Mit seiner Quartett-Formation Fuzz Noir breitet der Bassist Raphael Preuschl seit mehreren Jahren musikalische Energiefelder vor dem geistigern Auge des Zuhörers aus. Bei der Gestaltung der, zwischen spannungsgeladener Stille und überbordendenKlangexzessen pendelnden musikalischen Landschaften kollaboriert Preuschl mit Saxophonist Wolfgang Schiftner, Gitarrist Peter Rom und Schlagzeuger Michael Prowaznik. Anfang 2006 erschien mit Uarrgh 2 der erste Tonträger von Fuzz Noir, mit dem die Intensität der Live-Konzerte eine gelungene Dokumentation erfährt. Das Interview führte Martin Gansinger.
Kannst du kurz etwas über die Entstehung und die Idee zur Gründung von Fuzz Noir erzählen?
Raphael Preuschl: Die ursprüngliche Idee stammt von Michael Prowaznik und mir, wir hatten uns ein musikalisches Konzept überlegt, das viel Raum für Improvisation vorsieht aber eben nicht unbedingt im Jazz-Kontext beheimatet sein muss. Nachdem ich bereits viel mit Peter Rom gearbeitet habe – ich spiele ja auch in seinem Trio – war für mich klar, dass er dabei sein muss. Dass wir uns als Bläser Wolfgang Schiftner geholt haben, war auch irgendwie nahe liegend, wir kannten uns ja auch schon recht lange. Das tolle an der Band ist, dass wirklich jeder Engagement zeigt und sich involvieren will, jeder hat von Anfang an Kompositionen mit eingebracht. Ich glaube, das merkt man auch sehr stark in der Musik, dass da einfach viele Persönlichkeiten mitmischen, jeder von uns legt seine Kompositionen anders an. Dadurch ist zwar ein erkennbarer Bogen vorhanden, weil wir die Musik eben gemeinsam interpretieren, aber die Gesamtpalette fällt dann doch sehr bunt aus. Fuzz Noir ist schon irgendwie eine Traumband für mich, von der Besetzung, vom musikalischen Horizont der Musiker, vom Zugang zu Grooves einerseits und subtilen Sounds und Sphären anderseits. Wolfgang bringt einfach dieses hyper-energetische Element mit ein, Michael hat eine irrsinnig intensive Art zu spielen, egal ob laut oder leise. Diese Dynamik in der Musik ist mir einfach wichtig. Peter hat wieder eine irrsinnig eigene, persönliche Art zu spielen, einen großen harmonischen Background, hat keine Scheu vor musikalischen Ausschweifungen – obwohl er uns auch immer wieder dazu animiert, die Essenz aus den Stücken herauszuarbeiten und auf die Spannungsbögen der Stücke einzugehen.
Dramaturgie spielt eine wichtige Rolle bei Fuzz Noir, das hört man auch ganz gut auf eurer Debüt-CD. Ergeben sich diese Spannungsbögen aus dem Spiel, oder legt ihr da vieles auch kompositorisch fest?
Raphael Preuschl: Es gibt zwar sehr viel Freiraum bei den Improvisationen, aber wenn es darum geht, einen Übergang zwischen einem lauten und einem leisen Teil zu schaffen, arbeiten wir schon viel mit auskomponierten Parts, die sehr wohl geübt, geprobt oder gespielt werden müssen, damit das vernünftig funktioniert. Ich selbst produziere sehr vieles am Computer vor, dadurch fällt das alles schon rechtklar aus, wenn ich es der Band präsentiere. Unsere Debüt-CD haben wir nach einer echten Konzertreihe aufgenommen und waren dementsprechend aufeinander eingespielt. Da hat es keine Fragen mehr zur Musik gegeben, wir sind
einfach ins Studio gegangen und haben 14 Stücke aufgenommen, wovon jetzt 11 auf der CD sind, die aber mit circa 70 Minuten ohnehin randvoll. Ich glaube, es ist uns auch bei der CD ganz gut gelungen, einen Spannungsbogen aufzubauen, den man sich gerne bis zum Ende anhört. Wir versuchen eben wieder an den Punkt zu gelangen, an dem die Nummern recht selbstverständlich
funktionieren, um dann in einer Studio-Session dieses Energie auch auf CD festzuhalten. Das Programm muss ganz einfach sitzen, darf aber auch noch nicht abgespielt sein. Das ist dann immer die Gefahr, wenn man das Programm schon zu oft in einer ähnlichen Reihenfolge durchgespielt hat, da denkt man sich manchmal schon, dass einem irgendwann vielleicht nichts wirklich Neues mehr dazu einfällt. Darum arbeiten wir momentan auch an einem neuen Programm, das sich zum Teil aus Kompositionen speist, die ich für andere Besetzungen geschrieben habe. Ein Stück, das ich für die im Rahmen der JazzWerkstatt ein beräumte Kontra5tett-Besetzung komponiert habe, oder aus der beim Jazzfest Wiesen entstandenen Fuzz Extended-Besetzung. Es gibt einige Stücke von Peter Rom und Wolfgang Schiftner, die ins neue Programm aufgenommen werden, auch Michael Prowaznik hat gerade eben wieder ein Stück geschrieben. Vieles habe ich auch schon im Trio mit Frederique ausprobiert, Hendrik Feder nennt sich das.
