mica-Interview mit Bernd Satzinger

Bernd Satzinger wagt zusammen mit seiner Band Kelomat den Sprung über den Atlantik. Im Rahmen des am 8. Juni startenden Mostly Jazz Festival in New York spielt das Trio den Haupt-Act des Eröffnungstages. Das folgende mica-Interview mit Bernd Satzinger führte Martin Gansinger.

MG: “Das Trio in dieser Besetzung besteht bereits seit mehreren Jahren, inhaltlich kam es im letzten Jahr aber zu einigen grundlegenden Umwälzungen. Mit dem Wechsel vom Bernd Satzinger Trio zu Bernd Satzinger’s Wurschtsemmerl hat sich nicht nur der Name, sondern auch der Sound der Band entscheidend verändert. Was war der Grund für diesen, doch recht markanten Einschnitt?”

BS: “Das Programm des Bernd Satzinger Trios bestand aus Jazz-Kompositionen, die ich auch mit der Idee im Hinterkopf, den Sound vom Wurlitzer einzusetzen, geschrieben habe. Ich wollte einfach meine eigene Band haben, mit der ich eben Jazz spiele. Das war für mich aber irgendwann weder Fisch noch Fleisch, weil ich mir gedacht hab’, es gibt so viele andere Trios, die dieses Jazz-Ding spielen und ich wollte meine Band einfach irgendwie spezieller anlegen, oder konzeptionieren. Jetzt nennt sich das Ganze Bernds Satzinger’s Wurschtsemmerl, ich spiele nicht mehr Kontrabass sondern einen elektrisch verstärkten Akusitik-Bass und der Gesamtsound ist auf jeden Fall elektrischer, rockiger. Aber eben schon mit einem Jazz-Ansatz kombiniert, vom Improvisationsanteil her. Ein weiteres neues Element ist die Verwendung von Sprache, damit bringe ich quasi mein Hobby, also Gedichte und Texte rezitieren, mit in das Bandkonzept ein, manchmal sogar ein wenig Gesang. Es gibt zwar kein wirkliches Gesamtkonzept, ich erzähle mit dem Programm jetzt nicht unmittelbar eine Geschichte, aber es gibt Stücke, die dann doch irgendwie zusammenhängen. Es gibt auf jeden Fall einen konkreteren Spannungsbogen als es im ursprünglichen Trio der Fall war, wo wir halt eine Nummer nach der anderen gespielt haben. Beim Wurschtsemmerl ist schon ein gewisser Rahmen erkennbar, in dem  sich das Programm bewegt, würde ich sagen. Das ist sicher dieser eindeutige Österreich- Bezug, mit dem kokettier’ ich eben sehr stark. Und das nicht, weil ich auf keinen Fall ins Ausland will, sondern weil ich eben hier aufgewachsen bin und hier lebe – und dieser Name dadurch auch irgendwie für mich steht. Ich überlege mir jetzt nicht, ob ich einen anderen Titel verwenden sollte, um zum Beispiel in Deutschland mehr Platten zu verkaufen. Ich mag halt Wien, ich mag das Hawelka, ich mag die Sprache und ich mag auch grantige Wurschtsemmelverkäuferinnen irgendwie gern. Andererseits fahre ich auch genauso gern irgendwo hin…nach Russland – oder New York. ”

MG: “Mit der Bezeichnung Wurschtsemmerl bist du sozusagen in alle Richtungen offener…”

BS: “Ich kann einfach alles offener gestalten, deswegen taugt mir auch die Bezeichnung so, weil es eben mehr so eine Art Projektbeschreibung ist als ein herkömmlicher Bandname. Unter dem Titel Bernd Satzinger’s Wurschtsemmerl kann einiges stattfinden – der CD-Titel zum Beispiel. Ich hab’ kurz überlegt, wie nenne ich die CD? Bis mir dann klar geworden ist, dass der Bandname auch gleichzeitig der CD-Titel sein kann, sein muss. Oder wenn die Band in drei Jahren plötzlich ein Oktett ist, hat die Bezeichnung  trotzdem immer noch ihre Gültigkeit. Wenn ich die nächste CD solo einspiele, dazu singe und meinetwegen noch einen Geiger dazu hole, der Bach-Etüden spielt, passt das Wurschtsemmerl da immer noch drauf.”

MG: “Du willst dir also ein möglichst großes Maß an Flexibilität bewahren…”

BS: “Genau, außerdem inkludiert das ja auch schon etwas ganz Spezielles, wenn ich meine Band Wurschtsemmerl nenne, es fühlt einfach schon mal mehr in eine Richtung, als eine bloße Jazz Trio-Bezeichnung. Man verbindet damit vielleicht die ein oder andere Assoziation und trotzdem ist es aber immer noch relativ offen, was da eigentlich genau passiert. Ich denke mir, ganz egal was ich in Zukunft für Sachen mache, wenn das irgendwie da reinpasst, in diese Schiene, dann mache ich das unter dem Wurschtsemmerl. Es kann natürlich schon sein, dass ich irgendwann wieder etwas anderes gründe und das dann auch anders nenne, weil eben ein anderes Konzept dahinter steht. Aber im Wurschtsemmerl-Konzept kann sich eben auch die Besetzung ändern, vergrößern, verkleinern.”

