Als “Techno-Tanzband” (Selbstbeschreibung) wirbelt das Wiener Instrumental-Trio Electro Guzzi (Bernhard Hammer: Gitarre, Jakob Schneidewind: Bass, Bernhard Breuer: Drums) derzeit mit ihrem selbstbetitelten Debüt die internationale Electronica-Szene gehörig auf. Das von Patrick Pulsinger produzierte und beim deutschen Label macro Records erschienene Werk mit seiner Mischung aus Post-Punk, Kraut-Rock, Techno und Dub gehört schon jetzt zu den herausragenden Veröffentlichungen des Musikjahres 2010. Im Interview mit Didi Neidhart geben Elektro Guzzi Einblick in ihre Arbeitsweisen.
Wie seid ihr zum deutschen Elektronik-Label macro gekommen?
Über Recherche diverser Labels. Die Labelphilosophie von macro hat uns sofort angesprochen. Wir haben ihnen ein Demo geschickt und Stefan Goldmann hat dann gleich Interesse bekundet.
Was erwartet ihr euch davon?
Erwartungen haben wir dabei keine gehabt. Wir waren eher froh, ein Label gefunden zu haben, dass so perfekt unseren Vorstellungen wie unsere Musik präsentiert werden soll, entspricht. Sie veröffentlichen auch alles auf Vinyl, was auch das Konzept unserer Platte ist und nicht selbstverständlich ist.
Habt ihr es bei anderen Labels auch versucht?
Wir haben mehrere Labels angeschrieben. macro waren einfach die ersten, die deutliches Interesse angemeldet haben.
Wieso kein Label aus Österreich?
Unsere Intention bestand schon auch darin, aus Österreich rauszukommen. D.h., mit Leuten zusammen zu arbeiten die wir nicht kennen, neue Kontakte zu knüpfen und dabei vor allem raus aus dem eigenen Sumpf zu kommen.
Mit Patrick Pulsinger als Produzenten, seid ihr aber dennoch in heimischen Gefilden geblieben. Wie entstand die Zusammenarbeit mit ihm? Wer hatte da die Idee dazu? Von wem ging die Initiative aus?
Für uns war schon lange klar dass Patrick Pulsinger der ideale Produzent für unser Album wäre. Wir haben ihn dann vor zwei Jahren bei einem gemeinsamen Konzert mit Franz Hautzinger persönlich kennengelernt und er war von der Band und der Idee unsere Musik aufzunehmen sofort begeistert. Es hat dann aber doch fast noch ein Jahr gedauert bis es zur Produktion gekommen ist.
Wie sehr hat er dabei auf eure Musik Einfluss genommen?
Im Grunde wussten wir ziemlich genau wie unsere Musik klingen soll, bzw. wie wir das im Studio erzeugen können. Aufgenommen hat es ja Oliver “Ollmann” Brunbauer, der sonst ja mit Bulbul zusammenarbeitet. Mit Patrick haben wir dann abgemischt. Durch ihn ist die Musik noch vielschichtiger geworden, da er sehr genau weiß wie einzelne Sounds in einem Klangbild positioniert werden. Das hat uns dann auch für unser Liveset weiter gebracht.
Spielt ihr im Studio stringenter als Live?
Das ist schwer zu sagen, da die Studioarbeit schon ein Jahr zurück liegt und wir seitdem permanent an unserem Liveset arbeiten, wodurch sich unsere Musik inzwischen woanders hin entwickelt hat, Somit auch die Spielweise.
Seit wann beschäftigt ihr euch mit der Mensch/Maschine bzw. der Mensch/Musik-Maschine-Thematik?
Wir haben uns noch nie mit der Mensch/Maschine-Thematik beschäftigt! Es geht uns nicht darum Maschinen zu ersetzten, oder wie Maschinen zu klingen.
Was stellt dann dabei für euch die Herausforderung dar? Wollt ihr wie eine Maschine spielen, oder wie eine Maschine klingen?
