so alten Bluesmusiken und bin deswegen ein bisschen, jetzt nicht konkret musikalisch, ein Bluesman. Ich komme, ich spiele mein Ding und gehe dann wieder.

Das ist ja interessant, weil hierzulande bist ja, den meisten Leuten im popmusikalischen Kontext ja wegen Tosca bekannt. Wo siehst du Tosca? War das eigentlich am Beginn deiner musikalischen Karriere? Oder war das irgendwie mal so eine Initialzündung, dass du das gemacht hast? Oder wie und warum ist das überhaupt entstanden?
Tosca ist ja ein Duo. Und gemeinsam begonnen haben Richard Dorfmeister und ich eigentlich schon vor unseren musikalischen Karrieren. Wir gingen in dieselbe Schule, in dieselbe Klasse und haben quasi auch zur selben Zeit gemeinsam angefangen, Musik zu lernen. Ich mehr am Klavier und am Synth, er mehr an der Gitarre und der Flöte. Wir haben also schon zehn Jahre zusammen gespielt, bevor wir uns dann quasi beide für die Elektronik zu interessieren begannen und uns für Tosca zusammengefunden haben.  Aber für mich war von Anfang klar, dass ich eigentlich gar kein DJ sein wollte. Auch wollte ich nicht  den Weg gehen, den Richard beschritten hat. Und vielleicht gerade dieser Zugang dazu geführt,  dass eine Art Lebenstagebuch entstanden ist. Weil wir eigentlich durch diese Verschiedenheit und durch dieses wahnsinnige Vertraute beim Zusammenspielen eigentlich einen ziemlichen Spaß daran haben, Platten zu machen.

Was ist für dich eigentlich persönlich interessanter? Ein neues Tosca Album aufzunehmen oder solche wirklich ganz speziellen Klanginstallationsprojekte auf den Weg zu bringen?
Naja, das ist gleich. Also, ich kann nur aus der Lebenserfahrung sagen: Ich hab vier Kinder und die sind auch sehr verschieden, aber ich kann schwer sagen, dass ich eines mehr mag. Die Problematik liegt bei mir eher da, dass fast alles, was ich mache, interessant ist. Aber das wirkliche Problem rührt eher dann vom Finanziellen her.

Also geht dir die Arbeit nicht aus?
Die Arbeit geht mir nicht aus, das Geld aber sehr oft (lacht). Wir haben jetzt ein Tosca Album, das so halb fertig ist, was bei uns heißt, dass es in 20 Jahren erscheinen wird. Aber dieses Projekt ist für mich ebenso spannend und herausfordernd, wie etwa jenes, an dem ich gerade arbeite. Nämlich an einem Modell für eine Neunkanalinstallation am Flughafen. Diese soll durch die Daten vom Flugtower, von den Flugzeugen gesteuert werden. Das heißt, ich kombiniere meine Klänge mit den Raumbewegungen am Abfluggate, woraus dann eine bestimmte Geräuschkulisse entstehen soll. Ein wirklich herausfordernde Sache.

Du hast dir aber nicht nur mit Tosca einen Namen gemacht, dein letztes Projekt L/O/N/G hat ja auch ziemlich hohe Wellen geschlagen. Wie bist du eigentlich mit dem Chris Eckman zusammen gekommen? Habt ihr euch schon vorher gekannt?

Naja, der Chris Eckman hat einen großen Fan in Wien, der ein Freund von mir ist. Und als Chris dann wegen einer Heirat nach Ljubljana gezogen ist, vor zehn oder elf Jahren, hat dieser Freund keine Ruhe gegeben, bis er uns mal zusammen gebracht hat. Er hat uns und andere Leute auf irgendeine Almhütte eingeladen, in der dann auch in irgendeinem Zimmer zufällig ein Klavier und eine Gitarre gestanden sind.  Ja und dann haben wir spontan zu Jammen begonnen. Voneinander haben wir eigentlich recht wenig gewusst. Klar, wir haben in etwa schon gewusst, wer der andere jeweils ist und auch das, was dieser ungefähr macht,  aber zusammenzusitzen und sich kennenzulernen, ist dann schon etwas anderes. Auf jeden Fall war erste Aufeinandertreffen sehr nett.  Das war vor etwa achteinhalb Jahren. Und wie es halt so ist, haben wir eines Tages gesagt: „Wir müssen unbedingt mal was zusammen machen!“. Es hat damit begonnen, dass er auf einem Tosca Album gesungen hat.  2007 haben wir dann beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen. Er ist nach Wien gekommen, und wir haben begonnen gemeinsam ein Stück zu schreiben, welches er dann bei sich zu Hause fertig gemacht hat. So ist es dann in Folge immer hin und her gegangen, bis wir eben diese Tracks zusammen hatten.  Und dann haben wir gesagt: „Ok, probieren wir es, bringen wir es raus, es ist ja eigentlich Wurscht.“

Aber das bestätigt ja auch deine Liebe zum Blues. Weil eure Tracks sind eigentlich so eine Mischung aus Folk, Electronic und sehr viel Blues.
Wobei den Blues, der Chris eher in der Stimme hat, würde ich sagen. Chris versucht generell auf eine sehr afrikanische Art, seinen Folk zu spielen. Er verwendet in seinen Stücken sehr viele Harmonien, die nicht Dur und nicht Moll sind. Und da treffen wir uns. Das ist etwas, was mich auch sehr, sehr interessiert: wie man der Dur-Moll Struktur ausweichen kann. Und natürlich enorm spannend für mich als Instrumentalmusiker ist auch, einmal mit so einem so extrem guten Sänger und Songwriter zusammenarbeiten zu dürfen.

