Die beiden Wiener DJs und Produzenten Makossa & Megablast (Markus Wagner-Lapierre und Sascha Weisz) sprechen im mica-Interview mit Markus Deisenberger über ihr aktuelles Album, lebende Legenden, Strand-Parties und die Gemütlichkeit, die mit dem Alter kommt.
– Frische Luft –
Wir befinden uns im Luv Lite-Studio. Hier wurden die beiden Makossa und Megablast-Alben aufgenommen. Nehmt ihr hier auch anderes auf?
Weisz: Dadurch, dass wir jetzt unser eigenes Label haben, ist schon einiges geplant. Es gibt ein paar Projektideen, d.h. es ist einiges am Entstehen. Unser Hauptfokus lag jetzt aber erst mal auf unserem Album. Aber wenn wir etwas finden, das uns gefällt, sind wir nicht abgeneigt, auch andere Sachen etwa als Executive-Producers zu betreuen. Mal sehen…
Vom letzten Album „Kunuaka“ bis zum aktuellen „Soy Como Soy“ sind vier Jahre ins Land gezogen. Warum hat es so lange gedauert?
Weisz: Es gibt unheimlich viel Material, weil bei jedem Album auch sehr viel übrig bleibt. Das entdeckt man dann irgendwann wieder, arbeitet es aus. Nachdem wir schon das Ansinnen hatten, uns mit dem jetzigen Album weiterzuentwickeln, haben wir uns einfach dazu entschlossen, uns genug Zeit zu nehmen, um es so auszuarbeiten, dass wir auch wirklich damit zufrieden sind. Damit die Qualität auch wirklich Top ist.
Wagner: Ein Grund, weshalb es so lange gedauert hat, ist sicherlich auch, dass wir uns erst in buchstäblich letzter Sekunde von G-Stone getrennt haben. Durch den Wechsel zum eigenen Label haben wir fast ein Jahr verloren. Das Album war eigentlich mit Anfang 2011 fertig, bis zum endgültigen Release hat es dann aber doch noch zehn Monate gebraucht.
Wieso kam es zur Trennung?
Weisz: Wir wurden uns nicht vertragseinig.
Wagner: Eigentlich der Klassiker. Wir wollten keine Verlagsrechte hergeben. Das Label vertrat die Auffassung, der Release interessiert sie aber nur dann, wenn sie die Verlagsrechte kriegen. Man muss dazu sagen, dass wir das beim ersten Album auch so gehandhabt haben, dass sie die Verlagsrechte kriegen. Das war damals OK für uns, weil die Investition für das erste Album auch wesentlich höher war. Dieses Mal lag der Hauptteil der Investition aber bei uns und außerdem waren wir mit der Verlagsarbeit auch nicht zufrieden. Deshalb kam es relativ kurzfristig zum Split.
Was hättet ihr euch in puncto Verlagsrechte von eurem Label erwartet?
Weisz: Wir hätten natürlich gerne einen Partner, von dem wir wissen, dass der Verlag auch tatsächlich gute Verlagsarbeit leistet.
Wagner: … und aktiv arbeitet und auch versucht, Geld zu generieren. Viele Labels sind nur am Papier auch Verlage, aber es gibt de facto niemanden, der auch Verlagsarbeit macht. Natürlich gab es verschiedene Compilations, auf denen wir mit einzelnen Nummern drauf waren, aber die sind eben passiert. Soll heißen: Es hat nie jemand aktiv dafür gearbeitet. Und da hatten wir einfach den Eindruck, dass da Geld auf der Strecke geblieben ist.
Weisz: Das Verlagsgeschäft ist einfach ein wichtiger Fokus geworden.
Wobei sich die Frage stellt, ob es in Österreich überhaupt einen professionellen Musikverlag gibt, der aktiv auf diesem Gebiet tätig ist…
Weisz: Eh nicht. Aber es hätte aus dem Ausland Leute gegeben, die interessiert waren. Wir haben G-Stone ja auch eine Kollabo angeboten, d.h. dass sie administrieren, dass sie aber eine professionellen Verlag an der Seite haben, der das Geschäft organisiert.
