mica-Interview mit Martin Reiter

In seiner bisherigen Karriere hat Martin Reiter, geboren 1978, bereits mit zahlreichen nationalen sowie internationalen Musikgrößen zusammen gearbeitet und einige wichtige Musik-Preise (Austrian Young Lions Award, Hans Koller Preis) mit nach Hause genommen. Im Interview spricht er über sein gerade erschienenes Album, seine musikalischen Anfänge und seine Zukunfts-Pläne.

Am 21. September ist dein neuestes Album “Alma” erschienen. Kannst du ein wenig über dessen Entstehungsgeschichte und Einflüsse erzählen? Wie ich gehört habe, ist ja vor allem brasilianische Musik ein wesentliches Element gewesen.

Martin Reiter: Brasilianische Musik war tatsächlich ein großer Einfluss für dieses Album. Der Titel “Alma” selbst stammt ebenfalls aus dem Portugiesischen und bedeutet soviel wie “Seele”. Es ist mir auch sehr wichtig, dass das sozusagen als Überbegriff der Stücke steht, weil ich das Gefühl habe, dass die Musik, die jemand macht, auch der Spiegel der Persönlichkeit ist, wie man also als Person musikalisch agiert.

Ein wirklich schönes Thema also und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass sämtliche Stücke echt sind, nicht gekünstelt, abgekupfert, kopiert oder irgendetwas nachempfunden. Die Stücke sind während dem Spielen und Üben gekommen und spiegeln das, was in mir vorgeht, ziemlich genau und unverfälscht wider.

Unter anderem habe ich daher Schwierigkeiten, mit Leuten zu spielen und Musik zu machen, bei denen das nicht so ist. Leute also, bei denen ich das Gefühl habe, es geht ihnen primär oder ausschließlich um die Zurschaustellung irgendwelcher spieltechnischen Fähigkeiten.

Als hervorragendes Gegenbeispiel dazu möchte ich vor allem zwei Musiker hervorheben, nämlich Ana Paula Da Silva und Alegre Correa. Die beiden sind mir einfach aufgefallen, weil ich sofort das Gefühl hatte, dass eine ähnliche Ehrlichkeit in ihrer Musik vorhanden ist, zu der ich mich hingezogen fühle. Es hat sich so ergeben, dass ich beide kennen gelernt habe und bereits bei deren Projekten mitgespielt habe und dann war es eigentlich relativ nahe liegend, sie auch für mein eigenes Projekt einzuladen.

Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass beide zugesagt haben, an “Alma” mitzuwirken und ich würde sagen, die brasilianische Färbung bekommt die Musik vor allem durch deren Teilnahme, weil sie eben Brasilianer sind und dementsprechend mit diesem Background Musik machen.

Neben diesen beiden gerade genannten Musikern hat auf “Alma” noch eine ganze Reihe anderer Leute mitgespielt. Von deinen bisherigen Aufnahmen eigentlich sogar die größte Anzahl an beteiligten Musikern.

Martin Reiter: Ja, schon. Die Besetzung ist bei allen Stücken unterschiedlich ausgefallen. Manche sind solo, manche im Quartett, manche mit fünf oder sechs Leuten und ein Stück ist dabei, das in ganz großer Besetzung aufgenommen wurde. Bei dem ist auch eine Bratsche zu hören, die von meiner Schwester Judith gespielt wird, die auch eine ganz tolle Musikerin ist.

Ebenfalls wichtig zu erwähnen ist Bertl Mayer an der Mundharmonika, der selbst schon vorher mit Alegre Correa und Ana Paula Da Silva gespielt hat. Ihn kenne ich nun auch schon sehr lange und sein Sound verleiht dem Ganzen auch eine sehr typische Färbung.

Natürlich darf dann noch Matthieu Michel nicht unerwähnt bleiben, der unter allen Musikern auf der ganzen Welt derjenige ist, den ich am meisten bewundere und der mein allergrößtes Vorbild ist. Deshalb bin ich auch sehr froh darüber, dass er bei dem Album mitgemacht hat.

Die tolle Rhythmusgruppe darf natürlich ebenfalls nicht vergessen werden und ist auch gar nicht wegzudenken, weil ohne sie das alles unmöglich gewesen wäre. Namentlich sind das Matthias Pichler am Bass und Peter Kronreif am Schlagzeug, mit denen zusammen ich auch ein Trio habe, mit dem wir wirklich sehr viel spielen. Eigentlich die genialsten Partner, die ich nur hätte finden können. Bei einer Nummer hat schließlich noch Juan Garcia Herreros am E-Bass geholfen.

