mica-Interview mit Bul Bul

Dass sie auf ihrer kleinen Tour durch Österreich, Deutschland und die Schweiz zeitgleich zur EM mit René Aufhauser und Co konkurrierten, störte den Rock-Dreier nicht im Geringsten. “Ach, das ist doch egal”, so Drummer Didi Kern. “Wir werden schon einen bunten Abend haben. Vielleicht schauen auf dem Weg nach Hause ja ein paar Leute vorbei.” Das taten sie mit Sicherheit, denn live sind Bul Bul eine Bank. Und nur schwer auszurechnen: Einmal Rock, dann wieder Techno, reine Impro oder eine Kooperation mit Carla Bozulich. Haben das Raumschiff Englmayer, Derhunt und DDKern einmal Fahrt aufgenommen, ist kaum ein Genre vor ihnen sicher. Zu einem großen Maß ist es dann auch diese Unbekümmertheit, die BulBul ausmacht. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Prinzip Offenheit

Soeben hat man auf dem deutschen Label Exile On Mainstream ein neues Album veröffentlicht. Zeit für ein Gespräch zwischen Kunst im Welser Schlachthof, Mofarock und Ironisierung des Beidlrock-Posertums.

Während bei euch live sehr viel zu gehen scheint, seid ihr medial ein wenig unterrepräsentiert, wenn ich mir die Klasse eures neuen Albums so vergegenwärtige. Woran liegt das, meint ihr?
F: Stimmt schon. Bisher, das heißt die letzten zehn Jahre wurden wir schon konstant ignoriert. Aber mit dem neuen Album läuft es eigentlich gar nicht so schlecht. Nur die Mainstreamer scheißen seit jeher auf uns und das wird auch immer so bleiben und ist vielleicht auch gut so. Die mögen uns nicht, wir mögen sie aber umgekehrt auch nicht.

Aber warum eine Zeitung wie der Standard an euch vorbeikommt, verstehe ich zum Beispiel nicht.
F: Habe ich auch nie verstanden.

Zumal das neue Album ja alles andere als schwer zugänglich ist.
F: Es gefällt ihnen anscheinend nicht.

Klingt so, als hättet ihr euch damit abgefunden
DD: Man amüsiert sich über den Apparat, der so vor sich hindümpelt.
DE: Man muss aber auch sagen, dass wir bisher eher selten offensiv an die Medien gegangen sind. Das hat sich jetzt, seitdem sich der Stefan Parnreiter um uns kümmert, drastisch geändert. Im Rondo fanden sich immer wieder Plattenkritiken. Auch im Visions früher lustigerweise.
F: Da waren dort aber auch noch andere Leute, die sich darum kümmerten.

Das neue Album ist zugänglicher als je zuvor. Oder sehe nur ich das so?
F: Nein, das glaube ich schon auch.
DE: Ich sehe das auch genauso
F: Zugänglichkeit allein macht es aber halt auch nicht. Vielleicht ist das Album doch nicht so griffig wie es sein müsste, um wirklich Erfolg zu haben, weil es halt auch verwirrend ist.

Meinst Du wegen der Brüche, die die einzelnen Nummern haben?
F: Oder weil die Texte schwer verständlich sind.

Und weil es heterogen ist?
DE:
Kann schon sein, dass genau das die Leute vor den Kopf stößt.
DD: Es gibt sicher Leute, die sich die Platte anhören und meinen: Super Rock-Platte. Dabei sind ja eigentlich nur zwei Rock-Nummern drauf, der Rest ist ja erst wieder etwas anderes – zwar auch mit einer gewissen Rock-Attitude hinten drin, aber dennoch anders. Vielleicht verstehen das die Leute nicht oder wollen es gar nicht verstehen.
DE: Es ist uns schon oft passiert, dass sich nach dem Konzert so ein typisch Death-Metaler auf eine unserer Nummern, die langsam und sehr hart ist, bezieht und wissen will, ob wir ein ganzes Album hätten, das so klingt, auf dem also nur solche Nummern drauf wären. Haben wir aber leider nicht….

