mica-Interview mit Reflector

Reflector waren schon ein Duo, bevor diese Spielweise in Mode kam. Seit 1997 werken die Steirer mit Gitarre und Schlagzeug (Gesang mischt sich nur spärlich dazu) an monumentalen Klangmassen, deren bewusster Überstrapazierung und ihren Brüchen. Dass die beiden nicht in genretypischen Schranken und Parametern denken, sondern auch im Bereich der Bildenden Kunst, im Kuratieren von Ausstellungen, im Filmschaffen, Bücher Verfassen sowie Verlegen weitreichende Erfahrungen haben, macht Reflector nicht gerade unspannender. Clemens Marschall durchschritt mit Reflector 16 Jahre im Zeitraffer – 16 laute Jahre:

Wie ich recherchiert habe über Reflector, hab ich gesehen, dass es eine chinesische Band mit gleichem Namen gibt, die sich – so wie ihr – 1997 gegründet hat. Wer war vorher da?

David Reumüller: Keine Ahnung, das weiß ich nicht.

Andreas Heller: Weißt du das Monat?

David Reumüller: Weißt du das Monat, wo wir uns gegründet haben?

Andreas Heller: Ja.

David Reumüller: War das, wo du aufgetaucht bist in Eggenberg mit der Gitarre hinten auf deinem Moped – war das quasi unsere Gründung?

Andreas Heller: Ja, das war im Juni 1997.

David Reumüller: Ich werde dieses Bild nie vergessen, wie der Andi da aufgetaucht ist. Ich hab vorher eine Grunge-Band gehabt, Shüwa, und Andi war in einer Crustcore-Band namens Leben. (sprich: Lebenspunkt), und wir haben beide eine Kunstschule gemacht, eine HTL für Bildende Kunst. Diese Bands haben gerade aufgehört, und dann haben wir zwei uns zusammengeredet, einfach einmal zu proben in eurem alten Proberaum. Ich bin da mit der Straßenbahn hingefahren und hab auf ihn gewartet, und der Andi hat so ein wahnsinniges, lächerlich kleines Moped gehabt, mit so Mini-Scheibtruhen-Rädern. Und er hat damals gehabt eine Zuckerwasser-Steh-Punk-Frisur…

Andreas Heller:
Superkleber…

David Reumüller: … komplette Stretch-Hosen, solche Spaghetti-Füße mit solchen Revolver-Knien – so ist er da mit seinem überdimensionalen Helm dahergefahren, ich werde das nie vergessen! [lacht] Und dann sind wir in den miachtelnden Proberaum. Ich hab ja eigentlich nicht Schlagzeug gespielt, ich war vorher Sänger und Gitarrist. Ich war nur ein Schenkelklopfer-Schlagzeuger, aber als wir gespielt haben, war das gleich eine Gaudi – und ziemlich wild.

Andreas Heller:
Das muss ich schon sagen: Du hast von Anfang an Schlagzeug spielen können.

Aber du hast es erst gelernt mit Reflector.

David Reumüller: Ja… also „gelernt“ ist gut gesagt. [lacht] Ich übe erst seit Reflector!

Du hast schon länger mit der Gitarre Erfahrung gehabt, Andi?

Andreas Heller: Ja, ich hab vorher die Band Leben. gehabt und war eigentlich der einzige, der da wirklich spielen hat können. Wir haben das EKH und die üblichen Locations bespielt, aber irgendwann ist mir das zu eindimensional geworden. Da wäre dann eine zweiwöchige Tschechientour angestanden, aber das hätte ich nicht ausgehalten, jeden Abend den vollen Wahnsinn mit der Musik…

Ja, das Tourleben ist hart. Lernt man das im Laufe der Zeit?

David Reumüller: Eines hat sich nie geändert: der Andi hasst das Touren und ich mag es sehr gern.

