mica-Interview mit Georg Altziebler (Son of the Velvet Rat)

Spricht man von den führenden Songwritern des Landes, so kommt man an der Erwähnung seines Namens nicht vorbei. Georg Altziebler, der Kopf hinter Son of the Velvet Rat, zeigt nun schon seit Jahren als Liedermacher jene Qualitäten, die ganz einfach notwendig sind, sich aus der Masse herauszuheben. Der Grazer liefert Alben ab, die durch die Bank internationales Format besitzen, von Kritikern mit Lob überschüttet werden und auch Musikfans außerhalb Österreichs zu begeistern wissen.Vermutlich nicht anders verhalten wird es sich mit seinem nun erscheinenden neuen Werk „Firedancer“. Georg Altziebler im Interview mit Michael Ternai.

Was mir bei Durchhören von „Firedancer“ sofort aufgefallen ist, ist, dass es doch sehr abwechslungsreich zugeht. Von rockig bis sanft ist eigentlich ein ziemlich breites Spektrum abgedeckt.  Eine bewusste Entscheidung?
Georg Altziebler: Was ich auf keinen Fall wollte, war, mich nach „Red Chamber Music“ zu wiederholen. Dieses Album folgte vom Sound, von der Rhythmik und der Instrumentierung her eigentlich durchgängig einer eher ruhigeren Richtung. Das neue Album sollte doch anders werden, wobei ich eigentlich generell immer im Sinn habe, nicht genau das zu machen, was ich gerade erst gemacht habe. Meine Musik sollte sich in irgendeiner Form doch immer irgendwo anders hin entwickeln. Und so verhält es sich auch auf „Firedancer“. Die Rhythmen sind diesmal deutlich „rockiger“ und der vielleicht größte Unterschied zum vorhergegangenen Album lässt sich daran festmachen, dass diesmal vor allem elektrische Gitarren zum Einsatz gekommen sind und nicht nur akustische. Die sorgen klarerweise für einen ganz anderen Sound. Natürlich sind immer noch akustische und leise Stücke vertreten, nur eben nicht mehr überwiegend.

Besonders das Schlagzeugspiel ist mir auch aufgefallen.
Georg Altziebler: Auf dem letzten Album hat ja ausschließlich Ken Coomer Schlagzeug gespielt und der hat einen sehr differenzierten und auch sehr weichen Spielstil, wogegen Anne Weinhardt, meine Live-Schlagzeugerin, die diesmal zum Großteil die Drums eingespielt hat, einen knöchernen, fast schon brutalen Beat spielt. Was aber sehr gut zu den neuen Nummern passt und diesen auch gut ansteht. Ken Coomer hat zwar auch diesmal bei zwei Nummern mitgespielt, aber den Grundsound des neuen Albums entscheidend mitbestimmt hat diesmal Anne.

Auch die Produktion klingt diesmal etwas rauer bzw. roher, alles andere als irgendwie glattpoliert. War ein doch eher etwas ursprünglicher Sound geplant?

Georg Altziebler: Ich mag es eigentlich auch nicht, wenn etwas zu  glatt klingt. Und ich glaube auch, dass viele meiner früheren Platten viel zu poliert ausgefallen sind, weil ich eben nicht die Gesamtkontrolle inne hatte. „Red Chamber Music“ war eigentlich die erste meiner Platten, die ich auch selber produziert habe. Und „Firedancer“ ist nun die zweite, und die kommt in Bezug auf den Sound meinen Vorstellungen sehr nahe.

Dieser etwas rohere Sound passt ja auch sehr gut zu deiner Stimme.
Georg Altziebler: Ja, zu meiner Stimme auch. Aber natürlich auch zu den Liedern. Zu denen passen einfach keine Hochglanzgitarren und in eine schöne Hallwolke gehüllte Drums.

Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du nun deine Sachen selbst produzierst? Und ab wann hast du das Gefühl und die Sicherheit gehabt, dass das auch wirklich funktionieren könnte?
Georg Altziebler: Ich habe eigentlich immer gewusst, dass ich das selber kann. Vielmehr ist es so, dass es mir in erster Linie vor allem darum geht, dass ich selbst mit dem Ergebnis zufrieden bin, auch weil ich glaube, mich auf meinen eigenen Geschmack verlassen zu können. Wenn du einen Produzenten anheuerst, kann es wegen verschiedener Sachen zu Spannungen kommen, klarerweise vor allem dann, wenn man verschiedener Meinung ist. Ich habe bei dem letzten Album, das ich mit Ken gemacht habe, eigentlich auch schon viel zu viel mit reingeredet, was zum Teil gar nicht mehr so lustig war.

