mica-Interview mit Ernst Molden

Dieser Tage veröffentlicht der Wiener Songwriter Ernst Molden simultan seine beiden neuen Alben “Wien” und “Foan”. Im mica-Interview mit Michael Masen stellt er diese beiden Werke vor und erzählt ein wenig aus dem Leben eines Musikschaffenden abseits des Mainstream.

Demnächst, Anfang April, erscheinen gleich zwei neue Alben von dir. Kannst du darüber, über das Konzept, über die dahinter liegenden Storys, ein wenig etwas erzählen?

Ernst Molden: Bei mir ist es oft so, dass die Dinge entstehen und das Konzept überlege ich mir dann erst nachher. Was ich dir jetzt erzähle, das klingt so, wie ein großer Masterplan, in Wahrheit hat es sich aber einfach ergeben. Nach den “Bubenliedern”, die Ende 2006 ja ein recht erfolgreiches Album waren, hat Walter Gröbchen, mein Labelchef von Monkey Music gemeint, dass es da noch zwei oder drei ältere Lieder gibt, die noch auf keinem Album drauf sind – unter anderem die Ballade “Wien”. Nach Konzerten gab es zu diesen Stücken aber immer wieder die Nachfrage, auf welchem Album die denn zu finden wären und wir mussten daraufhin dann immer entgegnen: “nirgends”.

Mit meinem Ursprungsprojekt “Teufel und der Rest der Götter” haben wir die Stücke zwar in den Neunziger Jahren einmal aufgenommen, aber erstens ist das schon lange vergriffen und zweitens in einer Form, mit der ich heute nicht mehr leben kann. Ich habe schlecht gesungen, die Band hat den Sound, den ich mir dazu vorgestellt habe, nicht zusammen gebracht, usw. Wir haben uns daher entschlossen, eine EP zu machen. Fünf Stücke, die drei alten und vielleicht noch zwei neue dazu.

Wir sind dann im Sommer mit meinem Produzenten Kalle Laar aus München ins Studio gegangen und als der Gröbchen das aufgenommene Material gehört hat, hat er, wie er das oft macht, im positiven Sinne alles über den Haufen geschmissen und gesagt, dass eine EP ein viel zu unkommerzielles Format wäre und wir noch mal ins Studio gehen sollten, um ein Album zu machen.

Dann habe ich also im September noch sieben Stücke aufgenommen, plus ein Duett mit Willi Resetarits, dem ich quasi als Auftragswerk, im Sommer 2007, bereits einen Song geschrieben habe, den er mit seiner Stubnblues-Band auch live spielt. Der Song heißt “Hammerschmidgossn” und war meine erste Dialektarbeit seit 15 Jahren, da ich sonst eigentlich hochsprachlich arbeite.

Diesen Song haben wir auch noch mit drauf genommen und das war dann das Album “Wien”. Damit ist der Inhalt gestanden und wir sind ans Mixen gegangen. Parallel dazu ist mein Erstgeborener in die Schule gekommen und ich habe ihn immer auf seinem, relativ langen, Schulweg begleitet, auf dem wir immer mit dem 74 A gefahren sind. Zu dieser Zeit habe ich auch in der Szene Wien bei einer Veranstaltung zum Todestag von Johnny Cash gespielt – “No Cash, No Hope” – und dazu habe ich etwas Besonderes überlegt. Und zwar habe ich meine Lieblingsnummer von Johnny Cash, “Give my love to Rose”, ins Wienerische übersetzt. Bei mir ist daraus dann “Geh, hearst, gib der Lindschi no a Bussi” geworden.

Diese Nummer ist genial angekommen, sowohl in der Szene, als auch bei einer kleinen Tour, und so bin ich irgendwie auf den Geschmack gekommen. Dadurch, und durch die Willi Resetarits-Nummer, habe ich mich sehr mit der Dialekt-Arbeit angefreundet. Dazu muss ich sagen, dass es irrsinnig schwer ist, Popsongs in Hochsprache zu schreiben, weil wir sehr viele Silben haben, eine recht sperrige Syntax. Und wie wir ja auch aus Hamburg wissen, Hamburger Schule, sind nicht alle, die mit Hochdeutsch arbeiten und texten, wirklich gut darin.