Eine gewisse Absicht ist aber doch auch dabei, dass diese Klischees stilsicher umschifft wird und das Album letztlich eben keine klassische Rock-Platte ist.
DE: Das passiert ganz automatisch, weil die Einflüsse von überall her kommen und nicht nur aus dem Rock.

Und durch die Kooperationen…
DE: Da lernt man auch etwas ab und zu.
DD: Aber es war schon von Anfang an klar, dass es keine klassische Rockplatte wird. Jeder hat anfangs so seine Wüsche und Visionen, wie das am Ende denn klingen soll. Und dieses Mal haben wir uns ganz gut getroffen. Mit eineinhalb Jahren hatten wir von dem Zeitpunkt an, als wir anfingen, mit Achtspur-Tonbandgeräten im Proberaum aufzunehmen, dieses Mal auch eine extrem lange Vorlaufzeit. Einige Dinge von den ersten Sessions haben es auch auf die Platte geschafft, weil sie eh fesch waren. Einiges ging auch in die Hose. Der lange Prozess hat das Ergebnis vielleicht auch ein wenig inhomogen gemacht. Wie gesagt: Dass es nicht fünfzehn neue Klassik-Rock Stücke geben wird, war aber von Anfang an klar. Es sollte so etwas wie ein Gesamtding werden, das man sich öfter als einmal anhört und am Ende vielleicht so etwas wie staunt.
F: Das hast Du schön gesagt. Aber das Ganze klingt auch so wie es klingt, weil wir immer etwas machen wollen, was wir auch selbst mögen. Hin und wieder kaufe ja vielleicht auch ich eine Rock-Platte und höre sie mir dann halt drei mal, vier mal an und leg sie dann aber auch wieder zur Seite. Das was länger bleibt, sind die Obskuritäten. Die kann man sich nach Monaten wieder anhören und…
DD: … hört bei jedem Mal wieder etwas Neues raus. Das ist das Schöne daran. Wenn schon ein Tonträger, dann möchte ich mir den doch auch in zehn Jahren noch anhören können und mir dabei denken: Eh OK. Nicht völlig in den Gatsch gegriffen.
DE: Man muss ja auch an die Pension denken

Ist euch eigentlich komisch vorgekommen, dass im neuen Gap ein Artikel erschien, der das Cover eures Albums bespricht, das Album selbst aber nicht bzw nur in einer kleinen Rezension gegen Heftende?
DD: Wo sie das Cover wiederum vergessen haben…
DE: Merkwürdig war, dass der Rezensent aufzählt, was ihm nicht gefällt und dann am Ende meint: Super Platte!
F: Ich fand die Review eigentlich sehr OK.

Kein Ärger?
F: Ach, das wäre zu viel der Beschwerde, wenn du eine Doppelseite und eine Review bekommst.
DD: Insgesamt war das doch eine gute Werbung.
DE: Das Prinzip einer Review sehe ich auch weniger darin, dass ein Verriss keine Hörer und eine hymnische Kritik viele Hörer generiert. Ich glaube vielmehr, es geht darum, dass die Leute überhaupt wissen, dass es da etwas Neues gibt.
F: Da geht es nur um eine gewisse Präsenz.
DE: Auf der Visions-Seite gibt es zum Beispiel eine Rubrik “Platten, die Visions völlig falsch bewertete”. Darunter finden sich dann Alben wie die Kid A von Radiohead, die seinerzeit total runter gemacht wurde und heute als der Meilenstein schlechthin, als Meisterwerk gilt.
DD: Da werden wir auch noch auftauchen.
DE: Was ich sagen wollte ist, dass genau deshalb selbst eine schlechte Review nicht wirklich ärgern kann.
DD: Wir haben ja auch auf unserer Homepage die schlechtesten Reviews ausgestellt. Die schlechtesten sind ja zugleich meist auch die besten, dh die, an die man sich am längsten erinnert.
F: Und wenn wir die ganzen Magazine beurteilen müssten, würde das Urteil vielleicht auch nicht so gut ausfallen (alle lachen). Ich selbst bin ja überhaupt kein Konsument von Musikzeitungen.

