mica-Interview mit Angela Tröndle und Siegmar Brecher (Jazzwerkstatt Graz)

Am 21. April startet die Grazer Jazzwerkstatt in seine bereits dritte Runde. Sechs Tage lang finden sich einmal mehr junge und talentierte MusikerInnen aus dem In- und Ausland ein im Grazer Orpheum ein, um sich dem Jazz in all seinen unterschiedlichen Spielarten zu widmen. Im Gespräch mit Michael Ternai lassen Siegmar Brecher und Angela Tröndle das vergangene arbeitsreiche aber erfolgreiche Jahr Revue passieren. Zudem gewähren sie tiefe Einblicke in das Leben junger Jazzmusiker in Österreich.  


Ihr habt mir vor dem Interview schon gesagt, dass ihr mit der Organisation der Grazer Jazzwerkstatt eigentlich schon fertig seid. Was mir noch aufgefallen ist, ihr habt in diesem Jahr relativ viele ausländische Acts am Start.

SB: Man muss wissen, dass in Graz sehr viele Leute aus anderen Ländern studieren. Das erklärt eigentlich schon 80% der Musiker aus dem Ausland, die in diesem Jahr dabei sein werden. Das sind also Leute, die in Graz studieren oder studiert haben. Der Rest sind Austauschleute, die wiederum Bekannte von diesen Leuten sind oder eben von uns.

AT: Aber auch MusikerInnen von der Jazzwerkstatt Bern und von der aus Wien.

SB: Dann gibt es noch solche wie den ukrainischen Gitarristen Dima Kovalenko, der einfach ein Bekannter ist, von einem Musiker in einer Band.

Ihr habt ja vor zwei Jahren begonnen. Wart ihr da eigentlich schon mit der Jazzwerkstatt aus Wien im Kontakt.

SB: Das ist so. Es gibt bereits seit vier Jahren eine Konzertreihe in Graz, den Fat Tuesday, den wir im Jahre 2005 gegründet haben. Mit “wir” meine ich den Valentin Czihak und mich. Und diese Serie hat eigentlich die ähnlichen Ziele wie die Jazzwerkstatt Wien verfolgt. Nur das es eben nicht so einkomprimiertes Festival war, sondern eine Konzertserie. Das hat damals noch gar nichts mit der Werkstatt in Wien zu tun gehabt, sondern ist eben unabhängig voneinander passiert. Nachdem wir das Ganze zwei Jahre gemacht haben, war irgendwie das Gefühl da, wir würden gern mal was anderes machen bzw. wir würden gern mehr machen als die Konzertreihe. Damals haben wir noch nicht gewusst, dass das auch mit mehr Arbeit verbunden ist. Die Idee war dann eben mal da, das Ganze in einer komprimierteren Form, eben im Rahmen eines Festivals zu probieren. Der Daniel Riegler ist ja Grazer. Und ihn kenne ich schon sehr lange. Wir haben uns dann eben einmal zusammengesetzt und haben darüber diskutiert, was da so möglich wäre, welche Kooperationsmöglichkeiten es gibt, was wir für Graz für machbar und gut halten. Der Geschichte ging also ein langes konzeptionelles Gespräch mit dem Daniel voraus. Und so war eben immer ein Kontakt da, der anfänglich halt nur über den Daniel gelaufen ist.

AT: Und es vor allem konkret dann auch die Verbindung zum TAO, dem Theater am Ortweiplatz, wo nämlich Daniels Mutter einer der treibenden Kräfte ist. Und dort haben eben Daniel und sein Bruder Leo bereits bei einigen kleinen Produktionen gespielt. Ohne diesen Kontakt hätten wir vermutlich nicht wirklich gewusst, wo wir eine solche Veranstaltung aufziehen könnten.

SB:
Ich hab den Laden schon über Daniel gekannt, da er halt dort schon einige Konzerte mit Piktogramm gespielt hat. Schon beim ersten Konzert war ich ziemlich begeistert, weil sich der Raum eben perfekt dafür eignet. Die Bühne ist nämlich keine im herkömmlichen Sinne, sondern erfüllt den ganzen Raum in seiner gesamten Höhe. Die Bühne ist also groß und bietet sehr viel Platz und auch der Sound ist echt super. Es ist vielleicht ein bisschen an der Grenze zum überakustisch werden, überschreitet diese aber nicht. Und zum Spielen ist es überhaupt sehr angenehm.

