Seit etwa zwei Jahren bereichert der Voralberger – und damit gerade-noch-Österreicher – Martin Eberle die Wiener Jazz-Szene mit einem kraftvollen und vielseitigen Trompetenton. 2008 will der mit 27 Jahren bereits für die Leitung des Jazz Orchester Vorarlberg verantwortlich zeichnende, viel gefragte Sideman, seine Ideen auch in einer eigenen Formation zur Umsetzung bringen. Das Interview führte Martin Gansinger.
Martin, du bist vor 2 Jahren auf die Wiener Jazz-Szene getroffen und konntest dich hier relativ schnell etablieren. Davor hast du noch mal eben an die zwanzig Wettbewerbe im Bereich klassischer Musik gewonnen, von wo du ja auch herkommst. Kannst du kurz etwas über deine Anfänge am Instrument und deine Ausbildung erzählen?
Mit acht Jahren hab’ ich angefangen, bei meinem Vater Josef Eberle Trompete zu lernen, der auch an der Musikhauptschule Dornbirn tätig ist, wo ich dann weiteren Unterricht erhalten habe. Danach bin ich ins Musikgymnasium in Feldkirch gewechselt und gleichzeitig auch ins Konservatorium dort, mit 15 war das, bei Professor Lothar Hilbrandt. In der Zeit hab’ ich wirklich viele Wettbewerbe gespielt – vor allem Prima La Musica – und darf jetzt wirklich ganz bescheiden sagen, dass ich alle gewonnen habe (lacht). Während der Zeit am Konservatorium hab’ ich natürlich auch viel Orchester gespielt, ich war Mitglied im Symphonieorchester Vorarlberg, hab’ bei den Bregenzer Festspielen gespielt, beim Balthasar Neumann Orchester und beim symphonischen Blasorchester Vorarlberg – so richtig die klassischen Geräte halt. Nachdem ich in Feldkirch meinen Abschluss gemacht habe, bin ich nach Bern an die Swiss Jazz School gewechselt, wo ich zwei Jahre lang Jazz studiert habe. Während der Zeit war ich auch Substitut beim Symphonieorchester Bern und Mitglied vom Swiss Jazz Orchestra und bin auch viel mit Alter Musik in Berührung gekommen, gespielt mit alten Instrumenten, was mir nach wie vor sehr taugt. Das hat fast ein bisschen was von Jazz finde ich, wenn man einen Bach mit historischen Instrumenten spielt.
Was hat dich dazu bewogen, dich nach deinen Erfolgen im klassischen Bereich auch noch dem Jazz zu widmen, oder war das für dich von Anfang an klar?
Nun, ja, klassische Musik ist toll und ich spiele auch heute noch gerne hin und wieder Klassik, aber ich finde, das hat halt irgendwie manchmal was von Sport. Klassik ist sehr reproduzierend, und nicht produzierend. Außerdem hab’ ich mich natürlich sehr fürs Improvisieren interessiert und es macht mir einfach mehr Spass, wenn ich meine eigene Musik machen kann. In der Klassik geht es in erster Linie darum, dein Instrument möglichst perfekt und ohne Kiekser zu spielen und einer bestimmten Vorgabe zu entsprechen. Was ich nicht ganz so spannend finde, deswegen bin ich vielleicht auch nicht so der Bebopper (lacht), das hat auch nicht viel mit Eigenproduktion zu tun, sondern reproduziert genau das, was man vor fünfzig Jahren gemacht hat, meiner Meinung. Klar, sicher ist das eine super Musik, aber es ist einfach nicht mein Gebiet.
Mit Dreizehn oder Vierzehn hab’ ich von irgendjemanden gehört, dass ein Trompetenkollege von mir in einer Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug spielt – und hab’ mir gedacht, das geht ja überhaupt nicht zusammen (lacht). Ich bin dann auch zu einem Konzert gegangen und das hat mich unglaublich beeindruckt. Ich hab’ bis zu dieser Zeit eigentlich nur Heavy Metal gehört (lacht) und andererseits diese klassische Ausbildung gehabt und hab’ mir das überhaupt nicht vorstellen können, wie das gehen soll. Meine musiklischen Pole waren Heavy Metal und Klassik – und das hat mich immer gestört, dass ich die Trompete nicht einbauen lässt in den Heavy Metal. Ich hab’ dann auch eine Weile E-Bass gespielt, aber ganz komisch, ganze Konzerte nur auf einer Seite (lacht). Dadurch bin ich erst mit Fünfzehn zum Jazz gekommen, das war irgendwie die Initialzündung. Im Jazz hast du einfach alle Freiheiten und du kannst einfach Musik machen und es gibt nicht wirklich etwas, dem du entsprechen musst. Du kannst du selber sein, es geht um dich selbst und nicht darum, dass du etwas möglichst sportlich und perfekt herunterspielst.
