mica-Interview mit Klaus Waldeck

Die Tanzmusik der 20er und 30er Jahre hat sich der Wegbereiter des österreichischen “Downbeats”, Klaus Waldeck, als Thema für sein neues Album “Ballroom Stories” ausgesucht. Damit geht der Musiker nach seinem erfolgreichen Projekt Saint Privat – auf dem er zusammen mit der Sängerin Valerie Sajdik nostalgisch der 60er Jahre im Stile französischer Filmklassiker gedenkt – noch weitere Jahrzehnte zurück.

Im Interview erzählt Klaus Waldeck über die Hintergründe seines neuen Projektes, bei dem er aus der Vergangenheit geschöpft hat und geht dabei mit der musikalischen hart ins Gericht – nicht zuletzt, weil er von der aktuellen Entwicklung im Kommerz-Radio-Bereich selbst – zumindestens indirekt – betroffen ist. Das Gespräch hat Christian Rösner geführt. Er ist Redakteur bei der “Wiener Zeitung” und Autor der Kolumne “Soundsurfer”.

Was war die Idee, nach Saint Privat musikalisch noch weiter in die Vergangenheit zu reisen?
Waldeck: “Zu dieser Zeit gab es eine besondere Lust am Leben – und ich denke, dass sie gar nicht so unähnlich zu unserer heutigen Zeit war. Es herrscht jetzt eine gewisse Vergnügungssucht – und vielleicht eine gewisse Müdigkeit, was den sogenannten Clubsound betrifft, der uns die vergangenen 15 Jahre begleitet hat. Und wenn wir von der Musik der 30er Jahre sprechen, denkt jeder an die alten Schellackplatten und daran, wie sie geklungen haben. So interpretieren wir den Klang in die verstaubten Platten hinein, aber den authentischen Sound der 30er Jahre kennen wir gar nicht. Ich versuche hier bewusst, eine alte Ästhetik hineinzubringen, sie aber in einem heutigen Kontext darzustellen.

Du reist also gerne in der Vergangenheit, um Dir Inspirationen zu suchen?
Ja, die Frage ist, wo das noch enden soll (lacht). Aber es ist eine spannende Sache. Denn es ist ja viel von dem, was in der Vorkriegszeit in Österreich passiert ist, durch den Zweiten Weltkrieg ausgelöscht worden. Danach war gar nichts mehr. Was nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgekeimt ist, war zuerst der Blick nach Amerika. Selbst der Austropop hat sich später mehr aus dem Proletariat heraus entwickelt und konnte keinesfalls an das anschließen, was sich vorher an Kabarett und Chanson-Kultur abgespielt hat. Ich versuche also mit meinem neuen Album dort anzuschließen, wo Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Ich will das Lebensgefühl von damals aufgreifen, um es den Menschen zugänglich zu machen”.

Dafür hast Du auch eine neue Stimme gefunden.
Ja, Eva Engel alias “Zeebee” aus Vorarlberg ist auf 5 Titeln vertreten. Sehr sparsam und minimalistisch, so wie ich es gerne mag – ich mache es eigentlich dem Publikum wieder leicht und spiele mich gerne mit Klischees. Ich versuche also nichts künstlich zu kompensieren, indem ich irgendwelche schrägen Dinge einbaue. Diese Phase habe ich schon hinter mir, sofern ich sie überhaupt jemals gehabt habe. Jedenfalls erwarte ich mir viel von dem Album – und es ist ja schon bereits im Vorfeld schon sehr erfolgreich, nicht zuletzt weil Mercedes bereits einen Titel für die C-Klasse-Kampagne verwendet hat und es exttrem gutes Feedback gegeben hat.

Ich stelle mir gerade ein gewisses bohemien-Feeling vor, denke an Henry Miller, verrauchte Cafés und Charleston …
Das Album bezieht sich schon ein bisschen auf Amerika, also auf die Facetten, die musikalisch aus den USA gekommen ist. Und dabei durchwandert es geografisch Jamaica mit seinen Off-Beat-Geschichten und den Swing aus New Orleans. Aus dem Grund wollte ich ja auch das Album ursprünglich “The America”s nennen.