Und wie sieht es nun mit dem Orpheum aus?

SB: Im Orpheum ist die Situation ein bisschen anders. Da gibt es eben eine richtige Bühne in Podesthöhe. Man hat aber dort unglaubliche Soundmöglichkeiten. Zudem gibt es dort ein Megamischpult und eine super Tonanlagen.

AT: Die sind eben super ausgestattet. Im TAO haben wir alles selber anmieten müssen.

Warum fiel die Wahl jetzt eigentlich auf das Orpheum. Sind die auf euch zugegangen. Wie hat sich das ergeben?

SB: Das war eben eine dieser unglaublichen Geschichte. Die sind wirklich auf uns zugekommen. Die, da muss man jetzt sagen, in der Person vom Christoph Thoma. Der hat ja die Remise Bludenz hochgezogen und das Jazzorchester Vorarlberg gemanagt. Er hat eine zeitlang in Wien gewohnt und ist eine sehr jazzaffine Persönlichkeit. Der Posten des Chefs vom Orpheum bzw. den Spielstätten Graz (Orpheum, Dom im Berg, Kasemattenbühne) ist im letzten Jahr ausgeschrieben worden. Er hat sich beworben und ist auch überraschenderweise genommen worden. Überraschend, weil er mit Graz bislang überhaupt nichts am Hut hatte. Eine super Entscheidung muss man sagen, weil endlich jemand ohne Packeleigeschichte den Posten bekommen hat. Da ist jetzt jemand, der kompetent genug ist, das durchzuziehen. Und er war grad Mal zwei Wochen im Job, da ich auch schon eine Email mit dem Inhalt “Würde dich gerne treffen um über möglich Kooperationen zu sprechen” von ihm bekommen.

AT: Wir haben uns damals eigentlich noch gar nichts dabei gedacht. Und zu diesem Zeitpunkt war es dann auch schon so, dass wir uns mit dem TAO einen Termin vereinbart hatten. Es hat zwar irrsinnig lang gedauert bis wir diesen gekriegt haben, aber wir hatten ihn schon.

SB: Dann sind wir eben mit ihm ein Gespräch geführt. Er hat uns gleich gesagt, dass er gerne alle Veranstaltungen, die wir machen, gerne übernehmen würde. Wir haben dann erst einmal blöd aus der Wäsche geschaut und gesagt, dass wir mit dem TAO schon einen Termin hätten. Auf diese Antwort hat er uns gefragt, was wir denn so im TAO zahlen. Mit Raummiete und Technik anmieten etc sind das so 6000 bis 7000 Euro. Darauf er: “Das kriegt ihr bei mir gratis”. Valentin  und ich haben uns dann mal angeschaut und gewusst, in einer Stadt wie Graz passiert so etwas genau ein Mal und dann nie wieder. Und zweitens war es ja genau das, wo wir eigentlich hin wollten. Die Veranstaltung so weit zu bringen, dass die Kohle die da ist, was eh noch immer nicht so viel ist, tatsächlich für die Musiker zu verwenden. Weil, bis jetzt gab es ja bei uns keine Gagen. Und das war eben ein ganz klar abgestecktes Ziel von uns, dass es Musikergagen gibt. Und wir haben gewusst, die 7000 Euro sind genau der Grundstein dafür.

 
Wie sieht es eigentlich mit Förderungen aus. Oder fließt da auch eigenes Geld.

SB: Nein, da fließt kein eigenes Geld. Wir haben uns von vornherein die Auflage gesteckt, dass sowohl für die Fat Tuesday Reihe wie auch für die Jazzwerkstatt keine eigenen Mittel aufgebracht werden. Selbstausbeutung ist Zeit, die investiert wird. Und das ist eh wahnsinnig viel Zeit. Aber soweit, dass wir Tausende von Euros aus privaten Geldern, die wir eh nicht haben, reinstecken, darf das nicht gehen. Da ist eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Und bis jetzt ist uns das auch gelungen.

Wer fördert euch? Die Stadt Graz?

SB: Die Stadt Graz in einem relativ bescheidenen Ausmaß im Vergleich zum Land Steiermark, das den Fat Tuesday und die Jazzwerkstatt zusammen mit 10000 Euro fördert. Die Stadt Graz schießt, wie gesagt eher bescheidene 3000 Euro hinzu. Der SKE fördert uns mit 2500 Euro.

