mica-Interview mit Eloui

Mit „Chasing Atoms“ legte vor wenigen Wochen die aus der Schweiz stammende und in Wien lebende Sängerin und Musikerin Eloui ein mehr als vielbeachtetes Solodebüt vor. Was die hochtalentierte und sehr facettenreich agierende Künstlerin, die sich unter anderem bereits bei Thalija und Ernesty International verdient gemacht hat, auf den Weg bringt, ist eine ungemein berührende, sehr vielschichtige, in die Tiefe gehende und ideenreiche Variante kunstvollen Avantgarde-Pops. Wie es sie nach Wien verschlagen hat, warum sie immer schon Bass lernen wollte und was es mit Schallplatten auf sich hat, die einzig Geräusche zum Erklingen bringen, verrät sie im Interview mit Michael Ternai.

Du stammst ja aus der Schweiz. Wie hat es dich eigentlich nach Wien verschlagen und in weiterer Folge zur Musik. Von deinem Studium her, kommst du ja eher aus einer anderen Richtung.

Ja, das stimmt. Obwohl, Musik mache ich schon immer. Ich habe als Kind schon viel gesungen und dann auch in einem Chor. Aber ich habe auch immer gerne gezeichnet und wollte dann eben Kunst studieren. Nach meiner Matura, die ich in Zürich absolviert habe, habe ich ein Jahr lang einen Vorkurs an der Kunstgewerbeschule gemacht. Dann wollte ich eigentlich an eine Kunsthochschule und die hat es damals in der Schweiz nur in Genf gegeben. Irgendwie habe ich dann Wien ins Auge gefasst, weil es zu dieser Stadt familienbedingt bereits einen Link gegeben hat. Mein Vater hat ja  in den 60er Jahren in Wien Theaterwissenschaft studiert und ist in dieser Zeit zu einem großen Fan der Stadt geworden.  Es hat sich dann eigentlich ganz gut ergeben, auch mit dem von zu Hause wegziehen. In Wien habe ich dann Aufnahmeprüfung an der Bildenden gemacht und bin dort auch aufgenommen worden. Eigentlich ziemlich Hauruck gegangen.

Ich habe in Zürich eh auch in Bands gespielt und Musik gemacht. Ich habe gesungen und ein bisschen Keyboard gespielt. Das alles hat sich aber mit meinem Umzug nach Wien ziemlich aufgehört, weil ich mich eben vorwiegend auf das Studium konzentriert habe. Aber im Laufe der Zeit ist die Musik dann doch wieder mehr präsenter geworden. Ich habe begonnen bei verschiedenen Bands mitzuspielen.

Mit der Tochter meiner besten Freundin habe ich, als sie fünf war, angefangen Musik zu machen. Manche Sachen haben wir auch aufgenommen. Sie hat vor allem gesungen und die Texte geliefert. Und ich habe die Sounds rundherum gebastelt. Das war echt lustig. Irgendwann habe ich dann bemerkt, dass da ein Bass fehlt. Dazu muss man sagen, ich habe ja schon immer Bass spielen wollen. Es war mein Trauminstrument. Nur habe ich es eben nie erlernt. Was sicher auch damit zu tun gehabt hat, dass es in den Bands, in denen ich gespielt habe, immer schon Bassisten gegeben hat. Ja und so etwa um 2004 habe ich dann den Entschluss gefasst, es doch auch am Bass zu versuchen. Damit hat es dann angefangen.

Seit wann bis du schon eigentlich schon in Wien?
Ich bin seit 1993 in Wien.

Du hast dann auch schnell Anschluss an die Wiener Musikszene gefunden. Du hast ja unter anderem bei Thalija gespielt.
Ja. Zuerst habe ich aber eigentlich in einer Band, in der ich alleine mit meinen Platten musiziert habe. Ich habe zu Hause nämlich eine Sammlung von Platten mit Geräuschen, die man benutzt hat, um selbst gemachte Super 8 Filme zu vertonen. Da gibt es eben Platten mit Applaus, solche mit Rennautogeräuschen und, und, und. Die habe ich eben in die Musik eingebracht. In dieser Band habe ich dann auch begonnen, Bass zu spielen. Über Freunde bin ich dann zu Thalija, die einen Bassisten gesucht haben, dazu gestoßen. So bin ich in dieses „Quellenumfeld“ hineingekommen. Ich habe bald auch im Quellenchor mitgesungen, wo ich dann den Ernst Tiefenthaler kennengerlernt habe, der mich dann wiederum gefragt hat, ob ich nicht vielleicht auf seiner ersten Ernesty International CD die zweite Stimme singe. Das habe ich dann auch gemacht und bin seither bei seiner Liveband mit dabei.