Andreas Heller: Mir taugt live spielen an sich nicht so… David ist mehr die Rampensau, aber ich würd am liebsten nur im Studio aufnehmen und herumtüfteln. Wobei die letzen drei Konzerte waren wirklich schön. Wenn wir vor sechs, sieben Jahren mehr von denen gehabt hätten…

David Reumüller: Wir haben im November letztes Jahr unser 15-Jahr-Jubiläum gehabt, wo auch die Singles Box rausgekommen ist. Da haben wir mit einem Haufen Freundinnen und Freunden gespielt. Und jetzt haben wir mit Bulbul in Leipzig und Berlin gespielt am South of Mainstream und das war einfach klass. Da waren 250 und 150 Leute.

Andreas Heller: Und die kaufen Merch, das interessiert die, die Partie war sehr durchgemischt, das war nicht nur ein Männerhaufen – das war ein cooles Publikum. Und ich finde, es ist nicht so einfach, ein cooles Publikum zu haben. Das braucht Zeit, die richtigen Bands, mit denen man spielt,…

David Reumüller: Aber man kann nicht sagen, dass das bei uns langsam gewachsen ist, weil am Anfang waren wir noch in der Hardcore-Szene und da waren wir sofort angesagt und hatten gleich Gigs vor 100 Leuten oder mehr. Wir sind auch sofort im Kunstbereich engagiert worden, beim Festival von „Kultur in Graz“, in off-spaces bei Kunstfesten,…
Es war der Schmäh – und das war eigentlich gar nicht beabsichtigt – dass damals ein Duo für die Leute absurd war. Wir haben damals wirklich ganz schön heftig geprügelt – und das zu zweit. Das hat sich herumgesprochen, sodass wir auch gleich in Wien engagiert worden sind. Ein Duo, das so eine Mucke spielt mit einer solchen Intensität war damals rar.

Andres Heller: Wir haben dann eine Demo gemacht, „Short Grief“ (1998) und eine Split Single mit einer anderen Band, und mit diesem Hardcore-Background sind beide Sachen wie die warmen Semmeln weggegangen. Wir waren in den ganzen Mailordern und das ist alles zackprack verkauft worden.
Aber dieses Hardcore-Ding hat sich dann schnell verändert, mit jedem Jahr, auf einmal war Screamo angesagt, dann das nächste – und auf einmal stehst du mit dem, was du machst, zwischen den Stühlen. Und dann musst du dir ein neues Publikum suchen.

Die Hardcore-Leute denken oft sehr eng in Schranken und führen plötzlich Gesetze in eine Subkultur ein. Aber das war schon, wo ihr hergekommen seid?

David Reumüller: Das, und dann hat auch gleich der Kunstbereich zu uns geschielt. Wir sind auch bald zu dem Grazer Label Tonto gekommen und haben in dem Bereich gewerkt. Da sind Bernhard Lang, Robert Lepenik und viele mehr veröffentlicht worden. Die haben anfangs eigentlich nur experimentelle elektronische Musik und Avantgarde-Geschichten gemacht, Winnie Ritsch, Renate Oblak mit dem Michi Pinter (ReMi) und viele mehr. Das war ein ziemlich cooles Versuchsfeld für abstrakte Musik, und die, vor allem der Labelgründer Helmut Kaplan, haben uns lustigerweise auch angeredet, weil wir in dem Hardcore-Kontext was anderes waren. Wir haben andere Songstrukturen gehabt, eine etwas komische Herangehensweise, vor allem live. Da haben wir immer auf die Dramaturgie geachtet.

Andreas Heller: Aber wir waren in dem Umfeld auch exotisch. Das verbindende Element war vielleicht, dass wir in dem Kontext gearbeitet haben: wir haben Ausstellungen aufgebaut und uns in dem Feld bewegt.
Das war so um das Jahr 2000 – und dann hat es für Reflector ein Loch gegeben. Wir haben mit Garfield von Schlauch ein Projekt gemacht, das nicht uninteressant war, aber wir waren irgendwie zu spät dran, ist mir vorgekommen.