Weder noch. Es geht viel mehr darum, die Funktion einer Musik wie Techno, die der üblichen “Bandmusik” am entferntesten von allen Musikstilen ist, zu übernehmen und als äußere Form für das Musikmachen zu nehmen.
Euer Ansatz spiegelt aber auch die mitunter zwiespältigen Erfahrungen von Laptop-Sets wider. Geht es bei auch um die Frage wie das Konzept “Band” nach all den elektronischen Erfahrungen und Umbrüchen wieder zeitgemäß/zeitgenössisch auf die Bühne gebracht werden kann?
Es geht bei uns ja nicht darum wie der Sound erzeugt wird sondern was der Sound, den wir produzieren erzeugt. Natürlich sind die Leute aufmerksamer, wenn eine Band auf der Bühne steht. Aber wenn die Stimmung passt, dann fangen sie eh an zu tanzen. Und dann ist es ist egal ob wir ein DJ, eine Gamelan-Combo oder eine Percussion-Gruppe aus Ghana sind.
Seht ihr euch als Kollektiv? Eure Musik ist ja (bis auf die Beats) nicht immer einem bestimmten Instrument/Musiker zuordenbar.
Die Vorstellung eines modularen Synthesizers, wo jedes Mitglied ein Modul darstellt entspricht am ehesten unserer Herangehensweise.
Kraftwerk sollen sich ihren Begriff der “Musikmaschine” u.a. ja auch bei Andy Warhol und dessen Vorstellung von Bildenden Künstlern als “Malmaschinen” abgeholt haben. Dabei ging es auch um das Exkludieren von Expressionismen, persönlichen Handschriften und dem Künstlersubjekt (als Genie) an sich. Wie wichtig sind bei euch solche Überlegungen?
Expressivität ist inzwischen eine sehr individuelle Angelegenheit geworden. In jedem Genre bzw. Subgenre gibt es Abgrenzungen zwischen ironischen, coolen und emotionalen Haltungen. Das ist sicher kein mehr Thema bei uns. Bei uns ist eher Haltung an sich Haltung ein Thema.
Gibt es bei euch Bezüge zur Bildenden Kunst?
Als Band: Nein.
Wo kommt ihr eigentlich musikalisch her?
Unterschiedlichst. Aber alle von uns haben in einem “Do It Yoursefl”-Umfeld angefangen. Da ging von Punk-Bands und Noiserock bis hin zu Jazz-Dub und frei improvisierten Sachen.
Was ist bei euch mehr “live” als bei einem Techno-Set mit Musikmaschinen? Ihr spielt doch auch auf der Basis von Pattern, Sequenzen, etc…
Genau darum geht es uns. Wir stehlen uns die Ideen von den Maschinen, spielen aber mit Unschärfen. Unschärfen sind nicht gleich zu setzen mit Ungenauigkeit…
Sun Ra sagte einmal, das Wichtigste beim Freejazz sei Disziplin. Wie sieht das bei euch aus? Wie sehr müsst ihr euch beim Spielen zurücknehmen (als Individuen, Instrumentalisten), um zu der Musik zu kommen, die euch vorschwebt?
Zurücknehmen müssen wir nichts, aber Disziplin, so negativ dieses Wort auch besetzt ist, spielt eine große Rolle in unserer Arbeit.
Welchen Stellenwert hat Technologie in diesem Zusammenhang für euch? Beim Blindtest würde ja fast niemand auf eine Besetzung mit Bass, Gitarre, Schlagzeug kommen. Sind für euch die Instrumente nur Tools um die Effekt-Boxen als eigentlichen Instrumente zur Soundgenerierung anzusteuern?
Jeder von uns verwendet sein Instrument unterschiedlich und Effekt-Boxen sind wichtige Bestandteile unseres Sounds. Es geht uns nicht darum futuristisch zu klingen, sondern die Summe unserer unterschiedlichen Sounds in ein grösseres Ganzes zu bringen. Priorität hat dabei immer der Impuls, bzw. der, der ihn auslöst. Ein Loop-Effekt macht einfach seine eigene Musik, das interessiert uns nicht. Wohingegen ein Delay abhängig ist vom Impuls, den wir ihm schicken. Das ist der Unterschied.