AT: Die ÖH von der Uni hat den Fat Tuesday von Anfang an relativ großzügig unterstützt.
Wir sind da mit dem Argument gekommen, dass wir so und so viele KUG-Studenten und Absolventen sind, ungefähr 50,60, die aktiv involviert sind. Und die haben uns auch wieder mit einem ganz netten Budget unterstützt.

SB: Beim BMUKK warten wir halt immer noch auf eine Antwort. Ich hab zwar letzte Woche einmal nachgefragt, ob es schon irgendetwas gibt. Aber leider keine Antwort bekommen. Mal sehen, ich hoffe, dass da noch etwas kommt. Die haben uns die letzten beiden Jahre mit einem relativ geringen Betrag, aber doch unterstützt. Und heuer haben wir es zum ersten Mal geschafft, einen Privatsponsor aufzureiben. Wir haben es auch zum ersten Mal versuch, muss man dazu sagen. Die Raiffeisenbank ist eingestiegen. Und das ist natürlich super, weil das irgendwie ein erster Schritt auf dem Weg in Richtung, erstens einmal ein gescheites Budget zusammen zu bekommen und zweitens die Abhängigkeit von politischen Entscheidungsträgern ein bisschen zu verringern, ist.

Wie erklärt ihr euch, wenn es um österreichischen Jazz geht, besonders mit Blick auf junge MusikerInnen, Graz eine so tragende Rolle eingenommen hat. Wenn man die österreichische Jazzlandkarte ansieht, sieht man eigentlich nur Wien und Graz. Warum ist es gerade bei euch so lebendig?

SB: In Graz ist es eigentlich ganz klar. Graz ist deswegen eine Jazzstadt, weil sie eben diese Uni hat. Das ist eigentlich sehr historisch bedingt, weil sie überhaupt die erste Jazz-Universität in Österreich, und darüber hinausgehend, auch die erste in Europa war. Und es war früher eben so, dass Leute wie Muthspiel oder Peter Herbert aber auch jede Menge deutscher und italienischer Musiker nach Graz zum Studieren gekommen sind, weil es damals sonst nichts gab. Es gab in ganz Deutschland keine einzige Jazzfakultät, aber in Graz gab es eine. Deswegen war es auch eine so legendäre Geschichte, weil eben wirklich alle hergekommen sind. Quasi, entweder du gehst nach Graz oder du gehst nach Berkeley. Was aus heutiger Sicht sehr unglaublich erscheint.

Heute ist das natürlich vollkommen anders. Die Grazer, speziell von der Uni her, leben immer noch in der Illusion, dass die Welt sich immer noch um Graz dreht. Das ist natürlich längst nicht mehr so, aber dennoch ist es immer noch ein relativ großes Institut. Es gibt immer noch verdammt viele Veranstaltungen. Natürlich ist Graz eine relativ kleine Stadt. Sie hat aber ziemlich viel Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen, dass es dort ziemlich viele Jazzmusiker gibt. Und insofern gibt es daher auch gar nicht so wenig Publikum. Jazz ist für die Leute dort also kein Fremdwort. Die Jazzszene ist mit Abstand einer der größeren dieser Stadt. Es gibt, glaube ich, weit weniger Popmusiker als Jazzmusiker in dieser Stadt.

AT: Was man dazu sagen muss, ist, dass es in Graz irrsinnig viele Studenten gibt. 90% der Jazzstudenten, die da studieren, gehen dann entweder wieder zurück nach Serbien, Kroatien, Polen, wo auch immer sie herkommen. Oder im Falle von Österreichern zieht es die meisten dann eben doch nach Wien oder Berlin. Das heißt, was jetzt wirklich eine Jazzszene an Musikern, die dort leben und aktiv dort arbeiten, betrifft, ist das relativ bescheiden.

SB: Aber was man natürlich dazu sagen muss, auch wenn die Leute weggehen, die kommen dann natürlich auch immer wieder einmal zurück, weil sie eben den Bezug zur Stadt haben.

Ich habe ja vor ungefähr drei Wochen ein Interview mit dem Clemens Wenger geführt. Er hat mir da eben ein wenig über die Schwierigkeiten erzählt, die er und seine Kollegen beim Aufbau der Jazzwerkstatt in Wien. Es hat ja für junge Musiker ja kaum eine Infrastruktur gegeben. Viele Jazzclubs in Wien haben ja zusperren müssen. Erst jetzt mit ihren Aktivitäten ist wieder etwas entstanden. Bei Graz hat man eher das Gefühl, dass da doch etwas passiert. Zumindest vom äußeren Eindruck her.