David Reumüller: Das hat „Noogen“ geheißen und war in Zusammenarbeit mit einem Bildenden Künstler, Delaine Gilma, der hat eine Live-Übermalung gemacht. Wir haben hinter einer Leinwand gespielt und dann sind unsere Silhouetten live übermalt worden. Solche Sachen haben uns mehr interessiert als ein komplettes Album zu machen. Und das weiße Album, unser erstes, ist ja eigentlich ein Schaß.

Das hab ich mir heut noch einmal angehört – da ist noch viel Gegrunze am Gesangsmikro.

Andres Heller: Das Problem an dem Album war, dass wir mit zwei kleinen Labels gearbeitet haben und der eine wollte, dass wir so klingen wie Limp Bizkit.

[lacht] Da fehlt euch aber noch der coole Sänger mit dem roten Kapperl!

David Reumüller:
Das war ich! [lacht]

Andreas Heller: Der Typ hat das einfach grundsätzlich falsch verstanden. Und das andere war ein Hardcore-Label und wir haben damals mit einem Freund aufgenommen, der auch schon die Single und unser Demo aufgenommen hat. Wir waren in dem Studio von dem einen Label und haben dann Spuren mit dreckigen Feedbacks und coolem Noise gehabt. Wir waren damals noch recht naiv, das war unsere erste richtige Studioerfahrung. Es hat dann immer wieder kleinere Querelen gegeben und eines Tages sind wir ins Studio und der Chef da hat gemeint, es tut ihm leid – aber die ganze Aufnahme ist weg. Der Computer ist abgestürzt, hin, alles futsch.
Und wir haben nur gesagt: „Scheiße, he!“ Wir waren ja schon fast fertig. Scheiße. Panik. Wir haben auch viel Geld reingesteckt, das waren 20.000 Schilling. Das klingt für heutige Verhältnisse nicht so viel…

David Reumüller: … aber das war damals ein Wahnsinn! Überleg einmal, wir waren 19, 20 Jahre alte Buben – das war richtig viel Geld.

Andreas Heller: Einen Tag später ist der dann hergekommen und hat gemeint, er hat es geschafft – die Aufnahme ist doch wieder da, nur eine Spur fehlt. Wir haben gemeint: „Na Gott sei Dank, das kann nicht so wild sein.“ Wir sind hingekommen und haben damals nicht gecheckt, dass es völlig unmöglich ist, dass eine Spur durchgehend bei neun Nummern fehlt – und das waren genau die super-dreckigen Sachen.

David Reumüller: Das hätte eigentlich ein verruchtes, dreckiges Ding werden sollen, mit leisen Stimmen und viel Krach. Es ist im Endeffekt genau das Gegenteil von dem rausgekommen, was wir machen wollten.

Andreas Heller: In unserer Naivität haben wir das gefressen – ok, die Spur ist weg. Der Labeltyp hat gesagt, es geht sich zeitlich nicht mehr aus, die neu aufzunehmen. Parallel ist der, der uns aufgenommen hat, aus… nennen wir es „privaten Gründen“ immer wieder ausgefallen, was uns das Leben auch nicht leichter gemacht hat. Dann war wieder einmal ein Loch, David hat zu der Zeit gerade als Schauspieler gearbeitet, und ich bin allein da hin, da sitzt Hannes Jäckel von Sans Secours bei unserer Aufnahme im Studio. Ich komme rein und ich hör Musik, die mir bekannt vorkommt und sag: „Verdammt, das klingt wie Pixies. Was geht da ab? Das sind ja wir!“ Es war so, dass er den Mixdown machen hätte sollen, alleine angefangen hat und es hat alles so was von überhaupt nicht nach uns geklungen. Ich hab gesagt: „Alles zurück!“
Er hat das gemischt und wir sind dann in ein anderes Studio und haben uns alles angehört auf einer monströsen Anlage. Ich hab keinen Erfahrungswert gehabt, wie jetzt die Drums klingen sollen, da haben wir gemeint: passt! Und so ist es auf CD gekommen.
Mit einem gewissen Abstand und dem heutigen Fokus muss man sagen: das ist nicht optimal.