Ein neues Projekt?
Raphael Preuschl: Eigentlich handelt es sich um die Diplomband von Frederique, sie hat im Laufe des Studiums sehr viel geschrieben und ist eben selten dazu gekommen, etwas davon aufzuführen. Das Programm der Band hat sich eigentlich aus den Übergangsprüfungen und Diplomprüfungen von Frederique ergeben. Im Zuge dessen hat sie viel von diesem Material reaktiviert, hat sich sehr viele Gedanken zum Programmbogen gemacht. Wir spielen eben auch einige Lieder von mir, das heißt Frederique am Klavier und Lukas König am Schlagzeug, ich selbst spiele in diesem Trio Bassgitarre – wie auch bei Fuzz Noir. Ich komme eigentlich auch mehr von der Bassgitarre, hab’ darauf angefangen zu spielen, mit 14, 15 – der Kontrabass ist bei mir viel später dazugekommen. Nachdem mein Interesse am Jazz immer größer geworden ist, war eben irgendwann auch der Kontrabass interessant, weil er in diesem Kontext meistens einfach besser klingt. Das war mit 20, 21. Was ich überhaupt nicht mag, ist zwischen den Instrumenten zu wechseln, weil das technisch so unterschiedlich ist und ich mir immer sehr viel Zeit nehme, um mich auf ein Programm vorzubereiten und mich am jeweiligen Instrument einzuspielen und darauf einzustellen. Da gibt es Grifftechnisch und von der Ambition her was ganz anderes. Am Kontrabass muss man viel mehr mit dem Ton kämpfen und mit relativ viel Power spielen, am E-Bass geht es eher um das Subtile und die Lockerheit. Wenn man da zu verkrampft spielt, kommt man nicht allzu weit. Da wird der Sound eher schöner, je lockerer du spielst. Außerdem ist die Bassgitarre für mich auch vom Harmonischen her interessanter. Nachdem ich nicht Klavier spiele und eben irgendwann draufgekommen bin, dass es neben dem regulären Bassspiel und der Interpretation von Melodien ein breites Spektrum an harmonischen Strukturen gibt, habe ich mir auch eine hohe C-Saite auf den Bass gegeben, damit hab’ ich einfach auch harmonisch viel mehr Möglichkeiten. Ich liebe es am Kontrabass , diesen riesigen Resonanzkörper in Schwingung zu bringen, aber sobald es darum geht, den Klang elektronisch zu verstärken, hab’ ich bis jetzt noch keine zufrieden stellende Lösung gefunden.
Im Trio mit Clemens Salesny und Woody Schabata greifst du dann aber doch zum Kontrabass…
Raphael Preuschl: Ja, weil ich in dieser Formation größtenteils verstärkt und akustisch spielen kann. Es gibt ja kein Schlagzeug, eben nur Sax und Vibraphon. Im Februar gehen wir übrigens ins Studio, die CD erscheint im Mai oder Juni.
Du warst auch schon einige Male im Duo mit Lorenz Raab zu hören, mit einem Programm, das fast ausschließlich aus Kompositionen von Harry Pepl besteht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und gibt
es Pläne für eine Weiterführung der Idee?