Was war dann für dich der Grund, von Bern nach Wien zu wechslen?
Tja, eines Tages bekomme ich einen Anruf von Daniel Riegler und Viola Falb, die mich fragen ob ich nicht den Lorenz Raab bei der JazzWerkstatt vertreten kann. Ich hab’ das dann auch gemacht – hab’ zwar extra in Bern etwas absagen müssen, aber mich dann sofort in die JazzWerkstatt verliebt und ziemlich bald entschlossen, dass ich nach Wien ziehen werde. Die Musiker, die mir hier begegnet sind, haben mir unglaublich gut gefallen und die Szene liegt mir sehr gut, weil einfach viele progressive Sachen passieren. Als ich dann mal hier war, ist eigentlich alles recht rasant vorwärts gegangen, da ist relativ viel passiert in kurzer Zeit. Ich hab’ dadurch in Bern auch nur das Grundstudim abgeschlossen, aber mir war einfach wichtig, dass ich zum Spielen komme, weil ich ja bereits ein klassiches Studium abgeschlossen hatte. Ich war einfach der Meinung, man lernt mehr in einer lebenden Szene als in einer Schule.
Du pflegst aber trotzdem noch gute Kontakte in die Schweiz, spielst mit der Berner Formation “Die Pilze”…
Dadurch hab’ ich noch immer einen richtigen Bezug nach Bern und zu den Leuten vom Swiss Jazz Orchester und werde immer wieder für Auftritte nach Bern geholt. Von dem her passt das perfekt, und ich freue mich auch sehr darüber, dass ich die Schweizer Jungs dazu motivieren konnte, die Jazzwerkstatt Bern ins Leben zu rufen, und zwischen den beiden Szenen zu vermitteln. Dieses Netzwerken taugt mir total und das ist auch etwas, das ich seit meinem Studium auch immer wieder versucht habe, und was mir – angesichts des regen Austausches zwischen Vorarlberg, Bern und Wien – auch ganz gut gelungen ist, etwa im Rahmen der Ö1/WDR-Jazznacht in der Remise in Bludenz mit dem Jazzorchester Vorarlberg.
Der letztgennante Klangkörper geht ja unmittelbar auf deine Initiative zurück, was hat dich dazu bewogen, dich bereits in jungen Jahren und parallel zur eigenen musikalischen Entwicklung mit einer derartig umfangreichen organisatorischen Aufgabe zu belasten?
Das Jazzorchester Vorarlberg wurde kurz vor meinem Umzug nach Wien von mir ins Leben gerufen, um eine Plattform für die dort ansässigen Jazz-Musiker zu schaffen. Mir ist einfach aufgefallen, dass es zwar ein dichtes Netz an Klassik-Aktivitäten in Vorarlberg gibt, aber für die – doch nicht ganz so wenigen, guten Jazz-Musiker in Voralberg gibt es einfach gar nix. Ich hab’ mir einfach gedacht, dass es gut wäre, wenn es neben dem Symphonieorchester auch noch ein Jazzorchester in Vorarlberg gibt. Das haben sich zwar vor mir auch schon einige andere gedacht, aber bis zu diesem Zeitpunkt ist irgendwie noch nie etwas zustande gekommen. Außerdem kommt noch dazu, dass die Idee zu diesem Orchester ja nicht unbedingt darin besteht, Basie-Arrangements oder Tributes an Lionel Hampton zu spielen, sondern eben lebenden Komponisten und am besten jungen Komponisten eine Plattform zu bieten. Dazu gehört auch, dass die Besetzung sich genau der Komposition anpassen muss, das muss nicht unbedingt eine traditionelle Big Band sein. Da kommt ein junger Komponist daher und sagt er hat einen DJ, drei Streicher, zehn Bläser und Rhythmusgruppe – und dann schaut die Band einfach so aus. Das ist die Idee für dieses Orchester. Und da kommt für mich auch wieder dieser Netzwerk-Gedanke ins Spiel, weil ich die Leute die ich in Wien, Bern und Vorarlberg zusammenführen kann. Es gibt immer wieder ein paar Berner, die im Jazz Orchester aushelfen, oder eben Wiener, Wolfgang Schiftner zum Beispiel oder auch Phil Yaeger aus Graz.