Mir kommt oft vor, die Magazine starten alle mit einem Sack voll Idealen und enden nach ca. zwei Jahren wie alle anderen vor ihnen: mit den gleichen Rubriken, gefeaturten Geschichten, einer Review- und einer Spiele-Section…
DD: Mir kommt vor, seit Anbruch des Technozeitalter ist das alles ziemlich vereinheitlicht worden.
F: “Rokko’s Adventures” ist dir rühmliche Ausnahme. Das erscheint zwar nur vierteljährlich, ist dafür super liebevoll und detailliert. Da werden Sachen vorgestellt, von denen man noch nie etwas gehört hat.

Aber auch ihr habt es einmal auf das Cover eines Magazins geschafft, ein Fanzine namens Bigload
D: Das waren halt auch Fans…

Was der schlechteste Zugang nicht ist, um über Musik zu schreiben.
F:
Keineswegs.
D: Wir haben uns ja auch sehr gefreut darüber. Ich habe auch nach wie vor drei Ausgaben davon zu Hause.
F: Aber das Fanzine hat dann ja auch nicht funktioniert. Sonst hätte es mehr als vier Ausgaben davon gegeben. Vielleicht, weil es nicht so stylish war wie der Rest und auf die Hülle nicht so viel Wert legte. Drum sehen wir das eher so: Wurscht was drin ist, Hauptsache es ist was drin!

Aber genauso wie es Festivals geben muss, die nicht das programmieren, was das vergleichbare Venue im Nachbarland programmiert, so muss es doch auch noch Magazine geben, die über das berichten, was sie redaktionell für wichtig erachten und nicht nur über das, was angesagt ist.
DE:
Diese Aufgabe haben heute mehr und mehr Kleine Internet-Zines übernommen. F: Das ist sonst nicht mehr leistbar. Wobei ich darüber, was an kleinen selbst kopierten Fanzines herumgeistert, keinen Überblick mehr habe. Aber Reviews unserer Alben passieren mittlerweile mehr im Internet als in Magazinen.

Eigentlich hat man es heutzutage mit einer konstanten Unterforderung des Publikums zu tun. Könnte man sagen, dass ihr das genaue Gegenteil anstrebt, nämlich die konstante Überforderung des Publikums?
DD:
Nein, überfordern nicht, herausfordern vielleicht.
DE: Ein bisschen aufscheuchen. Minimal vielleicht. Durch die Mischung bedingt.
DD: Wenn dem Publikum etwas nicht passt, tun es das eh kund und schreit Buh, schneller oder ausziehen!

Dass eine Band in eurem Genre einen ganz wesentlichen Teil ihres Schaffens der Improvisation widmet ist eher ungewöhnlich.
DD: Was sehr, sehr schade ist.
F: Welches Genre? Ich denke, dass das nur hierzulande so ist. Wir sind musikalisch vom Schlachthof Wels sozialisiert. Da geht es seit jeher um Improvisation, um Offenheit. Starre Formen gab und gibt es da fast gar nicht.

Weil Artists und Publikum dort weniger aus dem Hardcore-Bereich als vielmehr aus der Kunstszene kommen?
F: Wir sind ja auch keine Hardcore-Band, finde ich zumindest. Und es interessiert mich, was Du unter Kunst verstehst. Die Frage nämlich, ob wir jetzt ein Kunst-Projekt seien, wird mir oft gestellt.
DD: einen gewissen künstlerischen Anspruch haben wir natürlich schon, aber keinen Kunst-Anspruch.