Man muss wirklich Worte finden, Wendungen finden, mit denen man diese Sprache für Pop gefügig macht. Im Grunde genommen, ist das Hochdeutsche eine Sprache, die nicht nach einem Pop-Schema, einem 4/4-Takt, verlangt, sondern nach einem ¾-Takt – für groovigere Sachen muss man sich daher etwas überlegen.

Wenn man aber plötzlich ins Wienerische kommt, ändert sich die Sache total, weil das Wienerische ein- bis zweisilbig ist, unendlich viel melodischer, und man viel mehr Vokale hat. Es gibt viel mehr offene Enden, man kann Verben wie ein weiches Metall so biegen, das sie in die Musik hinein passen. Im Gegensatz zum Hochdeutschen ist das Wienerische per se eine Pop-Sprache. Siehe ja auch die großen Anfänge des Austropop in den Siebziger Jahren, wo ja wirklich tolle Songs entstanden sind, z.B. bei den frühen Danzer und Ambros.

Und, um wieder zurück zu kehren, bei den Rückfahrten von der Schule mit dem 74 A, was eben genau in diese Zeit gefallen ist, habe ich mir dann immer eine Nummer hergenommen und grob ins Wienerische übersetzt. Das waren alles Nummern, die mich teilweise schon seit 25 Jahren begleiten und eine  zentrale Stellung bei mir einnehmen. Die Übersetzungen habe ich ganz einfach nur ein so ein kleines Büchlein hingekritzelt, zu Hause dann in den Computer eingegeben, daran gefeilt und schließlich begonnen, sie zu singen und irgendwann waren dann ganze 13 Nummern fertig.

Dann habe ich den Gröbchen und den Charlie Bader, meinen Manager, zu mir eingeladen, eine Flasche Wein aufgemacht und ihnen die Stücke vorgespielt. Daraufhin hat der Gröbchen den Masterplan ein weiteres Mal erweitert und gesagt, dass wir das jetzt auch aufnehmen müssten und wir uns ins Studio begeben sollten, um einen Doppel-Release zu machen.

Jetzt gibt es also die Alben “Wien” und “Foan”, und da kommen wir jetzt zur Konzeptfrage. Rückblickend betrachtet, würde ich sagen, mit ersterem, das eben ein klassisches Ernst Molden-Band-Album auf Wienerisch und Hochdeutsch ist, zeige ich der Welt meine Stadt und mit dem anderen zeige ich meiner Stadt die Welt, indem ich diese Songs nach Wien rein hole und sie hier in der Sprache dieser Stadt präsentiere. Soviel zu diesem Doppel-Release.

Bei der “Foan”-CD kann man schon sagen, dass das so ein richtiges Fan-Ding geworden ist, oder?

Ernst Molden: Ich kann noch überhaupt nicht abschätzen, wie das aufgenommen werden wird. Live funktioniert es jedenfalls total super. Am Anfang habe ich mir gedacht, dass sich das nicht mit meinen eigenen Songs verträgt und dass ein kleiner Bruch entstehen würde, das ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Meistens mache ich bei meinen Konzerten irgendwann ein “Wiener Winkerl” auf, schicke meine Band eine rauchen und spiele dann alleine auf der Akustik-Gitarre vier oder fünf dieser Songs.

Das passt eigentlich wunderbar dazu, aber wie das letzten Endes die Leute, die meine Platten kaufen, aufnehmen werden, ob das nur die Hardcore-Fans sich zulegen, oder möglicherweise sogar andere Segmente erschlossen werden, kann ich noch nicht sagen.

Du hast bereits erwähnt, dass sich auf dem Album ein Johnny Cash-Cover befindet. Von einem Tom Waits-Stück habe ich auch etwas gelesen. Auf was darf man sich noch freuen?