Wenn du ins Studio gehst, nicht nur für “Alma”, sondern generell bei allen deinen Aufnahmen, weißt du bereits im Vorhinein, in welcher Besetzung die jeweiligen Stücke eingespielt werden sollen, oder kann sich das im Studio im Verlauf der Arbeit auch wieder komplett ändern?

Martin Reiter: Grundsätzlich sind die Stücke teilweise schon so beschaffen, dass die Möglichkeit besteht, im Studio flexibel zu agieren. Das heißt, man kann, wenn man beim Aufnehmen drauf kommt, dass einem etwas nicht gefällt, immer noch etwas ändern. Allerdings ist das dann natürlich mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. Je mehr man also schon vorher weiß, was man möchte, desto weniger Zeit benötigt man dann im Studio, welches natürlich Geld kostet. Deshalb bemüht man sich, so effizient wie möglich zu arbeiten.

Es gibt aber durchaus einige Dinge, wo jeder Mitmusiker willkommen ist, sich mit seiner Meinung einzubringen und mitzureden. Viele von den Stücken sind so beschaffen, dass es eine Melodie gibt und Harmonien, es aber relativ offen bleibt, was mit dem Stück letztendlich passiert und wie es ausgestaltet wird. Es kann sich also jeder Musiker mit seiner eigenen Persönlichkeit ziemlich gut einbringen.

Gerade eben bist du ja mit dem Alma-Ensemble auch auf Tour. Setzt ihr bei den Auftritten eher auf Improvisation oder halten sich die Stücke im Wesentlichen an die Versionen, die auch auf dem Album zu finden sind?

Martin Reiter: Im Prinzip ist es natürlich schon so, dass man einen ziemlich großen Unterschied zwischen Studioarbeit und Live-Spielen beobachten kann. Bei letzterem ist einfach für bestimmte Dinge mehr Platz. Es ist auch spannender, wenn man die agierenden Musiker direkt vor sich sehen kann. Im Studio hält man Stücke eher kurz und bündig und auch die Solos fallen nicht so lange aus.

Live wird definitiv sehr viel improvisiert und es kann auch passieren, wenn das Publikum von der Darbietung begeistert ist, dass ein Solo doppelt oder sogar dreimal so lange gespielt wird, wie auf Platte.

Von den grundsätzlichen Strukturen jedoch ist der kompositorische Anteil eigentlich immer gleich, sowohl im Studio als auch live. Bei manchen Stücken sehr gering, bei anderen wiederum sehr hoch. Bei meiner Musik ist das immer sehr unterschiedlich. Auf jeden Fall ist für die Bandmitglieder aber immer und überall ausreichend Platz vorhanden, um sich ausleben zu können.

Bist du bei der Studioarbeit eigentlich Perfektionist? Das heißt, arbeitest du an einem Stück wirklich so lange, bis du sagst, das ist jetzt genau so, wie es sich vorher in deinem Kopf angehört hat, oder ist es manchmal so, dass du dir denkst, jetzt ist schon so lange an dem Lied gearbeitet worden und näher als mit dieser bestimmten Version, kommst du an deine Vorstellung nicht mehr heran und belässt es dann einfach so.

Martin Reiter: Das ist eine sehr gute Frage. Perfektionismus ist wichtig, weil man einfach den Willen und inneren Antrieb braucht, dass man etwas so gut wie möglich machen will. Auf der anderen Seite kann man sich selbst mit einer zu großen Portion Perfektionismus auch wieder im Weg sein.

Wie jeder, der damit zu tun hat weiß, kann man im Prinzip an einer Nummer genauso gut eine Woche lang im Studio sitzen und alles bis ins kleinste, perfekte Detail austüfteln. Dafür habe ich aber zum ersten nicht die Zeit, weil ich die Musiker nicht so lange verpflichten kann, zum zweiten waren auch die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht vorhanden. Irgendwie ist das aber auch keine Arbeitsweise, die mir gefällt.

Wir haben versucht, dass wir die meisten Stücke live einspielen, damit auch die Live-Atmosphäre erhalten bleibt. Trotzdem klingt aber auch alles relativ sauber und clean, was auch seinen Reiz haben kann. Im Prinzip haben wir aber eigentlich pro Stück nie mehr als drei oder vier verschiedene Versionen gemacht und dann davon immer eine ganze Version verwendet. Wir haben also nicht an den Nummern herum geschnitten oder Teile von verschiedenen Versionen verwendet.