War das die Herausforderung an dem Ganzen, einmal wirklich so richtig Songs zu basteln?
Nein, das ist leicht gegangen: Ich habe ja schon damals mit 19 viele Songs geschrieben (lacht). Das Liedermachen interessiert mich einfach, wobei ich nicht singe und keine Texte schreibe. Chris wiederum interessiert ja auch für Instrumentalmusik. Wir haben uns also gut verstanden.  Die Herausforderung lag eher darin, da wir beide im Studio eher Produzententypen sind, in diesem Bereich auf einen Nenner zu kommen. Chris selbst produziert ja schon Bands und bei Tosca sind wir ja auch als Produzenten tätig. Die Herausforderung bestand eher darin, die Tracks einfach als  Duo-Songs für sich stehen zu lassen. Das war recht spannend.

Und macht dir gerade deswegen auf das Livespiel mit Chris besonders viel Spaß? Weil es dich einmal herausbringt aus dem Produzentenhaften?
Ja, also ich spiele ja sehr gerne live. Ich habe da meine Pick-ups für den Flügel und den Laptop, den Synth usw. Wenn ich solo spiele, dann ist es immer so ein Gemisch aus akustisch und elektronisch. Und Chris selbst, lebt ja sowieso auf der Bühne. Der setzt sich hin und zieht sein Ding durch.

Ich hab euch einmal, das war glaube ich letztes Jahr, bei der Filmmusikpreis-Verleihung im Wiener Porgy gesehen. Und man muss schon sagen, eure Performance wirkte schon sehr intensiv. Wie definierst du eigentlich deinen Part im Duo?
Naja, ich bin auf der Bühne Musiker. Ich hab ja genug zu tun, was aber auch richtig schön ist, weil das Ganze einfach sehr leger auch und sehr minimalistisch vonstatten geht.

Genau das ist mir auch aufgefallen. Seid ihr eigentlich schon an neuen Liedern dran, oder steht  jetzt einmal Tosca im Fokus?
Naja, jetzt mache ich dann wieder mal ein bisschen Tosca und Chris geht auf Tour. Im April wollen wir schauen, ob sich noch ein paar Konzerte ausgehen. Und eigentlich liegt es irgendwie an, dass unser nächstes Album ein Live-Mitschnitt wird. Da es einfach so Spaß gemacht hat, wäre ein solches Album eigentlich dann irgendwie fast die Essenz dieses Projektes.

Wenn du einen Blick auf die Entwicklungen in der die österreichische Musikszene der vergangenen Jahre wirfst, kannst du sagen, inwieweit sich etwas zum Positiven oder zum Negativen gewandelt hat?
Naja, jetzt spricht schon der Opa. Ich habe meinen Fokus schon gleich nach der Matura, vor 25 Jahren, auf die Musik gerichtet. Und ich muss sagen, ich habe extrem gelitten, wie viele andere auch. Gut, vielleicht gab es vor der Ostöffnung musikalisch in Österreich ein annähernd großes Ding. Vor dem EU-Beitritt wirkte alles aber dann doch sehr klein und provinziell. Es gab den Austropop, die Klassik und ein bisschen Jazz. Und wer diese Bereiche jetzt nicht wirklich bedient hat, der hatte eigentlich nicht wirklich eine Chance. Ich erinnere mich auch, dass die ganzen Plattenfirmentypen immer gesagt haben: „Ja, wir würden gern…“, oder: „Wir müssen unser Material erst nach Köln schicken und so.“ Eine ziemlich ausweglose Situation. Mit der Öffnung dann ist es besser geworden. So sind etwa Instrumente und Sampler billiger geworden. Und dann kam halt der Hype mit der Wiener Elektronik. Jetzt hat sich die Lage irgendwie, ich würde sagen, fast normalisiert. Und es scheint so, als fänden im österreichischen und Wiener Musikleben im Moment wirklich sehr coole Sachen statt. Also, wenn man jetzt von den Geldissues absieht, ist es eigentlich relativ frei und relativ offen, kommt es mir vor.

Wie bist du eigentlich musikalisch sozialisiert worden? Wo lagen die Anfänge, wer hat dich als Jugendlicher geprägt?
Naja, meine Eltern mögen Musik aber haben jetzt nicht so die Platten abgespielt. Das heißt, ich war eigentlich als Kind ziemlich am Radio hängend. Ein total einschneidendes Erlebnis hatte ich, ich glaube mit neun Jahren. Da haben sie in der Musicbox „Eskimo“ von den Residents gespielt. Das Das war Wahnsinn, da habe ich mir einfach nur gedacht: „Wahnsinn!“. Aber natürlich war es dann auch die Klassik, diese ganzen Klavierkonzerte, die mich begeistert haben. Und dann sind eh schon die Neue Deutsche Welle, der „Gesang der Jünglinge“ und das ganze andere Zeug gekommen.

