mica-Interview mit Ángela Tröndle und Sophie Abraham (The Little Band From Gingerland)

Dass die Liedermacherkunst sich nicht immer an den bereits tausend Mal gehörten Formaten orientieren muss, sondern sehr wohl auch einmal etwas anders und eigenständig erklingen kann, genau das zeigten Ángela Tröndle und Sophie Abraham gemeinsam als „The Little Band From Gingerland“ auf ihrem Erstlingswerk „Time out Time“ auf eindrucksvolle Art und Weise. Was die beiden Musikerinnen auf ihrem nämlich auf den Weg gebracht haben, ist ein hoch interessanter, anspruchsvoller, ungemein vielschichtiger, avantgardistischer und sehr eigenständiger Artpopentwurf, den man in dieser Form nur selten zu Gehör bekommt. Das Duo im Gespräch mit Michael Ternai.

Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Wann seid ihr euch über den Weg gelaufen?

SA: Ich erzähle die ganze Geschichte einmal aus meiner Perspektive. Ich glaube, 2009 bin ich angerufen und gefragt worden, ob ich nicht vielleicht Lust hätte, von der Musikuniversität Graz ausgewählte Kompositionen, wie etwa solche von Angela, Gerd Hermann Ortler und anderen mit einzuspielen. Meine erste Reaktion war dann erst einmal: Oh Jazz? (lacht) Natürlich habe ich dann gleich zugesagt und auch einige Sachen aufgenommen. Angela habe ich zwar vom Namen her schon gekannt, persönlich aber noch nicht. Auf jeden Fall habe ich bei diesem größeren Projekt im Streichensemble mitmachen dürfen, für das Angela auch etwas geschrieben hat. Und über diese Zusammenarbeit haben wir uns auch etwas näher kennen gelernt. Wenig später hat sie dann unser Streichquartett gefragt, ob wir nicht auch auf ihrer neuen CD „Seven Electric Elephants“ mitspielen könnten, was wir natürlich gemacht haben. Und während den Aufnahmen und den darauffolgenden Konzerten, haben wir uns dann richtig kennen und schätzen gelernt. Ja und irgendwann hat Angela mich gefragt, ob wir nicht mal gemeinsam etwas machen könnten. Und so hat es angefangen.

AT: Ich finde das gerade im Nachhinein betrachtet eigentlich voll arg. Alleine was im letzten Jahr schon passiert ist, was wir alles schon gemacht haben. Und dass dieses Projekt inzwischen für uns zu einem so wichtigen geworden ist. Nicht nur von der Musik her, sondern auch von dem, wie es nach außen hin funktioniert. Wenn ich zurückdenke, dass es noch nicht so lange her, dass ich begonnen habe, erste Skizzen aufzuschreiben und überlegt habe, was wir machen könnten….

SA: Und es war damals zu Beginn überhaupt nicht klar, ob das wirklich was wird.

AT: Irgendwann haben wir gemerkt, dass dieses Ding wirklich Sinn macht und funktioniert, dass alles perfekt ineinandergreift. Es hat sich irgendwie mit der Zeit das Gefühl eingestellt, dass es wünschenswert und erstrebenswert wäre, dieses Projekt auszubauen. Auch weil wir uns immer bewusster darüber geworden sind, dass wir wirklich viele Ideen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit einbringen. Bei der Namenswahl war uns ebenfalls schnell klar, dass dieser nicht irgendwie etwas für den Jazz Typisches sein soll. So wie Tröndle/Abraham Duo oder Ähnliches. Wir haben schon irgendwie den Eindruck gewonnen, dass sich hier etwas Eigenständiges, eine Band entwickelt. Was vielleicht auch an unserer Arbeitsweise liegt, die sich vom klassischen Songentstehungsprozess im Jazz ja doch deutlich unterscheidet. Dort schreibt man seine Liedsheets, dann trifft man sich zwei, drei Mal, bevor es dann auf die Bühne geht. Und dahingehend begreifen wir uns schon mehr als Band. Wir haben drei, vier Monate Zeit gehabt, einfach zu proben und viel auszuprobieren. Darüber nachgedacht, ob wir es einmal wirklich auf die Bühne schaffen, haben wir nicht. Es war einfach die Lust an der Freude, die uns motiviert hat.

War es von Anfang ein Anliegen, euch von euren ursprünglichen musikalischen Umfeldern zu lösen.

SA: Schon. Dazu muss ich aber sagen, dass ich Jazz zwar super finde, ich selbst aber keine Jazzerin bin. Jazz ist gelernt. Ich  habe auch größten Respekt vor der Phrasierung und der Improvisation, spiele selber lieber aber in einem Streicherquartett. Natürlich improvisieren wir im Duo und probieren auch viele Sachen aus. Was wir aber keinesfalls tun, ist, unsere Musik in irgendein vorgefertigtes stilistisches Korsett zu pressen.