Wir haben uns lediglich die Möglichkeit zu Nutze gemacht, kleine Details, die einen sonst vielleicht ein ganzes Leben lang stören, wenn sie auf der Platte bleiben, auszubessern. Wenn zum Beispiel in einem Stück die Bratsche super intoniert ist und dann sind da zwei Töne, die zu hoch sind, dann schaut man natürlich, dass man das richtet. Mit so etwas habe ich aber eigentlich überhaupt kein Problem, weil man die vorhandenen technischen Möglichkeiten durchaus ausschöpfen sollte.

Stichwort “Störende Details”. Wenn du dir alte Platten von dir anhörst, ist da irgendetwas dabei, das dir heute überhaupt nicht mehr gefällt, mit dem du komplett unzufrieden bist?

Martin Reiter: Ja, da gibt es sehr viele. Wahrscheinlich kann das fast jeder Musiker bestätigen, dass sich selbst zu hören, prinzipiell schon einmal irgendwie eine Krise ist. Wenn das dann noch alte Aufnahmen sind, ist diese Wirkung noch stärker. Für mich ist es immer sehr schwer, zu entscheiden, welches Material soll veröffentlicht werden, bzw. welches soll beispielsweise zum Probehören online gestellt werden.

Auf MySpace, das wird den meisten Musikern und Musikbegeisterten ja bekannt sein, hat man ja die Möglichkeit, eigene Stücke ins Netz zu stellen, die sich dann jeder anhören kann. Ich habe mir gedacht, wenigstens ein Stück meiner alten Platte da rauf stellen zu wollen, die immerhin erst zwei Jahre alt ist. Ich habe versucht, das allerbeste Lied heraus zu finden und selbst wenn ich das höre, kommt mir das Gruseln – leider.

Aber ich glaube, dass das ganz normal ist. Man entwickelt sich eben ständig weiter und es wäre furchtbar, wenn ich mit dem, was ich vor Jahren gemacht habe, immer noch zufrieden wäre.

Es ist aber schon interessant, wie sich bei so etwas mit der Zeit die Wahrnehmung der eigenen Stücke ändert. Ich nehme einmal an, dass du beim Release der alten Sachen mit diesen zufrieden warst, sonst hättest du sie ja nicht veröffentlicht.

Martin Reiter: Zu hundert Prozent zufrieden ist man nie. Ich glaube, mit gutem Gewissen sagen zu können, dass es da den meisten Kollegen so geht. Ich glaube, man muss auch irgendwo einmal einen Strich ziehen und sagen, o.k., zu 100 Prozent werde ich nicht zufrieden sein, aber 95 Prozent habe ich geschafft und das ist gut genug, um damit nach außen zu gehen und es zu veröffentlichen.

Lässt du dich bei dieser Entscheidung von deinen Mitmusikern beeinflussen? In der Weise, dass sie sagen, das Stück ist eigentlich so wie es ist perfekt, du dir aber denkst, dass da eigentlich noch jede Menge gemacht werden muss, bevor es veröffentlicht werden kann.

Martin Reiter: Eigentlich ist das genau umgekehrt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich, als Verantwortlicher beispielsweise für die CD-Aufnahme, weitsichtiger und weniger streng sein muss, als die anderen. Wir hatten ein paar solcher Situationen, wo einer der Mitmusiker gemeint hat, er wäre bei diesem Stück mit seinem Solo überhaupt nicht zufrieden gewesen und würde am liebsten noch eine andere Version aufnehmen, ich jedoch geantwortet habe, dass das wirklich super klingt.

Kleine Ecken und Kanten sind immer bei solchen Einspielungen vorhanden, auch bei neuerlichen Einspielungen und deshalb bin ich oft dafür, das dann einfach so zu belassen. Wenn der betreffende Musiker aber trotzdem meint, er möchte es wirklich noch mal einspielen, weil er es überhaupt nicht hören kann, dann stehe ich dem natürlich auch nicht im Weg.

Als Bandleader steht man halt oft vor dem Problem, dann man auf die eigenen Bedürfnisse meistens am allerwenigsten achten kann. Damit muss man aber leben.

Bis jetzt scheint diese Herangehensweise für dich ja auch sehr gut funktioniert zu haben.

Martin Reiter: Ja, es funktioniert ganz gut, wobei ich sagen würde, dass beispielsweise die Rolle, die das Klavier auf der letzten Platte spielt, eigentlich keine virtuose, aufregende war. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich einfach keinen Kopf dafür gehabt habe. Für mich war aber auch nicht die Hauptsache, jetzt selbst am Instrument brillieren zu können, sondern, dass sich die ganze Musik als Einheit gut anhört und das ist definitiv der Fall.