Habt ihr den Typen noch mal mit der fehlenden Spur konfrontiert?

Andres Heller: Nein, im Endeffekt ist das alles sehr schnell auseinander gegangen.

David Reumüller:
Die CD hat uns ein paar Wochen getaugt, weil wir endlich einen Tonträger hatten – aber die Freude ist relativ schnell vergangen.

Es war halt noch sehr anders, trashiger, und der extrem harte Gesang.

David Reumüller: Ja, der ist leider total g’schissen gemischt. Eigentlich soll der Gesang so behandelt werden wie ein Instrument, das sich in diese Wurscht einfügt. Es war genauso gemischt, wie es nicht hätte sein sollen, so aggressiv und herausfordernd. Genau darum ist es ja bei uns nie gegangen. Die Aggression, die in unserer Musik steckt, war immer eine defensive Aggression – und gemixt haben sie es total aggressiv, als würden wir mit der Faust nach oben auf der Bühne stehen. Das war absurd!

Da merkt man eh schon, dass ihr überhaupt nicht in diese Hardcore-Szene passt, die ja dann auch sehr machomäßig aufgeblasen wurde. Wart ihr als Zweimann-Kapelle von Anfang an geplant oder hat sich das so ergeben und dann mit wachsendem Erfolg verhärtet?

Andreas Heller: Es war uns immer wichtig, dass wir das zu zweit machen. Wir haben auch nie jemand dritten gehabt, der reinpasst. Wir haben’s mal versucht, ein paar Konzerte mit einer Sängerin gespielt, dann mal mit einem Bassisten – aber das hat nicht funktioniert.

David Reumüller: Du musst dir den Anfang der Band so vorstellen, dass wir uns getroffen haben und eher spätpubertierende Jugendliche waren. Es ist uns damals nicht sonderlich rosig gegangen, das war eine ziemlich intime Geschichte. Wir haben wirklich viel gespielt, drei, viermal in der Woche. Ich hab in einem Haus gewohnt mit anderen absurden Gestalten und im Keller unten war ein Proberaum.

War das ein besetztes Haus?

David Reumüller: Nein, wir haben das zusammen gemietet aus dem Kunstschulenumfeld – wir sind ja noch zur Schule gegangen. Das Spielen war für uns wie eine Therapie.

Ein Exorzismus.

David Reumüller: Mhm, das war sehr intim. Wir haben viel geredet, gesagt: „OK, über das und das Thema machen wir einen Text. Du gehst heim, ich geh heim, und wir schreiben beide zum gleichen Thema.“ – und dann haben wir zusammen daran weitergearbeitet.

Ich hab in einem alten Interview gelesen, dass euer Antrieb am Anfang sozusagen die Beschissenheit der Dinge gewesen ist und auch, dass der Bandname daher kommt, dass die Band ein Ventil zur Reflexion ist.

Andreas Heller: Bei mir ist gerade die erste langjährige Beziehung auseinander gegangen, und in dem Alter fängst du langsam an, ein paar Sachen ein bisschen besser zu checken: politisch, wie der Kapitalismus rennt, ernährst dich vegetarisch – alles was da dazugehört. Das hat alles ein Bild ergeben.

David Reumüller: Dich hat es nach der Trennung schon hergebogen wie ein U-Hakerl, ich hab zwischendurch ein bisschen mit Depressionen gekämpft, was auch nicht so unüblich ist in dem Alter. Was da noch dazugekommen ist waren Freunde in dem Haus, die teilweise arge psychische Krankheiten gehabt haben, das waren teilweise schiache Szenen.

