„Genug für die City“, das neue und inzwischen dritte Album der Wiener Combo 5/8erl in Ehr`n, hat große Chancen, am Ende des Jahres in den vielen Bestenlisten ganz vorne aufzuscheinen. Denn was die fünfköpfige Truppe abgeliefert hat, ist schon ganz großes Kino. Wunderbar abwechslungsreiche Songs, intelligente und fesselnde Arrangements und eine stilistische Vielfalt, wie man sie nur selten zu Gehör bekommt. Ein faszinierendes Album, welches auf wunderbare Weise darstellt, von welch Vielfalt und Lebendigkeit die Wiener Musikszene tatsächlich ist. Die beiden Sänger der Band, Max Gaier und Bobby Slivovsky, im Gespräch mit Michael Ternai.
Max, du hast mir schon vor dem Interview erzählt, dass es dieses Mal so war, dass alle ihren Beitrag zu den neuen Songs geleistet haben?
Max: Sagen wir so, einen Beitrag aus kreativer Sicht, wie etwa beim Arrangieren der Songs, haben alle eigentlich schon immer geleistet. Dass aber diesmal auch Kompositionen von der Miki Liebermann (Gitarre) und dem Clemens Wenger (Akkordeon) dazu gekommen sind, das ist neu. An den Songs von „Gut genug für die City“ haben wirklich alle mitgeschrieben.
Wie seid ihr diesmal an die Sache herangegangen. Denn hört man sich durch die neuen Songs durch, erschienen diese, im Vergleich zu euren älteren Sachen, noch um eine Spur stilistisch vielfältiger. War es eine bewusste Öffnung?
Bobby: Eigentlich muss man ehrlich sagen, dass das uns immer irgendwie passiert. Man schreibt einmal hier einen Text und da eine Nummer, lässt das Ganze dann eine Zeit lang liegen, kramt es irgendwann wieder hervor, arbeitet daran weiter, geht ins Studio und nimmt auf. Und am Schluss, wenn alles fertig ist und man zum ersten Mal die Songs in fertiger Form hört, dann erst kommt man eigentlich darauf, was in den letzten drei Jahren wirklich passiert ist. Und aus diesem Ansatz heraus, denke ich, entsteht eine solche Vielfalt.
Max: Lustigerweise finde ich, dass unsere neuen Stücke gar nicht einmal so abwechslungsreich klingen. Was eigentlich auch klar ist, wir kennen sie ja schon. Ich glaube, die Nummern sind eher eine Art Gedankenbericht über das, was man in der letzten Zeit erlebt hat. Man hat viele Konzerte gespielt, ist viel herumgekommen und hat einiges erlebt. Und all diese Erfahrungen und Erlebnisse finden dann eben in der Musik ihren Ausdruck.
Habt ihr euch zu Beginn eigentlich vorstellen können, dass eure Band einmal so hohe Wellen schlagen wird?
Bobby: Nein, das haben wir nicht getan. Wir haben dafür einfach viel zu viel Spaß an der Musik. Klar, hat man dann doch irgendwie Träumereien. Als Zehnjähriger habe ich mir auch gewünscht, einmal so zu sein wie die Beatles oder Elvis Presley. Jetzt bin ich 32 und so wirklich erfüllt hat sich der Traum dann doch nicht. Haben wir uns irgendwie etwas erwartet? Nein. Die einzige Erwartung und zugleich Vorgabe war, dass wir uns entsprechen. Und das nur uns und niemandem anderen.
Und das ihr in Richtung Dialektmusik gegangen sein?
Bobby: Das war das einzige, was uns ganz klar war. Weil wir beide haben keine Ahnung vom Englischen und das Hochdeutsch hört sich bei uns auch schon sehr gebrochen an (lacht).
Max: Ich kann einfach keine Texte auf Englisch schreiben. Das wird immer peinlich. Darum hat sich die Frage eigentlich auch nie gestellt. Es war immer da Naheliegendste, in der Sprache die Texte zu verfassen, in welcher man sich auch unterhält.