Wann hast du eigentlich begonnen, Klavier zu spielen?

Ich habe gebettelt von acht bis zehn, also mit zehn Jahren hab ich angefangen.

Was darf man von dir in den nächsten Monaten und vielleicht in dem kommenden Jahr erwarten?
Naja, ich habe zwei Produktionen am Start, die quasi fertig sind. Bei der einen habe ich mit der in Finnland lebenden deutschen Komponistin, Sängerin und Dichterin Antye Greie, die sich AGF nennt, zusammengearbeitet. Spannend war dieses Projekt vor allem deswegen, weil die Stücke alleine durch das gegenseitige Zusenden von Files und Emails entstanden sind. Sie lieferte die Texte, zu welchen ich dann Klavierstücke komponiert habe. Herausgekommen sind elf Tracks, wobei sich unter diesen nur zwei „richtige“ Stücke für Klavier und Stimme befinden. Die anderen gehen in eine deutlich experimentellere Richtung. Nach Möglichkeit soll es natürlich eine CD geben.

Bei der anderen Produktion handelt es sich um ein Trio-Projekt, welches ich mit zwei in Berlin lebenden Kumpels, dem Hanno Leichtmann und Hannes Strobl auf den Weg gebracht habe. Wir haben uns einfach im Studio zusammengesetzt und drauf losgespielt. Musikalisch geht es ein wenig in die Tosca-Richtung, wobei das Projekt im Gesamten eher als eine Live-Instrumental-Band gedacht ist. Auch hier soll es 2012 eine CD geben. Und ja, am Tosca-Album natürlich wird auch weitergearbeitet. Das kommt dann irgendwann 2056 raus (schmunzelt).

Produzierst du auch andere Leute, oder machst du nur Dinge, bei denen du selber auch mit die Finger im Spiel hast.
Naja, ich bin in erster Linie schon Komponist.

Aber ist schon jemand an dich herangetreten, der gesagt hat: „Kannst du nicht für mich das produzieren?“
Ja, es würde mich schon einmal interessieren. Nur bin ich abseits der eigenen Stücke vielleicht einfach zu unkritisch. Das habe ich gemerkt, als ich in Jurys gesessen bin. Bei der Ars Electronica ist es leichter, aber bei der Musik? Es gibt viel Schrott, aber das was okay ist, das ist wirklich okay. Und genau da denke ich mir: „Wofür brauchen sie mich eigentlich?“. Außerdem entwickle ich da vielleicht auch nicht wirklich diesen Produzentenbiss (lacht). Aber ja, wenn jemand mit etwas Interessantem kommt, dann kann das sicher passieren.

Welche Leute waren überhaupt die interessantesten, mit denen du in deiner Karriere bisher zusammengearbeitet hast.
Ja also, wenn wir jetzt sagen zusammengearbeitet und nicht irgendwo zitternd im Studio stehend bei irgendeinem Hero, dann würd ich schon sagen von der Musik her der Richard auf jeden Fall. Auch Sam Auinger, mit dem ich in Berlin vor einiger Zeit etwas gemacht habe. Der ist ein recht heller Kopf. Und neuerdings schon der Chris und die Antye Greie, würde ich sagen. Und außerhalb der Musik fand ich die Zusammenarbeit mit Gabriel Orozco total schön. Das war ungefähr vor zehn Jahren. Das war so eine Ausstellung und Klanginstallation. Und auch noch Bob Adrian in Wien, der Robert Adrian X, der ist Medienkünstler.

Wie sieht es mit Filmmusik aus? Steht da in Zukunft nicht vielleicht etwas auf dem Programm?
Konkret nicht.

Was war dein bisher Letzter?
Das letzte Projekt war ein Lustiges, das hieß „Food Design“. Das war eine Dokumentation über die Industrie, die unser Essen designt. Dieses wird ja genauso designt wie irgendwelche Logos oder Möbel. Es geht eben darum, wie orange die Karotte sein soll. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass Vanille an sich so bräunlich ist, dass sie gefärbt werden muss, damit die Leute es gerne essen. Also das war recht interessant.

Also man sieht: Du bist ein Künstler mit vielen Standbeinen. Wie lange glaubst du, wirst du noch der Musikszene erhalten bleiben?

Bis ich sterbe.

Bis du stirbst. Also du hast jetzt noch keine Ermüdungserscheinungen? Also deinen kreativen Höhepunkt hast du noch nicht erreicht?

Das weiß ich nicht, ich bin aber definitiv in der Musik jemand mit einer Mission. Ich muss das einfach weitermachen. Ob das dann besser wird oder schlechter, darum geht es mir gar nicht. Ich muss das einfach weiterziehen.

Dann danke ich für das Interview.

http://ruperthuber.com