Ich meinte jetzt auch nicht Kunstmusik, die mitunter einen negativen bildungsbürgerlichen Beigeschmack haben mag, sondern dem freien künstlerischen Ausdruck verpflichtete Musik.
DD: Ich mache schon auch Kunstmusik und vielleicht fließt das auch in die Arbeit ein. Aber wir verstehen uns eigentlich mehr als Party-Band. Uns geht es hauptsächlich um die Musik und weniger um die Aussage. Jeder zieht sich seinen Kram rein, liefert Input und unten kommt das dabei raus, was man auf der neuen BulBul-Platte hört. Man spielt sich die obskursten Sachen vor – von Klassik über Sun Ra bis hin zu Freejazz. Freejazz etwa mehr als irgendwelche Rock-Sachen. Aber auch Captain Beefheart und Konsorten.

Aber so ganz ohne Message seid ihr doch auch nicht. Eva Jantschitsch alias Gustav zum Beispiel kritisiert immer wieder die mangelnde Auseinandersetzung des Mannes mit der eigenen geschlechtlichen Identität. In einem Gespräch mit mir hat sie Bul Bul als die lobende Ausnahme von dieser Regel bezeichnet. BulBul, so Jantschitsch, hätten gezeigt, dass es auch oder sogar im Beidlrock sehr wohl möglich ist, sich auf der Bühne als Mann mit seiner Körperlichkeit auseinander zu setzen.
DD: Schon, aber so durchdacht ist das Ganze nicht.
DE: Wir propagieren das ja auch nicht verbal auf der Bühne. Genauso lässt sich ja auch eine gewisse politische Einstellung aus unserer Musik heraushören ohne dass wir jetzt explizit darauf hinweisen müssten.
F: Wenn uns jemand fragt, setzen wir uns meistens erst danach damit auseinander, weshalb wir etwas Bestimmtes tun oder eben nicht. Die Geschichte passiert im Moment.
DD: Ein gewisser schräger Habitus auf der Bühne hat sich dabei aber natürlich schon eingebürgert. Das heißt, eine gewisse Pose ist immer dabei. Ich für meinen Teil bin ja auch seit fünfzehn Jahren aufgeregt, wenn es auf die Bühne geht und ich hoffe es bleibt dabei.
DE: Aber der Didi meint damit kein klassisches Rock-Gehabe. Wenn dann geht es uns eher um eine Ironisierung des Beidlrock-Posertums. Vor allem wenn man mit Frauenkleidern auf der Bhüne steht und die Rockposen runterreißt, ist das für manche Leute vielleicht verstörend. Manche finden das auch total bescheuert.

Wer findet das bescheuert? Leute aus der Hardcore-Ecke?
DD: David Thomas von Pere Ubu zum Beispiel.
F: Christian Schachinger vom Standard zum Beispiel.
DD: David Thomas fand uns großartig, hat aber gemeint, die Frauenkostüme seien lächerlich und würden von der eigentlichen Sache, der Musik, nur ablenken. Die ganze Band war völlig baff und hat uns zu unserem Gig gratuliert, als wir in der Szene als Vorband von Pere Ubu auftraten, nur er hat gegrantelt, dass er die Verkleidung nicht verstehe. Lasst das doch einfach bleiben, meinte er.

Aber früher ging eure Musik doch auch mehr in Richtung Hardcore.
F: Ich für meinen Teil war nie Hardcore.
DD: Das ist glaube ich ein Missverständnis, das daherrührt, dass es meist Hardcore-Fans waren, die darüber schrieben, was wir machen und das dann auch so interpretierten. Ich persönlich komme ja schon aus dem Bereich.

In vielen Rezensionen wurdet ihr ins Melvins-Eck gestellt.
F: Ach so Melvins. Hardrock.
DD: Austrofred hat uns auf der Bühne einmal als die beste Hardrock-Band Österreichs bezeichnet. Seitdem ist die Definiton: Rock. Rock umschreibt es doch am schönsten, was wir so machen. Und dazu kommen halt dann diverse Dubiositäten.

Wie kommt man dann zu Carla Bozulich?
DD: Die ist auch eine Rockerin (alle lachen). Im Ernst: Carla war die erste Künstlerin, die es schaffte, mich zum Weinen zu bringen.
F: Bei mir war sie zwar nicht die erste, aber die erste seit langem wieder.