Wagner: Aber G-Stone wollte alles und das wiederum wollten wir einfach nicht mehr. Und so kam es zum Split. Wenn man drei, vier Jahre an einem Album arbeitet und dann den Eindruck hat, es werden nicht unbedingt alle Verbreitungsmöglichkeiten ausgeschöpft, wird es Zeit sich etwas zu überlegen. G-Stone sah sich selbst auch immer als Hobby-Label, wir aber verstehen uns als professionell arbeitend und wollen daher auch professionelle Partner.
Dass zu wenig passiert, hat doch oft auch damit zu tun, dass man sich hierzulande schnell einmal selbst genügt. Woran liegt das, denkt ihr?
Weisz: Bei vielen Artist-Labels ist einfach das Ego zu stark ausgeprägt. Das heißt, man schupft seinen Laden, sobald man aber sieht, dass es woanders großes oder vielleicht sogar größeres Potenzial gibt, sieht man das nicht gern. Das kennt man von verschiedenen Labels. Ich verwende immer ganz gern den Spruch: Du sollst dem Sonnengott nicht im Licht stehen. Und das zweite Problem ist die Kommunikation: Da muss einfach die Balance stimmen, es müssen auch andere Meinungen möglich sein. Und dann kommt das Team: Wenn man heute ein Album releast, komm es auf die Musik wenn überhaupt vielleicht noch zu 50% an. Um erfolgreich zu sein, braucht es ein gutes Marketing, Video, das mindestens genauso gut ist wie der Track und und und.
Ist der Split in Ordnung für euch?
Wagner: Für uns ist die Situation die bestmögliche. Mit K7 haben wir einen extrem potenten Vertriebspartner. Und mit dem reinen Vertriebsdeal, den wir abschlossen, haben wir auch alle unsere Rechte behalten. Etwas Besseres kann einem in der heutigen Zeit nicht passieren.
Weisz: Nachdem wir selbst promo-mäßig voll aktiv sind und nur im Ausland teils Agenturen für uns tätig sind, die für die einzelnen Territories tätig werden, d.h. selber Newsletter aussenden und das Social Networking betreuen, ist das wirklich gut geregelt. Schade allerdings dass aufgrund eines Kommunikationsproblems auch jahrelange Freundschaften in Brüche gingen.
Wo ist euer größter Markt? Wo kommt ihr am besten an?
Wagner: Beim ersten Album war es so, dass wir in etwa ein Drittel in Österreich verkauft haben, ein Drittel in Deutschland und ein Drittel im Rest der Welt. Und ich gehe einmal davon aus, dass der Schlüssel dieses Mal auch wieder so sein wird. Obwohl ich auch befürchte, dass wir die Verkaufszahlen von vor vier Jahren nicht mehr erreichen werden, weil der Markt einfach noch mehr eingebrochen ist. Schätzungsweise werden sich die physikalische Verkäufe und Downloads ein wenig verschieben, aber 6.000 Verkäufe und 10.000 Downloads werden wir wahrscheinlich nicht mehr schaffen, außer es gelingt uns in einem Land ein großer Coup. Unser Vorteil aber ist, dass wir mit unserer Musik immer schon über die Grenzen hinausgeschaut haben. Schon vor dem ersten Release wussten wir, dass wir wahrscheinlich mehr Riss in südlichen Gefilden machen werden als in unseren Breitengraden.
Und das hat sich bestätigt?
Wagner: Das hat sich bestätigt, indem wir in diesen Ländern viel gebucht wurden. Wir waren schon in Mexiko auf einer zweiwöchigen Tour, wir waren in Brasilien, ein zweites Mal in Mexiko. Wir waren dutzende Mal in Portugal, haben in Frankreich auf Festivals gespielt und in Italien. Aber alles was nördlich von Amsterdam liegt, interessiert sich nicht besonders für uns.
Wieso sied ihr von Anfang an davon ausgegangen, dort erfolgreicher zu sein? Weil eure Musik dort Geschichte hat oder war es ein anderer Grund?
Weisz: Weil dort das Thema Musik ein wichtiger Bestandteil des Lebens ist.
Aber das wäre es doch in London auch…
Wagner: Aber London ist sehr speziell. Ich habe das Gefühl, dass sich in Europa in Ländern wie Italien oder Spanien und Portugal das breite Volk mehr für Musik interessiert und dass dort unsere Afro- und Latino-Einflüsse einfach auch besser hinpassen als in den hohen Norden. Und England ist sowieso ein sehr schwieriger Markt, der für Nicht-Insulaner nur sehr schwierig zu knacken ist. Wie sie so viele eigene Sachen haben und ihre Hypes alleine durchziehen…
Hat es euch etwas gebracht, dass „Soy Como Soy“ auf Ibiza lief bzw. sich dort zu einem echten Clubhit entwickelte?