Welcher technischen Hilfsmitteln hast Du Dich dabei bedient, wie elektronisch ist das Album?
Elektronisch ist heutzutage im Prinzip schon jede Musikproduktion. Aber darüber hinaus gibt es den elektronischen Umgang mit größtenteils analog aufgenommenen Sounds. Von einer Bigband zu sprechen wäre wohl übertrieben, aber bei einzelnen Stücken gibt es doch bis zu drei oder vier Bläser, Kontrabass, Live-Schlagzeug, Klavier und Sänger. Es ist also im Prinzip fast alles live eingespielt, teilweise auch zeitgleich – also nicht Spur für Spur. Auf der anderen Seite habe ich Samples eingesetzt, um die Ästhetik des Angekratzten reinzubringen, wie ich das schon zu Beginn erklärt habe.

In Deiner Anfangsphase haben ja Samples eine große Rolle gespielt, bei Saint Privat war das weniger der Fall, jetzt tauchen sie wieder verstärkter auf, warum?
Jetzt geht es mehr darum, selbst eingespielte Sounds als Samples einzusetzen, weil man das Sampling heute schon fast als ästhetische Form zitieren kann, selbst wenn es nicht gesampelt ist.

Du bist ja eigentlich gelernter Jurist, hast Dich aber für eine musikalische Karriere entschieden. Hast Du eigentlich auch in diesem Bereich eine Ausbildung oder war Dein Lehrmeister die Erfahrung?
Ich habe als Kind und Jugendlicher Klavier gelernt, wobei mich das Spielen das Spiele nach Noten schon immer ziemlich genervt hat. Also habe ich schon damals versucht das Klavier zu verwenden, um meine eigenen Ideen umzusetzen. Was mein Lernprozess durch Saint Privat war, ist das gemeinsame Musizieren mit Musikern. Die letzten beiden Waldeck-Alben waren ja doch eher eine sehr einsame Geschichte, wo man vor dem Computer sitzt und Sounds tüftelt. Jetzt verbinde ich beides und das macht Sinn, weil die Flexibilität viel größer geworden ist. Abgesehen davon, dass es oft gar nicht möglich ist die Samples zu finden, die man gerne hätte.

Du hast ja von Beginn Deiner Karriere an als Trendsetter gegolten, könnte das neue Album wieder einen neuen Trend losbrechen?
Das hoffe ich. Das Album gibt es ja eigentlich schon seit vier Jahren – zumindestens gehen die ältesten Aufnahmen auf das Jahr 2003 zurück. Und dann gab es den “Arbeitsunfall” Saint Privat. Das hat mich spontan mehr angesprochen. Ursprünglich wollte ich das Album 2006 veröffentlichen. Doch das zweite Saint Privat-Album ist dann deswegen vorgezogen worden, weil ich schon damals wusste, dass Valerie mit Sony-BMG mit “Mädchen (sind doof)” ihr Soloprojekt vorbereiten wollte. Da habe ich mir gedacht, wenn ich nicht mit unserem Album vor dem Solo-Album herauskomme, dann wird das komplett zerschossen. Deswegen war es wichtig, eine zweites Saint Privat-Album vorzulegen, um eine Basis zu schaffen, wo dann die Leute selbst beurteilen können, in welchem Kontext die Menschen Valerie lieber sehen möchten.

Hat das Soloprojekt von Valerie Saint Privat geschadet?
Auf jeden Fall. Ich hatte viel Mühe, Saint Privat aufzubauen und erfolgreich zu machen – und jetzt wird medial mit der Planierwalze drübergefahren und gesagt: Das ist nun etwas ganz anderes! Für mich war Saint Privat etwas Stil- und Qualitätsvolles, etwas Mondändes. Und Valerie passt perfekt in die Welt des Eleganten, des Glamour-Chansons mit Stil und Klasse. Jetzt wird plötzlich daraus eine Dodel-Geschichte für Teenies gemacht. Die durchschauen das aber und entscheiden sich lieber für Christl Stürmer – obwohl die als neue Österreicherin genausowenig eine Entdeckung des Jahres 2007 ist wie Valerie. Die Sache hat vor allem der Glaubwürdigkeit der Figur Valerie geschadet. Ob sich die betreffenden Leute etwas dazu überlegt haben, weiß ich nicht.

