Dass sich der Bass-Klarinettist Christoph Pepe Auer und der Hang-Spieler Manu Delago in ihrem Projekt Living Room wunderbar darin verstehen, sich und ihre Musik immer wieder neu zu erfinden, haben sie schon auf ihrem im vergangenen Jahr erschienenen zweiten Album „Colouring Book“ eindrucksvoll unter Beweis stellen können. Quasi ihrer eigenen Tradition folgend tun die beiden Tiroler dies auch auf ihrer neuen CD „Living Room in London“ (Session Work Records). Gemeinsam mit einem Streicher-Trio machen sie sich nun daran, den Begriff der Kammermusik in einem ganz neuen Lichte erstrahlen zu lassen. Was das nunmehrige Quintett auf den Weg bringt, ist ein Stück Musik, welches schon alleine aufgrund seiner klanglichen Ausrichtung in Staunen versetzt. Die nicht alltägliche Kombination Bass-Klarinette, Hang und ein Streichensemble, bestehend aus Ellie Fagg (Violine), Tom Norris (Violine, Gesang, Gitarre) und Gregor Riddell (Cello), lässt einen höchst individuellen und variantenreichen Sound entstehen, in dem stilistische Fragen schlicht aufgehoben scheinen. Erstmals in Österreich zu hören ist das neue Programm nach einer Konzertreise durch England am 24. Jänner im Syrnau in Zwettl. Christoph Pepe Auer und Manu Delago im Gespräch mit Michael Ternai.
Wir hatten bereits vor einem Jahr mit dem Release eurer ersten Living Room CD ein Interview geführt. Mittlerweile seid ihr nicht mehr nur ein Duo, sondern habt euer gemeinsames Projekt um ein Streichertrio erweitert. Wie seid ihr diesmal an die Sache herangegangen bwz. wie seid ihr auf die Idee gekommen, dies zu tun?
Manu Delago: Also, als ich vor ungefähr vier Jahren in London angekommen bin, habe ich gleich einen Geiger namens Tom Norris kennengelernt, bzw. habe ich mit ihm musikalisch zu tun gehabt. Wir haben uns dann angefreundet und gemeinsam die Idee geboren, doch auch einmal etwas gemeinsam zu machen. Und da hat es sich einfach angeboten, dass ich mit dem Duo und er mit dem Streichertrio uns zusammentun. Das war so in 2008. Irgendwann haben wir uns dann in London zusammengesetzt und gejammt und haben uns auch gleich eine kleine, sechs Konzerte umfassende Reihe ausgemacht, in der wir unter anderem auch in Wien und in Tirol bei den Klangspuren gespielt haben. Das war praktisch der Startschuss dieses Projekts, bei dem drei von uns 5 für das Ensemble komponiert haben. Das hat uns sehr gefallen, sodass wir uns in Folge in den letzten drei bis vier Jahren immer wieder auf Projektbasis getroffen haben. Es war nie sehr viel und sehr lange, da jeder von uns auch anderen Projekten nachgeht. Nun haben wir es letztendlich geschafft. Über die letzten drei, vier Jahre ist ein relativ großes Repertoire sprich ungefähr zwanzig Stücke entstanden, aus denen wir dann die besten ausgewählt haben.
Du hast es eigentlich angesprochen. Ihr seid alle in viele andere Projekte involviert. Wie sind die Stücke entstanden? Aus dem Jammen heraus, oder habt ihr sie komponiert?
Christoph Pepe Auer: Die Stücke sind komponiert worden. Manu und ich haben Komposition studiert und Gregor Riddell, Cellist der Band, beschäftigt sich auch viel mit Komposition. Somit waren wir auch die drei, die mit den ersten komponierten Stücken gekommen sind, welche dann innerhalb der Gruppe nochmals bearbeitet und weiterentwickelt wurden. Es ist also grundsätzlich so, dass die Stücke sehr bewusst für diese einzigartige instrumentale Besetzung geschrieben sind bzw auch für die einzelnen Musiker. Ich schreibe also nicht für Geige sondern für Tom Norris an der Geige usw.
