mica-Interview mit Ginga

Dass es sich bei Ginga durchaus um eine Band mit Potential handelt, wusste man eigentlich schon seit geraumer Zeit. Nur so richtig ist die Message, wie hierzulande oftmals der Fall, bis vor kurzem nicht wirklich nach Österreich vorgedrungen. Es bedurfte schon eines fulminanten Auftritts beim Popfest Wien in diesem Jahr, um auch den Leuten in Wien klarzumachen, dass es sich hier um das vielleicht größte Versprechen der heimischen Popszene seit langem handelt. Klemens Wihlidal und Matthias Loitsch im Gespräch mit Michael Ternai.

Gleich zum Beginn die Frage, warum habt ihr euch dazu entschlossen, die alten Songs neu aufzunehmen.

Matthias Loitsch: Die legendäre Frage. Ich glaube, einerseits die Möglichkeit die Aufnahmen nochmals finanziert zu bekommen. Zwar haben wir uns anfangs schon überlegt, ob wir das tun sollen, da die Songs beim ersten Mal wirklich erst bei den Aufnahmen entstanden sind und da wir viele Dinge, wie etwa das Schneiden, selber gemacht haben. Letztlich haben wir uns dann doch dazu entschlossen, die Songs, mit der Erfahrung, die wir bis heute dazugewonnen haben, einfach neu aufnehmen.

Klemens Wihlidal: Ein Punkt war auch, dass wir mit dem Album bei einem belgischen Label untergekommen sind, das normalerweise eher Tanzmusik und Heavy Metal in seinem Repertoire hat und mit alternativen Indie-Pop, wie wir ihn machen, nicht viel anfangen konnte. Das Label meinte, dass die Songs, damit sie auch im Radio gespielt werden, nochmals überarbeitet und gemischt werden sollten. Mit diesem Hintergedanken sind wir unter anderem an „Fashion“ herangegangen und sind draufgekommen, dass man die eine oder andere Sache, wie etwa manche Gesangs- oder Percussionpassagen, neu einspielen könnte. Letztlich haben wir gesehen, wie viel mehr aus den einzelnen Songs noch herauszuholen wäre und entschieden, das gesamte Album neu aufzunehmen. Wir haben das Glück gehabt, dass unser Label CNR dieses Vorhaben auch unterstützt hat. Das Album haben wir dann in Belgien aufgenommen und in London abgemischt. So hat sich das alles entwickelt.

Wenn man euren bisherigen Karriereverlauf ansieht, geht ihr ja einen recht untypischen. Wie kommt eine Band aus Österreich bei einem Label in Belgien unter?

Matthias: Unser Booker Jeroen Siebens, der ja Belgier ist, hat uns dahingehend eigentlich die Schienen gelegt.

Klemens: Dazu gibt es eine lustige Geschichte, die wir noch nie erzählt haben. Eigentlich wollte Jeroen uns anfangs gar nicht haben. Wir haben ihn angeschrieben und angerufen, worauf er immer geantwortet hat, dass er keine Zeit hätte, weil er ohnehin zu viele Bands betreuen müsste. Ich glaube, Alex ist dann einmal zu ihm hingefahren und hat ihm die CD in den Postkasten geworfen. Er hat sich die Songs angehört und war schließlich auch davon überzeugt, dass er uns aufnehmen möchte.

Also praktisch Zufall. Es hätte ja auch ein anderer Manager aus Österreich sein können?

Matthias: Es war unser Drang aus Österreich rauszugehen. Nachdem uns der Booker dem Label vorgeschlagen hat, war uns auch eigentlich klar, dass wir diesen Weg gehen wollen. Das beste Beispiel war ja bei der Pressekonferenz beim Popfest. Dort wurden wir als österreichisch-belgisch-londoner Band angekündigt, weil Österreich alleine nicht genügt.

Klemens: Naja, ich glaube das hat damit zu tun, dass der James (James Stelfox, der neu eingestiegene englische Bassist, vormals Starsailor) dazu gekommen ist.

Matthias: Genau, aber es ist eben wichtig zu erwähnen, dass wir als Band nicht nur in Österreich verankert sind. Es steht bei jeder Rezession dabei, dass wir nicht nur für Österreich gute Musik machen, sondern ein internationales Niveau haben. Es ist einfach leichter für Österreicher, wenn man auch außerhalb der Heimat einen Namen hat.

Klemens: Man muss erst im Ausland bekannt werden, um in Österreich wertgeschätzt zu werden.

Wie schon erwähnt, ihr seid ja beim Popfest von Robert Rotifer unglaublich gelobt worden. Wie ist euer Kontakt zu ihm?