Wagner: Total.
Weisz: Das war ein Selbstläufer, von dem man nur träumen kann. Wir dachten uns anfangs: Gut, dass wir einen Track für die nächste Gigolo-Compilation draußen haben. Aber dass sich das zu solch einem Selbstläufer entwickelt, war nicht vorherzusehen. Die Nummer hat eine Zeit lang einfach jeder DJ gespielt.
Wagner: Wenn Du einen Vorreiter wie Luciano hast, dann geht das ja auch weiter, beschränkt sich also nicht nur auf Ibiza, sondern rennt global weiter. Wenn man sich auf Youtube Luciano-Sets der letzten Monate anschaut, spielt er unsere Nummer einfach jedes Mal. Das ist unbezahlbarer Support. Wir kennen ihn nicht einmal persönlich, da lief also nichts über irgendwelche Beziehungen, der hat die Nummer einfach gespielt, weil sie ihm gefällt, und zahlreiche andere sind aufgesprungen. Beim ersten Album war es ähnlich. Da sprang Gilles Peterson auf. Wenn Du solche Global Players als Supporter hast, ist das die beste Werbung.
Verglichen mit dieser Werbung für einen Song: Wie wichtig ist es überhaupt noch für euch, ein Album zu machen? Man könnte je ebenso gut von Singles leben.
Weisz: Wir kommen beide aus einer Generation, in der es wichtig und schön war, Alben zu machen. Dafür stehen wir und deshalb machen wir das auch. Uns ist natürlich auch klar, dass die Zeit eine andere ist. Wir streben Qualität an und glauben auch, dass sich diese Qualität durchsetzen kann und wird. Und wir bekommen auch viel Feedback von Leuten, die sich enorm darüber freuen, dass es ein Album gibt.
Wird es das Album auch auf Vinyl geben?
Wagner: Ob es das ganze Album auf Vinyl geben wird, ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall aber wird es Auskoppelungen davon auf Vinyl geben für die Vinylfreaks da draußen. Da präsent zu sein, ist uns wichtig.
Wie seid ihr eigentlich zu Black Music gekommen? Als ihr beide fünfzehn ward, war schwarze Musik im Radio bei weitem nicht so vertreten wie heute und Internet gab es noch nicht.
Weisz: Bei mir war es schon auch das Radio.
Wagner: Er (Weisz, Anm.) ist aber auch wesentlich, nämlich genau zehn Jahre, jünger als ich. Du aber meinst die typische 70er-jahre-Weiß-Rock-Ö3-Musik von damals, die wenig bis keinen Raum für Black Music ließ.
Weisz: Bei mir waren es Werner Geier und Konsorten, die mich auf den Weg brachten. Und mein Onkel, der ein Freak war… Bei ihm habe ich zum ersten Mal Niagara gehört. Das hat mich sicher beeinflusst. Als Kleiner beeinflusst einen ja alles, was man so aufschnappt.
Wagner: Bei mir ging der Einfluss des Radios so mit dreizehn, vierzehn zurück, weil ich versuchte, meine eigenen musikalischen Wege zu gehen. Nach der Matura hab ich im Dum Dum, einem Plattengeschäft am Opernring, zu arbeiten begonnen – relativ lange, sechs, sieben Jahre lang. Zur gleichen Zeit auch begann ich im Monte, U4, der Camera und im Donau etc aufzulegen. Da hab ich vieles aufgeschnappt und war für alles zwischen Soul, Funk und Jazz offen. Black Music hat mich immer interessiert, weil sie für mich einfach mehr Groove hatte als die Musik der Weißen.
Das soulige Element ist euch in eurer Musik schon immer wichtig gewesen, oder?
Wagner: Auf diesem Album sicher mehr als auf dem ersten, weil Hubert Tubbs dabei ist und wir ihm eine Nummer im Stile des 70er Rare Funk auf den Leib geschrieben haben. Er ist ja eine lebende Legende und einer der wenigen, der diesen 70er-Soul noch in der Stimme hat. Einer solchen Einzigartigkeit muss man Tribut zollen.