War es damals, als ihr euch zusammengeschlossen habt eigentlich klar, dass ihr tatsächlich das erste Hang/Klarinetten-Duo der Welt seid? Vergleichbares hat es ja wirklich nicht gegeben.
Christoph Pepe Auer: Angefangen hat unser Duo aus der Tatsache, dass wir ca. zur gleichen Zeit die Liebe zu unseren neu entdeckten Instrumenten gefunden haben, d.h. ich zur Bassklarinette und Manu zum Hang. Wir waren damals sicherlich noch keine Profis mit unseren Instrumenten, als wir beschlossen haben gemeinsame Sache zu machen. Im Vordergrund stand der Wille, etwas Neues zu machen. Ein schöner Nebeneffekt, wenn man ein Instrument noch nicht perfekt beherrscht, ist eine gewisse Spielfreiheit dadurch es wenig Automatismus gibt.
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Manu, durch dich ist das Hang als Instrument auch hierzulande zu mehr Bekanntheit gelangt. Mir fällt jetzt auf die Schnelle nur Peter Rosmanith ein, der das Instrument hierzulande auch noch spielt.
Manu Delago: Naja, es gibt schon 3000-4000 Hangspieler. Die sind aber über die ganze Welt verteilt. Allerdings sind von diesen auch nur wenige dabei, die tatsächlich auf einer Konzert-Bühne spielen. Es ist ein etwas langsamerer Prozess, die Bekanntheit des Hangs zu steigern. Und ich versuche, dann doch auch dazu beizutragen, dass es bekannter wird. Es ist schon ein cooler Bonus. Aber ich glaube schon, dass wenn man sich bewusst ist, dass man eine einzigartige Konstellation bildet, dass das schon irgendwie nützt. Darüber hinaus ist eine solche auch aus Kompositions-Sicht sehr inspirierend, weil man etwas Neues machen kann. Alleine weil die Kombination aus diesen beiden Instrumenten einen vollkommen neuen Klang ergibt. Es eröffnet neue Türen.
Christoph Pepe Auer: Obwohl man im Vorhinein auch nicht ganz genau weiß, wie gut es letztendlich funktioniert. So richtig sicher darüber, ob diese instrumentale Konstellation für den Sound, den wir uns vorgestellt haben, überhaupt reichen würde, waren wir zu Beginn nicht.
Manu Delago: Das Leichteste war, zwei schöne Lieder zu schreiben. Ein abendfüllendes Programm jedoch auf die Beine zu stellen, das auch noch interessant ist, war die eigentliche Herausforderung. Je weniger Instrumente und Leute auf der Bühne zu sehen sind, desto schwieriger ist es, abwechslungsreich zu sein.
Wenn man euch beobachtet, was ihr alles so auf den Weg bringt, entsteht auch schon der Eindruck, dass ihr nach einem ganz bestimmten Plan vorgeht. Täuscht das?
Christoph Pepe Auer: Es steckt hinter unserem Schaffen meist ein gewisser Plan dahinter, der sich allerdings spielerisch entwickelt. Die Megahits Youtube Serie hat sich beispielsweise auf diesem Wege entwickelt. Die Grundidee war dazu, dass wir uns dazu bringen wollten, anders zu spielen als bisher und daher unsere Spielpraxis zu erweitern. Diese Serie war eine gutes Mittel dafür, weil man spieltechnisch neue Wege gehen muss. Es war also eine musikalische Idee, die sich in eine Reihe fortgesetzt hat und dadurch auch ein gutes Mittel wurde, um auf Youtube präsent zu sein.
Manu Delago: Man probiert oft etwas aus und wenn es funktioniert wird es zu einem Plan oder einem Konzept. Dass bei uns aber ein Zehnjahres-Masterplan hinter dem Ganzen steckt, das ist nicht der Fall. Bei dem You Tube-Ding war es anfangs so, dass die ersten Videos nicht einmal von mir raufgestellt worden sind. Aber man hat gesehen, wie viel Interesse es geweckt hat und von da an hat es sich zu einem Konzept entwickelt.