Bobby: Ich habe mit 11, 12 schon meine ersten Gedichte geschrieben, die auch schon damals songtextähnlich gestaltet waren. Und die waren auch alle in der Mundart geschrieben. Daher war die Entscheidung auch irgendwie eine logische.
5/8erl in Ehr`n – Leben wie Qualtinger und Sterben wie Heller by mica
Kann man vielleicht soweit gehen und sagen, dass eure Musik in gewisser Weise für den universellen modernen Wiener Sound steht?
Max: Es ist schön, wenn du das sagst. Ich selber, traue mich das nicht zu behaupten.
Bobby: Universeller Wiener Sound? Uns fehlt es in Österreich, finde ich, überhaupt an einer Art musikalischer Identität. Und das daran das Radio Schuld hat, das brauchen wir eigentlich nicht mehr wirklich breit treten. Aber wenn ich jetzt Broken.Heart.Collector hernehme, so ist das genauso Wiener Musik. Das, was in dieser Stadt musikalisch passiert, ist inzwischen schon sehr, sehr breit gefächert. Nur bekommen die normalen Leute, die weniger mit Musik zu tun haben, leider nicht den Zugang, es sei denn, jemand beschäftigt sich intensiv und permanent mit diesem Thema. Die Wiener Musikszene ist eine stilistisch ungemein vielfältige, was es auch für uns unmöglich macht, alles in unserer Musik zu vereinen. Aber das Kompliment nehme ich natürlich an.
Max: Was ich in diesem Zusammenhang sehr interessant finde ist, dass es so etwas wie die Kölner Schule oder die Berliner Schule gibt, hier sich aber niemand wirklich traut, von einer Wiener Schule oder von der Wiener Musik zu sprechen. Und genau darum finde ich es auch wirklich cool, dass jemand damit beginnt, die kreativen Bands, die in dieser Stadt am Werken sind, zu benennen und sie als Vertreter des Wiener Sounds darzustellen. Aber da sind wir eben nicht die einzigen, sondern vielmehr nur ein Teil von dem, was alles in Wien passiert.
Wie geht ihr eigentlich textlich an die Sache heran?
Bobby: Ich sage einmal so, wir bewegen uns in der Gesellschaft und greifen natürlich Dinge auf, die uns interessieren oder stören, und sind insofern in gewisser Weise auch ein wenig ein Spiegel dessen. Auf der anderen Seite, wie wir das machen? Das ist ganz verschieden. Der eine Text flutscht in 20 Minuten heraus, für den anderen braucht man 1 ½ Jahre. Manchmal ist es auch ganz einfach ein Dialog zwischen Max und mir. Der eine bringt eine Zeile, dann kommt der andere wiederum mit einer anderen daher. Dann liegt das Ganze wieder ein paar Wochen in der Schublade bis jemand den passenden Refrain findet. Manchmal ist die Musik vorher da, manchmal der Text und dann weiß man nicht, wie das Ganze überhaupt zusammen passen soll. Und, und, und. Es ist ein ständiger Prozess.
Seht ihr euch als politisch.
Bobby: Absolut.
Max: Ich finde, jedes Lied mit Aussage ist schon politisch. Jede Aussage, die man tätigt ist politisch. Wir haben auf der CD einen Hidden Track. In diesem läuft im Hintergrund die Nummer „Hier ist ein Mensch“ von Peter Alexander und die Wirtin sagt: „des is ka politisches Liad, des is a soziales Liad, des is a gefühlsmäßiges Liad“ und der Slivo sie daraufhin fragt: „Was ist der Unterschied“. Ich finde, politisch ist eh alles. Sobald man den Anspruch hat, irgendwie eine Message zu haben oder etwas zu sagen, egal was, ist es politisch.
Bobby: In Zeiten wie diesen kann man eigentlich gar nicht unpolitisch sein. Da würde einem ja etwas entgehen. Weil, ich will schon irgendwie irgendetwas verändern. Ob ich es wirklich schaffe, da bin ich mit nicht sicher. Aber deswegen macht man es ja auch nicht. Der Glaube daran muss ja reichen. Und wir machen das in unseren Texten auch eher subtil. Wir sind nicht jene, die die großen Weisheiten haben. Da verbrennst du dir schnell die Finger. Da ist es gescheiter, es zwischen den Zeilen zu machen und jeder nimmt sich dann das heraus, was er braucht.