Ernst Molden: Ja, vom Tom Waits habe ich “Gorgia Lee”, vom Album “Mule Variations” aufgenommen. Dann gibt es darauf noch einen meiner absoluten Favorites, nämlich Nick Cave’s Weeping Song, der heißt bei mir “Numma zum Waanan”. Und so wie Nick Cave das im Original ja mit Blixa Bargeld im Duett gesungen hat, singe ich es gemeinsam mit dem Stefan Stanzel von A Life, A Song, A Cigarette, der ja auch Bassist in meiner Band ist. Wir singen mit verteilten Rollen – er den Jungen, ich den Papa.

Dann ist noch vom Bonnie Prince Billy “I see a darkness” auf dem Album, das bei mir zu “I siech wos Finstas” wird. Und dann gibt es drei Nummern, die wir leider nicht verwenden durften – die sind zwar produziert worden, zu meinem großen Leid haben wir allerdings nicht die Rechte bekommen, sie auch verwenden zu dürfen.

Welche waren das?

Ernst Molden: Kris Kristofferson mit “Sunday morning coming down”. Da schmerzt es mich ganz besonders, dass wir die Rechte nicht bekommen haben, weil das wirklich eine wunderschöne Version geworden ist. Ich weiß nicht, vielleicht hat er damals die STS-Version “Gö, du bleibst heut Nocht bei mir” gehört und sich gedacht, nie wieder ein Österreicher. Jedenfalls durften wir den Song nicht verwenden.

Dann war da noch von Gershwin “Summertime”. Der Weg bei solchen Bearbeitungen ist, dass du eine Fassung machst und dem Verlag dann diese Fassung im Text und in der Aufnahme schickst und noch eine Rückübersetzung ins Englische anfertigst, wo du sämtliche, sich verändert habende Teile kenntlich machst. Ich war dabei vielleicht eine Spur zu ehrlich. Ich habe da wirklich überall rein geschrieben, was sich verändert hat und das war vielleicht zu viel. Bei Gavin Sutherland, der “Sailing” für Rod Stewart geschrieben hat, wahrscheinlich ebenso. Dieser Song heißt bei mir “Foan” und war eigentlich als Titelnummer gedacht.

Der Plattenname ist geblieben, weil das ja eine Eigenkreation ist, die Nummer selbst durfte allerdings wegen Verweigerung der Rechte nicht veröffentlicht werden.

Wird man diese Stücke dann wenigstens live zu hören bekommen?

Ernst Molden: Die Rechteverweigerung habe ich irgendwie spaßverderberisch empfunden und spiele die Stücke deshalb gerade überhaupt nicht. Meine Rache dafür ist dann, dass ich so alt werde, dass ich quasi die Schutzfristen von allen überlebe und dann die Stücke auf Myspace der ganzen Welt zur Verfügung stelle. Und wenn ich es nicht überlebe, dann machen das meine Kinder.

Auf dem Album ist dann übrigens noch Mary Gauthier drauf, kennst du die? Die ist gleich mal ein ganz heißer Tipp von mir. Südstaatensängerin, die vom Sound her sehr nahe an der Lucinda Williams dran ist, aber sperriger und viel härter. Sie ist auch die Lieblingssängerin von Bob Dylan, der sie immer in seiner Radio Show spielt. Die hat eine Nummer mit dem Titel “I drink”, mit dem großartigen Refrain “Fish swim, girls fly, daddies yell, mamas cry, old men sit and think, I drink”, das heißt bei mir “I sauf, im Bus da Opa regt si auf, I sauf”. Und dann gibt es noch zwei Traditionals, den “Backwater Blues”, bei mir “Das Wosserproblem” und “You belong to me” – “Wohnan duast bei mir”. Insgesamt sind jedenfalls zehn solcher Nummern auf der CD.