Wie wichtig ist es für euch, neben eurem Duo auch noch in andere Projekte involviert zu sein, die musikalisch in andere bzw. auch gegensätzliche Richtungen gehen?
Christoph Pepe Auer: Ich sehe es generell als eine Bereicherung. Es ist immer spannend und bereichernd mit anderen guten Musikern zu spielen und zusammenzuarbeiten. Neue Erfahrung nimmt man dann auch wieder in das Duo mit. Für mich persönlich ist es auch instrumentaltechnisch wichtig, da ich bei Living Room ausschließlich Bassklarinette spiele, ich aber eigentlich Saxophon studiert habe. Es ist für mich interessant mich innerhalb verschiedenen musikalischen Welten zu befinden. Ich fahre seit nun seit vielen Jahren nach New York um mir immer wieder einen musikalischen Input von dort zu holen. Ich merke, dass Abwechslung auf mich immer auch einen guten Effekt hat. Musikalisch und persönlich.
Manu Delago: Für mich ist auch die Abwechslung das Wichtigste. Wir machen nichts anderes als Musik, und da ist es natürlich sehr gut, wenn man Abwechslung hat. Würden wir jetzt rein wirtschaftlich denken, müssten wir uns in eine Schublade bzw. Genre begeben und diese dann voll fokussieren. Aber so wichtig ist mir das dann auch nicht. Ich mache lieber das, was mir einfach Spaß macht.
Das Gefühl, dass ihr euch wirklich in keine Schublade reinstecken lasst, habe ich auch.
Manu Delago: Die Sache ist so, dass wir im Prinzip alles selber checken. Und das geht deswegen, weil wir eben unseren eigenen Plänen folgen und das machen, was wir wollen. Wenn wir jetzt aber ein großes Management, eine große Plattenfirma hätten, dann würden die schon wollen, dass man eine gewisse Linie fährt und das man ein bisschen klarer sagt, was man will. Aber wie gesagt, wir machen alles selber und diese Freiheit, sich nicht limitieren zu müssen genießen wir schon sehr. Wir können Nirvana neben Bach spielen und dann auch noch eigenes Zeug. Das macht Spaß.
Christoph Pepe Auer: Ich finde es einen großen Vorteil auf der Bühne diese Abwechslung und Offenheit zu haben, da man das Publikum immer wieder überraschen kann. Beim Booking kann es ein Vorteil oder auch ein Nachteil sein nicht so kategorisierbar zu sein. Beispielsweise bei der Suche nach geeigneten Auftrittsorten. Einerseits können wir in klassischen ‚Venues’ genauso spielen, wie in Jazzclubs, in Pubs und größeren Konzerthallen. Das funktioniert eigentlich gut. Manchmal aber haben Clubs ein sehr eingegrenztes Programm, z.B. ein Veranstalter der ausschließlich die zeitgenössische Jazzschiene fährt. Hier passen wir dann nicht wirklich perfekt hinein. Also wie gesagt, dieses „nicht einordenbar sein“ hat zwei Seiten.
Manu Delago: In London das King`s Place, wo wir im Jänner auftreten werden, hat ein Konzeptprogramm. Da wird jeden Montag zeitgenössische Musik gespielt, und jeden Samstag Jazz. So richtig gewusst haben die auch nicht, wo sie uns jetzt einordnen sollten und haben mich daher gefragt. Ich habe ihnen gesagt: „Naja, das weiß ich nicht, dass müsst schon ihr entscheiden.“ Das Ganze kann, wie Pepe schon gesagt hat, ein Vorteil, aber in manchen auch ein Nachteil sein, wenn zum Beispiel das Konzept des Veranstalters ein sehr enges ist.
Ihr absolviert jetzt im Jänner eine größere Konzertreise durch England, Österreich und Deutschland. Pepe, du hast mir im vergangenen Jahr von eurer US-Tour erzählt und dass ihr dort eigentlich recht enthusiastisch aufgenommen worden seid. Wie sieht es mit dem neuen Programm, dass dann doch stilistisch anders ist, aus. Kannst du schon über erste Reaktionen berichten? Ist es so, dass das Publikum auf euren Konzerten von dem jeweiligen Club oder euer eigenes Publikum ist?