Tüftelt ihr lange an speziellen Sounds und Effekt-Einstellungen?
Ja, alles andere wäre fahrlässig.
Welche Effekte verwendet ihr?
Analoge und digitale, hauptsächlich unterschiedliche Delays und Filter.
Wollt ihr mit eurere Musik das Konzept “Band” retten? Bzw. es auf eine andere, neue Stufe bringen?
Nein. Gibt es hier denn was zu retten?
Gibt es etwas wogegen sich Elektro Guzzi mit ihrer Musik abgrenzen wollen? Krautrock, Post-Punk, Post-Rock entstanden ja auch durch Reibungen mit anderen Genres (Rock etwa, oder Punk).
Wir grenzen uns gegen dumpfe und langweilige Musik ab
Wie ist es, wenn man schon vor dem Erscheinen der Debüt-CD für eine Japan-Tour und Auftritte beim Sonar in Barcelona gebucht wird?
Schön. Durch Musik nach Japan zu kommen ist etwas sehr besonderes, da wir es uns nie leisten könnten dort hinzu fliegen.
Ihr seid für grosse Festivals wie Sonár (Barcelona), Time Warp 2010 (Mannheim) oder dem Mellow Festival (Sofia) gebucht. Überrascht euch diese rege Aufmerksamkeit euch gegenüber? Die CD wird quer durch die internationale Presse ja auch durchgängig in den höchsten Tönen gelobt.
Ja, wir sind überrascht, und es freut uns. Aber wir sind alle schon lang genug als Musiker aktiv, um zu wissen, dass das temporär ist. Darum gibt es in der Band auch ein angenehmes Selbstverständnis, die Musik immer weiter voran zu treiben. Wir wollen der Musik und nicht dem medialen Getöse Aufmerksamkeit schenken.
Während des “Time Warp”-Ferstvals seit ihr ja auch bei der Uraufführung von Stefan Goldmanns Komposition “Impromptu 23” für das Ballet des Nationaltheaters Mannheim aufgetreten.
Ja, und es war echt gut. Wir haben mit Stefan in Wien geprobt, was sehr gut funktioniert hat und haben dann das Ballet zwei Stunden vor der Aufführung kennen gelernt. Weder sie noch wir wussten was das wird, aber auf der Bühne hat es dann super funktioniert.
Überrennt euch das nicht auch ein bisschen?
Nein.
Wie entstehen eure Tracks? Passiert das aus Jams heraus, oder gibt es da zuvor schon festgelegte Strukturen?
Es sind Jams auf Basis von Soundideen oder einer abstrakten Vorstellung eines Einzelnen. Wir nehmen unsere Proben grundsätzlich auf und hören uns neue Ideen immer wieder an. Dann spielen sie – mit den Erkenntnissen des Anhörens – anschliessend noch einmal, hören sie wieder an usw. So arbeiten wir uns immer mehr ins Detail….
Was ist wichtiger: Freie Jams, oder das Arbeiten mit Strukturen?
Das eine führt zum anderen.
Ist Irritation für euch ein wichtiges Element? Wenn jemand eure Musik nicht kennt und ihr geht auf die Bühne und beginnt dann zu spielen, dann klafft ja etwas zwischen dem optischen Erscheinungsbild, also dem, was damit assoziiert wird und der gehörten Musik auseinander.
Irritation war nie gewollt. Ich glaube, dass das Publikum nach vielleicht einem kurzem Moment der “Irritation” entweder in die Musik reinkippt oder eben nicht. Dann spielt es keine Rolle, wie die Musik erzeugt wird.
Könnte eure Musik, euer Zugang zu Musik als experimentelle Versuchsanordnung betrachtet werden? Auch im Sinne, dass es eigentlich nie eine vollendetes fertiges Produkt gibt.
Ja, wir (oder zumindest immer einer von uns) sind auch nie zufrieden damit.