The Little Band From Gingerland – This is what I think of you by mica

AT:
Und wenn, dann nur ganz bewusst und vielleicht ein bisschen überzogen. Interessant war für mich vor allem, dass die instrumentale Besetzung für mich eine ganz neue war und einfach schon von Haus aus anders klingt. Wenn man mit einer Band spielt, die klassisch instrumentiert ist, Bass, Schlagzeug und irgendein Harmonieinstrument, dann ist es wesentlich einfacher Songs zu spielen. Umgekehrt aber gibt die Besetzung dann doch auch irgendwie den Sound vor. Natürlich gibt es Bands, die aus dem Rahmen fallen, das ist schon klar. Es war bei uns das Aufeinandertreffen einerseits unserer Instrumentenwahl und auf der anderen Seite unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Singen und fürs Ausprobieren.

Ihr habt euch also überhaupt keine Grenzen, welcher Natur auch immer, gesetzt?

AT: Wir habe eigentlich überhaupt nie darüber nachgedacht. Es war eher so, dass wir begonnen haben, die Ideen, die da waren, zu einfach entwickeln. Und manchmal ist auch während der Proben einfach aus dem Herumblödeln heraus etwas entstanden, das zwar nicht in dieser überzogenen Form Eingang in die Stücke gefunden hat, uns aber immer wieder auf etwas Neues gestoßen hat. Wir haben gemerkt, dass auf diesem Wege auch wirklich coole Sachen entstehen können.

 

Am ehesten kann man vielleicht von einer Aneinanderreihung von Ideen sprechen. Sophie hatte schon zwei, drei, vier Skizzen von Songs, die sie mir einfach aufgenommen und geschickt hat. Zudem war es zu Beginn auch noch ein gegenseitiges Draufkommen und Kennenlernen, das Erkennen was musikalisch eigentlich mit diesem Duo möglich ist. Zum Beispiel habe ich bis zu den ersten Proben gar nicht gewusst, dass Sophie auch singt, während sie spielt. Und daher haben wir es auch zunächst gar nicht angedacht. Und als wir es dann doch einmal ausprobiert haben, hatte ich sofort diesen bestimmten Klang in meinem Kopf und habe beim Schreiben der neuen Stücke auch gewusst, was alles möglich ist. Ich habe mir plötzlich vorstellen können, wie das Ganze im Ergebnis klingt. Und dadurch wiederum haben sich erneut neue Dinge eröffnet.

Was ich immer wieder feststelle, ist, dass die Musik, die ich gerne höre und die nicht wahnsinnig weit von dem entfernt liegt, was ich mache, mir die Freiheit bietet, wirklich das zu tun, was ich genieße. Im Jazzstudium ist man manchmal gewissen Zwängen unterworfen und macht und hört daher ausschließlich fast nur Jazz. Gegenüber etwas Modernerem oder Poppigerem steht man dort ja eher ein wenig skeptisch gegenüber. Deswegen hatte ich auch Phasen, wie etwa zu Zeiten der ersten Mosaikplatte, in denen es für mich ganz natürlich war, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Was auch voll in Ordnung war und sehr gut zu mir gepasst hat, da ich auch Sachen entdecken konnte, die für mich neu waren.

Aber ich habe immer auch schon gerne Popmusik gehört. Ich liebe Radiohead und Jeff Buckley. In den letzten drei, vier Jahren habe ich doch festgestellt, dass ich mich singtechnisch nicht nur mehr alleine in dem cleanen und glatten Jazzkontext bewegen wollte, sondern auch etwas anderes probieren wollte. Ich mache Jazz immer noch gerne, und es gibt Momente, in denen ich auch voll gern instrumental singe. Es würde mich wahrscheinlich auch langweilen, nur die Popschiene zu fahren, weil ich es eben liebe, zu improvisieren. Aber ich habe mir eben jetzt auch einmal selbst zugestanden, dass ich mich nun auch in diesem Kontext versuchen will. Und es macht mir mittlerweile unglaublich viel Spaß.

Was bei uns auch etwas Besonderes ist, dass wir viel zulassen. Die Dinge sprudeln einfach so aus uns heraus, und wir machen aus diesen einfach irgendetwas. In gewisser Weise ist das, was wir machen, das Resultat aus dem, was wir gerne hören und haben. Aber eben nicht nur spezifisch mit den Blick auf die Musikstile, sondern auch auf das Leben. Die Texte basieren ja auch auf Erlebnissen usw.