Christoph Pepe Auer: Ich glaube schon, dass zum großen Teil das Publikum wegen unserer Musik und der speziellen Instrumentenkombination zu den Konzerten kommt. Selbstverständlich gibt ist immer mehrere Gründe, aber es ist selten, dass wir ausschließlich vor einem Stammpublikum eines Veranstalters spielen. Unsere Youtube Präsenz bringt doch immer wieder erstaunlicherweise einige Leute dazu, einen weiteren Weg und viele Autostunden nicht zu scheuen, um uns zu sehen.
Manu Delago: Es wird für uns auch spannend mit dieser Tour, da wir in dieser Konstellation mit den drei Streichern bisher, außer den Konzerten vor drei Jahren in Österreich, ausschließlich in London gespielt haben. Es wird spannend zu sehen sein, wie die Leute, die uns schon im Duo gesehen haben reagieren werden, weil sie ein Programm hören werden, das doch ziemlich anders ist. Bassklarinette und Hang sind jetzt nicht mehr so im Mittelpunkt, wie es im Duo der Fall ist. Es ist diesmal mehr die Komposition an sich im Zentrum. Im Duo war der improvisatorische Anteil wesentlich höher. Es ist jetzt fast so, als stünde ein kleines Kammerorchester auf der Bühne.
Manu du hast jetzt bei Björk auf ihrem neuen Album mitgespielt und wirst auch mit ihr auf Tour sein. Inwieweit trägt dieser Umstand dazu bei, dass sich mehr Leute für euer Projekt interessieren?
Manu Delago: Naja, es stimmt schon, dass bei Konzertankündigungen oder ähnlichem in der Subunterschrift das schon irgendwie erwähnt wird, aber das ist ja eigentlich normal, dass man die Namen zu lesen bekommt, mit denen ein Musiker bereits zusammengearbeitet hat. Aber auf das musikalische Konzept, welches Pepe und verfolgen, hat das keinen Einfluss.
Aber schaden tut es auch nicht.
Manu Delago: Natürlich nicht. Vor allem ist Björk jemand, den ich gerne hinschreibe. Und das auch aus inhaltlicher Sicht, und nicht nur weil sie jemand ist, die bekannt ist.
Aber ich habe doch bemerkt, dass manche Leute, die mit eurem Projekt nicht wirklich vertraut waren, alleine durch diese Zusammenarbeit auf euch gekommen sind.
Christoph Pepe Auer: Das ist gut zu hören und natürlich sehr gut, wenn das so funktioniert sollte. Wir können allerdings noch nicht wirklich abschätzen, inwieweit sich das für uns auswirkt.
Manu Delago: Ich glaube nicht, dass es so wahnsinnig viele sind, die über den Namen Björk auf uns kommen. Mein Name steht zwar in der CD, aber da weiß man dann auch nicht viel mehr über mein eigenes Schaffen. Ich denke die Live-Konzerte sind am ehesten aufschlussreich, weil mich da das Publikum sieht und das erweckt natürlich mehr Eindruck. Björk ist auch sehr offen, sodass wir ich meine und unsere CDs und Flyers auf ihrem Merchandising Stand auflegen kann. Wir haben letztens ein Duo-Konzert in Island gespielt, wobei ich die Wochen vorher das Duo-Konzert durch Flyers bei den Björk Konzerten bewerben konnte. Das war natürlich super, um unser Konzert zu promoten.
Danke für das Interview.
Termine:
24.01. Syrnau, Zwettl
25.01. München (D)
26.01. Treibhaus, Innsbruck (A)
27.01. Cafe Museum, Passau (D)
28.01. Kunstbox, Seekirchen (A)
29.01. Musikpavillon, Zirl (A)
30.01. Brick 5 Wien*, (A)
31.01. Horns Erben, Leipzig (D)
01.02. Haus der Sinne, Berlin (D)
*ermäßigter Eintritt bei Facebook Zusage: http://www.facebook.com/events/319136728114138/
Christoph Pepe Auer