SB: Ich glaub, dazu muss man sagen, dass es in Graz einige Veranstalter gibt, die bereits ein paar Lenze auf ihrem Buckel haben. Und eigentlich haben wir in Graz eine ganz ähnliche Situation wie in Wien, mit dem Unterschied vielleicht, dass die Szene noch nicht so abgestürzt war, dass da etwas völlig Neues, wie der Phönix aus der Asche entstehen musste. Aber ich würde schon sagen, dass es in Graz manche Dinge gibt, die sich fast schon selber überholt haben. Wir sind da eben zur rechten Zeit aufgekreuzt. Es gibt viel Bedürfnis nach jüngerem und neuerem Zeug. Mir ist es mein ganzes Studium so gegangen, wenn ich in Graz auf Jazzveranstaltungen war, ist das Durchschnittalter, wenn ich den Raum betreten habe, um 10 Jahre runtergegangen. Und das bei unseren Sachen überhaupt nicht so. Ganz im Gegenteil. Bei uns ist das Durchschnittalter wirklich so zwischen 20 und 30. Und genau deswegen haben wir es auch gemacht. Ich habe nicht wirklich daran glauben wollen, dass nur 50 oder 60-Jährige auf Jazzkonzerte gehen können.

AT: Es liegt vielleicht auch daran, dass die Konzerte, die du ansprichst, das waren auch ganz selten solche, die von Musikern gespielt wurden, die in Graz leben und studieren. Vor Fat Tuesday gab es für Grazer Jazzstudenten, wenn sie nicht gerade Mainstream-Jazz im Royal Garden Club machen wollten, keine oder kaum Möglichkeiten aufzutreten. Und wir dachten uns, mit den jungen Studenten auf der Bühne würde auch ein jüngeres Publikum kommen. Und das ist etwas, was wir auf der Jazzwerkstatt auf jeden Fall haben. Die Tatsache, dass so viele junge Musiker mitspielen, hat einfach zur Folge, dass die auch alle kommen und ihre Freunde und Kollegen mitbringen.

SB: Es ist auch sehr interessant, dass wir am Anfang von Seiten der älteren Veranstalter wegen Fat Tuesday ziemlich angefeindet worden sind. Mittlerweile sind sie alle so auf: “Du, wenn ihr irgendetwas braucht, ruf mich an. Und wir finden das alles voll super usw.”. Die haben auch begriffen, dass das wichtig und auch schon gut ist, was wir da machen. Dass wir ihnen in keinster Weise irgendein Wasser abgraben wollen, sondern ganz im Gegenteil dafür sorgen, dass es eine jüngere Generation gibt, die sich vielleicht auch für ihre Sachen interessieren könnten. Weil das war ja das große Problem, dass es in der Stadt einen großen Gap gab. Auf der einen Seite sind da eben die Studenten, dann gibt es ein paar Typen, die in Graz hängen geblieben sind und dann solche, die schon fast in der Pension sind. In der Mitte fehlt es halt total. Was eigentlich typisch ist für eine Studentenstadt. Ab 25, spätestens ab 30 ,geht ein Riesenloch auf und plötzlich sind alle interessanten Leute weg. Und das ist natürlich nicht ganz unproblematisch.

 
Das Festival dauert ja sechs Tage. Habt ihr darauf geachtet, dass es so vielfältig wie möglich sein sollte?

SB: Das Konzept war von Anfang jenes, stilistisch nichts auszuschließen. Es gibt natürlich die Vorgabe, dass es originär sein muss. Das heißt, es spielt dort keine Standard Band oder eine Ella Fitzgerald Coversängerin. Aber stilistisch ist so ziemlich alles drin. Von Neo-Hardpop bis sehr frei experimentell, von Duos bis extrem großen Besetzungen, von Streicherensembles bis zu einer Improshow mit Schauspielern. Das ist alles eben schon sehr breit gefächert. Das Konzept war eigentlich nicht vom Anfang an so geplant, aber es ist beim ersten Mal so passiert, weil es einfach so viele unterschiedliche Dinge gab, die sich angeboten haben. Und es hat sich herausgestellt, dass es extrem gut angenommen wird und auch für uns eine sehr befruchtende Geschichte ist. Du gehst zu irgendeinem Abend und weißt nie was jetzt genau geschehen wird, weil jedes Ding einfach komplett anders ist. Es ist also für Jeden irgendetwas dabei. Und es macht halt Spaß zu sehen, wie viele unterschiedliche Sachen möglich sind.