Ihr habt dieses Mal alles live aufgenommen, d.h auf das Hin- und Herschicken von Soundschnipseln und dergleichen völlig verzichtet.
Wagner: Beim ersten Album haben wir das versucht, sind allerdings davon abgekommen, weil es blöd ausgehen kann. Man ist dann unter Umstände nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis, traut sich aber nichts zu sagen und muss trotzdem zahlen.
Weisz: Ich hab auch immer vorher schon in Kopf, wie es ungefähr klingen soll. Deshalb macht es mehr Sinn, das gleich im Studio zu probieren. Der Zugang ist ein ganz anderer, viel direkterer.
Wagner: Der Vorteil bei diesem Album war auch, dass alle Vokalisten außer einer in Wien wohnen. Und es sind freundschaftliche Beziehungen. Mit Cleydys etwa haben wir in den vergangenen Jahren so viele Sessions hier im Studio eingesungen, dass man damit mühelos ein weiteres Album bestücken könnte. Unsere Sänger sind außerdem alle Naturtalente und das hört man auch. Da wirkt nichts aufgesetzt.
Weisz: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Bei allem, was wir bearbeiten, bei Fusion oder World Music – soll alles wirklich authentisch klingen. Wenn ich Sachen höre, die sich auf irgendwelche Trends berufen, ohne wirklich etwas darzustellen, finde ich das oft sehr mühsam. Wir wollen keine Hofnarren, denen man sagt, wie sie zu sein haben, sondern Leute, die das Beste in sich zum Vorschein bringen. Jeder Sänger, jede Sängerin soll als die Persönlichkeit rüber kommen, die er/sie ist. Das gilt es zu fördern.
Apropos Legende: Wie seid ihr zu Tony Allen gekommen?
Weisz: Totaler Zufall. Wir standen an der Bar und hörten einen Track, der ein geniales Sample hatte. Das wollten wir unbedingt. Und die Rechteanfrage hat dann ergeben, dass das gesampelte Stück von Tony Allen ist.
Wagner: Das war zugleich auch das erste Mal, dass wir in einer Nummer überhaupt etwas gesampelt haben. Sonst produzieren wir eigentlich immer alles selber. Wir haben also das Label informiert und ihnen einen Entwurf geschickt, der ihnen sehr gefallen hat. Die Rechte für den Track mussten wir logischerweise sharen. Und wenn er schon die Hälfte des Geldes bekommt, dachten wir uns, können wir auch gleich fragen, ob er nicht auch genannt werden will. So kam das „Featuring Tony Allen“ zustande. Eine wirkliche Zusammenarbeit war es nicht.
Ihr habt euch zwar weiter entwickelt, seid euch vom Sound her aber auch ein Stück weit treu geblieben. Ihr hättet ja noch weiter in Richtung Dub oder sogar Dubstep gehen können…
Weisz: Uns gefällt einfach so viel Musik, dass es für uns wichtig ist, nicht in die Gefahr zu kommen, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Es macht für uns überhaupt keinen Sinn, einen Track zu machen, der genauso klingt wie ein schon bestehender. Jeder Track hat eine ganz bestimmte Aussage und steht für sich. So gesehen kann man sagen, dass das Album im Dance verhaftet ist, weil es House- bzw. Tech-lastig ist. Aber Grenzen setzen wollen wir uns keinesfalls.
Die Tanzbarkeit steht also nicht unbedingt im Vordergrund…
Wagner: Nein.
Weisz: Vielleicht bei den Alben durch das durchgehende Tempo schon. Aber vielleicht klingt schon unser nächstes Album ganz anders, wer weiß. Eine bestimmte Handschrift entwickelt man sowieso automatisch.
Wagner: Der Grund dafür, weshalb wir uns nicht so sehr veränderten vom letzten bis zu diesem Album ist: Wir sind so sie wir sind. Und auch wenn uns Dubstep gefällt, macht es für uns wenig Sinn, schnell einmal auf einen Zug aufzuspringen. Ich glaube, das neue Album ist sehr vielseitig geworden. Natürlich ginge es noch vielseitiger, aber es war so schon schwierig genug, die unterschiedlichen Stile und Tempi so zu vereinen, dass es wie aus einem Guss klingt.