Für mich ist es wichtig, über das, was ich mache, die Kontrolle zu haben. Ich kann mit anderen Geschmäckern nur sehr schwer umgehen und ich diskutiere auch nicht gerne über eine künstlerische Linie. Wenn ich die Platte mache, habe ich auch die Sicherheit, dass ich der einzige bin, der sagt, wo es lang geht.

Inwieweit ist dein Sound auch dem Umstand geschuldet, dass du deine Songs zum überwiegenden Teil im Ausland, sprich in den USA aufnimmst?
Georg Altziebler: „Firedancer“ ist jetzt in den USA und Österreich entstanden. Die vorangegangene auch. Die davor alle in den USA. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob das einen großen Einfluss hat. „Firedancer“ habe ich ja mit meiner Live-Band eingespielt. Natürlich geben die amerikanischen Musiker zu einem Song auch eine Note dazu. Aber ich möchte nicht sagen, dass das wirklich etwas ausmacht oder entscheidend ist. Die Songs sind wie sie sind und jeder Musiker trägt sein bestes dazu bei, egal ob der nun aus Serbien stammt, wie der Gitarrist und Trompeter meiner Band Kolja Radenkovic, oder aus den USA. Mittlerweile wachsen alle mit derselben Art von Musik auf und sind von derselben geprägt. So gesehen, sind die Unterschiede zwischen den Musikern, woher sie auch kommen, gering.

Welche sind die Geschichten, die du in deinen Liedern erzählen willst?
Georg Altziebler: Eigentlich will ich keine Geschichten erzählen. Vielmehr verhält es sich bei meiner Musik so, als würdest du vor einem Bild stehen und es anschauen. Und dieses packt dich dann irgendwie, oder auch nicht. Meine Lieder müssen keinen narrativen Faden haben, sie sollen dich in anderer Form berühren. Es können zum Beispiel Gedanken so formuliert sein, wie du sie vorher in einem bestimmten Kontext so noch nie gehört hast, es kann aber auch eine rhythmische Variation oder eine Kombination aus einem Reim und einem Akkord sein, es sollte etwas sein, das du vorher nicht schon 20.000 Mal gehört hast. Drum klingt ja vieles immer so ähnlich, weil eben Liedermacher zwar ihren eigenen Song schreiben, sich aber dabei zu sehr an dem orientieren, was schon einmal da war.

Und wie stellst du das selbst an, dass es bei dir nicht so ist?
Georg Altziebler: Ich möchte mich erstens, wie ich schon vorher erwähnt habe, nicht selbst wiederholen. Und zweitens kenne ich genug Musik, um zu wissen, wann ich jemand anderen wiederhole oder ich mich in einem Fahrwasser bewege, das ein anderer schon besser befahren hat.

Wie sieht dein musikalischer Backround dennoch aus? Inwieweit hat der noch Einfluss auf das, was du heute machst?
Georg Altziebler: Backround ist das eine. Der ist das, was man hört, in seiner Kindheit, in der Jugend usw. Und das andere ist das, was man aus diesem macht. Warum malt ein Maler. Weil er muss und irgendwas auf die Leinwand bringen will. Und schaut das Bild dann aus, wie eine Van Gogh Imitation, wird es niemanden interessieren. Außer es hat diesen Kick dabei, der die Leute packt und berührt. Es muss immer etwas Persönliches dabei sein, gleichzeitig aber auch etwas Universelles, das es für andere auch fühlbar macht.

Kann man sagen, dass du dann doch auf gewisse Weise davor gefeit bist, mit deiner Musik irgendwann einmal wirklich in einen Mainstreamsound hineinzukippen.
Georg Altziebler: Das passiert sicher nicht, weil mich das überhaupt nicht interessiert. Ich wüsste auch nicht wirklich, wie das gehen sollte. Ich glaube, ich würde das sicher schlecht machen. So etwas muss man schon auch können.