MG: “Bernd Satzinger’s Wurschtsemmerl gibt es im Prinzip seit der JazzWerkstatt 2006, wo du zum ersten Mal nicht mehr unter Bernd Satzinger Trio aufgetreten bist…”

BS: “Ja, wobei ich damals noch nicht diesen Namen dafür verwendet habe, aber bei dieser Gelegenheit habe ich den Großteil von dem Programm, das jetzt auch auf der CD vertreten ist, zum ersten Mal live gespielt. Dazu natürlich auch einige Nummern, die vorher bereits Bestandteil des Trio-Programms waren, die hören sich halt trotzdem anders an und stehen im Gesamten in einem anderen Kontext. Auf der CD befinden sich Kompositionen aus den letzten vier Jahren, oder auch nur bestimmte Themenköpfe, die ich dann dafür verwendet habe. Dadurch fällt die CD auch sehr vielfältig aus, was für eine Debüt-CD ziemlich gut ist, glaube ich. Teilweise swingt das Material ziemlich, es gibt Stücke mit ausgedehnten Improvisationen und andere ohne Solo-Parts, dann kommen eben diese Textpassagen dazu, eine groovige Passage, ein rockiger Teil  der in eine ziemlich typische Jazz-Ballade übergeht. Wir surfen da irgendwie ein bisschen durch die Stile, was ich aber gar nicht so schlimm finde. Das ist irgendwie auch wieder dieser Ansatz: wenn das Ding jetzt schon Wurschtsemmerl heißt, dann kann man da an sich eh alles irgendwie unterbringen. Da hab’ ich irgendwie nicht diesen Stress, dass ich immer nur beim Jazz bleiben muss, oder nur solo sein darf. In Wahrheit sind eben genau jene Sounds und Stile auf der CD, die ich mir auch anhören würde. Von dem gehe ich irgendwie aus. Wenn ich es nicht kennen würde, sollte das meine Lieblings-CD sein (lacht). Deswegen sollte einfach möglichst viel von dem darauf vorkommen, was ich eben so mag. Das bezieht sich auf Sprünge innerhalb einer Nummer, über den speziellen Sound und die Instrumente, tonale und freitonale Spielweise, Text.”

MG: “Die Einbindung von Sprachelementen spielt beim Wurschtsemmerl eine ganz wichtige Rolle, wie es scheint, sind ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes. Welchen Bezug hast du persönlich zu Literatur, geschriebenem Wort und Sprache im Allgemeinen?”

BS: “In Wahrheit hat mir mein Freund, der Dichter Joe Steinböck dabei geholfen, meine Texte auszuwählen. Ich lese zwar auch selbst sehr gerne und viel, aber er hat sich halt mit mir hingesetzt und mir einige Sachen vorgeschlagen, die für mich interessant sein könnten. Ich verwende einen Text von H.C. Artmann, ein Stück in dem einige seriöse und einige weniger  seriöse Zitate vorkommen – Wer etwas zu sagen hat der trete vor und schweige, ein Ausspruch von Karl Kraus, bis hin zu Alles Walzer oder Wo geht’s hier zu Kika – da biegt das Ganze dann irgendwie ab.

MG: “Du hast also vor, die Miteinbeziehung von Text in Zukunft weiter zu führen. Inwiefern wirkt sich das auf deine Arbeit als Komponist aus?”

BS: “Ja, schon. Wenn ich jetzt wieder damit anfange, neue Sachen zu komponieren, versuche ich das im Hinterkopf zu behalten, dass es immer wieder Momente gibt, in denen ich ans Mikro gehe und irgendetwas vortrage, singe oder sonst irgendeine stimmliche, sprachliche Darbietung zum Besten gebe, das interessiert mich im Augenblick sehr stark.”

MG: “Bernd Satzinger’s Wurschtsemmerl ist dein erstes eigenes Projekt, du bist aber auch in vielen anderen Bands sozusagen als Sideman aktiv, unter anderem bei Kelomat oder Maja Osojnik…”