Das hab ich glaub ich noch nie eine Band gefragt, aber waren da auch viele Drogen involviert in dem ganzen negativen Modus?

David Reumüller: Bei uns zwei eigentlich nicht. Ich hab damals noch gekifft, aber vor allem gesoffen, volles Karree. Du hast damals auch noch wirklich viel gesoffen.

Aber keine harten Drogen, kein Heroin?

David Reumüller: Nein, aber auch aus dem Grund, weil einige meiner besten Freunde zu der Zeit gerade weggebröckelt sind. Es war in dem Umfeld auf jeden Fall präsent. Auch wo ich gewohnt hab, war das immer da, aber ich habe mich aus sämtlichen synthetischen Geschichten und Opiaten immer rausgehalten.

Andreas Heller: Wir waren auch nie die Suff-Punks, wir wollten immer etwas machen, hatten eine Vision, einen Plan, einen Drive. Und Drogen würden das ja verhindern, zumindest bei mir.

Auch was ihr vorher gesagt habt, dass ihr schon scharf seid, aber vor allem defensiv. Diese Energie war ja bei allen da, von Iggy Pop über Johnny Rotten bis Kurt Cobain – die schon wilde Musik gemacht haben auf der Bühne, aber gleichzeitig sehr verletzlich waren. Das ist dann im Hardcore in so ein Machtgehabe gekippt, wo die Leute auf der Bühne zeigen wollten, dass sie die volle Kontrolle haben. Und bei euch ist es doch so: Auch wenn es laut und hart ist, ist immer diese Verletzlichkeit dabei.

David Reumüller: Ich hab das Gefühl, dass es live Gott sei Dank nie irgendwem vermittelt, dass wir irgendwas mit Härte zu tun haben. Ich glaub, es war nie jemand bei einer Show, der sich dann gedacht hat: „Wow, das sind harte Typen!“ Es ist fast immer umgekehrt: „Pfa, die Musik ist schon wild, aber das dürften ganz schön liebe Buben sein.“

Andreas Heller:
Auch mit dieser Macho-Attitüde, die dann Ende der 90er wieder gekommen ist, haben wir überhaupt nichts zu tun gehabt. Wir sind immer von einem ganz anderen Standpunkt ausgegangen als von dem „tough guy“-Hardcore-Image.

David Reumüller:
Wie dann auch dieser New York Hardcore nach Graz gekommen ist, war das für uns total lächerlich. Was die aufgeführt haben, da haben wir uns nur gedacht: „Was für eine absurde Show ziehen die jetzt ab?!“ Obwohl das musikalisch teilweise jetzt gar nicht so unähnlich war, von irgendwelchen Rhythmusstrecken oder Riffings – aber es war so ein absurder Habitus, was die vermitteln wollten.

Was hat sich als Antrieb bei euch geändert? Am Anfang war es ja noch eher diese Verarbeitung von teilweise recht schlechter Laune, teilweise in Verbindung mit der Spätpubertät, aber gefühlt hat man das ja trotzdem. Im Laufe der 15 Jahre seid ihr erwachsen geworden – was treibt jetzt Reflector an?

David Reumüller: Ich glaub am allerschönsten hat das der Bernhard Wolf geschrieben, da hat es uns erst sechs, sieben Jahre gegeben. Er hat für’s Megaphon ein Interview mit uns gemacht und dem ganzen den Titel gegeben: „Die Reise vom Bauch in den Kopf“.

[Bernd Heinrauch, der die letzten Platten von Reflector aufgenommen hat und von ihnen gar als „drittes Bandmitglied“ bezeichnet wird, betritt den Raum und setzt sich zu uns an den Tisch]

Was mich interessiert, auch in Verbindung mit dem Kunstbereich: ihr seid nie in Kostümen aufgetreten, oder?

Andreas Heller: Nein. Das haben eh andere für uns erledigt! [lacht]

David Reumüller: Es hat die Bands gegeben, die in Kostümen aufgetreten sind; die, die intellektuelle Texte gehabt haben; und die Bands, die gut gespielt haben – und den Rest haben wir gemacht.