Die meisten der Künstler, deren Werke du auf “Foan” bearbeitet hast, wie beispielsweise Cash, Waits, Cave oder Bonnie Prince Billy, beschäftigen sich in ihren Texten zu einem großen Teil ja mit Verlierern der Gesellschaft, mit Außenseitern. Sind das auch Personen, Figuren, Charaktere, die dich in deinem eigenen Schaffen beeinflussen?

Ernst Molden: Ja, auf jeden Fall. In meinen eigenen Songs geht es ja eh auch um diese Art von Leuten. Wenn ich heute meine Songs so schreibe, dann ist es eben so, dass das Hörerlebnis von Cash, Kristofferson, Cave oder Waits über Jahrzehnte hinweg, mittlerweile auch für mich prägend gewesen ist. Mich haben solche Songs schon immer berührt. Der Mensch, der nichts mehr hat, als Leitmotiv von musikalischem Schaffen, hat mich immer sehr beeinflusst und auch irgendwie motorisiert, das selbst zu tun, solche Musik zu machen.

Gibt es auch heimische Künstler, die dich in deiner Musik, deiner Herangehensweise an das Musik machen, deine Art zu texten, irgendwie geprägt haben, oder bist du wirklich rein der amerikanischen Songwriter-Tradition verfallen?

Ernst Molden: Nein, es gibt da auch hier durchaus ein paar Leute. Wie ich angefangen habe, musikalisch sozialisiert worden bin, das war Ende der Siebziger Jahre und das war schon die Zeit, wo der Ambros die guten Sachen gemacht hat und der Hirsch seine ersten beiden Alben, die “Dunkelgraue Lieder” und “Kumm, großer schwarzer Vogel”, die beide unwahrscheinlich wichtig für mich waren. Georg Danzer ist da auch noch dazu zu zählen. Gleichzeitig hat es dann noch die frühen Drahdiwaberl gegeben oder die österreichische Ausformung des New Wave, die ja auch alle von den Texten her interessant waren. Es hat also durchaus auch heimische Künstler gegeben, die damals inspiriert haben, wirklich gute Leute.

Vom Musikalischen her waren es aber immer die Folkies sozusagen. Danzer und Ambros sind da auch dazu zu zählen. Die sind ja auch mit der Westerngitarre daher gekommen und haben vorher Pete Seeger oder Bob Dylan gehört.

Wie ist es bei dir, wenn du deine Musik schreibst; stehen da immer zuerst die Texte, um die herum du dann die Musik aufbaust? Wie läuft das bei dir?

Ernst Molden: Ich komme ja eigentlich von der Literatur her. Ich habe vier Romane geschrieben und noch drei andere Bücher, was ich aber in den letzten sieben Jahren wegen meiner Familie in den Hintergrund gestellt habe. Letztendlich, weil das Bücher schreiben so eine familienfeindliche Tätigkeit ist und ich keine Tür zumachen will vor meinen Kindern.

Wenn ich an Songs arbeite, oder einfach Gitarre übe, kann ich beim Lego spielen zuschauen und mit einer Hand mitspielen und bleibe damit integriert und vorhanden. Mit der Musik erfülle ich die Wohnung und hoffe, dass sie meiner Familie nicht auf die Nerven geht und bin einfach mehr Menschenfreund als mit der Literatur. Ich habe mich also sehr mit Gitarre beschäftigt, glaube auch, dass ich mich sehr verbessert habe und sich das mittlerweile viel besser anhört und ich auch zu den besseren Gitarristen dieses Genres gehöre, die es jetzt bei uns gibt.

Das heißt, ich habe musikalische Motive und ich habe textliche Bruchstücke und da baue ich einfach daran herum und irgendwann ergibt sich ein Vierzeiler, der mit Musik verbunden wird und wenn das einmal passt, gibt es meistens eine Explosion und dann steht auch ganz schnell der fertige Song. Sobald einmal die Grundzelle eines Songs da ist, folgt der Rest ziemlich rasch nach.

Der Übergang von der Literatur zur Musik, kann man das mehr als fließenden Prozess beschreiben, oder hast du von heute auf morgen einfach beschlossen, das so zu machen?

