mica-Interview mit Rita Goller (TAT – TonArt Tirol)

TonArt Tirol ist als eine Art Plattform konzipiert, die für alle MusikerInnen, KomponistInnen, Ensembles, Orchester, Musikkapellen und Bands des Landes offen steht. Egal ob diese ihr Handwerk nun professionell ausüben oder einfach nur hobbymäßig. Der Verein versteht sich als ein Ort des Zusammenkommens und des Austausches, an dem in Zukunft auch vielleicht das eine oder andere neue erfolgreiche Projekt auf den Weg gebracht werden kann. Rita Goller, seit den Anfangstagen Mitglied des Vereins, im Interview mit Michael Ternai.

Auf welche Initiative hin  ist der  Verein TAT – TonArtTirol ins Leben gerufen worden? Und wie sehen die Ziele des Vereins aus?

Rita Goller: Eigentlich war es so, dass es in der Szene schon länger den Wunsch gab, sich zusammenzuschließen, natürlich auch mit dem Hintergedanken, gegenüber der lokalen Politik aus einer stärkeren Position heraus argumentieren zu können. Wer letztendlich den allerersten Schritt gesetzt hat, kann ich nicht beantworten. Schließlich nahm unser jetziger Obmann Christian Wegscheider das Heft in die Hand und machte Nägel mit Köpfen. Er holte zunächst mit Martin Orwalder, Florian Bramböck und Stephan Costa drei der umtriebigsten Musiker aus Tirol mit ins Boot und begann sukzessive gemeinsam mit ihnen auch auf andere MusikerInnen mit der Idee der Bildung eines Vereins zuzugehen.

Wie lässt sich die Situation der Jazzszene bis zu diesem Zeitpunkt beschreiben?

Rita Goller: Besonders für die Ausbildenden war/ist es immer sehr unangenehm zu hören, dass es im eigenen Land Tirol keine guten Leute gäbe, dass in der Szene im Grunde genommen eh nichts los ist. Man hat sich immer mit Wien, wo doch alles viel besser aufgestellt ist und auch viel mehr passiert, vergleichen lassen müssen. Natürlich geschieht dort mehr. Wien ist die Hauptstadt und hat schon alleine aufgrund der Größe ganz andere Möglichkeiten.  Hier in Tirol hat man in der Vergangenheit einfach nicht wirklich darauf geachtet, ob was passiert bzw. wie viel. Doch es passiert tatsächlich sehr viel.

Vielleicht hat man es ein wenig verabsäumt, darauf aufmerksam zu machen, oder es wurde nicht beachtet. Es war dann nämlich doch auch so, dass jeder für sich selbst irgendwie dahin gewurschtelt hat. Und das eben versuchen wir jetzt zu ändern, indem wir darauf hinweisen wollen, dass es sehr wohl genügend gute und auch international anerkannte Leute gibt, die sich engagieren, sich sehr viel antun und etwas auf die Beine stellen wollen.

Und das war dann mitunter ein Beweggrund, TonArt Tirol ins Leben zu rufen. Der Gedanke eines gemeinsamen Ganzen, die Kräfte zu bündeln. Wir wollten einfach mit bestimmten Aktionen, wie etwa dem TAT-Festival, in dessen Rahmen wirklich einmal hauptsächlich heimische Künstler gefeatured werden, auf die Lebendigkeit der lokalen Szene hinweisen. Leider ist es immer noch so, dass manche Veranstalter dem Kulturauftrag, nämlich heimische Künstler zu fördern, einfach nicht so nachgekommen sind. Wir haben da Bewusstsein geschaffen.

Ein weiteres Anliegen war auch, einmal wirklich darzustellen, welch kreativer Nährboden in Sachen Jazz Tirol ist. Wer überhaupt ursprünglich, auch wenn er oder sie aktuell wo anders tätig ist, aus diesem Bundesland kommt. Auch diese Leute wollten wir im Sinne des Netzwerkgedankens erreichen, sie in die Aktionen mit einbinden und auch für das eine oder andere Konzert wieder zurückzuholen.

Woran, glaubst du, hat es gelegen, dass die Szene vor Ort so lange eher unbeachtet geblieben ist? Wenn man doch auch noch dazu bedenkt, welche Leute aus Tirol über die Grenzen hinaus wirklich für Aufsehen gesorgt haben. Ein Manu Delago zum Beispiel oder ein Pepe Auer.