Klemens: Nach einem Konzert in London sind wir zum Brunch zu ihm nach Canonbury zwecks eines Interviews gefahren. Auch den aktuellen Pressetext hat er für uns verfasst.

Matthias: Wir hören schon immer wieder mal von ihm. Er war insofern so nett, dass er den Pressetext, den er für uns geschrieben hat, uns auch lesen, korrigieren, überschauen ließ und mit uns noch ein bisschen daran gefeilt hat. Er ist uns sehr entgegen gekommen und hilft uns auch sonst gerne, wenn wir was brauchen. Es ist toll Robert Rotifer an der Seite zu haben. Ich glaube, was den gesamten Job betrifft, ist er eine große Hilfe.

Ich hab euch vor eineinhalb Jahren in der Arena gesehen. Damals seid ihr noch als Geheimtipp gehandelt worden. Umso erstaunlicher ist, was in diesem letzten Jahr alles passiert ist.

Klemens: Es fühlt sich nicht ganz so an, aber es stimmt schon. Uns gibt es ja schon recht lange. Wir haben schon zwei EPs herausgebracht, die ich jetzt aber nicht namentlich erwähnen will, weil wir damals schon noch einen sehr kopflastigen Zugang zur Musik gehabt haben. Was ja nicht schlecht ist, aber wir haben uns mit der Zeit dazu entschieden einfachere Strukturen, einfachere Lieder zu schreiben, was auch dazu geführt hat, dass auch der Spaß am Musikmachen selbst gestiegen ist. Das Motiv war aber weniger, dass wir uns in eine massentaugliche Richtung bewegen wollten, sondern einfach Songs zu schreiben, die man kompensieren kann. Generell war es früher auch so, dass wir weniger Konzerte gespielt haben und uns viel lieber im Proberaum aufgehalten haben.

Matthias: Ich glaube, es hat auch viel mit diesem wahnsinnigen Push zu tun gehabt. Der Grundgedanke zu Beginn war, eine Art Demo-CD aufzunehmen, die als Sprungbrett dienen in die Musikszene soll. Mit einem neu aufgenommen Album haben sich ganz neue Türen geöffnet. Plötzlich sind wir als Vorgruppe von Starsailor in Brüssel auf der Bühne gestanden. Und durch unser belgisches Label haben wir jetzt auch James Stelfox als fixes Mitglied gewinnen können. Seitdem flutscht irgendwie alles so dahin.

Klemens: Am Anfang, vor zwei Jahren, hatten wir ja überhaupt keine Rückmeldungen von den Medien. Lustig ist, dass sich das mit dem neu aufgenommenen Album schlagartig geändert hat.

Matthias: Ein wenig mediale Präsenz hatten wir schon, zwar nicht viel, aber es war was da. Es ist nicht so, als wären wir nicht irgendwie angesprochen worden. Aber es ist einfach nichts passiert damit. Wir hatten hier und da eine gute Rezession, wir wurden auf Fm4 angekündigt.

Klemens: Stimmt, wir hatten recht früh Airplay auf FM4. Noch bevor das Album herausgekommen ist, war die zweite Single schon auf FM4 zu hören. Aber das ist eben auch nicht alles. Wir haben schon immer in unsere Musik viel Arbeit reingesteckt, egal ob nun beim Komponieren, beim Aufnehmen oder beim Herstellen von Kontakten. So etwa gestalten wir das Cover selber, die Website und die Grafik selbst. Und auf einmal fragen die Medien: „Und wie ist es so, dass jetzt alle über euch schreiben?“ Hoffentlich geht da so weiter.

Matthias: Die letzten beiden Konzerte waren super voll und es war wunderschön, lauter neue Gesichter zu sehen. Was will man eigentlich mehr?

Klemens: Es ist bei Konzerten schön zu sehen, dass die Mehrzahl des Publikums nicht nur Bekannte und Freunde sind.

Wie ist eure internationale Wahrnehmung? Zum Beispiel in Belgien. Ihr habt ja in London auch schon gespielt. Geht ihr da als Exoten durch oder ist es dem Publikum egal, woher ihr seid?

Matthias: In England haben wir jetzt erst vier Konzerte gespielt. Also noch nicht so viele. Wir haben auch noch nicht in großen Konzert-Locations gespielt, was ja dann auch wieder einen Unterschied macht. In Belgien ist das wieder etwas anderes. Ich glaube, weil dort auch eine andere Konzertkultur herrscht. Dort, wo wir gespielt haben, treten viele ausländische Bands auf. Aber auch  in Belgien kennen uns jetzt nicht so die Massen. Wir haben aber doch schon ein paar Groupies (lacht).

