mica-Interview mit ALX

ALX macht Techno. Techno, wie man ihn hierzulande kaum mehr hört. Techno, den der gemeine Österreicher mit “Bumm Bumm Bumm” beschreibt und dabei Techno, nicht zu unrecht, als Bezeichnung für das gesamte Spektrum elektronischer Tanzmusik verwendet. ALX kategorisiert seinen Sound als Industrial-, Name ist Programm, Techno oder auch Warehouse-Techno, frei nach dem einflussreichen Kölner Technoclub der frühen 90er Jahre. In Zeiten, da Deep-House und Disco, Genres, deren Charakter sich stark über ihre melodisch-harmonische Ebene definieren, elektronisch Tanzbares von den Clubs bis hinein in den letzten, kommerziellen Radiosender verbreitet haben, wirkt derartiger Sound durchaus reinigend. Sound, der in unmittelbarer Weise den Körper anspricht und über dessen Vibration die Schwingungen bis ins Gehirn peitscht. Im Techno folgt die Emotion der Körperlichkeit. Techno zwingt den Körper in den Tanz.

ALX hat es nicht leicht mit diesem Sound. Ein Fall von “zur falschen Zeit am falschen Ort”. Denn weder Wien, noch Graz oder Linz weisen im Osten Österreichs große Technoveranstaltungen auf. Sein Sound aber muss nicht auf heimische Aufmerksamkeit warten. Internationale Anfragen geben ihm und seiner Leidenschaft für den puristisch, harten Techno recht. Wer ein Ohr und die nötige Aufmerksamkeit für wenig genügsame, aber ungemein beflügelnde Töne hat, wird in ihrem Minimalismus auditive Höhenflüge erleben. Von ALX und seinem neuen Projekt “N/A” wird man noch hören. ALX ist weder künstlich gehyptes Szenegeschwätz, noch Opportunist, sondern ein junger Produzent mit jeder Menge Feingefühl und Talent. Mit Lucia Laggner spricht er über seine Vorliebe für Drums und Percussions, das Zusammenspiel von Stadt und Land und seine Pläne für das angebrochene Jahr. ALX bleibt sich treu und entpuppt sich auch im befragt werden als Minimalist.


Deinem Pressetext entnehme ich, dass du dich seit 2011 aktiv mit elektronischer Musik auseinandersetzt. Seit wann spielt diese Musik überhaupt eine Rolle in deinem Leben? Welche Genres haben dich als Hörender durch dein bisheriges Leben begleitet?

ALX: Früher habe ich gemeinsam mit einem Freund von mir, der selbst auch ein Schlagzeug besessen hat, viel Metall gehört. Die Leidenschaft für das Genre hat inzwischen abgenommen, aber aus dieser Zeit stammt meine Faszination für Percussions und Drums. Als ich begonnen habe Alternative Indie zu hören, bin ich auf elektronische Synthesizer und Drums gestoßen. Von da an bin ich immer weiter in die elektronische Richtung gerutscht.

Techno trägt den Charakter des Ursprünglichen in sich. Viele Richtungen elektronischer Tanzmusik wurzeln in diesem Genre. Woher kommt diese Vorliebe für das Reduzierte und Harte im Techno?

ALX: Mein Leitgedanke “Keep it various and simple” trifft auf die Form des Techno zu, die mir am Herzen liegt. Alleine mit Drums und Percussions lässt sich ein Rhythmus erzeugen und wesentlich mehr braucht es auch nicht. Zusätzlich verarbeite ich ein paar Samples und das Ergebnis ist immer irgendwas im Warehouse- oder Industrial-Techno Bereich. Melodische und harmonische Elemente haben gegenüber den Drums in meinen Produktionen den Nachrang. Ich höre privat gerne Deep-House und melodischere elektronische Musik, aber selbst produziere ich lieber kantiger und härter. Vermutlich hängt das auch mit meiner Erfahrung aus dem Metall zusammen, die ich mit dem Techno verbunden habe.

Was regt dich zum Produzieren an?