Eloui – Personal Politics by mica

Die Gruppen und Bands, in denen du mitwirkst,  sind ja nicht wirklich bekannt dafür, dass sie musikalisch dem 08/15 Popschema folgen. Welcher Rolle spielt für dich persönlich dieser Ansatz, etwas anders klingen zu wollen. Inwieweit hat er dich in deinem Werken beeinflusst?

Ich mache eigentlich sehr absichtslos Musik. Wenn ich meine eigenen Sachen mache, habe ich nicht irgendein Produkt im Kopf. Ich denke mir nicht, ich würde gerne einen Song machen, der so oder so klingt, oder diesen Beat hat, den ich da und da schon gehört habe. Ich arbeite viel mit Zufällen. Ich probiere Dinge aus und fange oft irgendwo an. Manchmal nehm ich bloß einen Beat aus dem Computer her, einfach damit etwas da ist. Es ist ein wenig wie beim Malen. Es ist in etwa das Gefühl, vor einer weißen Leinwand zu stehen, dieses „Horror Vacui“, diese Angst vor der Leere. Wenn ich vor diesem Nichts stehe, dann schmeiß ich manchmal einfach nur etwas hin. Das kann ein Beat sein, der dann am Schluss, in der letzten Version eines Songs gar nicht mehr  zu hören ist. Der ist meist nur am Anfang da. Und zu dem spiele ich zum Beispiel die vorher schon erwähnten Platten und experimentiere mit ihnen herum.

Das heißt, das Musikmachen ist bei dir eine Stimmungssache.
Genau. Ich habe zum Beispiel große Freude gehabt, als ich herausgefunden habe, dass es einen Adapterstecker zu kaufen gibt, mit dem man einen Plattenspieler mit einem Computer verbinden kann. Vorher habe ich geglaubt, man benötigt einen teuren und komplizierten USB Plattenspieler. Da war ich dann so überdreht und happy, dass ich beim “auf den Computer spielen” der Platten einige Albernheiten ausprobiert habe. So habe ich etwa beim Aufnehmen die Nadel herum hüpfen lassen usw. Und all diese Dinge sind jetzt auch in den Liedern zu hören. Es ist also nicht so, dass ich einen Song im Kopf gehabt habe, vielmehr nehme  ich diese ganzen Dinge als Skizzen auf, die ich dann in weiterer Folge bearbeite und wieder zusammenfüge. So geht es mir auch bei meinen Texten.

Man kann sagen, dass das ein sehr bildhauerischer Ansatz ist.

Das ist schön, dass du das sagst. Ich arbeite schon in einem Prozess und es ist mir wichtig, dass mir das Ganze während dem Tun auch Spaß macht. Und ich bin jetzt auch mit dem Endprodukt zufrieden. Natürlich ist es mir nicht egal, was am Schluss herauskommt, aber ich weiß es vorher nicht. Es ist ein Abenteuer, sich darauf einzulassen, durch die ganzen Krisen zu gehen. Eben schon einen Präsentationstermin zu haben und damit auch ein wenig Panik.

Ab welchem Punkt glaubst du dann, einen Song abgeschlossen zu haben. Besteht da nicht die Gefahr, sich in diesem Prozess irgendwie zu verlieren?

Das ist eine gute Frage. Ich glaube, ich arbeite da sehr intuitiv. Mir kommt es so vor, dass ich es dann merke, wenn der Song fertig ist. Es ist dann einfach ganz klar. Genauso wie ich manchmal während des Arbeitsprozesses auch Sachen höre, die ich noch gar nicht aufgenommen habe. Eine Art akustischer Täuschung. Zum Beispiel, dass durch irgendwelche Soundkombinationen ich glaube, eine Flöte zu hören, oder irgendeine Melodie, die ich dann einfach nachspiele. Ist ein bisschen schwer zu erklären. Aber nein, so wirklich habe ich mir über die Frage noch nie wirklich Gedanken gemacht.