Ernst Molden: Nein, das war total ein fließender Prozess. Ich habe ja bereits in meiner Schulzeit in Bands gespielt, bin dann, wie ich angefangen habe zu arbeiten und zu studieren, zum Journalismus gekommen, war vier Jahre lang Polizeireporter bei der Presse, dann Dramaturg am Schauspieltheater und schließlich bin ich freier Schriftsteller geworden.

Anfang der Neunziger habe ich dann nach fünf oder sechs Jahren Pause wieder angefangen, Gitarre zu spielen und ursprünglich versucht, Hybrid-Performances, aus Spoken Word Sachen zu diversen Texten und dazwischen dann wieder einem Song, zu machen. Mit der Zeit sind dann die Lesungspassagen immer kürzer geworden und die Songs immer mehr.

Anfangs habe ich mich auch immer so ein wenig versteckt, unter mysteriösen Band-Kollektiven, wie meiner ersten Band “Teufel und der Rest der Götter”. Dann hat es noch den “Nachtbus” gegeben, das war die zweite, sehr kurz existiert habende Band und erst sozusagen ab Anfang der Nuller Jahre, 2002, mache ich unter meinem eigenen Namen Musik, nämlich wirklich als Songformat.

Da gab es auch ein paar Leute, die mich zu diesem Schritt sehr ermutigt haben. Einerseits mein Manager, der Charlie, den ich auch jetzt seit 2002 habe und der begonnen hat, mich behutsam und ohne irgendeinen Hype produzieren zu wollen, aufzubauen. Er hat das wirklich schön langsam auf eine immer professionellere Ebene befördert.

Neben ihm war auf jeden Fall noch Rainer Krispel sehr wichtig für mich, der als Chelsea-Booker auch in einer Szene aktiv war, die mich damals noch sehr uncool gefunden hat. Er hat den Leuten gesagt, dass meine Musik etwas Besonderes ist und sie mir endlich einmal zuhören sollen. Gleichzeitig habe ich über Rainer auch extrem viel musikalische Sozialisation erfahren. Zuvor habe ich wenig bis nichts über Punk gewusst und er, als Urgestein des heimischen Punk sozusagen, hat mich mittels freundlicher Rüttelei in diese Ecke hinein gestoßen.

Das hat dann nicht zur Folge gehabt, dass ich Punk gespielt habe, sondern dass ich mit ihm eine Band gegründet habe, nämlich die Red River Two, mein Zweitprojekt. Rainer hat mir näher gebracht, vom Ansatz des Punk, dass die Botschaft der Songs zählt und ich nicht so viel Energie darin investieren soll, die Musik, mein Gitarrenspiel, möglichst perfekt und fehlerfrei gestalten zu wollen. Wichtiger ist es, diese Energie, die sonst frickelig in die Gitarre gesteckt werden würde, einfach so raus zu lassen. In dieser Zeit habe ich viel gelernt und da ist auch wirklich viel passiert.

Im Jahr 1998 habe ich dann noch eine von Nick Cave geleitete Dichtungsklasse in der Schule für Dichtung besucht, die hieß “The lovesong and how to write one”. Da waren wir dann jeweils sechs Schülerinnen und sechs Schüler und haben uns unter der Aufsicht von Nick Cave Lovesongs an den Leib gedichtet. Er selbst hatte damals gerade die “The Boatmans Call” veröffentlicht, war also sehr tief im Lovesong drinnen und da ist wirklich auch sehr viel weitergegangen und passiert.

Er hat uns dann auf den Weg mitgegeben: “The noblest thing you can do is to write a lovesong”. Das war auch so ein Anstoß, den ich damals gebraucht habe. Und seitdem geht eigentlich alles seinen Weg. Ich setze immer einen Schritt nach dem anderen, mache keine großen Pläne mehr. Ich arbeite einfach im Kleinen und die großen Schritte fügen sich von selbst, glaube ich halt.