Rita Goller: Ich weiß es nicht. Es braucht einfach mal Leute die hinausgehen und nicht im eigenen Land bleiben, damit dann alle sagen: „ Schau was in Tirol für gute Leute sind.“ Genau, die beiden sind ja zur Zeit die Aushängeschilder von Tirolern die internationale Top-Leute sind. Ich glaube, dass diese Popularität den Tirolern einen gewissen Stolz verleiht und unsrer Sache dem Jazz ein besseres Gehör zu verschaffen definitiv weiterhilft.

Inwieweit seid ihr eigentlich mit Ausbildungsstätten Bildungseinrichtungen verbunden?

Rita Goller: Dazu muss man sagen, dass wir als Verein unabhängig von Bildungsinstitution sind! Wir nehmen eher eine neutrale Position ein. Es sind zwar einige Leute die in Bildungseinrichtungen unterrichten Mitglieder bei uns, aber wie gesagt, wir hängen bewusst nicht mit  Ausbildungseinrichtungen zusammen, auch weil wir uns für die Gesamtsituation verantwortlich sehen.

Wie sieht es im eher als traditionell verschrieenen  Tirol mit dem Publikum aus. Gibt es, jetzt ganz unabhängig von den MusikerInnen selbst, die Leute, die sich für den Jazz begeistern können?

Rita Goller: Natürlich gibt es diese Leute. Und sie sind sehr dankbar dafür, dass wir unseren Verein ins Leben gerufen haben, was auch an der mittlerweile hohen Mitgliederzahl zu erkennen ist. Es sind nämlich keineswegs nur Musikschaffende, die den Verein bilden, ganz im Gegenteil, der überwiegende Teil der Mitglieder sind Leute aus der Bevölkerung, die sich einfach wünschen, auch einmal ein alternatives Unterhaltungsprogramm auf hohem Niveau präsentiert zu bekommen. Was wir ihnen, dank unserer vielen hervorragenden MusikerInnen, auch anbieten können.

Das Problem in Tirol war, dass schon immer sehr viel passiert ist, nur gab es keine Plattform oder eine Stelle, die diese Informationen auch in gebündelter Form zu Verfügung gestellt hat. Man hat selbst wissen müssen, wo man die Informationen herbekommt und an wen man sich wenden muss. Das betrifft das „Rahmenprogramm“ in Innsbruck. Anders ist es natürlich bei den drei großen Institutionen wie dem Treibhaus, dem Landestheater und  Kammerspielen. Da gab es immer schon ein Programm und man wusste was, wann gespielt wird. Aber abseits davon gestaltete es sich schwierig, irgendetwas zu erfahren.

Wir von TonArt Tirol haben uns jetzt vorgenommen, daran etwas zu ändern und darauf hinzuweisen, wo etwas gerade los ist, und das nicht nur in Innsbruck sondern in ganz Tirol! Und unser Bemühen trägt auch schon Früchte, was unter anderem auch die von unsrem Obmannstellvertreter Stephan Costa in Kooperation mit der Wirtschaftskammer ins Leben gerufene Initiative „Jazz and More“ eindrucksvoll unterstreicht. In deren Rahmen haben wir den Jazz aus der Stadt hinaus aufs Land in Lokale vor Ort geholt. Schön war vor allem zu sehen, dass die Idee sehr gut angenommen worden ist und fast alle Konzerte, auch jene in abgelegenen Gemeinden, sehr, sehr gut besucht waren. Was sich zeigt ist, dass die Bevölkerung doch in einem größeren Ausmaß wirklich Interesse am Jazz heimischer KünstlerInnen hat, diesen live erleben will, auch wenn die Musiker/innen teils jetzt noch nicht große international bekannte Namen haben!

Wie sieht es eigentlich generell mit Auftrittsmöglichkeiten für Jazzer und Jazzerinnen aus. Hat sich diesbezüglich einiges zum Positiven gewandelt?

Rita Goller: Livemusik in Innsbrucker Lokalen kommt wird wieder mehr geschätzt, als vor ein paar Jahren. Zum Beispiel fanden im Treibhaus, der Kulturstätte in Innsbruck, bis vor ein paar Jahren die wöchentlichen Sessions statt, die aber dann eingestellt wurden mit der Begründung, dass sie sich nicht rentieren würden. TonArtTirol hat daraufhin im Early Bird, einem kleinen Szenelokal in Innsbruck, eine wöchentliche Session initiiert. Ich vermute, dass aufgrund dieser Sessions die gut angekommen sind, es dazu geführt hat, dass das Treibhaus wieder die Treibhaus-Montage eingeführt hat, an denen die Ensembles des Jazzlehrganges des Tiroler Landeskonservatoriums ein tolles Podium hatten. Ich glaube, ohne die Anstrengungen von TAT, allen voran Martin Ohrwalder, wäre die Entwicklung der Sessions vermutlich nicht so gekommen.