F.S.K. aus Deutschland sind ja auch so eine Band, die schon länger mit dem Konzept “Techno als Band spielen” operiert. Seht ihr euch da in einer gewissen Verwandtschaft, oder ist das eher Zufall?
F.S.K hatte sicher keinen Einfluss auf uns.
Krautrock, Post-Punk und Post-Rock sind Referenzen, die im Zusammenhang mit euch immer wieder erwähnt werden. Sind das auch eure Referenzen?
Zum Teil. Jeder hat seine Einflüsse, aber als Band ist primär Techno die Referenz.
Anders gefragt: Stehen diese Referenzen, bei euch am Anfang, oder sind sie so zusagen Ergebnisse, an dei sich dann Journalisten, Fans, etc. erinnert fühlen, ohne dass das von euch jetzt direkt intendiert ist?
So ist es.
Im meiner Review zu eurer CD habe ich im skug geschrieben: “Einer Band ein Geheimwissen zu attestieren ist immer eine Unterstellung (ein Wunsch). Vielleicht liegt es nur an der Disziplin (kein Muckertum, lieber Maschine/Klangquelle sein wollen als Musiker), die hier an den Tag gelegt wird. Oder dem Inkorperieren von Maschinen. Was aber auch wieder eine Unterstellung darstellt.” Wie lebt ihr mit solchen “Unterstellungen”?
Wir haben Geheimwissen und Disziplin (wieder dieses hässliche Wort). Also sind beides keine Unterstellungen.
Eure Musik kann ja durchaus auch als Referenzhölle durchgehen. Ich nenne jetzt nur ein paar Namen: PIL, The Pop Group, Gang of 4, Rip, Rig & Panic, Basement 5, 23 Skidoo, This Heat, A Certain Ratio, ESG, Cabaret Voltaire (auch so ein Act, bei dem die Gitarren als Synthesizer gedeutet werden könnten). Aber auch die elektrische Phase von Miles Davis, die Gitarrentransformationen bei Hendrix oder auch bei Funkadelic/Parliament schimmern bei euch zumindest durch. Ist diese Referenzhölle das diskursive Feld innerhalb dem ihr euch aufhält, bzw. durch das ihr durchgeht?
Jeder von uns hört bzw. hörte Musik aus unterschiedlichsten Bereichen. Natürlich ist dadurch jeder beeinflusst. Aber es wäre absurd, eine Band zu gründen und sich durch eine Liste von Bands die man gut findet zu arbeiten, und dann seine Musik als Schnittmenge daraus zu produzieren. Vor allem geht es bei allen Bands, die du aufgezählt hast, um verschiedenste Ansätze, sei es musikalisch oder politisch.
Finn Johannsen von macro Records hat mir erzählt, dass euch bei einigen Reviews die dabei genannten Refernz-Acts gar nicht so bekannt sind. Ist das ein Ansporn sich da mal was anzuhören, oder sagt ihr eher nein, keine Lust, weil sonst klingen wir am Ende noch genau wie diese Acts?
Referenzen dienen oft dazu, zu beweisen was man nicht alles kennt, Wir kennen viel, aber nicht alles. Wie gesagt stellen alle auch hier genannten Referenzen keinen direkten Einfluss auf uns dar. Wenn einer von uns ein Fan der Pop Group ist, ein anderer auf Miles Davis steht und einer 23 Skidoo gern hört, dann sind das persönliche Musikerfahrungen. Aber da sind so viele andere Musiken mindestens genau so entscheidend gewesen. Wir haben als Band nur ganz gezielt Sachen gehört um verschiedene Elemente zu verstehen. Zum Beispiel wie können wir die Vielschichtigkeit eines Basic Channel-Tracks erzeugen.
Sind solche Referenzen für euch überhaupt wichtig?
Natürlich ist alles was uns beeinflusst mehr oder weniger wichtig. Unwichtig ist für uns jedoch, uns an diesen Referenzen zu messen.
Danke für das Interview.
Nächstes Konzert: 25. Mai 2010, Flex/Wien, 20:00, zusammen mit Patrick Pulsinger