Schön zu beobachten ist, dass eure Musik auch generationenübergreifend funktioniert. Dass nicht nur junge Leute sie hören, sondern auch solche, die mit zum Beispiel Wolfgang Ambros aufgewachsen sind.
Bobby: Das ist mir auch schon aufgefallen. Unser Publikum ist grob geschätzt zwischen 20 und 80 Jahre alt.
Max: Nach einem Konzert ist schon einmal ein ur cooler junger Hip Hopper zu mir her gekommen, der gemeint hat, dass er es super findet, dass er gemeinsam mit seinem Opa das Konzert besuchen konnte. Das freut uns natürlich total.
Wo verortet ihr euch in Wien, in welcher Szene? Stellt ihr euch die Frage überhaupt?
Max: Es gibt den Verein Soulfood Records, mit dem wir eng verbunden sind und der in erster Linie mit szene- und genreübergreifenden Dingen beschäftigt ist und versucht die Musik aus den Nischen herauszuholen. Das Konzept, welches hinter diesem Verein steckt, ist, den Leuten über ihren eigenen Horizont etwas Neues anzubieten. Dass zum Beispiel Hip Hop Fans bei einem Konzert nicht nur Hip Hop zu hören bekommen, oder Liebhaber des Freejazz nur die Art von Musik. Es geht darum, die Leute auch mit dem Anderen zu konfrontieren. Und so sehe ich auch unsere Arbeit. Ich will jetzt nicht unbedingt einer bestimmten Szene angehören, vielmehr soll unsere Musik Menschen verschiedener Gruppen ansprechen. Deshalb glaube ich, das Genredenken fängt bei der Vereinfachung an und hört bei der Zensur auf, für den Akteur genauso, wie für den Rezipienten. In welcher Szene wir uns bewegen? Wir ecken überall irgendwie an und bewegen uns immer irgendwo dazwischen. Was ich aber als sehr angenehm empfinde.
Aber von Nachteil ist es nicht, dass die einzelnen Mitglieder eurer Band die Fans der anderen Projekte, in denen sie spielen, quasi mitnehmen?
Max: Das ist ja auch die Idee von Vienna Soulfood. Dass sich die Szenen gegenseitig unterstützen und ihr Publikum zusammenbringen. Wenn Leute aus verschiedenen Richtungen gemeinsame Sache machen, kann man viel mehr erreichen. Vielfalt, und das sollte man in Wien auch einmal erkennen, ist eine große Chance und nicht etwas, das einen behindert. Unsere Chance ist es, das wir auf Wienerliedfestivals genauso spielen können, wie in Jazzclubs oder bei einem Popfestival. Darüber hinausgehend, haben ich und ein paar andere Leute den Wien Kollektor gegründet, unter dessen Dach sich verschiedene Kollektive, wie etwa die Jazzwerkstatt Wien, das Polyamory Sound Festival, Maja`s Musikmarkt und Viennese Soulfood zusammenschließen, um gemeinsame Sache zu machen. Denn eine unterstützende Basis für MusikerInnen und Bands hierzulande, blickt man auf öffentlich-rechtlichen Medien, ist nicht wirklich vorhanden. Ähnlich sieht es in der Kulturförderung in Österreich aus, wo 95 % der Förderungen an die sogenannte Hochkultur geht. Und da haben wir die Anna Nedrebko, die sich für einen Putin ausspricht. Und wenn die zur Hochkultur gehört, die so massiv gefördert wird, sieht es nicht gut aus für Österreich. Deshalb gilt es, sich zu organisieren, damit irgendetwas Gescheites passiert.
Betrachtet man die vergangenen Jahre hat sich in der heimischen Musikszene, und das ganz unabhängig von Genre, ja unglaublich viel getan. So viele junge und talentierte Acts hat es auf der wahrnehmbaren Bildfläche vermutlich noch nie gegeben. Und viele von denen haben auch eben wegen der vorher erwähnten mangelnden Unterstützung das Heft selbst in die Hand genommen. Inwieweit, glaubt ihr, handelt es sich hier um eine Art Trotzreaktion. „Jetzt erst recht“.