Weisz: Und zeitlos hoffen wir. Dubstep kann sehr schnell wieder weg sein. Wir arbeiten auch sehr viel mit Vintage-Equipment…
Auch mit Analog-Synthesizern?
Weisz: Ja, ich arbeite zwar auch mit Plug-Ins, aber die Basis schaffen wir mit Analog-Synthesizern. Und genau dadurch klingt es auch ein wenig zeitloser.
Wagner: Was uns auch ein bisschen hilft, ist das 80er und 90er Revival. Zwei Drittel der derzeit produzierten elektronischen Musik klingen doch so, als wären sie 1993 entstanden. Wir haben das aber nicht aus Revival-Gründen gemacht, sondern weil wir damit groß geworden sind. Ich glaube, egal wie alt man wird, man wird immer sehr stark geprägt sein von dem, was man zwischen vierzehn und achtzehn an Musik gehört hat. Was man damals hörte, hörte man zum ersten Mal, und das bleibt in einem drinnen.
Weisz: Für mich waren die ersten Falco-Platten soundtechnisch wichtig. Ich hab geforscht, woher ein bestimmter Drum-Sound kommt, mir die entsprechenden Geräte gekauft und versucht, genauso zu klingen. Aufgrund unserer Reisen als DJs saugen wir schon viele Trends auf, aber als Produzent möchte ich mich einfach weiter entwickeln und nicht nur in irgendwelchen momentanen Trends gut sein. Das ist ein langer Prozess. Die Vielseitigkeit ist mir sehr wichtig. Und momentan ist der Musikmarkt sehr einseitig.
Wagner: Von einer Weiterentwicklung vom ersten auf das zweite Album kann man auch sprechen, weil wir dieses Mal einfach viele Live-Elemente haben. Wir haben bei fast jedem Song Live-Percussion eingespielt. Bei zwei, drei Tracks haben wir auch Bass und Gitarre eingespielt. Wenn auch dezent, so haben wir doch versucht, das Ganze noch organischer zu machen.
Ist dieser Weg noch weiter ausbaufähig?
Wagner: Definitiv
Weisz: Ich denke schon.
Wagner: Wir haben dabei eine klassische Fusion aus Elektronik und Live im Kopf.
Weisz. Das perfekte Team zu finden und zusammenzustellen, ist das Schwierige. Wenn man zurück geht zu einer Live-Recording-Session, dann müssen die Musiker einfach Top sein und sich auch gut miteinander verstehen. Das entwickelt sich. Fad wird uns nie.
Wie sieht die Live-Umsetzung aus? Ihr beide macht Elektronik. Dazu kommen Percussion und Vokalisten?
Wagner: Wir haben zwei bis drei Vokalisten, bei der Release-Party hatten wir zum ersten Mal zwei Percussionisten. Und wir beide machen die Elektronik halb live, halb kommt sie vom Band.
Weisz: Das ist ausbaufähig. Genau daran – d.h. den Live-Anteil zu vergrößern – arbeiten wir gerade sehr intensiv.
Wagner: Wir haben zuletzt versucht, das ganze analoge Equipment auf die Bühne zu bringen.
Weisz: Das Problem dabei ist, dass manche Geräte sehr alt sind. Da bekommt man dann sehr leicht Tuning-Probleme. Entweder also man entscheidet sich für ein digitales Set-Up mit Ableton. Mir persönlich würde aber eine Fusion gefallen, bei der man Sachen live einbindet, die aber was Transport und Stimmung anbelangt, nicht ultramühsam sind. Das denken wir gerade durch. In einem offenen DJ-Set ist das natürlich auch wesentlich einfacher als im Song-Format. Da werden die Dinge aufgrund der vorgegebenen Strukturen schnell einmal sehr kompliziert. Was uns auch noch fehlt, ist ein Sound-Engineer. Dann wollen wir auch Visuals einbinden, was budgetmäßig fast unmöglich ist. Wir wollen aber keine halben Sachen präsentieren.
Wagner: Unsere Stärken bestehen darin, dass wir Vokalisten und Percusison haben. Das ist mehr Live als die meisten Elektronik-Acts, die mit Laptop arbeiten. Als Betrachter wird mir ist ein DJ, der zwei Stunden vor dem Laptop zappelt, obwohl es auch live ist, irgendwann langweilig.