Raphael Preuschl: Ich glaube Lorenz hatte schon länger die Idee, mit Harry Pepl zusammen zu arbeiten. Im Dezember 2005 ist er dann nach einem Konzert an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, gemeinsam mit ihm ein Programm mit Pepl-Nummern zu erarbeiten. Ich hab’ zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch relativ wenig von ihm gekannt, hab’ relativ wenig Bezug zu seine Arbeit gehabt. Insofern hat mich das Angebot interessiert, weil es eine ganz neue Herausforderung für mich war, zu zweit zu arbeiten. Im Duo kann ich mich natürlich sehr gut ausleben auf meinem Instrument. Ich hab’ mich dann natürlich sehr intensiv mit der Musik von Harry Pepl auseinandergesetzt, recht viel runtergehört und überlegt, wie ich das am besten auf der Bassgitarre umsetzen kann. Mittlerweile gibt es auch schon erste Pepl-orientierte Kompositionen von mir, das war dann schon irgendwie eine Inspiration für mich. Mit dem Lorenz verbindet mich einfach auch ein musikalisches Grundverständnis, gerade in kleinen Besetzungen ist es irrsinnig wichtig, rhythmisch und harmonisch mitzudenken. Beim Lorenz ist auch jeder Ton rhythmisch ganz eindeutig zuzuordnen, das gibt es keine Schwierigkeiten. Im Rahmen von einem Konzert im Miles Smiles haben wir auch Daniel Pepl, den Sohn von Harry Pepl, kennen gelernt, der uns gesagt hat, dass ihm unser Programm irrsinnig gut gefallen hat. Ein wunderbares Kompliment für uns, er setzt sich auch überhaupt dafür ein, dass die Musik seines Vaters nicht in Vergessenheit gerät.
Du bist seit kurzem auch Mitglied der ursprünglich als Trio-Formation angelegten Band Helikopter 111, das aus Wolfgang Schiftner, Lukas König und Leo Riegler an den Turntables und Electronics besteht…
Raphael Preuschl: Ich war letztes Jahr als Gast bei ihrem Konzert im Birdland, hab’ zufällig die Bassgitarre und ein neues Effektgerät dabeigehabt und bin dann auf Wunsch der Band im zweiten Set eingestiegen. Das hat gut funktioniert, wir haben mittlerweile einiges an Material aufgenommen. Diese Band ist für mich auch deshalb interessant, weil ich mehr so eine Gitarrenfunktion inne hab’, versuch verschiedene Sounds zu produzieren und weniger in der herkömmlichen Begleiterrolle agiere.
Du arbeitest generell ganz gern mit Effektgeräten…
Raphael Preuschl: Ich sehe das einfach als Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten, die ich aber auch nicht überstrapazieren möchte. Insofern versuche ich die Effekte schon eher vorsichtig einzusetzen und zu jedem Lied irgendwie einen passenden Sound zu finden. Was bei den analogen Geräten ohnehin nicht ganz leicht ist, weil das alles recht unvorhersehbar ist, was da am Ende wirklich passiert, wenn man auf fünf Effektgeräten gleichzeitig draufsteht. Bei der digitalen Variante hast du eine Preset-Einstellung, da kann man sich den Sound vorher ganz genau auschecken und abspeichern. Aber jedes dieser analogen Effektgeräte hat eben einen ganz eigenen Sound, einen eigenen Charakter, deswegen verwende ich lieber dieses Equipment. Die Auswahl der verwendeten Effektgeräte sagt ja auch sehr viel über die Musikerpersönlichkeit aus, finde ich. Prinzipiell achte ich aber immer darauf, mich den Voraussetzungen innerhalb einer Band anzupassen, bei Hendrik Feder zum Beispiel versuche bewusst auf Effekte zu verzichten. Da experimentiere ich viel mehr mit dem Instrument selbst, mit Slides, oder ich stecke Karton zwischen die Saiten, um einen Dämpfungseffekt zu erzielen.
Sind das auch Stilmittel, die eventuell bei Fuzz Noir Verwendung finden werden?
Raphael Preuschl: Mit den gedämpften Saiten versuche ich irgendwie auch afrikanische Percussion-Instrumente nachzuempfinden, das ist ein Ansatz den ich jetzt vermehr t in die Musik von Fuzz Noir einbringen möchte. Michael Prowaznik hat ja auch schon mit einem Gitarristen aus Benin gespielt, der auch schon mit Herbie Hancock gespielt hat. Michael hat auch einen starken Südafrika-Bezug, war letztes Jahr dort und hat gemeinsam mit einem Bassisten etwas aufgenommen und sich natürlich einigermaßen in afrikanische Musik eingehört. Er hat mich auch irgendwie dazu motiviert, in diese Richtung zu experimentieren, mit den gedämpften Saiten versuche ich mich dem Klang einer Kalimba oder Kora anzunähern. Das heißt jetzt nicht, dass das Ergebnis dann unbedingt viel mit afrikanischer Musik zu tun hat, aber die Inspiration kommt auf jeden Fall von dort. Nur, meiner Meinung nach ist es völlig sinnlos, zu versuchen, irgendetwas nachzuahmen, zu reproduzieren. Dazu bin ich auch gar nicht in der Lage, das kann auch nur Pseudo-mäßig klingen.
Foto Raphael Preuschl: Helmut Lackner
Foto Fuzz Noir: Helmut Lackner