Und wieso?
F: Einfach, weil das, was sie macht, so intensiv ist.
DE: In Wels ist sie mit großem Orchester aufgetreten. Eine selten exhibitionistische und intensive Show war das.
F: Wir hatten zwar ursprünglich geplant, mit Peaches zu spielen, aber die hat es nicht interessiert.
DE: Wir lernen die Leute, die in Wels spielen, dann meistens auch kennen, weil wir alle dort arbeiten.
DD: Oder im rhiz. Da es dort keinen Backstage-Bereich gibt, kommt dir auch niemand aus. Dass wir kooperieren, ging dann schnell. Bei der zweiten vorgespielten Nummer hat sie Stopp gesagt, am nächsten Tag fuhren wir zu ihr, der erste Take wars dann auch schon.

Wiederkehrende Kooperations-Partner habt ihr aber auch. Tumido und Philip Quehenberger sind schon so etwas wie fixe Wegbegleiter.
F: Tumido vor allem. Am Anfang sind wir nur gemeinsam aufgetreten, aber dann irgendwann haben wir angefangen ein gemeinsames Programm zu entwickeln.

Ihr kommt aus unterschiedlichen Ecken, haut euch auf ein Packerl und entwickelt euch weiter. Kann man das so sagen?
F: Schon, ja. Ich habe ja nur etwas gegen Klischee-Hardcore mit starrer Besetzung, einem Shouter etc. So anders ist das, was wir machen, ja eh nicht.
DD: der Grund weshalb ich in den Schlachthof ging, war anfangs schon, laute und schnelle Musik zu hören. Aber plötzlich stand dann dort auch John Zorn mit Naked City auf der Bühne. Meine Fahrgelegenheit fuhr dann zwar gleich nach der erste Hälfte des Konzertes, die mir total gut gefiel, nach Hause, aber da ging auf einmal was auf in meinem Kopf. Da gibt es auch andere Sachen als Rock, dachte ich mir.

Du hast ja auch mehrere Projekte am Laufen. Wenn Du willst, kannst Du die Sau ja auch woanders raus lassen.
D: Stimmt. Nur: Da kommt halt auch viel Sau rein. (lacht) Es wurde mit der Zeit auch offener. Mit dem Philip Quehenberger lassen wir schon auch die Sau raus, aber mitunter geht das, was wir machen, auch in Richtung Kunstmusik.

Mit Fuckhead?
D: Nein. Das ist zuallererst einmal Spaß.
F: Fasching für Erwachsene.
D: Es ist doch so: Überall sonst zahlst du dafür. Mit Fuckhead kannst du eine Stunde auf die Bühne gehen und alles raus schreien, was dich ankotzt.

Mit Hardcore vorhin habe ich eher die dem Genre eigene Do it Yourself-Philosophie – viele VÖs auf unterschiedlichen Labels – gemeint, die auch auf euch zutrifft.
DD: Do It Yourself definitiv. Viele Leute glauben ja immer noch, dass man ein Lied schreibt, zu einem Label geht und dann gleich mal berühmt wird. Aber tun muss man ja eigentlich nichts dafür, außer ein neues Lied schreiben vielleicht. Das ist die völlige Illusion. Bei mir dauerte es ja auch eine Zeit lang, bis ich einsah, dass das eben nicht so läuft. Und so veröffentlicht man halt hie und da, hier und dort und netzwerkt. Das Wichtigste in einem Land wie Österreich ist das Netztwerk. Denn hierzulande gibt es doch nur den Reigen von Vorarlberg ins Burgenland, den man einmal pro Jahr absolviert und alles, was darüber hinaus geht, ist eh schon ein Wahnsinnsausflug.

Und wovon lebt man?
DD: Vom live spielen.