Ihr spielt in St. Pölten genauso wie in Istanbul. Welche Szenarien sind das und macht es jedes Mal wirklich den gleichen Spaß, auf die Bühne zu gehen und loszulegen?
Wagner: Man muss einmal unterscheiden, ob wir als DJs gebucht sind oder live mit Vokalisten und Percussionisten auftreten. In St. Pölten war es so, dass Attwenger spielten und wir danach auflegten, wobei in einem solchen Fall nicht einmal gesagt ist, dass wir besonders viel eigene Sachen von unseren Alben spielen. Wir sind schon so sensibel, dass wir uns an das jeweilige Publikum und die jeweiligen Gegebenheiten anpassen können. Wir versuchen die Leute zufrieden zu stellen. Wenn wir sehen, das Publikum ist eher jünger und braucht es härter und flotter, na dann machen wir das und werden auch nicht zu sophisticated. Unsere Tracks in ein herkömmliches DJ-Set einzubauen ist auch gar nicht so einfach, weil sie ein wenig anders klingen und nicht an die gängigen Trends angepasst sind. Was wir oft machen, ist einen kleinen Block mit drei bis vier unserer Nummern einzubauen und danach wieder anders weiter zu machen.
Weisz: Ich freu mich nicht mehr auf Istanbul als auf St. Pölten. Ob es Spaß macht, hängt davon ab, wie sich die Party entwickelt und wie die Leute drauf sind. Man kann an den tollsten Orten die schlechtesten Schicki-Micki-Schuppen vorfinden und umgekehrt im Waldviertel auf einer Goa-Afterparty sein blaues Wunder erleben, weil es mit vierzig Leuten so abgeht, als wären zweihundert da. Natürlich ist es besonders toll, am Strand aufzulegen.
Wagner: Ja. Im Freien aufzulegen, machen wir mit Abstand am liebsten. Muss auch gar nicht nachts sein, sondern kann auch tagsüber sein.
Warum?
Wagner: Weil die Vibes einfach ganz anders sind. Clubs sind überall gleich. Im Freien aber sind die Leute einfach entspannter.
Weisz: Die frische Luft tut anscheinend gut.
Hat sich die Clubschiene in der Zeit, in der ihr unterwegs seid, verändert?
Wagner: In den letzten Jahren hat sich die Clubschiene insofern verändert, als die Leute nicht mehr wegen der Musik oder den DJs weggehen, sondern wegen des Weggehens selbst. Die Musik ist eigentlich nebensächlich geworden. Wer auflegt, hat nicht mehr den Stellenwert, den es noch vor sieben, acht Jahren hatte. Das heißt aber nicht, dass das Dargebotene besser oder schlechter wäre als damals. Aufgrund des enormen Überangebots an Clubs, Labels, DJs und Releases aber ist alles ein bisschen austauschbarer geworden. Früher gab es auch noch mehr Clubhits. Die gibt es heute zwar auch, aber wegen des enormen Überangebots rotiert es einfach viel schneller. Ich habe gehört, es gibt DJs, die dafür zahlen, vor oder nach einem Star-DJ auflegen zu dürfen.
Weisz: „Natürlich freut man sich, wenn man eine Fan-Base hat, aber grundsätzlich macht man es doch, weil es einem selbst taugt und man sich weiterentwickeln will. Heute sehe ich leider immer mehr den Ansatz, dass es viele nur mehr für Profit und ihr „Superstar“ Ego machen. Der Weg, ein Superstar-DJ sein zu wollen, ist genau der, der ins Verderben führen wird.“
Wo liegt bei euch die finanzielle Schmerzgrenze, wo man sagt: Unter dem trete ich nicht auf?
Weisz: Wenn es Anfragen gibt, wollen wir immer wissen, wie viele Leute das Venue fasst, ob es Sponsoren gibt. Danach richtet sich dann die Gage. Das heißt, wenn wir wissen, das Budget ist klein aber das Fest ist cool, machen wir auch Abstriche.