SA: Ich studiere ja immer noch die Klassik. Und in der Klassik lernt man natürlich, wie man übt, man lernt, wie man ein eigenes Konzept von Stücken erstellt, wie man diese, die schon abertausende Male von anderen gespielt worden sind, selber in einer eigenen Interpretation spielt und, und, und. Ich habe mir als naive Klassikerin immer gedacht, dass das Grundprinzip des Jazz immer eine gewisse Freiheit beinhaltet. Eine gewisse Freiheit des Individuums. Und ich finde es daher witzig, dass im Jazzstudium, wie ich von manchen Seiten höre, ein irrsinniges Kastldenken vorherrscht, dass man alles dann doch in Schubladen einordnet. Westcoast, Eastcoast usw.

Demgegenüber denke ich mir aber immer, dass auch der Jazz doch irgendwann einmal irgendwie entstanden sein muss. Und das nicht auf irgendeiner theoretischen Ebene. Sondern ganz einfach indem die Leute gesagt haben: „“Wir machen einfach das, was wir wollen“.  Ich glaube, man kann uns beide nicht in eine bestimmte herkömmliche Jazzform einordnen, weil wir einfach das machen, was aus uns heraussprudelt, was uns taugt und weil die Art, wie wir unser Alltagsleben in der Musik verarbeiten, unsere ganz eigene ist. Und vielleicht ist es genau dieser Punkt, in dem wir auf den Jazz treffen.

Wie ich zum ersten Mal die CD gehört habe, war ich tatsächlich überrascht, wie „unjazzig“ die klingt. Für mich persönlich geht sie mehr in die Richtung eines Singer/Songwriter-Albums, bei dem man merkt, dass die Formation, die dahintersteckt, unglaublich Spaß gehabt haben muss. Täuscht der Eindruck? Wie hoch ist der „Spaßheitsfaktor“ tatsächlich?

SA: Dem Ganzen liegt natürlich auch ein seriöser Plan und sehr viel Arbeit zu Grunde. Ob das nun die Produktion der CD oder das Booking, das Marketing usw. waren oder sind. Ich glaube, es hat mehr damit zu tun, dass wir beide humorvolle Charaktere sind, die das Positive in den Dingen sehen und dieses auch zum Ausdruck bringen wollen. Es gibt ja Leute, die die Melancholie mögen, was ich auch ganz wunderbar finde. Ich glaube grundsätzlich, je klarer man an den ganzen Managementsachen arbeitet, desto freier kann man in der Musik sein. Und das gelingt uns ganz gut.

AT: Was im Zuge der Programmerarbeitung auch interessant zu beobachten war, dass wir sehr schnell draufgekommen sind, dass gerade diese humorvolle Herangehensweise eine wahnsinnig schöne Abwechslung sein kann. Wenngleich nur über diese Schiene zu fahren, vielleicht auch zu eintönig wäre. Daher haben wir auch Nummern, die in der Thematik ernst sind. Geschichten, hinter denen kein Witz steht.

Ich habe zudem das Gefühl, dass dieser humorvolle Aspekt sich natürlich über das viele Livespielen entwickelt und fast schon verselbstständigt hat. Wir hatten diese kleinen Gedichtchen anfangs auch gar nicht im Programm. Es war eher ein „aus der Not eine Tugend machen“, hatten wir doch für die ersten Konzerte einfach zu wenige Stücke parat. Begonnen hat alles damit, dass ich irgendwann einmal zu einer Probe eine Spam-Mail, die ich bekommen habe, mitgebracht habe, und mit der wir dann musikalisch zu experimentierten und zu improvisierten begannen. Inzwischen sind solche Dinge, wie eben diese kleinen Gedichtchen, ein nicht mehr wegzudenkender Teil unseres Konzeptes.

Generell muss ich immer wieder feststellen, dass es die Abwechslung ist, die im Endeffekt unser gemeinsames Projekt so interessant macht. Dass man etwa eine Ballade ganz anders spielen kann, wenn davor etwas ganz anderes passiert ist. Weil ich eben runterkomme und weil ich das Gefühl habe, dass es dann doch ein bisschen wie im Leben ist. Das ist auch nicht immer nur lustig oder nur traurig, Es gibt beides.

SA: So etwa verhält es sich bei mir unter anderem bei dem Song „Blue and red“, den ich singe und der auch sehr intim ist. Den kann ich nur dann richtig spielen, wenn ich vorher herum geblödelt habe. Erst dann kann ich die Nummer wirklich empfinden und gefühlvoll interpretieren.

Habt ihr euch eigentlich vorstellen können, dass euer Duo irgendwann auch medial so hohe Wellen schlagen könnte. Ihr werdet ja fast überall besprochen. Und das eigentlich nur positiv.