ALX: Ich recorde selbst gerne und oft Samples, schlage etwa mit einer Kanne gegen die Wand und arbeite mit dem entstandenen Sound. Geräusche in meinem Umfeld beeinflussen meine Arbeit und motivieren mich. Üblicherweise verbringe ich den ganzen Tag in der Arbeit. Wenn ich am Abend heimkomme, dann fange ich einfach mit einem neuen Track an, ohne vorher große Pläne geschmiedet zu haben. Dementsprechend liegen auf meinem Computer viele Projekte, die ich nie abgeschlossen habe. Für mich ist jede Nummer ein Probierfeld. An manchen Tagen geht nicht viel weiter und an anderen kann es sein, dass ich innerhalb von wenigen Stunden einen ganzen Track abschließe.

Du beschreibt dich selbst als Techno-Produzent. In Zeiten der Deep-House und Disco Welle, stößt man ja kaum noch auf jemanden, der sich das laut auszusprechen traut. Legst du mit deinem hauseigenen Label einen Schwerpunkt auf Techno?

ALX: Das Label ist eigentlich Resultat einer Vereinsgründung. Die Mitglieder kommen aus dem Ennstal und haben den Verein gegründet, um in dieser Gegend Veranstaltungen machen zu können. Alle haben unterschiedlichen Sound gespielt – Dubstep, Drum’n’Bass, Elektro, House usw. Erst später sind wir auf die Idee gekommen, ein Label zu gründen. Man kann nicht sagen, dass es einen Schwerpunkt auf ein Genre setzt. Das steckt erst in den Startlöchern und wird sich entwickeln.

War man vor 10 Jahren noch cool, wenn man in der Schulband gespielt hat, legt man heute auf, wenn man was auf seinen Status hält. Was denkst du, ist das reizvolle an Clubmusik und Dj-Kultur?

ALX: In letzter Zeit sieht man, dass immer mehr Leute beginnen, ob mit Laptop, Platten, CD’s oder was auch immer, aufzulegen. Ich glaube es motiviert viele, weil es Spaß macht und man unmittelbar mit einer Reaktion rechnen kann. Die tanzenden Leute reagieren auf dein Tun. Das ist zumindest auch mein Hauptgrund aufzulegen.


Du bist Produzent, Dj und Grafiker. Bist du selbstständig? Kannst du davon leben?

ALX: Ich arbeite seit fünf Jahren bei Blue Tomato. Ich mache nebenher auch kleine Dinge für Freunde und Bekannte, aber selbstständig bin ich nicht. Ursprünglich habe ich mich mit Maschinenbau und Technischem Zeichnen auseinandergesetzt und schon währenddessen immer wieder selbst Sachen gebaut. Als ich mit der Lehre fertig war, wollte ich was Neues starten, hatte das Glück bei Blue Tomato anfangen zu können und einer Tätigkeit nachzugehen, die mir sehr viel Spaß macht. Letztlich verhält es sich mit der Musik ganz gleich. Nur kann ich nicht von ihr leben.

Was muss man in der österreichischen Szene tun, um gehört zu werden?

ALX: Es reicht heute nicht mehr, Mixtapes aufzunehmen. Man muss selbst produzieren, ganz egal, ob Remixes oder eigene Tracks. Im Moment frage ich auch wieder bei Bands an, ob ich Nummern von ihnen remixen kann. Mir fällt eigentlich nur ein Typ aus Belgien ein, der wirklich nur durch seine Mixtapes berühmt geworden ist und auch mit anderen großen Acts auftritt. In Österreich kommt dazu, dass die “Freunderlwirtschaft” eine große Rolle spielt, wenn man wirklich wo auftreten will.

Bietet sich der Szene genug Raum oder siehst du einen Mangel an Veranstaltungsorten?

ALX: In Wien gibt es sicher genug Veranstaltungsorte. Das Problem ist eher, dass hier keine wirkliche Techno Szene existiert. Unlängst habe ich im Loft mit einem Veranstalter gesprochen, der meinte, dass Techno für die Szene vielleicht noch zu hart sei. Es gibt zwar in der Meuterei und in der Grellen Forelle Veranstaltungen, aber da sind dann auch bei großen Namen oft wenige Besucher. Deshalb habe ich Respekt davor, selbst eine Party aufzuziehen. Deep-House ist zur Zeit noch in allen Ohren. Ich hoffe, dass sich für Techno bald mehr Raum auftun wird. Eine reine Technoveranstaltung erscheint mir allerdings in Summe schwer umsetzbar. Man müsste den Abend vermutlich mit anderem, nicht ganz so hartem Sound auflockern.