Wagner: Die ‘socalled’ hippen Clubs in Wien tun sich nicht so leicht uns die Gagen zu zahlen, die wir anderswo kriegen – deswegen haben wir in den letzten Jahren in Wien immer wieder auch eher kommerziellere Locations bespielt, wie z.B. Volksgarten, Passage oder Vienna Calling. Wir spielen genauso gerne in breiter aufgestellten Clubs. Wenn die Musik, die wir machen – also entweder selbst produzieren oder auflegen – auch Leute anspricht, die normalerweise auf Kommerzielleres stehen, dann ist das doch super. Ich habe das nie negativ gesehen. Natürlich gibt es Grenzen: Massen-Raves mit vorwiegend sehr jungem Publikum, das nur auf harte & schnelle Beats steht, werden uns schon von vorneherein eher nicht buchen, weil unser Sound für solche Parties doch zu sophisticated ist. Mit dem Alter wird man halt etwas gemütlicher & wählerischer.
Weisz: Aber es gibt auch unter den ganz jungen Leuten welche, denen unsere Musik gefällt, und auch die wollen wir erreichen. Auch wenn wir härter spielen, wollen wir aber ein gewisses Qualitätslevel halten.
Eine Frage an Makossa: Deine Rolle bei fm4 ist wahrscheinlich eher hinderlich für das Airplay eurer Musik?
Wagner: Das hast Du richtig erkannt. Ich muss in dieser Rolle sehr darauf achten, dass mir niemand eine Bevormundung vorwerfen kann. Insofern heißt es: Eher weniger als zu viel Airplay. Wenn das Album von jemand anderem wäre, würde es sicherlich mehr Powerplay und mehr redaktionelle Berichterstattung darüber geben. Damit müssen wir leben. Aber wir sind auch schon lange genug unterwegs, damit uns die Leute kennen. Und wichtiger ist, dass wir wieder raus kommen.
Was ist diesbezüglich geplant?
Wagner: Es gibt konkrete Anfragen aus Brasilien und Mexiko.
Weisz: Und vielleicht geht sich eine kleine Asien-Tour aus. Dafür gilt es unsere Kontakte weiter zu pflegen, damit es in den verschiedenen Territories vor Ort immer jemanden gibt, der uns unterstützt und etwas organisieren kann.
Gibt es in Länder wie Mexiko und Brasilien auch die Möglichkeit, neue Sounds aufzugreifen?
Weisz: In Zeiten des Internets geschieht das sowieso unterbrochen. Durch unsere Sängerin OG Spiritual Godess bin ich zum Beispiel auf Thomas Mapfumo gestoßen, der aus ungeklärten politischen Umständen aus Zimbabwe verstoßen wurde, und unglaublich gute Musik am Start hat. Da sind wir auf einige Tracks gestoßen, die wir gerne re-editieren und weiter verbreiten würden, weil es einfach unglaublich gute Musik ist, die zu wenige Leute kennen. Das würde Sinn machen.
Wollt ihr Mapfumo eventuell auch auf eurem Label raus bringen?
Weisz: Ja, das ist eine von mehreren Überlegungen. Es gibt einige interessante Demos, es gibt Mapfumos Bänder. Dafür muss man halt Rechte klären und das sind immer eher mühsame Wege, bis man dort ist, wo man hin möchte. Einfach lizenzieren ist meistens ja nicht das Problem, aber wenn Du einem Track ein Uptdate verpassen möchtest, brauchst du mehr Rechte, es sind mehr Leute involviert, und das braucht seine Zeit. Aber wenn es komplizierter wird, gibt es ja das mica-Team, das sich in der Vergangenheit als sehr hilfreich erwiesen hat.
Apropos Remix: Der von euch angefertigte Nicolette-Remix war eine Herzensangelegenheit, nehme ich an?
Wagner: Puh, das ist schon wieder so lange her. Unser Münchner Label Great Stuff Records begann irgendwann, in unregelmäßigen Abständen Klassik-Hits neu zu remixen. Der erste war Rockers Hifis „Push Push“, und der zweite war dann eh schon Nicolette. Und da wurden wir gefragt. So ergab sich das. Zum damaligen Zeitpunkt war das sehr hilfreich für uns.
Weisz: Diese Releases haben uns aber auch etwas in der Tech House Ecke bekannt gemacht, weil das erste Album im weiteren Sinne schon G-Stone-Style war. Auf verschiedenen Labels zu releasen – wie etwa auch auf Gigolo – war immer wichtig für uns.
Vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: Jiro Shimizu