mica-Interview mit Andreas Jantsch (Las Vegas Records)

Seit 2006 nun schon versorgt Las Vegas Records die Musikfans mit spannenden und erstklassigen Veröffentlichungen zwischen Indiepop und Rock. Unter anderen beim Wiener Label ihre musikalische Heimat gefunden haben Kommando Elefant, My Name is Music, Pop:sch, DAWA und Maur Due & Lichter. Andreas Jantsch, Gründer und Betreiber von Las Vegas Records, im Interview mit Michael Ternai.

Seit wann betreibst du das Label eigentlich schon? Und welche Motive hattest du, eines zu gründen?
Die erste Veröffentlichung war ja 2006. Die war ein wenig aus der Not geboren, weil die damalige Vorgängerband von Kommando Elefant, kein Label gefunden hat oder zumindest die Suche nach einem sich eher mühsam gestaltet hat. Und da ich mit den Bandmitgliedern sehr gut befreundet war, haben wir den Entschluss gefasst, es auf eigene Faust zu versuchen und ein Label zu gründen. Das war dann der eigentliche Startschuss.

Wie hat zur damaligen Zeit deine Verbindung zur Musik ausgesehen? Warst du selbst in einer Band aktiv?
Ja genau. In der Vor-Vorgängerband von Kommando Elefant. Das war so eine Punkband, mit eben diesen Leuten. Die sind dann auch etwas früher nach Wien gegangen als ich. Und da wir ursprünglich ja alle aus Oberösterreich stammen, hat sich das Ganze dann auch aufgehört. Als ich dann selbst nach Wien übersiedelte, war es dann aus der Freundschaft heraus klar, dass ich ihnen zu helfen versuche. Vielleicht war es anfangs  auch eine Art Sozialprojekt, in dem wir die organisatorischen Dinge übernommen haben, damit sich die Band ganz auf die Musik konzentrieren kann.

Inwieweit hast du dir damals vorstellen können, dass dein Label längere Zeit funktionieren kann. Die Labels haben es ja schon zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich leicht gehabt. Wie viel Idealismus braucht es, um eine solche Sache in Angriff zu nehmen?

Idealismus klarerweise auch. Bei uns war es aber immer schon so, dass wir irgendwelche Projekte am Laufen gehabt haben. Wir haben auch schon einmal eine Zeitung gegründet, Feste organisiert etc. Wir haben uns eigentlich immer gerne mit solchen Dingen beschäftigt.

Das Label gibt es inzwischen seit zehn Jahren. War dir eigentlich die stilistische Ausrichtung  eigentlich vom Beginn an klar?
Die Ursprungsintention war schon die, dass wir vor allem Musik veröffentlichen, die uns selbst gefällt. Zum damaligen Zeitpunkt waren das vor allem Sachen mit deutschsprachigen Texten. Vielleicht auch mit einem gewissen elektronischen Einschlag und ein wenig Augenzwinkern. Was uns damals sehr gefallen hat, waren diese elektronischen Bands aus Hamburg, wie etwa International Pony. Mit dem Alter aber verändert sich anscheinend auch der Geschmack ein wenig. Er wird breiter.
Mittlerweile sind wir ja zu sechst beim Label, was klarerweise auch die Vielfalt des Musikgeschmacks vergrößert. Und das wiederum bedingt natürlich, dass sich die Zielrichtung manchmal auch ein wenig verändert.

Euer Spektrum ist ja ein relativ weites. Von Pop:sch, die dann doch ein ganz anderes Konzept verfolgen wie…
…wobei Pop:sch, die ja auch einige deutschsprachige Nummern haben und auch recht trashig sind, unseren ersten Bands wie C-60 doch recht nahe kommen.

Ist das Trashige dann vielleicht das, was alle eure Bands in irgendeiner Form auszeichnet?
Jein. Es gibt bei uns schon auch Bands, die alles andere als trashig sind. Maur Due & Lichter oder DAWA zum Beispiel haben schon fast etwas Avantgardistisches an sich. Was mir persönlich ganz wichtig ist, ist dieses Augenzwinkern, dass man sich eben nicht ganz so ernst nimmt. Ich denke mit verkopfter Musik würden wir uns schwer tun.

Also die Musik muss schon unterhalten?
Auf jeden Fall.

Nachdem ihr euer Label jetzt schon doch einige Jahre betreibt. Wie schwer ist es heutzutage ein solches zu betreiben? Was muss man tun, um erfolgreich arbeiten zu können?
Ich glaube, hierfür gibt es verschiedene Strategien, die Labels fahren können. Da gibt es solche, die machen es mit der Masse. Die haben zehn Bands von denen es letztlich drei schaffen. Wir dagegen haben eigentlich eher wenige Bands, an die wir alle aber umso mehr glauben und auch davon ausgehen, dass sie es alle schaffen könnten. Deswegen investieren wir auch in alle eigentlich relativ viel Geld. Natürlich hat man manchmal auch Pech, wenn sich etwa eine Band auflöst, aber generell sind wir von der Qualität der Acts schon sehr überzeugt. Wenn ein Zweifel bestünde, wäre es dann schon schwierig.