Produzierst du ausschließlich eigene Sachen oder auch andere Künstler?

Martin Reiter: So wirklich konsequent eigentlich nur meine eigenen Sachen, wobei, jeder Musiker, der in einer Band am Erschaffungsprozess von Musik beteiligt ist, ein Stück weit Produzent ist. Produzieren spielt sich in der Vorstellung der meisten Leute nur im Studio ab, oder rund um die Aufnahme herum, aber in Wirklichkeit ist das oft ein langer Prozess.

Ich sitze oft auch mit Kollegen vor dem Computer und wir produzieren gemeinsam Musik. Gerade habe ich mich auf ein interessantes Projekt mit einem Freund eingelassen, wo wir zu zweit House produzieren, was mir irrsinnig viel Spaß macht.

Dieses Projekt ist gerade erst angelaufen?

Martin Reiter: Ja, das ist gerade erst angelaufen. Mein Freund ist auf diesem Gebiet eine ziemliche Choriphäe. Er hat einen total weiten Horizont und weiß ganz genau, wo, wann, in welcher Phase sich etwas abgespielt hat und auch wie im Moment Musik produziert wird. Selber spielt er allerdings kein Instrument und hat keine Ahnung von Akkorden oder Skalen. Er kann ausschließlich gefühlsmäßig sagen, was für ihn richtig oder was falsch ist. Jetzt haben wir uns so geeinigt, dass ich ihm irgendwie das harmonische Grundgerüst liefere und schaue, dass das alles passt und er teilt mir seine Ideen dazu mit. Ich muss das dann meistens erst für mich selber in eine musikalische Sprache übersetzen. So werken wir halt zu zweit dahin, was ich total spannend finde.

Das ist sicher eine enorme Herausforderung, wenn man nicht in einer gleichen musikalischen Sprache kommunizieren kann.

Martin Reiter: Ja, es ist wirklich irrsinnig interessant. Ich genieße es immer wieder, mit Leuten zu sprechen, die keine Fachmänner oder Fachfrauen sind. Für mich ist es total erfrischend, nach dem Konzert mit jemandem zu reden, der überhaupt keine Musik macht, da ganz andere Dinge beobachtet werden. Oft sind auch die Statements zur Musik viel ehrlicher und beinhalten Dinge, an die man selbst überhaupt nicht gedacht hat.

Jemand, der nicht Musiker ist, würde dann beispielsweise sagen, ihm hätte das ganze Konzert wahnsinnig gut gefallen, aber ein Teil in der Mitte, der sich so oft wiederholt hat, sei ihm doch ziemlich auf die Nerven gegangen. Für so etwas bin ich irrsinnig dankbar und auch jederzeit bereit, Dinge am Arrangement oder der Komposition zu ändern, weil man auf eine bestimmte Art und Weise mit der Zeit betriebsblind wird.

Man sieht bestimmte Sachen vielleicht gar nicht mehr, die ein Konsument mit ein wenig Abstand hingegen sehr wohl beobachten kann.

Jetzt haben wir schon viel über deine neuen, aktuellen Sachen gesprochen. Kannst du ein wenig etwas über deine musikalischen Anfänge erzählen? Wie bist du überhaupt zum Jazz gekommen? Die meisten jungen Leute fühlen sich ja eher zur Rockmusik hingezogen.

Martin Reiter: Tatsächlich waren das auch meine Anfänge. Ich habe als zweiter Keyboarder in einer Guns’N’Roses Cover-Band gespielt, was ja eigentlich für sich genommen schon ein Irrsinn ist. Aus dieser Besetzung hat sich dann später eine super Band namens Guanako ergeben, die mittlerweile zwar nicht mehr existiert, aber damals einen tollen Bandwettbewerb gewonnen und sogar eine CD bei BMG heraus gebracht hat. Da war ich am Anfang mit dabei und auch dann bei der CD-Aufnahme.

Zuerst bin ich als Schüler ganz normal in die Musikschule gegangen und meine Lehrerin hat Gott sei Dank gemerkt, dass, jedes mal, wenn sie mir moderneres Repertoire zum Lernen gegeben hat, ich dieses sofort in der nächsten Stunde auswendig konnte, während sich Beethoven-Sonaten ewig gezogen haben. Die hat dann auch gemeint, dass es besser wäre, wenn ich zu einem anderen Lehrer wechseln würde.