Abgesehen von euren eigenen Auftritten. Worauf freut ihr euch am meisten?

SB: Es gibt so viele spannende Sachen. So vieles von dem wir selbst nicht wissen, wie sie sein werden, weil diese dort zum ersten Mal stattfinden werden Auf die freut man sich, weil man überhaupt keinen Plan hat. Dazu zählt unter anderem das Eröffnungsprojekt vom Valentin Czihak, Past Illusions. Keine Ahnung was das werden wird. Wir wissen es nicht und wahrscheinlich auch der Valentin selbst noch nicht. Dann gibt es natürlich auch Dinge, die schon bekannt sind, weil man die Leute kennt. Dazu zählen ganz klar die Einladungsprojekte Jazzwerkstatt Wien plus die Strottern bzw. die Jazzwerkstatt Bern mit den Pilzen. Auf die freut man sich einfach.

AT: Oder auch String Syndicate, die schon letztes Jahr gespielt haben. Das ist ein zehnköpfiges Streicherensemble, das halt wirklich ganz spannende Sachen macht. Und das ist vom Sound schon wieder eine ganz andere Richtung. Nicht die typische Band, Schlagzeug/Bass/Klavier Besetzung.

SB: Persönlich frei ich mich natürlich sehr auf JW Graz Posers.com alias Jazzwerkstatt Graz Composers. Es ist irgendwie ein Kernstückensemble, in dem wir versuchen dem ganzen Projekt insgesamt, mit einem speziellen Ensemble noch mal einen Kernfokus zu geben. Music Act wird sicher auch total interessant. Das ist ein totales Experiment, weil da Improschauspieler und Musiker gemeinsam agieren. Da werden Improshow und Improtheaterkonzepte mit Musik umgesetzt. Aber auch in diesem Fall wissen wir noch nicht genau, wie das aussehen wird. Insgesamt ist es dann doch das ganze Ding als solches, worauf man sich freut.

AT: Jeden Tag dorthin zu kommen mit jeden Tag größeren Augenringen und immer müder werdend. Es sind immer die gleichen Leute dort. Irgendwie wie bei einem Schikurs oder Kinderlager. Das hat schon was.

Und wie geht es danach weiter?

AT: Zuerst kommt das große Loch.(lacht)

Ich hab auf eurer Mosaik Homepage nachgesehen. Also von den kommenden Terminen her, so ein großes Loch kann da ja nicht entstehen.


AT:
Nein, eh nicht. Nur ein Jazzwerkstatt-Loch. Sonst geht es eh weiter.

SB: Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es ja nicht. Der nächste Fat Tuesday kommt ja gleich danach. Aber direkt nach dem Festival denkt man sich, wäre schön einmal ein paar Monate nichts zu machen, aber eigentlich sollte man schon die nächsten Ansuchen schreiben. Für diese Werksatt habe ich im August, September begonnen zu arbeiten. Und seitdem habe ich konstant, ich kann es nur schätzen, sicher 20 Stunden in der Woche. Das ist beinahe schon ein Fulltime-Job. Ich habe mir vorher auch nicht vorstellen können, mit wie viel Arbeit das Ganze verbunden ist. Aber diese ganzen Kleinigkeiten, die man da machen muss. Erstens Subventionsanträge schreiben, zweitens die ganzen Klinken, die geputzt werden müssen, um die Ansuchen auch erfolgreich werden zu lassen. Drittens natürlich die Programmierung, diverse Sachen anschauen und checken. Es ist wirklich ein massiver Aufwand. Man hält das nicht für möglich. Für mich ist das ein halbes Jahr lang ein Halbtagsjob.

Wie sind eure Erwartungen für das Festival?

SB: Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Signale aus unterschiedlichen Ecken bekommen, die alle in die Richtung gehen, dass alles noch größer werden wird. Und das glaube ich ehrlich gesagt auch.

AT: Durch das Orpheum selbst  haben wir an sich schon eine größere Werbefläche, weil die ja ihren monatlichen Flyer haben. Auch die Presse, die wir bekommen haben und noch kriegen werden. So wird etwa der Falter, der ja unser Medienpartner ist, in der Woche davor Inserate schalten und eventuell auch einen Bericht bringen.