Bobby: Ich bin mir gar nicht einmal so sicher, ob es sich um eine Trotzreaktion handelt. Vielleicht ist die Zeit einfach wieder reif für eine kreative Welle. Ich sage einmal so, wenn man sie die Geschichte ansieht, lebt die Kreativität, wenn es wirtschaftlich nicht besonders gut aussieht und die Leute politisch gefrustet sind, immer auf. Wenn schon, so glaube ich, dann findet der Trotz seinen Ausdruck im Inhaltlichen. Musik macht man, weil es einen Spaß macht….
Was ich meine ist, blickt man etwa auf die neunziger Jahre, vor allem die bereits arrivierten Leute wie Fendrich oder Ambros, ohne über deren Schaffen zu urteilen, die heimische Musikszene, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, bestimmt haben. Junge Künstler, die kreativ tätig waren, dagegen haben, wenn überhaupt, nur sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen…….
Bobby: Ja, weil sich die sogenannten alten Herren auch nicht darum gekümmert haben, dass junge Leute nachkommen. Was eigentlich meiner Meinung nach auch irgendwie ihre Aufgabe gewesen wäre. Wenn man den anderen im Radio so viel Platz wegnimmt, dass diese überhaupt nicht gespielt werden, klar erscheint es dann so, dass es sonst nichts gibt. Daran hat sich aber nicht viel geändert. Hör dir doch jetzt einmal Radio Wien oder Ähnliches an. Da wird immer noch das Alte rauf und runter gespielt. Du hörst Fendrich, Ambros, Danzer usw., nur nicht das, was aktuell passiert.
Max: Ich glaube nicht, dass die Leute früher weniger kreativ gewesen sind wie heute, nur haben sie die Öffentlichkeit nicht erhalten. Und vielleicht war auch die Neugierde nach etwas Neuem noch nicht vorhanden. Vielleicht hat sich da etwas verändert. Vielleicht sind die Leute inzwischen auch übersättigt von dem, was eh immer gleich ist und suchen nach alternativen Musiken.
Bobby: Und die alten Herren werden ja auch immer älter. Dass man so viel Platz im Radio bekommen und sich niemals um die Jungen gekümmert hat, verstehe ich nicht. Wer von diesen Leuten hat ein Label oder eine Agentur gegründet und kümmert sich um das, was für ihn in der österreichischen Musik wichtig ist. Dass der Herr Fendrich einmal ordentlich verdient hat und auch der Ambros sein Hauserl haben wird, ist klar. Und ich vergönne es ihnen auch. Nur sollte es auch zur Identität eines Künstlers gehören, dafür zu sorgen, dass etwas nachkommt. Man ist ja nicht alleine auf der Welt. Ein gutes Beispiel ist Herbert Grönemeyer. Der hat ein eigenes Label Grönland Records gegründet und schaut sich um, wen er in welcher Form unterstützen kann. Naja, vielleicht machen wir es einmal anders.
Zum Abschluss. Ihr habt ja eure Präsentation morgen. Wie sieht es aus? Seid ihr aufgeregt oder nehme ihr es eher gelassen?
Max: Reden wir nicht darüber. (lacht)
Bobby: Ich bin schon sehr aufgeregt. Was aber bei mir bei jeder CD-Präsentation der Fall ist.
Max: Ich bin zwar vor Konzerten nie aufgeregt, aber vor Präsentationen umso mehr. Du präsentierst eben etwas Neues und bist selbst noch eher unsicher. Aber es wird sicher sehr schön werden. Es werden viele der Leute kommen, die uns geholfen haben und natürlich auch viele andere. Ich glaube, es wird eine schöne Feier werden. Die Präsentation einer neuen CD ist eben ein guter Anlass, einmal so richtig abzufeiern.
Bobby: So versuche ich es auch zu sehen, trotzdem bin ich sehr nervös. (lacht)
Danke für das Interview
Fotos: Rania Moslam
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