Du verspürst also keinerlei Druck mehr, wo du dir selbst sagst, du müsstest jetzt ein Album machen, oder wieder an neuem Material arbieten?

Ernst Molden: Nein. In unserer Liga sind ja Tonträger ein völlig unkommerzieller Aspekt. Wir, meine Agentur, mein Label und ich, sind froh, wenn wir die Investitionen in einen Tonträger nach einem halben bis dreiviertel Jahr wieder herinnen haben. Man rechnet aber nicht damit. Vielleicht die Starmania-Leute, aber ich glaube, nicht einmal mehr die. Es gibt zwei Gründe, einen Tonträger zu machen. Denjenigen, dass ich den Song, den ich jetzt gerade spiele, der in meinem Leben und meiner musikalischen Praxis ist, in der Form, in der er jetzt ist, festhalten möchte. Und dann natürlich ist der Tonträger dazu da, Öffentlichkeit zu schaffen und weitere Konzertarbeit zu ermöglichen.

Früher bist du auf Tour gegangen, damit du Werbung für eine Platte machst und heute machst du eine Platte, damit du wieder auf Tour gehen kannst. Das hat sich einfach umgedreht.

Stört dich diese Situation, dass man als Band, Künstler, einen Großteil der Aufmerksamkeit nur bekommt, wenn ein großer Medienapparat dahinter ist und dementsprechend auch viel Marketinggeld hineingesteckt wird? Dass vielleicht dann anspruchsvollere Sachen, die nicht unbedingt vermarktungsfreundlich sind, dadurch noch weniger wahrgenommen werden?

Ernst Molden: Nein, eigentlich nicht. Viele Jahre lang hat das Musikmachen meine Reserven aufgefressen, ich habe überhaupt kein Geld gehabt und jetzt bringt es soviel ein, dass ich in einem bescheidenen Rahmen ja sogar davon leben kann.

Wenn man den naiven Ansatz hat, Pop zu machen, um reich und berühmt zu werden, ist es vorbei. Das ist aber überhaupt nicht mein Ziel. Musik ist mir einfach die liebste aller Arbeiten, die ich beherrsche, und ich bin heilfroh und dankbar, dass es genug Leute gibt, die zu meinen Konzerten kommen und mir sozusagen mit den Gagen ermöglichen, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten – zwar immer on the edge, aber trotzdem ist es etwas, das ich gerne machen, und hinter dem ich stehen kann.

Die von dir angesprochene Situation stört mich daher eigentlich nicht. In der Zeit, wo ich angefangen habe, im 96er Jahr, war es so, dass man überhaupt nicht uncooler sein konnte, wie jemand wie ich. Da ist die Elektronik-Szene explodiert und alle wollten Kruder & Dorfmeister oder die Sofa Surfers und ich weiß nicht was hören und dann kommt ein Typ daher, der auf hochdeutsch relativ manierierte poetische Lieder singt und sich mit einer akustischen Gitarre begleitet. Mehr Anti hat man damals nicht sein können.

Es hat ja auch keine Lokalitäten gegeben. In den ganzen Hütten waren damals nur die DJs – mittlerweile gibt es ja in Wien sehr viele Möglichkeiten, um aufzutreten; du wirst überall nicht reich, aber du kannst auftreten, dir ein paar Euro verdienen und dir Motivation holen. Ein gutes Konzert ist einfach immer ein Grund, dass du weiter machst – jedes von diesen Konzerten. Ich spiele jetzt 50 bis 60 Konzerte im Jahr und es ist jedes ein Schritt, der vor allem Motivation bringt.

Und damals gab es ja nur irgendwie drei Lokale, die für Auftritte eines analogen Indie-Musikers in Frage gekommen sind. Jetzt hast du an die 30 Lokale, die in Betracht gezogen werden können. In dieser Hinsicht hat sich schon viel getan. Es hat einen Backlash in Richtung gespielter Musik gegeben, der schon sehr wichtig war.