Spielst du deine Songs auch manchmal eigentlich auch Leuten zwecks Feedbacks vor?

Ja. Das war für mich sehr spannend. Das ist ja mein erstes Soloalbum. Ich habe vorher zwar schon auch eigene Songs aufgenommen und bin unter anderem auch eingeladen worden, für den Pumpkin Sampler Beiträge zu machen, aber die Arbeit an „Chasing Atoms“ war dann doch etwas anderes. Und ja, ich habe die Songs auch manchen Leuten vorgespielt und weiß jetzt aber, dass das viel zu früh war. Ich habe die Sachen den Leuten im Larvenstadium präsentiert. Was für mich im Nachhinein auch ein wenig ein Lernprozess war, dass ich schon darauf vertrauen kann, wie es mir mit dem Material, mit der Musik geht. Und auch weil es sich auch um ein Soloprojekt handelt, ist es auch wichtig, diese Schritte alleine zu gehen.

Wie legst du deine Musik textlich an. Sind es sehr persönliche Lieder?
Ja. Sie haben viel mit mir zu tun. Ich versuche da ähnlich wie bei der Musik heranzugehen. Ich nehme mir eigentlich nicht wirklich etwas vor und entscheide mich auch nicht schon im Vorhinein für dieses und jenes Thema. Ich will nicht bloß etwas konstruieren, vielmehr will ich versuchen, darauf zu kommen, was mich gerade beschäftigt. Es sind Dinge, die mir durch den Kopf gehen. Zum Teil sind es auch ganz einfache Sätze, die mir so einfallen und gefallen oder solche, die ich etwa in einem Film höre, die mich inspirieren. Ich habe auch viele Büchlein, in denen ich mir Skizzen für Texte notiere. Ich bin nicht jemand, der sich hinsetzt, und sagt: „Okay, in zwei Stunden habe ich einen Text für diesen oder jenen Song.“

Rückblickend muss ich aber sagen, dass ich mit meinen vielen Büchlein doch ordentlich viel Stress gehabt habe. Ich habe die ganze Zeit irgendwie auch das Gefühl gehabt, es ist nicht richtig, wie ich das mache, weil ich immer gedacht habe, jetzt muss ich alles, was ich mir da notiert habe, wieder zusammenfassen und in eine Form bringen. Aber irgendwie fügen sich dann doch verschiedene Themenkomplexe zusammengefügt. Mir macht eben auch die Arbeit mit der Sprache sehr viel Spaß.

Wie bist du eigentlich musikalisch sozialisiert worden.
Meine Eltern haben eine größere Plattensammlung gehabt, in der auch eine Elvis Presley Platte zu finden war. Die habe ich mir als Kind extrem oft angehört und zu den verschiedensten Kinderfesten mitgeschleppt, wo ich sie dann natürlich vorgespielt habe. Und das „weiße Album“ von den Beatles war auch dabei. Das habe ich auch geliebt. Und das nicht nur wegen der Musik, fasziniert haben mich auch die Posters und Bilder, die dabei waren. Dass solche jetzt auch in der Vinylversion von „Chasing Atoms“ zu finden sein werden, haben wahrscheinlich auch mit dieser Faszination zu tun. Aber meine Eltern haben auch sehr viel Klassik gehört. Am Sonntag in der Wohnung, ganz laut. Händel etwa, oder irgendwelche Messen. Das hat mich natürlich auch in gewisser Weise geprägt. Und ja, wir haben sehr viel gesungen, vor allem viele Kinderlieder.