Und das geht sich aus?
F: Wenn du in vierzehn Bands spielst, geht es sich aus. Bei mir sind es nur zwei, da geht es sich nicht ganz aus…
DE: Ich spiel in einer, da geht es sich gar nicht aus…
F: Drum macht jeder mehr oder weniger nebenbei.

Zum Beispiel?
F: Tontechnik, Instrumentenbau-Workshops. Irgendwas ergibt sich immer.

Wird das nicht dann besonders schwer, wenn man so lange an einem Album arbeitet und sich nicht laufend durch VÖs in Erinnerung ruft?
F: Da gibt es genug andere Sachen zu tun.
D: Ich habe siebzehn Jahre gearbeitet und dann ging die letzte Bude in Konkurs. Da dachte ich mir: Jetzt oder nie! Die ganze Arbeitszeit ist eh abends und nachts. Ich mache auch hin und wieder Technik-Jobs nebenbei. Aber man lebt nur einmal, deshalb mache ich lieber etwas eigenes als anderer Leute Arbeit.
F: In dem ganzen Musikumfeld gibt es zwar auch ganz schon viele mühsame Leute, aber im Großen und Ganzen lernt man sehr coole Leute kennen. Das Umfeld ist mir sehr wichtig. Und deshalb möchte ich es auch gar nicht so straight angelegt haben. Wenn es nur noch um Business geht, ist das nicht so meines. Das frustriert nur.

Das heißt, man hält es bewusst auf einer bestimmten Größe?
F: Von selber explodieren wir eh nicht.
DD: Nach einer gewissen Zeit macht man sich auch keinen Stress mehr. Derzeit geht es wirklich sehr motiviert und positiv dahin und das ist doch auch schon viel wert.
DE: Die Zielsetzung ist sicher nicht groß rauszukommen. Wir wollen in erster Linie etwas machen. In zweiter Linie ist es toll, wenn etwas zurückkommt.
DD: Dass wir alle wieder unterwegs sind, ist Lohn genug. Letztens sah ich Melt Banana, die nun wirklich schon einige Zeit im Geschäft und auch bekannt sind. Die schleppen sich ihre Backline auch immer noch selbst.

Mittlerweile doch gang und gäbe.
F: Natürlich könnte es noch gemütlicher sein, es passt aber eh so wie es ist. Auch unsere Sause im Rhiz ist sehr spannend für uns.

Ein schönes Stichwort. Erzählt doch darüber.
DD: Die Zielsetzung ist es, 10 Mal im Jahr live aufzutreten.
F: Vor drei Jahren hatten wir eine einwöchige Session im rhiz. Jeden Tag mit anderem Programm und anderem Gast. Das ist nun eine Art Fortsetzung.

Ist es da nicht schwer, die Spannung zu halten?
F: Das geht so schnell: Jeden Tag eine Party und dann muss man eh schon wieder schauen, wie es weiter geht. Jeden Tag andere Gäste und dadurch bringst du immer wieder neue Energie rein.

Und es ist wirklich alles improvisiert?
F: Ja. Damals ja. Außer am achten Tag, da haben wir ein normales Konzert gespielt

Aber das Ergebnis ist doch auch recht unterschiedlich: Einmal geht man beglückt raus, einmal mit gemischten Gefühlen…
F: Klar. Das ist immer so beim Improvisieren, aber auch bei einem strukturierten Gig ist das so.
DE: Zuerst kommt der Soundcheck und dann geht man gemeinsam essen und macht sich aus, was man spielt und macht dann erst etwas ganz anderes.
D: Bei NSA hängten wir uns sich an die fetten Betas an, mit dem Quehenberger war es eine wilde Orgelei etc. Mit den Turntablisten wurde gekratzt und gebrutzelt, die Schwestern Brüll machten eine Schwanz-Performance. Es war jeden Tag voll und wir waren eigentlich selbst überrascht, dass die Rauschgeburt so gut ankam.
F: Das war echt leiwand. Und weil heuer zehn Jahre rhiz gefeiert werden, haben wir für den Mai etwas Ähnliches vorgehabt. Geworden ist jetzt daraus eine Live-Session jeden zweiten Mittwoch im Monat. Das Prinzip ist so, dass wir uns dieses Mal jeweils als Backingband für einen Künstler zur Verfügung stellen. Es wird geprobt.