Man kann also sagen, dass ihr praktisch die Rolle des Türöffners für den Jazz aus Tirol übernommen habt?

Rita Goller: Ob wir uns jetzt alleine, als Einzige für diese Position rühmen dürfen, traue ich mich so nicht zu sagen. Was wir aber auf jeden Fall geschaffen haben ist ein gewisser Komfort für unsere Kunden und Mitgliedern. Wir sind eine Plattform, die in gebündelter Form die Informationen anbietet. Früher war es ja so, dass man einfach nicht wissen konnte, wo etwas stattfindet. Zum Beispiel konnte man als Kufsteiner, wenn man sich nicht wirklich intensiv auf die Suche begeben hat, nicht wissen was in Reutte los war. Man musste sich alles mühselig zusammensuchen. Unser monatlicher Newsletter informiert zusätzlich Für die Jazzmusiker im Land schaffen wir dem heimischen Jazz mehr Gehör, mediale Aufmerksamkeit, die Möglichkeit eines Online Radios wo neue CDs vorgestellt werden und einen gratis Veranstaltungskalender wo jedes Mitglied seine Konzerte eintragen kann. Genau mit diesem umfangreichen Angebot punkten wir.

Ich nehme auch an, dass auch der von euch mitvergebenen Jazzpreise ebenfalls dazu dient, die Aufmerksamkeit auf die Tiroler Szene zu lenken.

Rita Goller: Auf jeden Fall. Ich denke, dass diese Auszeichnung auch längst notwendig war. Der Jazzpreis den unser Obmann Christian Wegscheider in Zusammenarbeit mit der Stadt Innsbruck und mit der Hypo Tirol Bank gestiftete Nachwuchspreis zeugen einfach auch von einer Wertschätzung seitens der Stadtpolitik der heimischen Szene gegenüber, die wir als Verein sehr wichtig empfinden. Diese Preise, die äußerst positiv aufgenommen worden sind, spiegeln auch eine Aufwertung des Jazz wider und es schaut bislang gut aus, dass sie in Zukunft weitergeführt und auch im kommenden Jahr vergeben werden.

Inwieweit habt ihr mit euren Aktionen und Initiativen auch im Sinn, Leute außerhalb Tirols zu erreichen und anzusprechen?

Rita Goller: Ich denke, es ist erst einmal wichtig im eigenen Land die Voraussetzungen zu schaffen, bevor man dann über die Grenzen geht. Natürlich ist alle Aufmerksamkeit die von außen kommt tolle Publicity für uns. Das hilft unserem Verein schon, sich auch überregional einen Namen zu machen. Vor allem bezüglich dem was wir tun und wofür wir stehen. Aber wie gesagt, wichtig war uns erst einmal hier im eigenen Land auf uns aufmerksam zu machen und bei der Landesregierung anzuklopfen und zu sagen: „Hallo, hier sind wir, man kann uns nicht mehr übersehen, weil inzwischen einfach viel, zu viele Leute da sind die es interessiert was wir tun“. Eines unserer Hauptanliegen war zunächst überhaupt einmal die mediale Präsenz zu steigern, was uns, glaube ich, durch unsere Aktionen wie eben dem Festival und dem Jazzpreis auch ganz gut gelungen ist. Zumindest habe ich das Gefühl, dass sich langsam das Bewusstsein entwickelt: „hier passiert viel“.

Wir sind nun an dem Punkt angelangt, an dem wir uns schon auch Gedanken darüber machen können über die Grenzen hinauszugehen. Bei unserem nächsten TonArtTirol Festival am 11. Mai 2014 haben wir schon vor, auch ähnliche Kulturinitiativen aus anderen Bundesländern und angrenzenden Nachbarländern als Gäste einzuladen. Und vielleicht ergeben sich daraus in Folge wiederum weitere Kooperationen.

Also ihr seid auf der Suche nach Verbündeten, mit denen ihr auch austauschen könnt?

Rita Goller: Ja, ich denke schon, dass das jetzt immer mehr kommen wird. Vor allem mit Bozen sind wir im Moment um eine engere Kooperation bemüht. Bislang war der Austausch zwischen den beiden Städten doch eher einseitig. Man holt mehr Südtiroler Künstler/Studenten nach Nordtirol als umgekehrt. (…). Und natürlich suchen wir auch den Kontakt zu den Jazzwerkstätten in Wien und Basel, mit denen wir vor allem jetzt beim kommenden Festival zusammenarbeiten wollen. Fest steht zwar noch nichts, aber wir hoffen, dass es klappen wird.

 

http://www.tonarttirol.at/