Wenn du jetzt auf die ersten Jahre zurückblickst. Was waren die Momente, in denen du gesagt hast: „Genau dafür mache ich das Ganze“.
Ein Riesenauftritt für uns war mit Sicherheit der von uns zusammengestellte Sampler „Lieber ein Verlierer sein“ für die EM 2008. Das ist jetzt schon so lange her, dass er auf unserer Homepage eigentlich nicht mehr zu finden ist. Da haben wir wirklich extrem viel Arbeit reingesteckt, aber die Response,  die wir erhalten haben, auch wenn es finanziell jetzt nicht der übergroße Erfolg war, war großartig. Auch international. Es war eines unserer ersten wirklich großen Projekte und wir haben auch sehr viel dazugelernt. Wir waren sehr viel unterwegs, unter anderem in Zürich, und haben auch sehr viele exklusive Tracks auf dem Sampler gehabt. Unter anderem von Bands, die damals noch nicht wirklich so groß waren wie heute. Kreisky zum Beispiel. Das war schon eine sehr coole Geschichte.

Sonst… Ich als Label addiere ja alle kleinen Erfolge der Bands und kann mir diese auch auf meine Kappe schreiben. Egal ob es sich um einen Charterfolg, ein größeres Konzert oder eine größeres Review oder Interview handelt. Die Bands haben eben jeweils ihre kleinen Erfolge, ich dagegen, weil ich sie für mich zusammenrechnen kann, eben die Summe dieser.

Ihr habt wahrscheinlich alles Wissen erst während der Praxis aneignen können oder?
Auf jeden Fall. Wir sind ja völlig nackt in die ganze Geschichte reingerutscht. Mit dem Musikbusiness habe ich ja vorher nichts am Hut gehabt. Und wie schon vorher erwähnt, die Arbeit am Sampler hat uns diesbezüglich sehr viel gebracht.

Inwieweit lässt ihr den Bands in ihrem Schaffen und Auftritt freie Hand? Haben sie die Freiheit, das zu tun, wozu sie gerade Lust haben?
Das kann man so allgemein gar nicht sagen. Es gibt Bands, an denen man sehr nah dran ist, eine Art konzeptionelle Managertätigkeit übernimmt und gemeinsam überlegt, in welche Richtung es gehen soll. Kommando Elefant ist so eine Band. Mit der haben  wir uns schon lange vor der Veröffentlichung des letzten Albums Gedanken gemacht, wie wir es am besten anstellen. Bei My Name ist Music ist es dagegen nicht ganz so. Was auch verständlich ist, weil sie ihre ersten beiden Alben ja wo anders herausgebracht haben und jetzt erst jetzt mit ihrem dritten bei uns releast haben. Trotzdem aber haben wir mit der Band gemeinsam versucht, Business- und Promotionpläne zu erarbeiten. Bei Pop:sch sind wir eigentlich weit weg, die machen alles eigentlich relativ autark und liefern ihr fertiges Album ab, das eigentlich eh immer passt. Generell aber, denke ich, schreiten wir wenig ein. Anders wäre es vielleicht, wenn eine Band sich dazu entschließt, auf einmal Volksmusik zu machen.

Ihr bietet ja Bands, wie ich auf eurer Homepage gelesen habe, auch die Möglichkeit, Demos einzuschicken. Ich nehme einmal an, dass ihr diese auch anhört. Muss ein bestimmter Grad an Professionalität erreicht sein bzw. welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass ihr ernsthaft überlegt, etwas mit der Band zu machen?
Eigentlich nicht. Wir kriegen wirklich viel und freuen uns auch sehr darüber. Aber es ist natürlich nicht der Regelfall, dass die Releases durch Einsendungen passieren. Viel öfter sind es Bands, die sich ohnehin im näheren Umfeld bewegen, die man schon kennt und mit denen man sich schon ausgetauscht hat.
Das beste Beispiel für eine Ausnahme sind Maur Due & Lichter, die für mich eine unfassbar geile Band sind. Die haben uns ein Demo geschickt und zu Beginn eigentlich nicht wirklich eine Ahnung davon gehabt, wie die Sachen laufen. Ihr allererstes Konzert war die Releaseparty für ihr erstes Album. Das war natürlich demensprechend anstrengend für uns, weil wir viel übernehmen haben müssen. Kommando Elefant zum Beispiel haben schon hunderttausend Konzerte gespielt und der Alf ist Musiker, seitdem er 13 ist. Er hat in zig Bands gespielt und daher braucht man ihm nicht mehr groß die Welt erklären. Bei Maur Due & Lichter war es eben so, dass wir doch mehr als erwartet mitarbeiten mussten, was sich aber letztlich wirklich gelohnt hat.

Teilst du meine Einschätzung, dass sich in der heimischen Popszene in den vergangenen Jahren viel Positives getan hat?