Klemens: Das Album ist ja in Belgien schon im Mai oder April herausgekommen, noch bevor es Österreich der Fall war. Nach dem Release haben wir dort sechs, sieben Konzerte gespielt. Da kann man aber noch keine Entwicklung absehen. Es ist unser Ziel, im Oktober etwas aufzunehmen und zu touren. Mal schauen. Ziel ist es, herumzukommen und in Belgien  Airplay zu bekommen. Sonst aber ist es ja eh so, wie vor zwei Jahren in Österreich.

Matthias: Was man aber schon merkt ist, dass das Album auf jeden Fall keinen schnellen Sprung macht. Direkte, schnelle massive Reaktion bekommt man eigentlich eher selten. Es muss sich irgendwie durchsetzen und dann, wenn es sich durchgesetzt hat, bekommt man auch durchaus gute Reaktionen.

Ihr hat ja beim Popfest gespielt. Wie seht ihr eigentlich die Situation in Österreich? Es ist ja in den vergangenen Monaten ja ein regelrechter Hype um die österreichische Sing-/Songwriter Szene entstanden, der besonders beim Popfest seinen Ausdruck gefunden hat? Habt ihr daran anschließen können? Ohne das Popfest hättet ihr zum Beispiel Robert Rotifer nicht so schnell kennen gelernt.

Klemens: Abgesehen, dass das Popfest eine gute Sache ist, ist es großartig, dass in Wien jetzt etwas losstartet und sich so eine Szene entwickeln kann. Es war großartig, dass wir dort gespielt haben und die Reaktionen, die wir davon bekommen haben waren sehr interessant. Viele Leute haben uns geschrieben, dass sie noch nie vorher was von uns gehört haben, obwohl wir schon seit 5 Jahren herumwerken. Und da spielen wir einmal bei Popfest und alle Leute regen sich auf, dass wir unbekannt sind.

Matthias: Wir haben schon unseren Beitrag dazu geleistet, denn wir haben uns schon immer sehr bedeckt gehalten. Beim Popfest war es ja so, dass wir am Anfang nicht dabei waren. Wir waren ja weder den Labels, die das Programm gestaltet haben, noch Robert Rotifer bekannt. Er hat sich uns halt angehört. Und wie er so erzählt, hat er sich sehr gewissenhaft durch viele Bands durchgehört, was für ihn teilweise eine ziemliche Qual war, glaube ich. Insgesamt ist eben dann doch viel zusammen gekommen.

Klemens: Es war ganz interessant, wie gut Robert Rotifer über die österreichische Szene Bescheid weiß, obwohl er irgendwo in England lebt.

Arbeitet ihr schon an neuen Sachen?

Matthias: Man kann sich eh denken, dass wir jetzt ein bisschen beim Verwalten sind, obwohl die Ausrichtung schon auf dem zweiten Album liegt. Wir hatten ja schon beim ersten Album an die 30 Lieder, die zur engeren Auswahl standen. Bevor ein Song auf das Album kommt, wird es zehn Mal angedacht. Es gibt im Moment eben noch nicht viele ausgereifte Ideen. Jedoch wollen wir  im Herbst trotzdem  ins Studio gehen wollen.

Klemens: Das nächste Album wollen wir auf jeden Fall nächstes Jahr releasen. Anfang nächsten Jahres sollten wir die meisten Songs schon fertig haben.

Ihr seid ja eine sehr kreative Fraktion, wenn ihr meint, dass ihr an die 30 Lieder in der Hinterhand hattet.

Matthias: Ja, wie soll ich sagen, teilweise sind die Lieder ja auch erst im Studio fertig geworden. Die Ideen hingen halt so im Raum und wir haben die ziemlich zusammengeflickt. Auch stand nicht auf dem Plan, einen Radiohit zu schreiben. Das war ja nicht einmal angedacht. Interessant war aber zu sehen, dass man die Songs trotzdem irgendwie nicht verbiegen konnte: An „Fashion“, der hippsten Nummer des Albums, haben insgesamt drei Leute im Studio herum gearbeitet. Und genau dieser Song wird dann der Radiohit. Wir hatten verschiedene Versionen, z.B. eine Art tanzbare Remix Version. In diesem Fall wurde so viel darüber produziert, dass es im Endeffekt alles zerstört hat. Wir gingen also her und haben wieder bei der Rohversion angefangen. Das hat dann besser funktioniert.

Was hat euch musikalisch generell beeinflusst?

Klemens:
Ich glaube wir müssen erwähnen, dass wir alle viel Radiohead gehört haben. Aber das ist auch schon wieder lange her.