Ich bin dann zu einem gekommen, der sich mit Jazz sehr gut auskennt und mir die Grundbegriffe beigebracht hat. Das hat in meiner Entwicklung sicher eine tragende Rolle gespielt. Dieser Lehrer hat mich dann ein paar Jahre lang begleitet und war auch verantwortlich dafür, dass ich in der musikalischen Richtung meine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt habe. Ich habe immer relativ schnell neue Sachen gelernt und wenn er selbst keine Zeit hatte, einen Termin wahrzunehmen, hat er ziemlich oft mich als Pianist oder Keyboarder geschickt.

Generell ist das Umfeld für Jazz in Oberösterreich aber nicht schlecht. Es gibt dort sehr viele gute Musiker, die zusammen eine tolle oberösterreichische Jazz-Szene formen. Jede größere Blasmusik hat beispielsweise auch eine Big Band, die zwar immer genug Trompeter, Saxofonisten, Posaunisten hatten, aber meistens keine Pianisten. So habe ich dann mit ungefähr 16 oder 17 Jahren schon in ungefähr zehn verschiedenen Big Bands agiert und das Repertoire von vorne bis hinten durchgespielt.

Es hat sich in Folge dann ergeben, dass ich auf Jam-Sessions gelandet bin und auch mitgekriegt habe, dass man Jazz eben auch studieren kann und so hat eigentlich alles irgendwie automatisch seinen Lauf genommen.

Die Entscheidung, Berufsmusiker zu werden, beziehungsweise die Erkenntnis, das überhaupt machen zu können, war bei dir dann also eher fließend.

Martin Reiter: So würde ich das sagen. Den Wunsch hatte ich schon lange ganz stark, nur habe ich es lange nicht für möglich gehalten. Man wächst mit gewissen Vorurteilen auf, wie schlimm nicht das Musikerdasein oder das Überleben als Künstler ist. Bei mir hat sich das alles dann aber ziemlich homogen ergeben, weil ich schon vor meiner Matura ziemlich viel auf der Bühne gestanden bin und danach gleich zur Militärmusik gegangen bin. Da darf man am Nachmittag auch weg, wenn man am Konservatorium ein Instrument studiert. Eigentlich habe ich auch hauptsächlich aus diesem Grund dort die Aufnahmeprüfung gemacht, wobei ich überzeugt war, diese nicht zu bestehen.

Letzten Endes hat dann aber doch alles bestens funktioniert und bis jetzt ist alles einfach immer so weiter gewachsen und hat sich weiter entwickelt.

Wie ich auf deiner MySpace-Seite gelesen habe, warst du Anfang des Jahres in Afrika. Kannst du darüber ein wenig erzählen? Vielleicht über die Eindrücke, die sich bis heute gehalten haben.

Martin Reiter: Ich war zweimal in Afrika. Im Februar für drei Wochen in Südafrika und im Mai noch mal für kurze Zeit im Senegal. Ich hätte da eigentlich hin fahren sollen, um gemeinsam mit einem Südafrikaner für ein Multikulti-Spektakel in Wien Musik zu produzieren.

Die Grundidee wäre gewesen, alle Kunstsparten in einer großen Show zu vereinen. Das heißt, Musiker machen Musik für den Catwalk, dort präsentieren Models Mode, die in Südafrika und Österreich designed worden ist. Weitere Elemente wären Tanz und Film gewesen. Insgesamt eine ganz tolle Idee, für dich ich mich natürlich sofort habe begeistern lassen und das auch fast bis zum Ende durchgezogen habe, bis mir irgendwann klar geworden ist, dass es dafür keine Gage geben sollte.

Aber eigentlich bin ich auch gar nicht böse, weil ich so viele nette Menschen dort kennen gelernt habe und in Südafrika sein zu können, war für mich ein irrsinnig tolles Erlebnis. Es war einfach interessant, zu erleben, wie die Leute dort, ein wenig mehr als zehn Jahre nach Abschaffung der Apartheid, mit dieser Thematik umgehen. Ich habe auch sehr viel mit Schwarzen zusammen gearbeitet, die während der Apartheid in Ghettos wie Soweto gelebt haben und mir diese Gegend auch gezeigt haben.

Das war wahnsinnig interessant und dort ist mir auch klar geworden, dass es eigentlich in Wirklichkeit so etwas wie Kunst ohne politisches Statement gar nicht geben kann. Ich habe dort wirklich sehr viele Erfahrungen gesammelt und es mir irrsinnig zu Herzen genommen, wie die Leute für ihre Freiheit gekämpft haben und nach wie vor noch dafür kämpfen müssen. Und das in einer Umgebung, wo die ganze Regierung korrupt ist. Es ist ein Wahnsinn, was sich dort immer noch abspielt. Für mich jedenfalls war das eine ziemlich intensive und interessante Zeit.

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