Ja, der erste Grund für diese Entwicklung ist ein relativ banaler. Heute haben wir technische Möglichkeiten, die es früher nicht gegeben hat. Ich kann mich noch an meine erste Punkband erinnern, die ich Mitte der 90er-Jahre hatte. Da haben wir auf einen Vierspurrecorder für gar nicht einmal so wenig Geld Kassetten aufgenommen. Ein Plattenvertrag oder Labelvertrag war überhaupt in weiter Ferne. Heute kann im Prinzip jede Band, die Talent hat, sich einen Laptop kaufen und sich einen Track selbst produzieren, der schnell nach irgendetwas klingt.

Ich bin aber schon der Meinung, dass es inzwischen eher zu viel gibt, dass es nicht mehr so leicht ist, die Qualität zu finden. Es gibt unfassbar viele Labels, ebenso extrem viele Veröffentlichungen. Wenn man jetzt mit Radiostationen oder Vertrieben spricht, dann stellt sich die Situation schon als eine viel, viel härtere dar. Als wir angefangen haben, war alles noch viel leichter, da gab es auch die Unterstützung von diesen Seiten. Rundherum hat sich dagegen doch einiges getan. Was in Wien veranstaltungstechnisch alles passiert, wie die Indieszene doch Unterstützung erfährt, man denke nur an das Popfest, das ist schon sehr schön. Auch glaube ich, dass das Selbstbewusstsein der österreichischen Musikschaffenden gestiegen ist. Und das auch völlig zu Recht. Es gibt 20, 30 oder vielleicht sogar 40 Bands, die wirklich internationales Format haben oder hätten.

Aber man muss schon auch die andere Kehrseite der Medaille betrachten. Es ist auch für schon namhafte Acts, die im Ausland auf sich aufmerksam gemacht haben, nicht einfach zu bestehen, weil eben die Konkurrenz im internationalen Raum doch eine ungleich größere ist. Eine Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang auch stellt und zu der ich noch keine befriedigende Antwort erhalten habe,  ist, wie junge Leute, so 15, 16-jährige, heute Musik konsumieren und hören. Das kann ich nur schwer einschätzen. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass die übers Radiohören zur Musik gelangen.

Wie gesagt, es gibt sehr, sehr, sehr viel. Was es für den Konsumenten, letztendlich aber auch für Businesspartner, ob das nun Journalisten sind oder Veranstalter sind, nicht leichter macht, das Richtige herauszupicken.

Wie sieht es eigentlich bei euch aus mit Vernetzung ins Ausland?
Das hat bei uns eigentlich sehr spät begonnen. Aber seit zwei, drei Jahren haben wir die Bemühungen, in diese Richtung zu gehen doch deutlich gesteigert. Wir haben einen Vertrieb, haben Medienpartner und auch Labels, mit denen wir grob  kooperieren, die für uns Promo machen und wir laden uns auch immer wieder gegenseitig ein. Man muss aber leider ehrlich sagen, dass sich das alles doch eher auf Deutschland beschränkt. Und deswegen hoffen wir, dass mit einer jeden neuen Band sich das Ganze dann doch auch erweitern könnte. So etwa bei My Name Is Music, die doch auch Leute in anderen Länder, wie etwa in England  kennen. Es wäre natürlich schön, von deren Kontakten etwas profitieren zu können.

Ist euer Label auch beim Popfest in Wien oder bei Waves Vienna mit Bands vertreten?
Naja, da sind wir gerade dran. Da ist noch einiges in der Entwicklung. Auf jeden Fall werden DAWA, die gerade ihr Album herausgebracht haben,  auf dem Popfest spielen. Meiner Meinung nach ist DAWA einer der besten Bands, die Österreich je hervorgebracht hat. Die sind wirklich der absolute Hammer. Vor allem live sind sie ein Wahnsinn.  Und bei den anderen schauen wir eben noch.

Zum Abschluss. Wo, glaubst du, steht das Label in zehn Jahren? Was kann man von euch noch erwarten?
Heuer ist für uns ein sehr großes Jahr. Wir haben eine departure-Förderung bekommen und haben damit zum ersten Mal ein wenig Geld über, um doch mehr als bis jetzt in die Promo zu investieren. Auch haben wir vor, in Zukunft kontrolliert zu wachsen. Was aber jetzt nicht die Anzahl der Bands oder Releases betrifft. Ich glaube, wir müssten vor allem auch personell wachsen, damit etwas vorangeht. Für uns ist entscheidender, die Bands, die jetzt bei uns sind, selbst größer zu machen. Das ist jetzt unser vorrangiges Ziel.

Ich hoffe auch, dass in zehn Jahren vielleicht alle von unserer Labelarbeit leben können. Davon sind wir ja im Moment weit entfernt. Und natürlich wünsche ich mir, dass der Stellenwert von uns und unserer Bands bis zu diesem Zeitpunkt dann doch weiter gewachsen ist.