Der Erfolg hat ja auch nicht lange auf sich warten lassen…
Die Jazznacht-Übertragung in Bludenz war ein toller Erfolg, wir haben viel gutes Feedback bekommen, und da kündigen sich für die Zukunft schon spannende Zusammenarbeiten an, mit Alegre Corea, Peter Herbert, Tord Gusstavsen und Ulrich Drechsler zum Beispiel. Da kann man schon dranbleiben. Ich weiss nur nicht, ob das mein allergrößtes Ziel ist – mein Interesse gilt natürlich vor allem den kleinen Bands, in denen ich mich als Solist verwirklichen kann. Das Jazzorchester ist einfach ein zielmliches Organisationsmonster – das mir aber auch irrsinnig taugt. Ich habe einerseits die Möglichkeit, mich organisatorisch weiterzubilden und kann andererseits auch dem Land gegenüber ganz anders auftreten, als es mir als Einzelkünstler möglich wäre. Außerdem ergibt sich dadurch auch die Möglichkeit, kompositorische Ideen direkt umzusetzen. Da wird es übrigens auch ein Projekt mit den ganzen jungen Komponisten geben, die ich hier in Wien kennenlernen durfte, eben Viola Falb oder Johannes Berauer, die gerne auch Kompositionen für größere Besetzungen realisieren möchten. Da wird es ein entsprechende Unsetzung durch das Jazzorchester geben.
Was sind deine Pläne fürs Orchester in näherer Zukunft?
Da wäre ein Konzert mit Andi Schreiber im Porgy & Bess zu nennen, wahrscheinlich kommt auch eine Kooperation mit Flip Filipp zustande. Außerdem wird es ein Projekt mit John Sass geben. Das ist wieder dieser Plattform-Gedanke – ich wollte einfach mit John Sass etwas machen und hab’ einfach sieben Bläser vom Orchester hergenommen, um mit ihm eine kleine strictly horns-Besetzung zu verwirklichen. Wobei wahrscheinlich aber auch ein Percussionist mitwirken wird. Mit diesem Projekt werden wir im September beim Brass-Spektakel in Bludenz zu sehen sein. Ein Auftritt bei den Bregenzer Festspielen befindet sich auch bereits in Planung. Nachdem wir jetzt auch Subventionen vom Land Vorarlberg beiehen, habe ich schon vor, verstärkt mit internationalen Größen zu arbeiten. Im November findet eine Tour statt, und im Anschluss daran soll dann auch eine CD-Produktion folgen. Aber mein eigentliches Interesse gilt wie gesagt den kleinen Ensembles, wo sich mehr Platz für Improvisation bietet, wo man dafür schreibt. Das macht mir im Moment wirklich Spass.
Du bist ja derzeit gleich in mehreren Ensembles aktiv…
Genau, in der Electric Band vom Clemens Salesny zum Beispiel, mit der wir ja gerade auch ein Album mit einem Live-Mitschnitt aus der JazzWerkstatt veröffentlicht haben. Oder auch in Phil Yaegers Brand X, mit dem wir vor kurzem eine gelungene Demo-CD eingespielt haben. Und gemeinsam mit dem Saxophonisten Felician Honsig-Erlenburg, Matthias Pichler und Lukas König spiele ich in einem Quartett mit dem Namen Kleinod. Dann war ich eine Weile mit der Martin Reiter E-Band auf Tour und hab’ auch bei seinem Alma-Projekt mitgewirkt, mit dem wir jetzt bald in China und im Senegal auf Tournee gehen. Was gibt’s dann noch – ja, die Stadtkapelle von Hannes Löschel um Beispiel, super Musik auch. Dann wären da noch die Tromblüten, die ich gemeinsam mit Lorenz Raab und zwei weiteren Trompetern gegründet habe. Dem Lorenz habe ich auch viel zu verdanken, der mich während meiner Anfangszeit hier immer wieder als Substituten weitervermittelt hat – bis sich die Leute dann irgendwann gleich direkt bei mir gemeldet haben. Ab November wird es dann wahrscheinlich auch mein eigenes Quartett geben.
Nach so viel Sideman-Arbeit wird es ja schön langsam richtig Zeit dafür…
Ich hab’ mir damit jetzt richtig lange Zeit gelassen, weil ich zuerst die Wiener Szene kennenlernen wollte, um zu schauen, was hier alles abgeht. Mittlerweile kenne ich die Leute hier ganz gut und weiss, wer was macht und wer wo seine Vorlieben hat. Dadurch tue ich mir jetzt relativ einfach, die richtige Besetzung zusammenzustellen, von der ich davon ausgehe, dass sie auch wunderbar miteinander harmoniert. Das Orchester läuft ja mittlerweile ganz gut und es wird jetzt einfach langsam Zeit, dass ich meine eigene Musik an den Mann bringe (lacht).
Aktuelle CD: Clemens Salesny Electric Band “Live at JazzWerkstatt” (Jazzwerkstatt)