Bernadette Zeilinger ist Blockflötistin und Musikschaffende. Sie tritt Solo und in Ensembles, wie dem Duo und TrioNuance, dem Vienna Improvisers Orchestra oder Einfach Drei in Wien, Basel und anderen europäischen Städten auf. Jedes ihrer Konzerte ist dabei ein Unikat, denn sie spielt hauptsächlich frei improvisierte Musik. Sie verzichtet dabei meistens auf Hilfsmittel wie vorher festgelegte Konzepte, seien sie gezeichnet oder besprochen. Ein Konzert zweimal zu hören, das geht nur, wenn man eine Aufnahme macht. Gerade hat sie eine neue Solo-CD herausgebracht. Wer sie aber live hören will, kann das zum Beispiel bei dem vom Verein KLANGSCHRITTE organisierten Flöten-Festival Go.ETe am Samstag, 7. Dezember im TAKTLOS (Dornbacherstraße 107, 1017 Wien) und am 8. Dezember im Kunstraum Ewigkeitsgasse (Thelemangasse 6, 1017 Wien) jeweils um 19:30 machen, bei dem sie unter anderem mit Pia Palme, Angelina Ertl, Claudia Cervenca und Diego Muné zusammenspielen wird.
Für dieses Interview hat Philip Röggla nicht nur mit Bernadette Zeilinger gesprochen, sondern ihr auch ein paar musikalische Fragen auf dem Instrument gestellt. Bernadette Zeilinger spielte auf einer stattlichen zwei Meter langen Superio-Subbass-Blockflöte, ich auf einer kleinen Rottenburgh-Alt-Blockflöte. Außerdem können Sie noch drei Tracks von Zeilingers neuen Album anhören.
Kann man in der Improvisation Fehler machen?
Bernadette Zeilinger: Ich finde, das Wort ‚Fehler‘ hat in der Improvisation nichts verloren und in der Musik eigentlich auch nicht.
Wenn vom Notentext oder der Vorgabe abgewichen wird …
Bernadette Zeilinger: Natürlich kann man argumentieren, dass es anders notiert ist. Die Frage aber ist: Kann eine ganz andere Note im gleichen Moment auch oder vielleicht sogar besser zur Musik passen?
Bernadette Zeilinger – Ein Hauch Von Rüschen by mica
In der Barockmusik, die im Blockflötenstudium ja vorkommt, ist Improvisation ein wichtiger Teil.
Bernadette Zeilinger: Die Improvisation in der Barockmusik findet in einem sehr begrenzten Rahmen statt und ist mit der freien Improvisation gar nicht zu vergleichen.
Es war eher Zufall, dass du zur Improvisation gekommen bist?
Bernadette Zeilinger: Es war tatsächlich Zufall, sofern man von Zufällen überhaupt sprechen kann. Ich habe den Schwerpunkt „Saxophon-Popularmusik“ besucht und ein Popularmusik-Ensemble gebraucht, um abzuschließen. Dass ich auf das Ensemble 3000 mit Franz Hautzinger gestoßen bin, war Zufall. So bin ich zur Improvisation gekommen und es war mir in der ersten Stunde klar, dass ich genau das machen will.
Vorher hast du noch nie improvisiert?
Bernadette Zeilinger: So nicht. Natürlich habe ich daheim vieles ausprobiert. Das waren aber noch keine Stücke, die ich gespielt habe, es war mehr ein Experimentieren am Instrument. Mit der freien Improvisation aber, so wie ich sie heute verstehe, hattedas nichts zu tun. Diese Form der Improvisation habe ich erst im Ensemble 3000 entdeckt.
Bernadette Zeilinger – Ein Hauch Von Rüschen by mica
Was ist für dich das Besondere daran?
Bernadette Zeilinger: Das Besondere und mir so Wichtige an der freien Improvisation ist, dass die Musik im Moment entsteht und dass jederzeit eingriffen werden kann. Man hat also die Möglichkeit, genau das zu spielen, was man in diesem Moment gerade richtig findet. Bei einem Notentext muss immer das gespielt werden, was da steht. Aber wenn ich improvisiere, kann ich immer sofort auf alles reagieren: Ich kann auf die Mitspieler reagieren, ich kann auf das Publikum reagieren. Die Freiheit, im Moment die Musik zu gestalten, ist das Besondere für mich.
In einem Gespräch wurde ich auf das Genie-Denken in der Improvisation angesprochen. Ein Musiker, der auf der Bühne steht und im Moment alles kontrolliert, quasi vor dem Publikum den Schöpfungsakt mit viel Pathos und Theatralik vollzieht.
Bernadette Zeilinger: So habe ich das noch nie betrachtet, das liegt meiner Einstellung sehr fern [lacht]. Nein, das ist dann Selbstinszenierung und damit hat Improvisation für mich nichts zu tun. Es geht um Musik und nicht darum, sich als Musiker zu inszenieren.
Die Performance spielt nicht mit?