AT: Ich habe das Gefühl, dass wir eine ganz gute Kombination sind, die auch positiv wirkt. Auf der einen Seite sind wir zwei Mädels, die einfach gern Musik machen, die gerne schreiben, singen und spielen. Auf der anderen Seite, steht die Tatsache, dass The Little Band From Gingerland dann doch schon auch ein bisschen einem Konzept folgt. Und dieses hat sich auch erst im Laufe der Zeit entwickelt. Wir wollen nicht nur das Duo XY sein, sondern versuchen schon auch über den Namen bestimmte Assoziationen hervorzurufen. Ich glaube, dass das mehr ausmacht, als man wirklich meint bzw. erfahren wir das jetzt im Moment eh auch selber, dass es irrsinnig wichtig ist, wie man sich präsentiert.

SA: Es ist wirklich schön, wie wir uns selber inzwischen mit diesem Namen identifizieren.

AT: Ja, es ist wirklich schön und toll. Ich erlebe das in dieser Form zum ersten Mal, dass man sich mit einem Gesamtkonzept so identifiziert und gleichzeitig auch weiterdenkt. Wie etwa die Zusammenarbeit mit der Fotografin Julia Wesely, die dazu geführt hat, dass unsere Musik plötzlich auch in eine andere Richtung gegangen ist. Oder die Konzerte in der Mike`s Werkstatt, die einem Auftritt auf einem bunten Flohmarkt gleichkommen.

SA: Das Publikum dort war echt der Hammer. Du hast auf der Bühne blödeln können, bis zum Umfallen. Und alle waren mit dabei. Letztens war ich in der Konzertpause dort auf dem Klo und habe von dort irgendwelche mit „Weisheiten“ bedruckte Klopapierrollen auf die Bühne mitgenommen. Die habe ich dann vorgelesen, während Angela daneben diese vertont hat. Es ist einfach geil, wenn man so etwas Spontanes auch machen kann und darf.

AT: Was ich auch so lustig finde ist, dass wir beide überhaupt nicht erahnen konnten oder auch nur irgendwie daran gedacht haben, dass sich aus unserem „gemeinsam gerne Musik machen“ etwas entwickelt, dass uns in vielerlei Hinsicht erlaubt, einfach wegzutauchen. Früher ist es mir bei Konzerten oftmals so gegangen, dass ich eine Band gesehen habe, die wirklich brilliant spielen konnte, auf der Bühne aber keinen Spaß gehabt zu haben scheint. Es muss nicht jede Musik lustig sein, das meine ich nicht, aber man sollte dem Publikum schon die Möglichkeit bieten, etwas zu erleben.

SA: Ich muss aber dazu fügen, Spaß schön und gut, aber das Ganze wäre bei weitem nicht so lustig, würde nicht auch die Qualität stimmen. Also das ist mir wirklich wichtig.

Wie sieht es eigentlich mit all euren anderen Projekten aus? Ruhen die im Moment?

AT: Je besser es unser Duo funktioniert und je mehr das Ganze zu rollen beginnt, desto schwieriger wird es natürlich andere Projekte, die man auch selbst initiiert hat, wie bei mir eben die Band Mosaik, mit der gleichen Intensität weiter zu betreiben. Ich merke jetzt schon, dass ich aus organisatorischer Sicht schon an meine Grenzen stoße. Ich finde es auch vollkommen okay, dass Projekte einmal mehr, einmal weniger präsent sind. Mit Mosaik spiele ich, wenn sich etwas ergibt, ja nach wie vor Konzerte. Aber für mich liegt derzeit musikalisch der Fokus auf The Little Band from Gingerland. Weil es für mich im Moment so stimmig ist. Nicht nur weil ich mit Sophie gerne zusammenspiele und eine Gaudi habe, sondern weil, so glaube ich sagen zu können,wir auch wirklich gute Freundinnen geworden sind.

SA: Ich habe mir im letzten Jahr auch die Frage nach den Prioritäten stellen müssen, weil der Tag leider nur 24 Stunden hat. Und ich habe ganz klar Gingerland ganz oben auf der Liste positioniert. Und das auch obwohl ich eine einmonatige Tour angeboten bekommen habe, bei der ich gut verdient hätte und einfach nur irgendwelche einstudieren hätte müssen. Ich habe auch deswegen abgesagt, weil es für mich auch eine der schönsten Sachen ist, etwas aufzubauen und dieses Projekt einen bedeutenden persönlichen Teil in meinem Leben eingenommen hat. Wir sind jetzt auf einem schönen Weg. Und etwas auf die Beine zu stellen, das dann wirklich funktioniert, das ist das wirklich Schöne.

Danke für das Interview

Foto: Julia Wesely

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