Was mit Impro dann nicht mehr so viel zu tun hat.
F: Schon, aber weniger als beim ersten Mal. Das hängt auch davon ab, wie viel sich die einzelnen Künstler vorher Gedanken machen.
DD: Und live ist es dann sowieso wieder anders als bei den drei, vier Proben, die man hatte.
F: Bei den erste vier Gigs hatte wir jeweils ein dem Motto verpflichtetes Kostüm. Beim ersten Mal lautete das Motto nach dem gleichnamigen Musical, das Philip Quehenberger zu seiner letzten Platte inspirierte: “Phantom of the Paradise”. Da geht es um einen Pianisten, dessen Song gestohlen wird, eine Art Phantom der Oper auf 70er-Trash. Und wir hatten Umhänge an. Das zweite Mal waren wir bleiche Vampyre. Und so weiter, und so fort.

Besteht da nicht die Gefahr, dass eine solche Schiene institutionalisiert wird wie bei den Neubauten und ihren Musterhaus-Projekten?
F: Wenn der spontane Moment abhanden kommt schon.
DD: Der einzige, der bei den Einstürzenden Neubauten aus Improschiene kam, FM Einheit nämlich, ist dort ja auch schon lange weg. Blixa Bargeld ist ja eh immer schon mehr auf der Popstarschiene unterwegs gewesen.

Aber Poet mag eure Musik doch
F: Auf jeden Fall, er stellt halt nur gerne provokante Fragen.

Mir geht es darum, wie das Publikum, das was ihr jeweils macht, aufnimmt.
F:
Eigentlich ist die Stimmung immer blendend
DE: Die Leute, die zu uns kommen, die wollen nicht immer dasselbe. Die finden Bul Bul vom Prinzip her cool.

Und was genau ist das Prinzip? Die Offenheit?
DE: Das glaube ich schon auch
F: Dass man nie weiß, was man an diesem Tag bekommt. Qualität oder auch nicht.

Zwei mal den gleichen Set spielt ihr überhaupt nie?
F: Doch schon. Die normalen Konzerte sind zwar nicht gleich, aber ähnlich. Nach ein paar Monaten ändert sich die Setlist dann wieder. Aber es gibt schon auch Leute, die zu uns kommen und meinen, sie würden uns jetzt gerne wieder einmal normal, ohne Gast und besonderes Projekt sehen. Das gibt es schon auch.

Und was kann ich jemandem, der so wie ich an keinen der Abende dabei war, sagen, um ihm das nächste Konzert schmackhaft zu machen?
F: Dass jedes Konzert für sich seht. Das große Ganze ist natürlich schon speziell, wenn man es sich antun will, und jedes Monat zum Gig kommt.
DE: Der erste Abend war purer Techno. Da haben wir Beton angemischt und als Backing-Band für Quehenberger fungiert. Das zweite Mal war sehr ruhig. Das dritte Mal ging es mehr in Richtung Perfrmance, dann kam eine amerikanische Country-Nacht.
F: Das Tolle ist auch, dass die Leute, die zu uns auf die Bühne steigen, auch Dinge hervorholen, die sie sonst nicht machen. Martin Sewert zum Beispiel sang bei uns, was er sonst nicht wirklich macht. Und er hat relativ straighte Songs gespielt, was er sonst auch nicht tut.

Finden diese Experimente teils Eingang in eine neue Platte: Bei euch oder den Kollaborateuren?
F: Ein Track kam auf den rhiz-Sampler. Aber allgemein konkrete Ideen nicht, aber die Grundstimmung nimmt man mit.
DD: Man lernt andere Herangehensweisen kennen. Der Fredl zum beispiel findet seit dem Abend mit Siewert Country geil.

Fotos Bul Bul: Kurt Prinze

Bul Bul

 

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