Matthias: Wie wir als Band zusammen gekommen sind, haben wir definitiv alle Radiohead gehört. Ich glaube das spätestens seit der Album Produktion unsere eigene Linie fahren. Wir werden gar nicht auf Radiohead angesprochen. Das ist ein gutes Zeichen.

Klemens: Zwischen dem ersten und zweiten Album hat sich sehr viel getan. Wir hören jetzt auch gerne viele Hip Hop Sachen.

Matthias: Die unterschiedlichen Sachen. Das macht den Kopf irgendwie frei. Gerade in der Studiophase muss man ein bisschen aufpassen, was man hört.

Welche Möglichkeiten seht ihr, euch länger im Business zu etablieren? Was sind eure längerfristigen Pläne?

Matthias: Generell ist unser Plan, dass wir es auf den englischen Markt schaffen, um von dort aus die Welt zu erobern.

Ihr könnt euch vorstellen, dort sesshaft zu werden?

Klemens: Ich war ja mit dem Alex schon ein halbes Jahr in England, für ein Studienauslandssemester in London. Es ist jetzt nicht die Stadt, in der ich leben will. Aber es kann schon sein, dass wir dann für ein Jahr dort hinfahren müssen, oder nach Manchester oder Belgien. Je nachdem, ob wir gerade im Studio oder auf Tournee sind. Wir sind alle darauf vorbereitet, dass wir jetzt nicht nur in Wien sitzen bleiben.

Matthias:
Wir haben gesehen, dass uns auch nichts geschenkt wird. Man muss schauen, dass man dort, wo man sich aufhält, viel spielt, viele Leute trifft, immer an Orten ist, wo man Leute kennen lernen kann, immer für Interviews bereit steht etc. Wenn wir uns entscheiden könnten, wo wir am liebsten hingehen würden, ist Österreich halt nicht die Nummer eins.

Klemens: Es war eigentlich auch Glück, dass wir in London schon ein paar Kontakte knüpfen konnten. Zum Beispiel zu Swimmingpool oder Dean Raimer, der unsere Songs gemischt hat. Man rutscht da gleich mal wo rein. Sein Freund kennt den Sänger von The Kooks und es ist interessant zu sehen, dass da mit anderen Summen und anderen Mitteln hantiert wird.

Das Netzwerk ist nicht ganz unwichtig.

Matthias: Nein. Gar nicht. Und wir sind noch dazu alle zusammen keine tollen Netzwerk-Talente. Das muss man auch dazu sagen. Aber ein Freund von uns hat schon viel für uns auf die Beine gestellt. Der mag Ginga und hat sich persönlich für uns engagiert.

Klemens: Er ist eigentlich Filmemacher und hat zu uns gesagt: Ok, machen wir ein Video. Am Wochenende darauf hatten wir schon ein Leihauto und er hat mit uns das Video gedreht. Es ist schön, dass dort auch gleich alles angepackt wird, da wird nicht lang gewartet.

Wo kommt ihr eigentlich ursprünglich her? Seid ihr eigentlich Wiener?

Matthias: Bis auf den Alex, der aus der Slowakei kommt, sind wir fast alle aus Wien Umgebung. Ich hab auch 7 Jahre in Frankreich gelebt, der Emi ist der einzige echte Wiener von uns. Klemens und ich kennen uns schon seit der Schule. Alex und Emi kennen sich auch schon seit einiger Zeit. Dann bin ich nach Frankreich gezogen und hatte in der Zwischenzeit Kontakt mit Klemens. Wir haben wir uns beide gleichzeitig musikalisch entwickelt. Wir haben einen sehr ähnlichen Musikstil. Klemens hat dann auch eine Zeit lang bei mir in Frankreich gelebt.

In Moment seid ihr viel unterwegs. Macht euch das noch immer so viel Spaß, oder gehen euch die Lieder schon auf die Nerven?

Matthias: Nein. Das ist nach wie vor super. Es ist schön, dass zu unseren Konzerten immer neue Gesichter kommen und dass die Hälfte unseres Publikums die Lieder mitsingen kann. Das ist einfach ein ganz anderes Bühnengefühl. Auch wenn unsere Lieder sehr simpel gehalten sind, muss man bedenken, was sonst noch alles zu tun ist, alles koordinieren und so…Das ist immer eine Herausforderung! Aber es macht nach wie vor Spaß.

Was war rückblickend bis jetzt das absolute Highlight eurer Konzerterfahrung?

Klemens:  Für mich war das Brüssel. Da haben wir vor 2000 Leuten gespielt, das war ganz cool.

Danke für das Gespräch.

GIN GA