SOTVR – Captain’s Daughter by mica

Hat es bei dir eigentlich lange gedauert, bis du hierzulande als ernstzunehmender Songwriter wahrgenommen worden bist. Es ist ja nicht selten so, dass erst nach einem Erfolg im Ausland, die Leute in Österreich auf dich aufmerksam werden.
Georg Altziebler: Das möchte ich gar nicht sagen. Ich finde, wenn man etwas Gutes macht, dann wirst du auch irgendwie immer wahrgenommen. Soweit eben die Promotion-Maschinerie reicht. Wenn es über die richtigen Kanäle verbreitet wird, dann bekommen es die Leute schon mit. Hätte ich die Kritiken, die ich hier bekommen habe, in den USA bekommen, wäre ich dort wahrscheinlich auch nationwide unterwegs.
Bei mir ging es relativ schnell, dass die Leute mitbekommen haben, was ich mache. Wobei ich dazu sagen muss, dass es von Graz aus, woher ich komme, aufgrund der weniger hohen Dichte an Medien dort doch schwieriger ist, als von Wien aus. Mein Glück war vielleicht, dass meine ersten beiden Alben ziemlich gut bewertet worden sind, wodurch ich natürlich einem größeren Kreis bekannt geworden bin. Und hat man sich erst einmal so einen Ruf erarbeitet, können die Leute bei einem nächsten Album nicht ganz über dieses hinwegsehen. Vielleicht ist es daher eh einmal wieder Zeit für einen ordentlichen Verriss (lacht)

Naja, du zählst wahrscheinlich nicht zu der Sorte von Musikern, die sich an der Meinung von Kritikern orientiert.

Georg Altziebler: Das wäre ja auch komisch. Ich wüsste ja auch nicht, was wem gefällt.

Du verbringst inzwischen ja viele Monate im Jahr in den USA. Wie nutzt du die Zeit dort? Schreibst du dort Songs?
Georg Altziebler: Ja. Ich trete dort schon auch auf, aber diesmal, ab 6. Oktober sind wir wieder für ein halbes Jahr drüben, will ich vor allem Songs schreiben. Dazu bin ich in letzter Zeit eigentlich wenig gekommen. Ich brauche dafür schon eine gewisse Ruhe. Oft glaubt man, dass dies nebenbei auch geht, was vielleicht auch manchmal funktionieren kann. Aber um die Ideen ausformulieren zu können und einen Song wirklich fertig zu machen, braucht man doch ein bisserl eine Ruhe. Und die finde ich dort.

Du hast erwähnt, dass du in den USA, in der Heimat des Blues, auch Konzerte spielst. Wie nehmen dich die Leute dort wahr. Wo ordnen sie dich ein?
Georg Altziebler: Die Leute verbinden mich eigentlich nicht mit dem Blues. Sie sehen mich eher als Mischung aus europäischen Folk und amerikanischer Musik. Was mir auch ganz recht ist. Ich will schon auch herauskehren, dass ich eben Europa komme und eben kein Amerikaner bin. Mich als echten Amerikaner zu geben, das liegt mir wirklich fern.

Worin sich die USA  aber doch von Europa oder Österreich unterscheidet, ist, dass du dort nach Konzerten sehr oft auf die Lyrics oder einzelne Zeilen angesprochen wirst, was hier, in unseren Breitengraden, eher selten der Fall ist. Das liegt natürlich daran, dass das unmittelbare Verständnis für die Sprache dort klarerweise besser ist. Ich bekomme für meine Lyrics von den Leuten in den USA schon sehr gutes Feedback und ich habe das Gefühl, dass sie ihnen auch etwas bedeuten. Hier bedeuten sie den Leuten auch etwas, nur bekomme ich das nicht so unmittelbar mit. Vielmehr schreiben sie mir hier per Mail. Was natürlich auch sehr schön ist. Es kommt aber auch vor, dass manche ihnen so viel persönliche Bedeutung zumessen, so viel in ihnen lesen, dass es fast so ist, als würde dir eine Verantwortung aufgelegt werden, die du eigentlich gar nicht wolltest.

Wie viel Zeit nimmt das Schreiben der Texte bei dir in Anspruch? Feilst du lange an ihnen?
Georg Altziebler: Ja schon. Obwohl es natürlich auch so sein kann, dass manche nach ein paar Tagen fertig sind. Aber es gibt auch solche, die jetzt schon seit vielen Monaten unterwegs sind. Manchmal ist es aber auch so, dass man eigentlich komplett umsonst an ihnen sitzt und man sie dann irgendwann ganz verwirft. Das kommt auch vor.

Danke für das Gespräch.

Fotos: Rebecca Korb

 

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