Wie steht es um die räumlichen Möglichkeiten im Ennstal?

ALX: Dort ist es extrem schwierig. Wir hatten eine Veranstaltung, wo wir einen Kollegen aus UK gebucht haben, die recht erfolgreich war. Allerdings dürfte das eben daran gelegen haben, dass wir alle Stile vermischt haben. Bei der letzten Party, die wir vor etwa ein bis zwei Jahren veranstaltet haben, war Dead Battery da, aber trotz des bekannten Namens, waren kaum Leute zu mobilisieren. Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir uns entschieden haben, in Städte zu gehen und in Wien und Graz zu veranstalten. In Graz hat unsere Party ausgezeichnet funktioniert. Wir haben uns an diesem Abend auf D’n’B konzentriert und der zweite Floor der Postgarage war voll. Im Ennstal kommt dazu, dass wir uns bei den Partys immer sehr viel angetan, selbst dekoriert und Getränke gecheckt haben. Unterm Strich ist es meist zu viel Aufwand für zu wenig Outcome. In Wien will ich versuchen, mir einen Namen zu machen und auf der Basis vielleicht auch wieder zu veranstalten.


Wie siehst du die Zukunft der österreichischen Musikszene?

ALX: Ich glaube, dass sich am Land, wie etwa im Ennstal, nicht viel entwickeln wird und man dort auch in Zukunft nur schwer Technopartys veranstalten wird können. Am Land funktionieren meist nur Themenpartys, die sich nicht wiederholen lassen. Es ist kaum möglich, etwa monatlich, eine Party zu veranstalten. Die Konkurrenz durch die Großraumdiskotheken mit kommerziellem musikalischem Angebot ist zu groß. In den Städten kann sich in Richtung Techno wieder viel tun und das kann auch schnell gehen. Schade ist, dass Clubs wie das Niesenberger in Graz, wo Techno gut funktioniert hat, schließen.

Wie sehen deine Pläne für 2014 aus?

ALX: Ich habe gerade mit einem Kollegen ein neues Projekt, “N/A”, gestartet und arbeite mit ihm an einer ersten EP. Ich versuche auch für dieses Projekt Remixes aufzustellen, da ich nach Deutschland gute Kontakte habe. Wir wollen uns einen Namen zu machen, indem wir einen eigenständigen und qualitativ hochwertigen Sound generieren. Eigentlich verfolgen wir den Anspruch, ein neues Subgenre zu entwickeln. Zeitgleich müssen wir auch beobachten, was sich in der Szene tut und was in Österreich auf der Techno-Ebene passiert. Es gilt, sowohl an ALX als auch an “N/A” zu arbeiten. Mit ALX bin ich gerade wieder von Australiern angeschrieben worden, die meine Musik spannend finden und gemeinsam etwas machen wollen. Ich bin motiviert, offen und will versuchen mit meinen Produktionen Aufmerksamkeit zu erregen.

Wäre es ein Traum von dir, von der Musik alleine leben zu können?

ALX: Mir ist es wichtig, abgesichert zu sein. Abgesehen davon ist der Rhythmus Arbeit und Musik auch sehr angenehm und befruchtend. Ich höre in der Arbeit den ganzen Tag Musik und hole mir Ideen, die ich am Abend zu Hause umsetzen kann. Würde ich nur Musik machen, dann wäre mir das vielleicht auch einfach zu viel. Mein Job ist super, weil ich ständig zwischen Schladming und Wien hin und her fahre. Das bietet mir die Möglichkeit, auch an der Natur zu sein und mal Snowboard fahren zu gehen. Diese Mischung aus Stadt und Berg kann anstrengend sein, aber inspiriert mich auch.

Lucia Laggner

 

Foto Credit: Dominik Lenz

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