Das heißt: schlecht gespielt, blöde Texte, keine Kostüme. [lacht]

David Reumüller: [lacht] Ja, aber mit Liebe!

Andres Heller: Es hat auch Bands gegeben, die haben Kostüme angehabt – das aber gar nicht gemerkt. [lacht] Mehr als genug.

David Reumüller: Lustigerweise waren die Wiener und die Linzer – die eh meistens dann in Wien gelandet sind – immer die mit den Kostümen. Alles in Hütchen und Kostümen war aus Wien oder Linz, und alles, was ganz normal in Turnschuhen dagestanden ist und Rockmusik gespielt hat, aus Graz.

Bernd Heinrauch: Ihr habt ja nicht einmal Künstlernamen.

David Reumüller:
Wir haben weder Künstlernamen noch einen guten Bandnamen. [lacht]

Andreas Heller: Das mit dem Bandnamen ist ein bisschen komisch – Reflector, das funktioniert irgendwann, aber du denkst dir den eigentlichen Sinn nicht mehr mit. So wie bei Fetish 69. Der Bandname vor dir als Kreation funktioniert – aber ja… und Reflector reiht sich da ein.
Aber heute würden wir uns nicht mehr Reflector nennen.

David Reumüller: Das wär eine interessante Frage, wie wir uns heute nennen würden.

Genau, das wollt ich gerade Fragen. Vielleicht Fetish 69. [lacht]

David Reumüller: Ich glaub, ich würd ewig brauchen…

Andreas Heller: Irgendwas Unverfänglicheres…

Ihr habt euch ja am Anfang wahrscheinlich auch nicht gedacht, dass es euch in 15 Jahre noch gibt.

Andreas Heller: Nein, niemals! Wenn ich heute auf Reflector zurückblicke, kann ich sagen, dass für mich da ein Umbruch war, als wir 2001 die „Flugangst“-Platte aufgenommen haben – das war ein komplettes Desaster in einem Wiener Keller. Die hat sehr tot geklungen, da kam dann ein Vakuum, wir haben kein Geld gehabt, uns gefragt, was wir überhaupt machen wollen.

David Reumüller: Da haben wir viel gehackelt, auch das Künstlerkollektiv crew8020 gegründet.

Andreas Heller: Genau, wir haben extrem viel gearbeitet, das hat sich natürlich auch abgezeichnet. Und dann war’s schon 2004, 2005, wir haben neues Material gehabt, waren plötzlich wieder voll motiviert, haben andere Leute kennen gelernt wie den Bernd Heinrauch – und dann haben wir die „Phantoms“ aufgenommen.

Da war ich beim Releasekonzert in Graz. Mit „Phantoms“ wart ihr plötzlich ein großes Ding und seid für mich und viele andere auf die Landkarte gekommen.

Andreas Heller: Ja, das war eine große Veränderung. Wir haben mit dem Bernd die „Phantoms“ aufgenommen, zeitgleich auch noch mal die „Flugangst“ neu, die dann bei Rock is Hell rausgekommen. „Phantoms“ ist dann auf Noiseappeal und Interstellar rausgekommen – das war für mich ein kleiner Durchbruch.

David Reumüller: Nicht von den Verkaufszahlen her, aber zum ersten Mal war das, was wir machen, so auf einem Tonträger, wie wir’s gedacht haben. Bernd hat sozusagen zum ersten Mal aus Reflector Reflector gemacht.

Bernd Heinrauch:
Ihr wart extrem gut vorbereitet, da war alles klar, wie’s passieren soll.

David Reumüller: Du hast uns ja nur gemacht, weil ich mich so vorgestellt hab: „Servas, ich bin der David, ich komm aus dem Free Jazz.“ [lacht]

Du bist ja sozusagen zum dritten Bandmitglied geworden, Bernd.