Hört man sich deine CD an, findet man doch all diese Elemente in irgendeiner Art und Weise wieder. Überhaupt muss man sagen, dass deine Musik, durch all die kleinen Spielrein, eine sehr bildhafte ist.
Das ist schön zu hören. Das nehme ich jetzt als Kompliment. Ja, es hat schon etwas damit zu tun, dass ich es mag Dinge auszuprobieren. Zum Beispiel dieser Rennautosound, der auch in einem Song zu hören ist, dieser aber als solcher vielleicht nicht sofort erkennbar ist und eventuell auch von einem Synthesizer stammen könnte. Ich mag es, Dinge neu zusammenzusetzten, diese vielleicht in einem ganz neuen klanglichen Kontext aufgehen zu lassen. Was mit Spaß macht ist, an der Schnittstelle zwischen Elektronischer Musik und Synthesizer auf der einen Seite und dem Analogen und dem Knistern von Platten zu arbeiten. Das Spannende ist, wie man diese Sachen zusammenbringen kann. Ich will einfach nicht dogmatisch an einen Song herangehen und sagen, ich mache jetzt nur Elektronische Musik, oder ich benutze jetzt nur einen Synthesizer. Vielmehr ist es interessant zu beobachten, was passiert, wenn ich offen bin und zum Beispiel eine von Hand gespielte Snare mit einem elektronischen Beat kombiniere.

Es hat ja solche Demonstrationsplatten für verschiedenste Synthesizersounds gegeben, die in den 70er Jahren produziert worden sind. Zu hören waren auf diesen aber keine Musikbeispiele, sondern einfach Geräusche, wie etwa ein vorbeifahrender Zug, die eben von Synthesizern erzeugt worden sind. Ich habe eine dieser Platten. Und auf deren Rückseite werden Beispiele von einem Arp-Synthesizer präsentiert. Und mich interessiert es einfach, diese Synthesizersounds von der Platte zusammen mit dem Knistern von der Nadel dann wieder in der Musik zu verwenden. Das finde ich echt lässig.

Wie sieht es deiner Meinung nach eigentlich mit dem Umfeld in Wien aus. Mit den Möglichkeiten, die man hier als Musikschaffende hat.
Ich finde, dass gerade in den letzten zehn Jahren extrem viel passiert ist. Es ist viel lebendiger geworden. Es gibt mehr Gehör, ein viel mehr Lust am Ausprobieren, mehr Möglichkeiten zu spielen. Absolut. Ich habe das Gefühl, dass es sehr inspirierend ist, auch weil ich eingeladen worden bin, mich in diesem Quellenumfeld musikalisch zu betätigen und auf diesem Wege neue spannende Leute kennen lernen konnte.  Wie etwa Ernst Tiefenthaler, bei dem ich gesehen habe, dass es auch möglich ist, alleine im eigenen Wohnzimmer ein Album aufzunehmen. Solche Erfahrungen waren dann schon sehr wichtig. Zu sehen, was andere Leute tun.

Was bedeutet dieses Album für Jetzt und die Zukunft?
Das eine ist, dass die Arbeiten jetzt abgeschlossen sind. In dem Moment, in dem ich  die Songs für das Mastern abgegeben habe, waren plötzlich so viele Zweifel weg. Im Prozess davor habe ich eigentlich immer irgendwie Zweifel gehabt und oftmals nicht wirklich gewusst, in welche Richtung es tatsächlich gehen soll. Aber eben in dem Moment, in dem ich das Material aus meinen Fingern gegeben habe, hatte ich das Gefühl, ja, so klingt meine Musik. Ich habe plötzlich eine Sicherheit verspürt. Andererseits habe ich beim Rausspielen fürs Mastern, was wirklich viel Zeit in Anspruch nimmt, als Zeitüberbrückung die Ukulele in die Hand genommen und es sind plötzlich ganz neue Songs dahergekommen. Eine Zeit lang habe ich sogar die Angst gehabt, dass das ganze Ding es nun wirklich war, dass vielleicht nichts mehr kommen wird, da ich eh alles gesagt habe. Aber es war dann doch ein cooler und fast erlösender Moment, in dem ich gemerkt und mir gesagt habe: „He, ich bin noch lange nicht fertig und da geht noch was weiter.“ Und inzwischen gibt es ja auch schon neue Skizzen von Songs. Was mich ebenfalls sehr freuen würde, wäre live zu spielen. Bei der CD Präsentation werde ich zwar ganz alleine auf der Bühne stehen, aber in Zukunft würde es mich schon sehr reizen, noch mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Ein ganz großer Traum ist, meine Musik einmal mit Streichern, Bläsern, oder einem Orchester zum Erklingen bringen. Mal schauen was passiert.

Fotos: J. J. Kucek

 

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