Was hat es Deiner Meinung nach mit den “neuen Österreichern” auf sich?
Der Hintergrund ist eine Image-Pflege von Ö3, um zeigen, was der Sender nicht alles für den heimischen Musikmarkt macht. Dabei wird wie mit einem Elefanten im Porzellanladen agiert, nur um die eigene Sache durchzudrücken.

Jahrelang wurde doch beklagt, dass Ö3 heimische Musiker ignoriert.
Genau, und alles was gerade greifbar war, haben sie sich jetzt geschnappt, ohne zu überlegen, ob das wirklich repräsentativ für Österreich ist. Das ist das, was ich ankreide: Hier wird mit der Brechstange etwas vom Zaun gebrochen – ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei sind die heikelsten Fragen im Musikgeschäft: Wo positioniere ich etwas und wie glaubwürdig ist es dann. Wir waren ja mit Saint Privat auch auf Ö3 sehr erfolgreich. Aber bei der Singleauskoppelung des zweiten Albums hat es plötzlich geheißen, sie müssen auf die Ergebnisse irgendeines Marktforschungsinstitutes warten, um entscheiden zu können, ob sie das Lied spielen oder nicht. Und das ist ja eigentlich auch ein Armutszeugnis, wenn Musikredakteure nicht mehr selbst entscheiden können.

War Saint Privat vielleicht zu wenig kommerziell?
Kommerziell ist für mich etwas, das funktioniert. Saint Privat hat funktioniert und hatte Qualität. Kommerz ist also nichts Schlechtes. Auch Pop wird oft auf eine bestimmte Soundästhetik reduziert. Pop heißt aber Popularmusik – und die passiert im Kopf. Das heißt, Popmusik entwickelt sich ständig weiter – aber das verstehen manche Radiosender und Plattenfirmen nicht. Ich kann mich erinnern, dass wir Saint Privat auch Sony-BMG angeboten haben, da hat es aber noch geheißen: Ach, interessiert uns nicht. Und jetzt wo sie sehen, dass da jemand das Thema aufgebaut hat, setzen sie sich drauf und weisen ständig daraufhin, dass Valerie die Gewinnerin eines Amadeus-Awards ist – den sie allerdings mit Saint Privat gewonnen hat. Und anstatt sich draufzusetzen, um es zu etwas Größerem zu machen, zerstören sie es einfach mit ihrer mangelnden Feinfühligkeit.

Viele sprechen aber bei ihrem Soloprojekt von einer sehr professionellen Produktion.
Das ist eben dieser Irrglaube, dass Professionalität an einem bestimmten Soundformat haftet und es damit automatisch Pop ist. Pop ist aber erst dann Pop, wenn es die Leute kaufen und es eben populär ist. Aber so werden sie immer nur hinterherhecheln. Man muss eben auch eigene Wege gehen – auch in der Pop-Musik.

Das war doch auch der Grund für die großen Plattenfirmen, nach dem Einbruch des Musikmarktes rund um die Jahrtausendwende aufgrund dieser Fehler plötzlich die Zusammenarbeit mit den Independent-Labels zu suchen.
Die Sache muss einfach funktionieren und Spaß machen, dann ist sie erfolgreich, selbst wenn es sich nur um ein One-Hit-Wonder handelt. Die Christl Stürmer ist kein One-Hit-Wonder und keine neue Österreicherin, sondern sie ist eine die es geschafft hat, sich mit einem gigantischen Medienbudget, aber auch mit ihrer natürlichen frechen Art auf dem deutschsprachigen Musikmarkt durchzusetzen. Wobei ich es nicht gut finde, dass sie so klingt wie die meisten Bands aus Deutschland heute klingen.

Unlängst hat jemand aus der Plattenbranche sich in einem Rundschreiben gefragt: Warum geniert sich Christine Stürmer dafür, eine Oberösterreicherin zu sein? Warum versucht sie wie eine Deutsche zu klingen?
Ja genau. Und warum muss Valerie singen: Mächen sind doof? Ich meine doof ist doch dumm!

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Klaus Waldeck