BS: “Mit Kelomat habe ich spielen gelernt, das klingt jetzt kitschig, ist aber einfach so. Auch mit der Maja, wir haben uns vor Jahren gemeinsam an Jazz-Standards versucht, das was ich heute mache hat sich alles daraus entwickelt. Außerdem war das auch eine gute Schule, was die Rolle als Bandleader betrifft. Dadurch weiß ich einfach, was ich mir erlauben kann und was nicht. Prinzipiell versuche ich natürlich ein guter Bandleader zu sein – ein netter zumindest. Ein anderes Projekt, an dem ich beteiligt bin, ist Hannes Löschls Herzbruchstück, eine ganz besonders interessante Geschichte, wie ich finde. Neben Hannes Löschl am Klavier und mir sind noch Michael Bruckner an der Gitarre und Matthias Koch am Schlagzeug beteiligt, Thomas Berghammer spielt Trompete, Clemens Lendl singt und spielt Geige, Walter Soyka spielt Harmonika und Karl Stirner Zither. Das sind alles so Leopoldi-Nummern und Wienerlied-Material, Stücke aus der Winterreise von Schubert – alles miteinander vermurkst irgendwie zwischen traditionell und Impro, mitunter wird da auch ziemlich dahin gebluest und dahin gegroovt, Alles in allem ein super Projekt. Ich bin ja nicht gerade mit Wienerlied aufgewachsen, aber ich find’s jetzt irgendwie – such’s auch vermutlich. Diese ganzen Musiker aus dem Wienerlied-Grätzl, mit denen ich durch dieses Projekt in Berührung gekommen bin – das sind ja oftmals auch Autodidakten, die spielen einfach so irrsinnig frei, gerade heraus und können einfach total gut umgehen mit Energie. Also, was is’ schön und was is’ schiach. Die schauen dann halt einfach, dass sie es schön hinkriegen – oder auch schön schiach, wenn’s sein muss.

MG: “Du hast im Rahmen der JazzWerkstatt auch das Kontra5tett initiiert, eine reine Kontrabass-Formation, neben dir bestehend aus Raphael Preuschl, Matthias Pichler, Christian Wendt und Bernhard Osanna. Gab es Pläne, dieses Projekt regelmäßig fortzusetzen?”

BS: “Nein, ich wollte da ja auch keine neue Band gründen, sondern mir einfach nur den Spaß gönnen, im Rahmen der JazzWerkstatt zu fünft aufzugeigen. Ich weiß jetzt nicht, wie das sonst so ist, aber ich habe den Eindruck, dass es in Wien irrsinnig viele Bassisten gibt. Deswegen hatte die ganze Geschichte auch irgendwie so eine Happening-Charakter – ich mein’, wie oft kommt es vor, dass sich man als Bassist gemeinsam mit einem anderen Bassisten an einem Projekt arbeitet, sich austauscht oder auch nur gemeinsam ein Bier trinkt? Das kommt in der Praxis eigentlich so gut wie nicht vor.”

MG: “Ein großer Einfluss für dich ist offenbar Charlie Haden, den du immer wieder mit Cover-Versionen und im Rahmen der JazzWerkstatt 2007 mit einer speziellen Hommage würdigst…”

BS: “Auf jeden Fall, Charlie Haden hat einfach an so vielen verschiedenen Dingen gearbeitet, sehr viele Duo-Geschichten, die eher in Richtung Kammermusik gehen, und dann natürlich die Ornette Coleman-Phase…Oder eben beim alten, beim uralten – und eigentlich auch leiwandsten Keith Jarrett Trio – mit Paul Motian am Schlagzeug. Charlie Haden lässt einfach alle Bands, in denen er spielt, klingen wie kein anderer, weil er eben total unvirtuos und ohne große Show Bass spielt – super, die Hauptaufgabe des Bassisten eben.”

MG: “Aber nicht nur…”

BS: “Nein, natürlich. Aber auf meiner CD sind zum Beispiel genau zwei Bass-Soli. Einmal nehme ich tatsächlich ein Solo im Songablauf und ein anderes Mal interpretiere ich eine Haden-Nummer alleine am Bass – aber auch nur das Thema im Prinzip. Der Rest ist viel gemeinsames Improvisieren und Banddienliches Bassspiel. Ich mag gut arrangierte Bass-Soli. Ich finde es furchtbar, wenn fünf Bläser, drei Gitarristen, zehn Pianisten und drei Schlagzeuger schon eine halbe Stunde lang irrsinnig leiwand soliert haben und dann halt noch der Bassist kommt und auch sein Solo nimmt. Das ist zwar durchaus lustig und legitim auf einer Session, aber wenn es darum geht, dem ganzen ein bestimmtes Gesicht zu geben oder in einer konzertanten Situation muss das dann wirklich nicht sein. Ich meine, ich bin auch nicht der Show-Off Bassist, so gut bin ich noch nicht, glaub’ ich. Mir ist das aber auch irgendwie zu wider, diese Situation – so nach der Art, the spot is on – und jetzt zeig’ einmal was du kannst. Diese Situation schaffe ich mir In meiner Band erst gar nicht. Das Musizieren im Trio besitzt sowieso seine ganz eigenen Gesetze, aber gerade beim Wurschtsemmerl hab’ ich irgendwie das Gefühl, ich kann voll und ganz meine Qualitäten als Begleiter ausspielen, man kann viel offensiver begleiten und mehr machen, als in einer größeren Besetzung – ohne dass man in die erste Reihe treten muss, man kann problemlos in der Band bleiben – weil es nicht im Gesamtsound untergeht.”

Aktuelle CD:
Bernd Satzinger’s Wurschtsemmerl (Jazzwerkstatt Records)

Bernd Satzinger