mica-Interview Katrin Navessi

Die Singer-Songwriterin Katrin Navessi stammt aus Wien und ist Teil einer starken österreichischen Szene. Außerdem ist sie die Frontfrau der Band Jellybeat, zurzeit arbeitet sie an ihrem Debüt-Album – wie das werden wird, verrät die hoffnungsvolle Liedermacherin im Interview mit Jürgen Plank.

Hast du jemals andere Kunstrichtungen außer Musik versucht?

Musik war schon immer da für mich. Ich habe schon in der Volksschule Lieder auf Kasette aufgenommen – von Ö3 – und versucht die Texte zu lernen und ich habe in meinem Volksschulenglisch die Texte aufgeschrieben und auswendig gelernt. An irgendwelchen Songs habe ich bald mal gebastelt. Früher war ich davon abhängig, dass mich jemand begleitet, der ein Instrument spielt. Als ich 14 war, hat es sich ergeben, dass jemand eine Kindergitarre wegwerfen wollte. Ich habe die vor dem Mistkübel gerettet und neue Saiten aufgezogen. Dann habe ich mich hingesetzt und mir ein paar Griffe angeschaut und ich habe zwei Griffe gekonnt und habe die erste Nummer geschrieben. Da ist eine neue Welt aufgegangen, durch die Möglichkeit sich selbst zu begleiten.

Malen habe ich auch probiert, auch Tanz, weil ich im Ballett-Unterricht bei Birkmeyer war, aber das war mir zu streng. Und mein Vater ist ja Maler, das habe ich mir auch angeschaut, mit Acryl zu malen, taugt mir auch und ich habe vor im Alter von 50 Jahren eine Ausstellung zu machen. (lacht)

Erinnerst du dich noch an deinen ersten eigenen Song. Mit zwei Akkorden, das klingt ja nach Punk?

Ja, das stimmt, mein erster Auftritt war mit einer Punkband. Davor habe ich nur in der Volksschule im Chor gesungen und war bei einer Volksmusik-Sache im Studio dabei. Aber dann: Die Band “Die Sozialschmarotzer” gab es aber nur für ein Konzert, aber ich habe einige Songs geschrieben. Die Lieder waren recht einfach, ich habe auf Deutsch und auf Englisch geschrieben. So im Stil von Blondie, die englischensprachigen Sachen und die deutschsprachigen Lieder waren von Bands beeinflusst wie Terrorgruppe, Wizo oder Ideal. Meine Texte waren eher kritisch, da gab es dann ein Lied über ein Mädchen, das sexuell missbraucht worden ist, und das hat niemand gesehen. Meine eigenen ersten Solo-Songs waren eher melancholisch, in die Richtung von Sinead O’Connor gehend.

Du arbeitest gerade an deinem Debüt-Album – wie wird denn das, was wird darauf zu hören sein?
Das Ziel, das ich mit dem Album erreichen will, ist mein Spektrum und meinen musikalischen Geschmack zu zeigen. Es wird von der Instrumentierung her sehr einfach sein, aber trotzdem berühren. Es sind englischsprachige Songs, die erzählen Geschichten, die meistens aufgrund eines Gefühls oder einer Situation, eines Konfliktes entstanden sind. Oder ein Gefühl, das so stark war, dass ich nicht umhin konnte ein Lied darüber zu schreiben. Ich glaube, dass man sich auch darin wieder finden kann.

Wie ist denn der Unterschied zwischen der Singer-Songwriterin Katrin Navessi und Katrin Navessi als Frontfrau der Band Jellybeat?
Bei den Solo-Sachen bin ich meine eigene Chefin, da entscheide ich natürlich allein. Die Songs entstehen so: Ich beginne meistens einfach zu spielen und habe irgendeinen Text dazu und das kann oft monatelang dauern, bis das Lied fertig ist. Es ist so, als ob man mit einem Lied schwanger ist. Und irgendwann ist es fertig. Von der ersten Skizze bis zum fertigen Songs verändert es sich oft total, das weiß ich, weil ich mir die Skizzen oft mit einem MP3-Rekorder aufnehme.

Bei Jellybeat kriege ich von den Jungs die Musik in Skizzen und ich schreibe dann die Texte dazu. Ich schreibe anders, das ist spannend, weil man in eine andere Richtung denken muss, es geht mehr in Richtung Pop. Ich verwende einfachere Worte, damit man das kapiert, damit das gut ins Ohr geht. Es ist eine andere Art der Herausforderung, man schaut mehr auf die Schlagworte und die Hooklines. Und das mache ich bei den Solo-Sachen nicht so – das muss sich einfach zu 100 Prozent richtig anfühlen und dann ist es fertig.

Du hast einen iranisch-österreichischen Background. Dort ist es nicht ganz leicht mit Äußerungen von Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen. Musik zu machen oder auch Ausstellungen Bildern ist dort nicht so leicht möglich. Spielt das in dein Tun irgendwie hinein oder ist das vollkommen egal für dich?

Ich habe insofern nicht so viel damit zu tun, als ich in Österreich aufgewachsen bin und eher durch meine österreichische Mutter mehr den Background von hier mehr absorbiert habe als den iranischen. Aber interessant ist in diesem Zusammenhang schon, dass ich erfahren habe, dass Sängerinnen im Iran nicht alleine auftreten dürfen, da muss mindestens ein Mann dabei sein. Dort könnte ich solo gar nicht in der Öffentlichkeit auftreten und ich habe mich schon gefragt, ob das vielleicht unbewusst mitspielt, dass ich mich so oft alleine auf eine Bühne gestellt habe – ein bisschen als Statement. Das war zwar nicht vordergründig da, aber vielleicht ist es ein bisschen ein Statement. Im Iran zu leben, kommt für mich aus all diesen Gründen sowieso nicht in Frage, ich war schon mal dort, im Jahr 2006 zum letzten Mal.

Jede Sängerin hat ja Lieblingsbands oder Sängerinnen, die als Einflüsse zu nennen sind. Wie ist das bei dir?

Ja, ich habe immer ganz viel Gitarrenmusik gehört. In meinen Teenager-Jahren waren das Bands wie Nirvana, also viel Grunge, Punk, Brit-Pop und Indie. Ich habe dann auch gerne Minimal-Techno gehört und mich in diese Richtung umgehört. Aber das beständigste ist eigentlich Gitarrenmusik. Björk war als Sängerin, als Songwriterin und Geschichtenbauerin für mich immer ganz wichtig – auch als visuelle Künstlerin. Und auch PJ Harvey war mir immer wichtig und einzelne Singer-Songwriter wie Bob Dylan.

Und was möchtest du mit deiner Musik erreichen? Bis an die Spitze der Charts?
Wenn es sich ergibt, ist es natürlich schön, aber ich glaube, dass meine Musik im Indie-Bereich zu Hause ist und das ist auch okay so. Bei meinen Solo-Songs geht es mir um die Authentizität. Es trägt zu meiner persönlichen Lebensqualität bei, Songs zu schreiben und dann auf ein Album zu bringen, das erfüllt mich einfach. Auch zu sehen, dass die Funken zu anderen überspringen – das ist eine schöne Geschichte. Ich lasse mich überraschen, in welche Richtung es gehen wird oder welche Auswirkungen es haben wird. Ich möchte mich nicht verkaufen.

Außer in Form von CDs.
Außer CDs, ja. (lacht)

http://www.myspace.com/katrinnavessi
http://www.myspace.com/jellybeat