Bernadette Zeilinger: Doch doch, die ist wichtig, sehr sogar. Aber das hat für mich nichts mit einer Selbstinszenierung zu tun. Denn die Performance, die während dem Musikmachen entsteht, ist für mich immer musikalisch. Ein Beispiel: Oft sagen Leute, ich tanze auf der Bühne. Aber ich tanze nicht um zu tanzen, sondern ich mache die Bewegungen, die nötig sind, damit ich diese Musik machen kann.
SponTONität by mica
Ist freie Improvisation wirklich unstrukturiert?
Bernadette Zeilinger: Nicht wirklich. Der Unterschied zwischen der strukturellen und der freien Improvisation ist, dass bei der freien Improvisation im Vorhinein noch kein Konzept existiert, sondern die Anlage erst im Moment entsteht. Die Strukturen, die dabei entstehen, sind oft viel komplexer als die, die vorher entworfen worden wären. Ich finde es eigentlich sehr spannend, dass im Prozess des Musizierens etwas viel Kreativeres entsteht, als durch Planung möglich wäre.
Kann auch in der freien Improvisation ein formaler Ablauf mit sich wiederholenden Elementen entstehen?
Bernadette Zeilinger: Ein formaler Ablauf entsteht immer. Es kommt durchaus vor, dass am Ende des Stückes wieder auf den Anfang zurückgegriffen wird. Das kann eine exakte Wiederholung sein, meistens ähnelt es aber mehr einer Erinnerung, in der Material und Gestus aus dem Beginn des Stückes kommen und so ein Spannungsbogen gebildet wird. An der freien Improvisation ist mir aber um einiges wichtiger, dass die Musik wirklich im Moment entsteht.
Heißt das, dass du die Improvisation dann auch steuern musst?
Bernadette Zeilinger: Das Wort „steuern“ würde ich nicht verwenden. Es geht mehr darum, sich auf den Moment einzulassen. Ein bewusstes Steuern ist eher hinderlich, denn die Strukturen und Formen entstehen im Musizieren und erst rückblickend lässt sich sagen, was für eine Form es angenommen hat. Es ist eher hinderlich und nicht förderlich für die Musik, so etwas zu machen. Die Musik entsteht und steuert sich von selber.
Wenn die Musik sich selber steuert, hört sich das so an, als wäre die Musik schon da und Ihr würdet nur gut zuhören und mitspielen …
Bernadette Zeilinger: [Zögert] Ja, was du gerade gesagt hast, finde ich gar nicht so verkehrt. Ich nehme beim Improvisieren tatsächlich alles, was da ist: Also der Raum, die Atmosphäre, die anderen Musiker, das Publikum, all das spielt mit. Musik entsteht schon in der Situation, aber wenn Musik umfassender gesehen wird, dann kann man durchaus sagen, sie wäre schon da und würde nur zum Ausdruck gebracht werden.
Wenn die Musik im Moment entsteht, hängt sehr viel von der Kommunikation der MusikerInnen ab. Kommt es vor, dass Leute zu dominant sind?
Bernadette Zeilinger: Soziale Beziehungen haben einen sehr starken Einfluss auf die Improvisation. Es kann durchaus vorkommen, dass jemand die Musik leitet. Ich finde es aber am spannendsten, wenn sich alle gleichwertig aufeinander einlassen, sodass niemand das Gefühl hat, jemand steuert, sondern dass alle die Bereitschaft zeigen, die Musik gemeinschaftlich entstehen zu lassen.
ZeilingerRögglaInterview by mica
Du spielst ja auch in einigen Ensembles …
Bernadette Zeilinger: In Wien sind es momentan das Trio und das DuoNuance. Das DuoNuance ist mit Claudia Cervenca, das TrioNuance mit ihr und Diego Mune, mit dem ich auch im Duo MUZE spiele. Außerdem spiele ich im Duo mit Angelina Ertel und mit verschiedenen anderen Musikern. Ich bin immer offen für neue Formationen.
Du machst auch noch bei Gruppen in Basel mit und trittst ebenfalls in Budapest und in Prag mit einer spontanen Formation auf. Einerseits spielst du in Gruppen, in denen du die Leute schon gut kennst, …
Bernadette Zeilinger: … aber am spannendsten ist es dann, wenn man selbst nicht genau weiß, was kommen wird. Denn wenn alles vorhersehbar oder absehbar ist, verliert es den Reiz. Das ist mir auch wichtig, wenn ich mit Musikern zusammen spiele, die ich gut kenne.
… andererseits mit MusikerInnen, mit denen du noch gar nicht gespielt hast, die dich vielleicht auch unvorteilhaft auf der Bühne überraschen können.
Bernadette Zeilinger: Das kann immer passieren. Aber ich versuche, auf der Bühne für alles offen zu sein, um ohne Geschmackskategorien immer das Beste für die Musik zu machen.
Was macht für Dich eine gelungene Improvisation aus?
Bernadette Zeilinger: Das könnte ich sehr ausschweifend beantworten, aber ich halte mich kurz: In einer gelungenen Improvisation entsteht Musik, die Lebendigkeit und Kraft hat.
Fotos Bernadette Zeilinger © Karel Šuster
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