SB: Dann natürlich der Name des Orpheums. Die Leute, die sowieso zu uns gehören und sowieso zu uns kommen, die kommen egal wo wir sind. Aber alle anderen kommen alleine aufgrund der Tatsache, dass wir eben im Orpheum spielen. Für uns ist das ja nicht so wichtig, aber für viele Leute offensichtlich schon. Du hast dadurch ja ein anderes Image. Die wissen ja nicht, wie es zu dem gekommen ist. Die denken sich nur: “Wow, Orpheum.” Also ich denke, das wird schon noch ordentlich für einen Schub sorgen. Auch verbunden mit der Preisgestaltung, die ja immer noch sehr publikumsfreundlich ist. Insofern ist das Entwicklungspotential sicher da, selbst bei einer relativ kleinen Stadt wie Graz.

 
Seid ihr eigentlich auch bei der Jazzwerkstatt in Bern gewesen?

SB: Wir waren mit Angelas Band dort und haben ein Konzert gespielt. Das war irrsinnig super.

Siegmar, du hast ja im Moment unglaublich viele Projekte am Laufen. Wie kriegst du das alles eigentlich unter einen Hut?

SB: Die Frage stelle ich mir eh selber oft. Es sind wirklich sieben Tage in der Woche. Die Frage ist eben, wie lange das geht. Was ich tatsächlich abschließen kann, damit es besser wird. Es kommt ja auch noch dazu, dass ich zwei Tage die Woche unterrichte. Eigentlich um den Organisationsjob zu finanzieren. Das Paradoxon besteht darin, dass der Job, der wirklich einer ist, nämlich der organisatorische, vollkommen unfinanziert ist. Wenn ich es mir wünschen könnte, dann würde ich sagen, falls dieser Job jemals finanziert werden sollte, höre ich auf zu unterrichten. Dann habe ich vielleicht auch wieder einen Tag in der Woche frei. Das ist eben die Wunschvorstellung. Ich arbeite auch natürlich daran, dass das in die Richtung geht. Mir ist aber natürlich auch bewusst, dass das nicht leicht ist, ein Budget einmal so groß zu machen, dass der organisatorische Job auch wirklich halbwegs gedeckt ist. Weil für einen Organisationsjob, wenn du ihn wirklich ernst nimmst und durchziehst, brauchst du noch einmal soviel Geld, wie für das ganze Ding selber. Dazu muss man aber sagen, dass die ganzen anderen Projekte sehr abschnittweise ablaufen. Man ist einmal eine Woche mit einem Projekt unterwegs, dann ist man wieder in Graz und kann sich um andere Dinge kümmern.

Lasst uns jetzt auch ein wenig über Mosaik plaudern. Die letzte und zugleich auch erste Platte ist ja schon vor zwei Jahren herausgekommen. Arbeitet ihr schon an neuen Sachen.

AT: Wir noch nicht. Aber ich schon. Wir werden ganz konkret Anfang September ins Studio gehen. Und dieses Mal die Band für die Hälfte des Programms um ein Streichquartett erweitern. Als ich darüber begonnen habe darüber nachzudenken, wie es mit der nächsten CD weitergehen könnte, habe ich irgendwie den Wunsch gehabt, dass ich irgendeiner Form gerne eine Erweiterung hätte. Ich habe eben in den letzten Jahren aufgrund der Uni immer wieder die Möglichkeit gehabt, mit Streichern und Streichquartetten zu arbeiten. Und das hat  klangtechnisch immer ganz gut mit meiner Musik zusammengepasst. Jetzt habe ich glücklicherweise auch schon die ersten Förderungszusagen bekommen, was jetzt auch wirklich der Grund war, fix das Studio zu buchen. Der Plan ist im September aufzunehmen und eben die Hälfte mit den Streichern aufzunehmen und die andere Hälfte mit der Band einzuspielen. Musikalisch gesehen gibt es bereits einiges. Wir spielen ein paar Songs auch jetzt schon mit der Band live. So auch am 17. April beim Jazzfestival in Steyr. Und an den neuen größeren, mit den Streichern erweiterten Songs arbeite ich jetzt gerade. Und da werden wir auch so im Juli oder August eine Probephase machen.  Die Streicher sind auch alle aus diesem String Syndicate Pool. Das sind der Igmar Jenner, die Sophie Abraham, der Andi Semlitsch und der Simon Schellnegger. Das sind alles Leute, die von der Uni in Graz eben kenne und die auch schon viel zusammen gespielt haben. Die sind wirklich super, auch was jetzt nicht Klassik betrifft.