Bernd Heinrauch:
Ach, die sind immer so romantisch und sagen das – aber das stimmt natürlich nicht.

David Reumüller: Nein, du warst immer der dritte Mann im Studio. Du hast uns richtig auf die Finger geklopft: „Das geht besser, das macht’s noch einmal,…“

Andreas Heller: Der Bernd hat mir das Gleitgel für eine Nummer gegeben, ich meine zum Gitarrespielen.

Spielt man dann schneller?! [lacht]

David Reumüller:
Das war so absurd! Plötzlich schmieren die da rum mit Gleitgel.

Andreas Heller: Aber man hört die Slides besser, das nützt wirklich. Mit dem Bernd war dann plötzlich das Potential, das wir hatten, auch auf Platte. Und durch das Label Rock is Hell war die neue „Flugangst“ auch in dem Gewand, in das sie gehört. Wir haben den Luxus, dass wir drei Labels haben, Interstellar, Rock is Hell und Noiseappeal, und die kümmern sich um uns. So kommen wir in drei unterschiedliche Wirkungsfelder, jeder hat seine eigenen Stärken.

Gibt’s da schon nächste Pläne für Zusammenarbeiten?

Andreas Heller: Der Dominik von Noiseappeal hat diese HP Zinker-Box rausgebracht und da gibt es einen Singles Club, wo man alle zwei Monate eine zugeschickt bekommt, wenn man das abonniert. Und wir werden für die letzte Single eine HP Zinker-Bearbeitung machen. Da machen wir auch in Graz eine Release-Show, wenn das alles komplett ist, und da spielen wir und andere Bands HP Zinker-Bearbeitungen.

David Reumüller: Ich arbeite gerade an einem Film, eine abstrakte Doku über meinen etwas schrägen Nachbarn. Da mach ich gerade Musik mit Bernd und Raumschiff Engelmayr (Bulbul-Fredl).
Außerdem machen wir das Rockarchiv Steiermark. Das war eine Idee, die 2007 aufkam, und da haben wir die steirische Rock- und Pop-Geschichte seit Ende der 1950er aufgearbeitet. 2010 haben wir das Buch dazu rausgebracht und jetzt arbeiten wir grad an einer Kino-Kunst-Doku über die Band Magic aus Fürstenfeld, anhand derer sich viel erzählen lässt. Die haben sich in den 1960ern gegründet, waren dann in den 1970ern sehr aktiv und auch bekannt. Das mündet dann im Magic Soundstudio, wo die ersten Aufnahmen von EAV und STS entstanden sind.
Gleichzeitig schreibe ich auch an einem Buch über Magic. Ich fang jetzt gemeinsam mit Robert Lepenik an mit einer Bücherreihe über einzelne Bands aus der Steiermark, die im 7“-Format rauskommen, und es ist dann auch eine 7“ dabei mit unveröffentlichten Tracks.

Andreas Heller: Ich mach sonst im Forum Stadtpark die Bildende Kunst-Schiene, das Jahresprogramm, die ganzen Ausstellungen. Dann mache ich Ausstellungen mit meinen eigenen Sachen und ich unterrichte jetzt seit einem Jahr ein paar Stunden in der Schule, in der wir uns kennen gelernt haben in der Abteilung für Plastische Formgebung.

David Reumüller:
Und daneben sind wir noch Hausmänner und Väter, mein Lieber!

Da frag ich mich, wie sich das ausgeht.

Andreas Heller: Das geht sich eh nicht aus.

Das heißt, wie viele Reflector-Doppelgänger gibt’s?

David Reumüller: Ich sag’s ehrlich, es sind bei mir sieben Stück.

Andreas Heller: Ähnlich.

Na passt, ich hoff, ich sitz heut mit den richtigen da.

David Reumüller: Das weiß man nie so genau.

Fotos:
Max Wegscheidler
Garfield Trummer

http://www.reflector.at