Es ist die Struktur groß genug, um dabei bleiben zu können, um weiter Musik zu machen, sofern man nicht der naiven Erwartung erliegt, dass das alles irgendwann explodieren muss.

A Life, A Song, A Cigarette, sind ja, dadurch dass die Hälfte von denen auch bei mir in der Band spielt, so ein bisschen wie Kinder für mich und ich halte die für eine wirklich super Band. Die haben ein tolles erstes Album gemacht, super Rezensionen bekommen und trotzdem nur 1500 Stück davon verkauft – das ist für ein alternatives Projekt in Österreich aber ein totaler Erfolg.

Anschließend haben sie für kein Geld 50 Hütten abgetourt und stehen dann vor der Situation, noch mal ein neues Album aufnehmen zu müssen und das ganze Programm erneut ablaufen zu lassen. Allein deswegen sind sie aber noch nicht auf eine andere Ebene gelangt.

Auf diese andere Ebene zu kommen, ist nicht so, dass alles irgendwann explodiert und dann bist du Popstar, sondern das ist eine ganz flach gebaute Treppe, die du, wenn du möglichst konsequent dran bleibst und möglichst viel Gelassenheit lebst, erklimmen kannst. Aber dafür musst du lange in der Waagrechten gehen und dann gibt es irgendwann mal wieder eine kleine Stufe nach oben. Dass das so funktioniert, und nicht, “mit dem nächsten Album muss es jetzt aber klappen”, habe ich auch erst nach zehn Jahren kapiert. Was muss klappen? Was sollte passieren? Warum sollten sich das Zeug plötzlich 20000 anstatt 2000 Leuten kaufen? Auf was hinauf? Wo sollen diese Leute überhaupt her kommen?

In Österreich ist es ja so, dass das Potential an Tonträgerkäufern mit 2000 Leuten auch erschöpft ist. Der nächste Schritt wäre dann, nach Deutschland zu kommen, was irrsinnig schwierig ist. Mit “Bubenlieder” haben wir damals zum ersten Mal einen richtigen deutschen Release gemacht und über Broken Silence glaube ich an die 500 Stück verkauft – und die waren begeistert. Dass Österreicher dort so viel verkaufen, passiert sehr selten.

Aber ok, jetzt haben wir 1500 Stück in Österreich und 500 in Deutschland – so wirklich hat es die “Deutschland-Eroberung” also auch nicht gebracht. Dort kennt dich natürlich wieder niemand. Dann sitzen dort im Club 30 Hanseln im Publikum, was in etwa der Situation von Wien, vor zehn Jahren, entspricht. Da müsste man es dann wieder genau so angehen und sich langsam nach oben spielen. Ich für mich habe aber beschlossen, das nicht zu tun, sondern Deutschland nur in Erwägung zu ziehen, wenn wirklich eine maßgebliche Förderung einer österreichischen Auslandskultur-Institution gewährleistet würde, oder ähnliches und dann auch nur in zwei oder drei Großstädten.

Meine Musik ist nämlich keine Musik fürs Land. Das merke ich auch in Österreich. Hin und wieder spiele ich zwar auch außerhalb, aber den Landleuten ist meine Musik einfach zu sehr Wien. Auf Deutschland umgelegt, funktioniert es also in Berlin, Frankfurt, München oder Hamburg. Für das offene Land ist es jedenfalls keine Musik – das ist definitiv Stadtmusik.

Wenn dich jemand fragt, welche Art von Musik du machst, was antwortest du, wie bezeichnest du selbst deine Musik?

Ernst Molden: Es sind einfach deutsche Songs, mit wienerischem Spracheinschlag zu schwer amerikanisch beeinflusster Musik – zu ruhiger, schwerer, amerikanischer Musik. Wobei das jetzt auch nicht mehr so stimmt, weil ich schon langsam so einen Heurigenakkord drin habe. Bei MySpace muss man ja immer so Schubladen angeben, da habe ich als Stilrichtungen Folk, Blues, Rock angeführt – in dieser Reihenfolge.

 

Ernst Molden