Was den Release betrifft, ist noch nicht ganz klar, ob es sich noch im Herbst ausgehen oder es doch erst Anfang Jänner wird.  Was bei so einer Erweiterung natürlich dazukommt ist, dass die Organisation für eine etwaige CD-Präsentations-Tour schwieriger wird, weil wir eben zu neunt sind und ich schon sehr gerne drei vier Konzerte mit diesem Projekt machen möchte. In Zukunft schaut es aber sicher danach aus, dass wir auch weiterhin im Quintett spielen werden.

Im Sommer spielt ihr ja einige international namhafte Festivals. Unter anderem die  Jazzfestivals in Athen und Mailand. Kann man sagen, dass ihr auch im Ausland vermehrt wahrgenommen werdet?

AT: Die Auslandsauftritte, die jetzt kommen, die haben wir hauptsächlich dem mica zu verdanken, und dem Außenministerium. Nachdem wir eben in den New Austrian Sound of Music 2009/2010 reingekommen sind. Und diese ganzen Auftritte sind eine Folge daraus. Einerseits natürlich aufgrund der Tatsache, dass ich mich vermehrt darum gekümmert habe. Zum Beispiel haben wir vor zwei Wochen in Serbien gespielt und ich habe mich einfach vor ein, zwei Monaten einmal ein paar Tage hingesetzt und tausend Emails verschickt, sowohl an die Kulturforen wie auch an die ganzen Festivals. Dass man in so ein Programm überhaupt reinkommt, ermutigt natürlich. Und die ersten Ergebnisse sind wie gesagt Athen, Mailand Tschechien und Polen. Das ist natürlich alles echt super. Und wir hatten jetzt eben bereits unsere zwei ersten Auslandsgigs in der Schweiz bei der Jazzwerkstatt in Bern und in Serbien. Und das ist halt auch für die Band ziemlich cool, wenn du quasi immer noch mehr oder weniger dasselbe Programm spielst, du es aber wieder irgendwo anders hinbringen kannst.

Und die Resonanz war hoffentlich auch sehr positiv.

SB: Also in Serbien war es wirklich total cool. Wobei man dazu sagen muss, dass die Leute dort grundsätzlich offen und interessiert sind, weil das Land einfach so isoliert ist. Da spielst einfach in einem Theater vor 300 Leuten, die dann alle begeistert sind. Das ist wirklich cool. So etwas passiert in Österreich kaum. Es ist einfach eine ganz andere Aufmerksamkeit und die Leute reagieren auch ganz anders.

AT: Die Auslandskonzerte, die wir jetzt spielen, sind zum Großteil bei irgendwelchen Festivals, wie eben das in Mailand. Das Gute an der Sache ist, man sich nicht selbst darum kümmern muss, dass die Leute kommen, wie man das in Graz oder in Wien vielleicht tun würde. In Österreich ist man es gewohnt, in der kleinsten Location XY zu spielen, damit man halt irgendwie spielt. Ein Konzert vor zwanzig Leuten kann natürlich auch super sein, wenn die Besucher positive Rückmeldung geben. Aber es macht doch sehr viel Spaß, mal rauszugehen. Und es sieht auch nicht schlecht aus, wenn man vorweisen kann, dass man auf internationalen Festivals gespielt hat. Das ist dann wiederum für heimische Veranstalter ein grund mehr, dich zu buchen.

SB: Was auch dazu kommt, man bekommt eine ganz andere Wahrnehmung. Denk mal dran, was du dir denkst, wenn du eine norwegische Band in Österreich siehst. Wahrscheinlich: “Aha, das ist Norwegen”. Und so geht es uns jetzt ansatzweise in diesem Jahr. Wir werden erfahren wie die Wahrnehmung von außerhalb ist. Und in Serbien ist das ja zum Teil schon passiert. Da waren schon ein paar Leute dabei, mit denen ich nach dem Konzert geredet habe. Und die haben sich auch nicht wirklich erwartet, was wir dort gespielt haben. Und noch ein Nachtrag zu Graz. Wenn Leute in den Balkanländern Jazz studieren, denken sie wenn sie Österreich hören sofort an Graz. Das ist ganz komisch. Es ist wohl historisch so manifestiert.

Link:
Angela Tröndle
Jazzwerkstatt Graz